Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.2002, Az.: 5 LB 3648/01
Anrechnung; Eigenbeteiligung; Grundgehalt; Heilfürsorge
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.06.2002
- Aktenzeichen
- 5 LB 3648/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43952
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 16.05.2001 - AZ: VG 3 A 144/99
- nachfolgend
- BVerwG - 27.11.2003 - AZ: BVerwG 2 C 37.02
Rechtsgrundlagen
- Art 75 GG
- Art 74a GG
- Art 33 Abs 5 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- § 48 BRRG
- § 10 BBesG
- § 224 Abs 3 BG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der niedersächsische Landesgesetzgeber ist, weil der Bund seine Rahmenkompetenz insoweit nicht ausgeschöpft hat, zuständig, die Heilfürsorge für Polizeivollzugsbeamte zu regeln; diese ist Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nicht der Alimentationspflicht.
2. Durch die landesgesetzliche Regelung, wonach die Polizeivollzugsbeamten zu einer Eigenbeteiligung an ihrer Krankenvorsorge in Form einer Anrechung von 1,3 v.H. auf das Grundgehalt herangezogen werden, wird nicht rechtsmissbräuchlich in die besoldungs-rechtliche Kompetenz des Bundes eingegriffen und weder gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, noch gegen die Alimentations- und Fürsorgepflicht, noch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Gründe
Der Kläger, der Polizeibeamter des Landes Niedersachsen ist, wendet sich dagegen, dass seit dem 1. Februar 1999 von seinen Dienstbezügen 1,3 vom Hundert des Grundgehaltes wegen der Absicherung durch die Heilfürsorge einbehalten werden.
Die Klage, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung seiner Bezüge ohne die Kürzung in Höhe dieser Eigenanteile begehrt, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Die vom Beklagten vorgenommenen Abzüge vom Grundgehalt des Klägers entsprechen unstreitig der durch § 224 Abs. 3 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1999 vom 21. Januar 1999 (NdsGVBl. S. 10) getroffenen gesetzlichen Regelung. Diese wiederum ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dem niedersächsischen Landesgesetzgeber fehlte für diese Regelung nicht die Zuständigkeit (1), er hat bei der Wahrnehmung seiner Zuständigkeit nicht gegen das Prinzip der Bundestreue (2) und auch nicht gegen sonstiges materielles Verfassungsrecht verstoßen (3). Die Bestimmung des § 10 BBesG steht der Heranziehung zu einer Eigenbeteiligung an der Krankheitsvorsorge weder entgegen noch ermöglicht sie diese (4).
1. Die Kompetenz des Landes Niedersachsen zu der in der Neufassung des § 224 Abs. 3 NBG getroffenen Regelung ergibt sich daraus, dass der Bereich der beamtenrechtlichen Heilfürsorge eine Materie ist, für die der Bund die Rahmenkompetenz besitzt, die er insoweit nicht ausgeschöpft hat. Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist die Heilfürsorge hingegen nicht. Nach Art. 74 a Abs. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf die Besoldung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, soweit nicht dem Bund nach Art. 73 Nr. 8 GG die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis zusteht. Heilfürsorge ist nicht Besoldung im Sinne dieser Vorschrift. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 8. Dezember 1982 (2 BvL 12/79 -, BVerfGE 62, 354 = ZBR 1983, 205) entschieden, dass zur Besoldung in diesem Sinne auch der Anspruch auf freie Heilfürsorge gehört, und dies damit begründet, dass unter "Besoldung" in Art. 74 a Abs. 1 GG sämtliche in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährten Leistungen zu verstehen seien. Die freie Heilfürsorge sei nicht anders zu behandeln als die ihr von der Zweckrichtung her verwandte Beihilfe, die als zur Alimentation gehörig betrachtet werde.
Dieser Auffassung, die auch heute noch von einem Teil der Kommentarliteratur zustimmend zitiert wird (vgl. die Nachw. bei Jachmann, Zur Rechtsnatur der Beihilfevorschriften, ZBR 1997, 342, 343 N. 13), vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Sie ist durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Danach werden Heilfürsorge und Beihilfe gerade nicht in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährt. Die Beihilfe und die Heilfürsorge finden ihre Grundlage vielmehr in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89; Beschl. v. 9.3.2000 - 2 BvL 8/99 -, DVBl 2000, 1117, 1118; Beschl. v. 25.9.2001 - 2 BvR 2442/ 94 -, DVBl 2002, 115; BVerwG, Urt. v. 18.6.1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212; Urt. v. 21.1.1982 - 2 C 46.81 -, BVerwGE 64, 333; Urt. v. 22.3.2001 - 2 C 36.00 -, NVwZ 2001, 1409; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.8.1995 - 4 S 697/94 -, DÖD 1996, 207). Die amtsangemessene Alimentation wird durch die entsprechend dem Bundesbesoldungsgesetz gewährten Dienstbezüge sichergestellt; sie enthält auch einen Anteil, mit dem der Beamte die im Krankheitsfalle zu erwartenden Aufwendungen begleichen soll (BVerfG, aaO). Die aus Anlass eines konkreten Krankheitsfalles vom Dienstherrn gewährten Leistungen (Beihilfe, Heilfürsorge) ergänzen die Alimentation aus Fürsorgegründen, sind aber nicht Teil der Alimentation (BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, aaO). Nicht zu überzeugen vermag deshalb der Versuch, die Zuordnung der Heilfürsorge und Beihilfe zur Besoldung im Sinne von Art. 74 a GG mit der Unterscheidung zwischen " alimentativen " (von Art. 74 a GG erfassten) und "nicht alimentativen " Fürsorgeleistungen (nicht von Art. 74 a GG erfassten) zu rechtfertigen (vgl. Schwegmann/Summer, Einf. vor § 1 BBesG Rdnr. 2; Jachmann aaO S. 343). Wenn Beihilfen und Heilfürsorge nicht in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährt werden, handelt es sich eben nicht um " alimentative " Fürsorgeleistungen. Nach alledem ist der im Schrifttum ebenfalls vertretenen Auffassung zu folgen, dass Heilfürsorge (und Beihilfe) nicht "Besoldung" im Sinne von Art. 74 a GG ist (vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar, 1984, RdNr. 51 zu Art. 74 a; ders., in: Sachs/Battis, Grundgesetz, 1996, RdNr. 8 zu Art. 74 a; Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, RdNr. 7 zu Art. 74 a; Rengeling, in: HdbStR IV, 1990, § 100 Rdnr. 243; Bothe, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. 1989, RdNr. 5 zu Art. 74 a; Schnellenbach, NVwZ 1988, 40, 41; ders., Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, VerwArch 92 (2001), 2, 22; Fürst, in: GKÖD I K § 79 RdNr. 14).
Hinsichtlich der Regelung der den Landesbeamten gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn steht dem Bund gemäß Art. 75 GG die Kompetenz zur Rahmengesetzgebung zu. Er hat davon in § 48 BRRG nur in sehr allgemeiner Form Gebrauch gemacht und jedenfalls keine Regelung der Frage getroffen, ob und in welchem Umfang Landesbeamten freie Heilfürsorge zu gewähren ist. Dem Landesgesetzgeber stand insoweit bundesgesetzlich keine Regelung entgegen.
2. Der Landesgesetzgeber hat durch die Art und Weise der Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz, d.h. durch die in § 224 Abs. 3 NBG n. F. getroffene inhaltliche Regelung auch nicht in missbräuchlicher Weise in die bundesrechtliche Regelung eingegriffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue eine Rechtsschranke für die Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen im Bundesstaat. Bei der gerichtlichen Prüfung, ob der Landesgesetzgeber durch eine Regelung in eine vom Bund in Wahrnehmung seiner Kompetenz getroffene Regelung eingreift und dadurch gegen eine aus dem Grundsatz der Bundestreue abzuleitende Schranke seiner Gesetzgebungsbefugnis verstoßen hat, handelt es sich allerdings nur um eine Kontrolle der Einhaltung äußerster Grenzen. Ein Landesgesetz wäre aus diesem Grunde nur verfassungswidrig, wenn der Landesgesetzgeber seine Freiheit offenbar missbraucht hätte (BVerfG, Beschl. v. 1.12.1954 - 2 BvG 1/54 -, BVerfGE 4, 115, 140; Urt. v. 10.5.1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76, 99; Urt. v. 19.10.1982 - 2 BvF 1/81 -, BVerfGE 61, 149, 205; Beschl. v. 9.3.2000 - 2 BvL 8/99 - u.a. -, DVBl 2000, 1117, 1118). Ein derartiger gezielter Missbrauch durch Schaffung der Regelung des § 224 Abs. 3 NBG n. F. ist hier nicht erkennbar. Insbesondere greift der niedersächsische Gesetzgeber dadurch, dass er in dieser Bestimmung die Höhe der Eigenbeteiligung an der Krankheitsvorsorge an das jeweilige Grundgehalt anknüpft, nicht willkürlich in das vom Bundesbesoldungsgesetzgeber vorgesehene Spannungsverhältnis zwischen den Besoldungsgruppen und ihrer jeweils als amtsangemessen angesehenen Besoldung ein. Der niedersächsische Gesetzgeber beachtet, dass die Heilfürsorge (ebenso wie die Beihilfe) und die Alimentation unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben. Wie bereits ausgeführt, dient die vom Bund geregelte Besoldung der Erfüllung des aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Alimentationsprinzips, das den Dienstherrn verpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, aaO). Die der Regelungskompetenz des Landes überlassene Heilfürsorge findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage hingegen in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und erfolgt im konkreten Krankheitsfalle durch zusätzliches, ergänzendes Eingreifen des Dienstherrn, um zu vermeiden, dass die amtsangemessene Alimentation durch die dem Beamten entstehenden Aufwendungen aus Anlass von Krankheitsfällen beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.11.1991 - 2 N 1.89 -, BVerwGE 89, 207, 209). Da, wie bereits erwähnt, die bundesrechtlich geregelten Dienstbezüge einen Anteil enthalten, der der Vorsorge für den Krankheitsfall dient, erwartet und gebietet der Bundesgesetzgeber nicht, dass der Landesgesetzgeber den Beamten von sämtlichen Aufwendungen im Krankheitsfall freistellt, so dass das Grundgehalt ungekürzt für andere Zwecke zur Verfügung steht. Eine gewisse Eigenbeteiligung des Beamten an den Krankheitskosten (nicht nur denen von Familienmitgliedern, sondern auch den eigenen) wird also bundesgesetzlich vorausgesetzt.
Durch die Art, wie er die Eigenbeteiligung des Polizeivollzugsbeamten an der eigenen Krankheitsvorsorge ausgestaltet hat, verstößt der niedersächsische Gesetzgeber ebenfalls nicht rechtsmissbräuchlich gegen die seiner Kompetenz gesetzten Grenzen. Bei der Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht im Bereich der Heilfürsorge/Übernahme von Krankheitskosten steht dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu; das gilt auch für die Regelung von Art und Höhe der Eigenbeteiligung des Beamten. Die Zuzahlung des Beamten im konkreten Krankheitsfall ist keineswegs die einzige mit höherrangigem Recht vereinbare Beteiligungsform. Der Landesgesetzgeber handelt bundesrechtskonform auch dann, wenn er an die Tatsache anknüpft, dass die Dienstbezüge einen Anteil für die Krankheitsvorsorge enthalten, und vom Heilfürsorge beanspruchenden Beamten erwartet, dass er regelmäßig - auch in Zeiten, in denen er nicht krank ist - einen Teil dieses Anteils als Eigenbeteiligung aufbringt. Da der in den Dienstbezügen enthaltene Anteil für die Krankheitsvorsorge im Regelfall deutlich über 1,3 v. H. des Grundgehalts liegen dürfte, kann von einer relevanten Verfälschung des bundesrechtlich intendierten Spannungsverhältnisses zwischen den Besoldungsgruppen durch den niedersächsischen Landesgesetzgeber nicht ausgegangen werden. Eine Nivellierung des Spannungsverhältnisses wird dadurch vermieden, dass der Prozentsatz, mit dem die Beamten zu einer Eigenbeteiligung herangezogen werden, stets gleich ist. Die Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vom 18.11.1998, Drucks. 14/350, S. 1, 22) ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des Landes Niedersachen mit der angegriffenen Regelung besoldungsrechtliche Ziele verfolgen wollte. Die Heranziehung zu einer Eigenbeteiligung erfolgte aus haushalts- und finanzpolitischen Erwägungen. Für die Anknüpfung an das Grundgehalt mit der Folge, dass der Beamte mit höherem Grundgehalt einen absolut höheren Beitrag zu seiner Krankenvorsorge leistet, waren soziale Gesichtspunkte maßgeblich, also ein Kriterium, das im Rahmen von Fürsorgeleistungen ein legitimes Bemessungskriterium ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.2000, aaO; a.A. BVerwG, Urt. v. 25.6.1987 - 2 N 1.86 -, BVerwGE 77, 345, 351, allerdings nur in einem obiter dictum.
Schließlich fehlt es an einem rechtsmissbräuchlichen Eingriff des § 224 Abs. 3 Satz 2 NBG n. F. in die Regelung des Bundesbesoldungsgesetzes auch deshalb, weil die Anrechnung auf die Besoldung nur dann erfolgt, wenn sich der Polizeivollzugsbeamte dafür entscheidet, Heilfürsorge in Anspruch zu nehmen. Er kann die Gewährung von Heilfürsorge auch (durch unwiderrufliche Erklärung) ablehnen und erhält dann ungekürzte Dienstbezüge und Beihilfe (§ 224 Abs. 4 NBG n. F.). Dadurch wird deutlich, dass der niedersächsische Gesetzgeber nicht eine unzulässige besoldungsrechtliche Regelung getroffen, sondern lediglich in praktikabler Weise geregelt hat, wie die Eigenbeteiligung an einer Fürsorgeleistung für diejenigen Beamten verwirklicht wird, die von dem ab 1. Februar 1999 geltenden Angebot der Heilfürsorge Gebrauch machen möchten.
3. Die Regelung des § 224 Abs. 3 NBG n. F. verstößt auch im Übrigen nicht gegen materielles Verfassungsrecht.
a) Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG des Inhalts, dass den Polizeivollzugsbeamten uneingeschränkt freie Heilfürsorge zu gewähren sei, gibt es nicht. Der Begriff des hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums setzt zum einen ein gewisses "Herkommen" als Ausweis ihrer Bewährung voraus. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang für unabdingbar gehalten, dass eine Regelung sich jedenfalls auf die Weimarer Zeit zurückführen lassen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.1981 - 2 BvR 1067/80 -, BVerfGE 58, 68, 76). Ob diese Voraussetzung hier erfüllt ist, ist zweifelhaft. Soweit ersichtlich, wurde Schutzpolizeibeamten in Preußen, dem Vorgängerstaat des Landes Niedersachen, erstmals auf Grund der Verfügung des Ministers des Innern vom 29. August 1923 (PrMBliV 1923 S. 906) freie ärztliche Behandlung gewährt. Diese Verfügung erging auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 des Gesetzes über das Diensteinkommen der unmittelbaren Staatsbeamten vom 17. Dezember 1920/1. April 1923 (PrGS 1923 S. 167). Diese Bestimmung räumte den Schutzpolizeibeamten nicht einen Anspruch auf freie Heilfürsorge ein, sondern überließ die Regelung dem jeweiligen Haushaltsplan. Die genannte Verfügung über die Heilfürsorge vom 29. August 1923 wurde abgelöst durch eine besondere Dienstvorschrift für die staatliche Polizei mit Wirkung vom 1. Januar 1933 (PrMBliV 1933 S. 9) und ersetzt mit Wirkung vom 1. April 1940 durch die Heilfürsorgebestimmungen für die Polizei des Reiches (PDV 10) vom 8. März 1940 (MBliV 1940 S. 442). Diese PDV 10 galt im Lande Niedersachsen fort, bis durch § 224 Abs. 2 NBG vom 14. Juli 1960 (NdsGVBl. S. 145) ein gesetzlicher Anspruch auf freie Heilfürsorge begründet wurde. Dass sich die freie Heilfürsorge in Niedersachsen auf die Weimarer Zeit zurückführen lässt, genügt indessen nicht für die Annahme eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Vorausgesetzt ist nämlich außerdem, dass es sich dabei um eine Regelung mit "Grundsatzcharakter" handeln muss, also um eine Regelung, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägt (std. Rspr. d. BVerfG, z.B. BVerfG, Beschl. v.15.12.1976 - 2 BvR 841/73 -, BVerfGE 43, 154, 185 [BVerfG 14.12.1976 - 2 BvR 99/76]). Das ist der Fall, wenn eine wesentliche Änderung, Durchbrechung oder Abschaffung der fraglichen Regelung zu der Schlussfolgerung führt, von einem Fortbestehen des Berufsbeamtentums in seiner herkömmlichen Gestalt könne nicht mehr gesprochen werden. Nach diesen Maßstäben gehört der Anspruch auf freie Heilfürsorge nicht zu den verfassungsrechtlich geschützten "hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums". Auch wenn die freie Heilfürsorge Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist, handelt es sich doch nur um eine begrenzte Beamtengruppe, die bislang in den Genuss dieser Regelung gekommen ist. Es fehlt an der Allgemeinheit und am Grundsatzcharakter der Regelung. Deshalb ist die freie Heilfürsorge nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG vor Veränderungen durch den Gesetzgeber geschützt. Ebenso wenig wie es eine spezielle verfassungsrechtliche Verpflichtung gibt, den Beamten für Krankheitsfälle Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne des bestehenden Beihilfesystems oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.3.1977 - 2 BvR 1039, 1045/75 -, BVerfGE 44, 249, 263; Beschl. v. 23.6.1981 - 2 BvR 1067/80 -, BVerfGE 58, 68, 77), hat der in Niedersachsen bis 1999 bestehende Anspruch auf freie Heilfürsorge Verfassungsrang.
b) Der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Grundsatz der Alimentation ist nicht verletzt. Das Alimentationsprinzip schließt einen Anspruch auf freie Heilfürsorge nicht ein. Wie bereits ausgeführt, verpflichtet es den Dienstherrn, dem Beamten und seiner Familie einen angemessenen Unterhalt zu leisten, der grundsätzlich den gesamten Lebensunterhalt einschließlich der Kosten einer Krankenvorsorge sicherstellt (BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 28.11.1991, a.a.O., 207, 208). Eine Verletzung des Alimentationsprinzips wäre nur dann denkbar, wenn der Beamte im konkreten Krankheitsfall derart viele Mittel aufwenden müsste, dass die ihm verbliebenen Besoldungsanteile eine amtsangemessene Lebensführung nicht mehr garantieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 28.11.1991, a.a.O.). Angesichts des Umstandes, dass dem Polizeivollzugsbeamten im Krankheitsfalle Heilfürsorge gewährt wird und seine Eigenbeteiligung zur Krankenvorsorge lediglich in Höhe von 1,3 v. H. des Grundgehaltes erhoben wird, bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dadurch der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten gefährdet wird.
c ) Verletzt ist auch nicht der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Anspruch des Beamten auf Fürsorge. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn fordert nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung im jeweils vollen Umfang. Sie gebietet lediglich sicherzustellen, dass der Beamte nicht mit erheblichen Krankheitsaufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, a.a.O.). Das ist hier ohne Zweifel gewährleistet. Gegen eine Eigenbeteiligung von 1,3 v. H., die monatlich vom Grundgehalt einbehalten werden, erhält der Polizeivollzugsbeamte eine Freistellung von Aufwendungen im Krankheitsfalle in Form von Heilfürsorge. Damit ist der Polizeivollzugsbeamte immer noch wesentlich besser gestellt als die Beamten, denen der Dienstherr in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht im Krankheitsfalle Beihilfen zum Ausgleich eines Teils der krankheitsbedingten Aufwendungen gewährt und die zur Abdeckung des nicht gedeckten Teils von ihren Dienstbezügen Krankenversicherungsbeiträge aufbringen oder Rücklagen bilden müssen, die deutlich über dem sich aus § 224 Abs. 3 Satz 2 NBG ergebenden Betrag liegen. Dem größeren Maß an körperlichem Einsatz und gesundheitlichen Gefährdungen der Polizeivollzugsbeamten wird hierdurch - und durch die Unfallfürsorgeleistungen - hinreichend Rechnung getragen.
d) Weder aus Art. 33 Abs. 5 GG noch aus anderen Verfassungsbestimmungen lässt sich hinsichtlich der freien Heilfürsorge ein Anspruch des Beamten auf Besitzstandswahrung herleiten. Der Beamte kann nicht darauf vertrauen, dass der Dienstherr aus Gründen der Fürsorge gewährte Leistungen für alle Zukunft weiter in bisheriger Höhe gewährt. Vielmehr stehen derartige Leistungen unter dem Vorbehalt der Kürzung z. B. in Zeiten beengter öffentlicher Haushaltsmittel. Auch die eigentliche Alimentation kann durch den Dienstherrn gekürzt werden, so lange sie nicht an der unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentierung liegt (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1999 - 2 BvR 544/97 -, ZBR 1999, 381). Es gibt keinen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf Erhaltung des erlangten Besitzstandes in Bezug auf ein einmal erreichtes Einkommen (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1999, a.a.O.). Das gilt ebenso für Fürsorgeleistungen, die dem Beamten aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gewährt werden. In den geschützten Kern der Fürsorgepflicht wird nicht eingegriffen, wenn die Heilfürsorge von einer Eigenbeteiligung in Höhe von 1,3 v .H. des Grundgehalts abhängig gemacht wird.
e) Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend machen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass die Polizeivollzugsbeamten im Vergleich zu den übrigen Landesbeamten bevorzugt werden. Es steht ihnen frei, den Weg der Beihilfe zu wählen (§ 224 Abs. 4 NBG), um wie die übrigen Landesbeamten behandelt zu werden. Tun sie dies nicht und nehmen sie Heilfürsorge in Anspruch, so werden sie zu einer Eigenbeteiligung herangezogen, die deutlich geringer ist als die anderer Beamter, die Beihilfe beziehen und die von der Beihilfe nicht gedeckten Aufwendungen selbst tragen oder versicherungsmäßig abdecken müssen.
Die Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Polizeivollzugsbeamten - ein Beamter mit höherem Grundgehalt hat im Vergleich zu demjenigen mit niedrigerem Grundgehalt einen absolut höheren Beitrag zu leisten - beruht auf sachgerechten Erwägungen. Auf dem hier gegebenen Feld der Fürsorge ist es sachlich gerechtfertigt, an die unterschiedliche Bedürftigkeit anzuknüpfen und nach ihr zu differenzieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.2000, a.a.O.). Im Übrigen handelt es sich nur im Hinblick auf die absoluten Beträge um eine Ungleichbehandlung; relativ erfolgt eine Gleichbehandlung, da jeder Polizeivollzugsbeamte mit dem gleichen Prozentsatz von 1,3 seines Grundgehaltes herangezogen wird.
Die Schlechterstellung der Polizeivollzugsbeamten gegenüber den Landesbeamten des Feuerwehrdienstes, die im Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst (Einsatzdienst) stehen (§ 230 Abs. 1 NBG), und gegenüber den entsprechend eingesetzten Feuerwehrbeamten der Gemeinden und Landkreise, für die diese keine Gleichbehandlung mit den Polizeivollzugsbeamten beschlossen haben (vgl. § 230 Abs. 2 NBG), ist nicht willkürlich. Der Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst (Einsatzdienst) des Feuerwehrbeamten weist gegenüber dem Dienst des durchschnittlichen Polizeivollzugsbeamten gewisse Besonderheiten auf, die die Gewährung freier Heilfürsorge ohne Eigenbeteiligung nicht als sachfremd erscheinen lassen. Dass es auch im Dienst eines Polizeivollzugsbeamten nicht selten zu ungewöhnlich gesundheitsgefährlichen und gesundheitsschädlichen Situationen kommt, steht dem nicht entgegen. Eine gewisse Typisierung liegt im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens.
4. § 10 BBesG steht der Heranziehung der Polizeivollzugsbeamten zu einer Eigenbeteiligung an ihrer Krankenvorsorge ebenfalls nicht entgegen; allerdings ist diese Bestimmung dafür auch keine geeignete Rechtsgrundlage. Mit dem Zweck einer besonderen Fürsorgeleistung, die nicht aufgrund der Alimentationspflicht, sondern aus Fürsorgegründen gewährt wird und die Besoldung ergänzen soll, ist eine Anrechnung nicht zu vereinbaren. Denn durch die Anrechnung würde dem Beamten wieder genommen werden, was ihm aus Fürsorgegründen gerade zukommen soll. Deshalb ist mit der herrschenden Meinung eine Anrechnung gemäß § 10 BBesG im Bereich der Heilfürsorge abzulehnen (Schwegmann/Summer, RdNr. 2 zu § 10 BBesG, RdNr. 8 zu § 70 BBesG; Schinkel, in: GKÖD, K, RdNr. 24 zu § 10 BBesG; Schütz/Brockhaus, RdNr. 11 zu § 189 NWBG). Bei der Anrechnung im Sinne von § 224 Abs. 3 Satz 2 NBG handelt es sich nicht um eine Anrechnung im Sinne von § 10 BBesG, sondern um ein verwaltungstechnisches Instrument, mit dem in praktikabler Weise die Eigenbeteiligung des Beamten an seiner Krankenvorsorge vollzogen wird. Das Maß der Fürsorge, das der Dienstherr durch die Heilfürsorge erbringt, ist - wie ausgeführt - von vornherein im Umfang der Eigenbeteiligung eingeschränkt.