Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.02.2002, Az.: 3 A 1416/01

Einführung von Erkenntnismitteln; fehlende Mitwirkung; mündliche Verhandlung; rechtliches Gehör

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
22.02.2002
Aktenzeichen
3 A 1416/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wird für die mündliche Verhandlung die Einführung aktueller Erkenntnismittel mit der Ladung angekündigt, können diese bei Nichterscheinen aller Beteiligten verwertet werden, weil rechtliches Gehör an der fehlenden Mitwirkung scheitert (Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. § 15 AsylVfG).

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er ist - nach eigenen Angaben - am 10. Mai 1985 geboren und sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er will im August 2001 mit dem Schiff nach Deutschland gekommen sein. Auf seinen Asylantrag vom 06. August 2001 wurde er am 09. August 2001 angehört. Als Grund Sierra Leone verlassen zu haben, gab er an: Im letzten Jahr seien seine Eltern von Rebellen getötet worden. Dies sei geschehen, als er selbst nicht zu Hause war. Als er zurückkehrte, hätten ihn die Rebellen mit Stöcken geschlagen und er habe dadurch mehrere Zähne verloren. Die Rebellen wollten ihn zwingen sich ihnen anzuschließen. Er habe diesen aber durch ein Fenster entkommen und sich bei einem Freund der Mutter (S.) versteckt halten können. Dann habe er sich ca. 2 Monate bei einem anderen Mann aufgehalten, der ihn mit dem Motorrad zu Hafen gefahren und zur Flucht auf ein großes Schiff verholfen habe. Nach 2-monatiger Reise, - ein Besatzungsmitglied half ihm, sei er mit dem Taxi zum Bahnhof und dann auf Anraten 3 Stunden mit dem Zug bis zur letzten Station gefahren. Nach 25 Minuten Fußweg habe er ein Schiff am Wasser erreicht, wo er sich dann als Asylbewerber habe melden können. Er könne allerdings weder Ausgangs- noch Zielhafen seiner Reise nach Europa nennen.

2

Die Beklagte sah in den Schilderungen keine asylrelevanten Verfolgungstatbestände. sondern nahm als Fluchtgrund die wirtschaftliche Not sowie die Bürgerkriegs- und Mangelsituation in Sierra Leone an. Sie wies darauf hin, dass sich die Lage in Sierra Leone aktuell konsolidiert und verbessert habe. Zwangsrekrutierungen durch Rebellen seien nicht mehr zu befürchten. Die Schilderungen seien vage und unsubstantiiert, etwa bei dem Reiseweg. Auch habe er nicht einmal den Namen der Rebellenorganisation (R.U.F.) gekannt.  Deswegen lehnte sie das Asylbegehren mit Bescheid vom 09. Oktober 2001, zugestellt am 12. Oktober 2001 durch Niederlegung, als offensichtlich unbegründet ab und hielt auch das Begehren nach § 51 AuslG für offensichtlich und das nach § 53 AuslG für unbegründet. Mit Nr. 4 des Bescheides forderte die Beklagte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Sierra Leone. an.

3

Die Klagebegründung vom 19. Oktober 2001 hat der Kläger nach rechtskräftiger Versagung von Eilrechtsschutz mit Beschluss vom 01. November 2001 (3 B 1417/01) und Hinweis darauf, dass er sein bisheriges Begehren mit einer überholten tatsächlichen Auskunftslage begründet habe, nicht ergänzt oder sich zu den Ausführungen im Eilbeschluss geäußert.

4

Der Kläger beantragt,

5

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 09. Oktober 2001 zu verpflichten ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise,

6

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ganz hilfsweise,

7

die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG für Sierra Leone vorliegen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.

11

Der Beteiligte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der zuständigen Ausländerbehörde (Landkreis C.) Bezug genommen. Die Einführung der neuesten Erkenntnismittel über Sierra Leone, die für die mündliche Verhandlung mit der Ladung angekündigt worden war, scheiterte an dem Nichterscheinen aller Beteiligten.

Entscheidungsgründe

13

Trotz Ausbleibens aller Beteiligten zur mündlichen Verhandlung, konnte verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

14

Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.

15

Mit zutreffenden Erwägungen, wie das Gericht schon im rechtskräftigen Eilbeschluss vom 1. November 2001 ( 3 B 1417/01) ausgeführt hat, hat die Beklagte mit Bescheid vom 09. Oktober 2001 das Asylbegehren und den Antrag festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen als offensichtlich unbegründet ablehnt. Ebenso wenig konnte das Vorliegen der Voraussetzen des § 53 AuslG festgestellt werden. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG daher abgesehen und es verbleibt auch hinsichtlich des Offensichtlichkeitsmaßstabes bei den Ausführungen im angefochtenen Bescheid und rechtskräftigen Eilbeschluss. Dieses umso mehr, als der Kläger es durch Nichterscheinen auch an der letzt möglichen Mitwirkung in der mündlichen Verhandlung hat fehlen lassen (§ 15 AsylVfG). Im Übrigen ist im Hinblick auf die Entscheidung nach § 53 AuslG auf die weitere Entwaffnung der Rebellen und die Beruhigung der Bürgerkriegssituation in Sierra Leone hinzuweisen (Vgl. FAZ vom 05.01.2002, UN setzen Tribunal in Sierra Leone ein, BZ vom 17.01.2002 Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone, NZZ vom 14.01.2002, Frieden in Sierra Leone nähergerückt, FAZ vom 31.01. 2002, Eine Stadt wie eine Anklage, UNHCR - Presseerklärungen vom 12. Und 13. 02. 2002).Den Auskünften folgt das Gericht und ist an der Verwertung nicht gehindert, weil die Beteiligten deren Kenntnisnahme selbst vereitelt haben. Das schriftliche Klagevorbringen stellt diese Überzeugung nicht in Frage. Dieses reicht zur Annahme einer extremen Gefahrenlage , wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG fordert (zuletzt U. v. 12. Juli 2001, DVBl. 2001, S. 1772), nicht aus, auch nicht unter Berücksichtigung der Versorgungs- oder Sicherheitslage, wie sie sich seit Herbst 2001 darstellt (vgl. jüngst: OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 01.Februar 2002, 10 A 11812/01.OVG).

16

Damit war die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.