Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.02.2002, Az.: 3 A 1716/01

Abschiebungshindernis; extreme Gefahrenlage (Sierra Leone); SBK ("Small Boy Unite"); Zwangsrekrutierung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
22.02.2002
Aktenzeichen
3 A 1716/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42357
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine extreme Gefahrenlage für ehemalige Kämpfer der SBK (Small Boy Unite) in Sierra Leone

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er ist - nach eigenen Angaben - am 17. August 1985 geboren und sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er will im November 2001 mit dem Schiff über einen unbekannten Hafen und dann weiter mit dem Zug nach K. gekommen sein. Auf seinen Asylantrag vom 02. November 2001 wurde er am 09. November 2001 angehört. Als Grund, Sierra Leone verlassen zu haben, gab er an: Seine Eltern seien von Rebellen getötet worden. Ihn hätten sie mit verbundenen Augen auf einem Kanu mitgenommen bis in ein weit entferntes Camp. Als ECOMOG-Truppen das Lager angriffen, sei ihm die Flucht durch den Busch bis an einen Fluss gelungen. Dort lag ein großes Schiff. Ein Weißer (F.) habe ihn gesehen, als Leute ein- und ausstiegen. Dieser habe nach seinen Problemen gefragt und ein paar Tage später habe er ihn an Bord genommen. Fred habe ihn begleitet, in einem kleinen Raum im Schiff versorgt und in einem Fass unerkannt von Bord tragen lassen. An Land habe Fred ihm ein Bahnticket nach K. gekauft, wo er dann den Asylantrag stellte.

2

Die Beklagte hielt die Angaben des Klägers für unsubstantiiert und widersprüchlich, etwa auch zum Reiseweg. Als Fluchtanlass sah sie allein die Wirtschafts-, Not- und Mangelsituation in Sierra Leone an. Sie wies darauf hin, dass sich die Lage in Sierra Leone aktuell konsolidiert und verbessert habe und lehnte deswegen das Asylbegehren mit Bescheid vom 03. Dezember 2001, zugestellt am 06. Dezember durch Niederlegung, als offensichtlich unbegründet ab und hielt auch das Begehren nach § 51 AuslG für offensichtlich und das nach § 53 AuslG für unbegründet. Mit Nr. 4 des Bescheides forderte die Beklagte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Sierra Leone an.

3

Eilantrag und Klage vom 11. Dezember 2001 begründete der Kläger mit einer allgemeinen Lageschilderung aus Sierra Leone. Nach rechtskräftiger Versagung von Eilrechtsschutz mit Beschluss vom 11. Januar 2002 ( 3 B 1717/01), trug er Weiteres nicht vor. .

4

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 03. Dezember 2001 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise,

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die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ganz hilfsweise,

7

die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG für Sierra Leone vorliegen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.

11

Der Beteiligte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der zuständigen Ausländerbehörde (Landkreis C.) Bezug genommen. Die in der Sitzungsniederschrift genannten Erkenntnismittel sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.

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Mit zutreffenden Erwägungen, wie das Gericht schon im rechtskräftigen Eilbeschluss vom 11. Januar 2002 ( 3 B 1717/01) ausgeführt hat, hat die Beklagte mit Bescheid vom 03. Dezember  2001 das Asylbegehren und den Antrag festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen, als offensichtlich unbegründet ablehnt. Ebenso wenig konnte das Vorliegen der Voraussetzen des § 53 AuslG festgestellt werden. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG daher abgesehen und es verbleibt auch hinsichtlich des Offensichtlichkeitsmaßstabes bei den Ausführungen im angefochtenen Bescheid und rechtskräftigen Eilbeschluss. Im Übrigen ist gerade im Hinblick auf die Entscheidung nach § 53 AuslG auf die weitere Entwaffnung der Rebellen und die Beruhigung der Bürgerkriegssituation in Sierra Leone hinzuweisen (Vgl. FAZ vom 05.01.2002, UN setzen Tribunal in Sierra Leone ein, BZ vom 17.01.2002, Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone, NZZ vom 14.01.2002, Frieden in Sierra Leone nähergerückt, FAZ vom 31.01. 2002, Eine Stadt wie eine Anklage, UNHCR Genf, Presseerklärungen vom 12. und 13. 02. 2002).Dem folgt das Gericht. Die in der mündlichen Verhandlung geschilderte Beteiligung des Klägers durch Aufklärungseinsätze in der SBU (Small Boy Unite) gegen die ECOMOG-Truppen und auf Seiten der Rebellen, weil nur diese ihm Geld und zu Essen gegeben hätten, stellt diese Überzeugung nicht in Frage und reicht zur Annahme einer extremen Gefahrenlage , wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG fordert (zuletzt U. v. 12. Juli 2001, DVBl. 2001, S. 1772), nicht aus. Weder sind derzeit weitere Zwangsrekrutierungen durch die Rebellen zu befürchten, noch ist bekannt, dass sich die Regierung nicht an die Amnestie der kleinen Rebellen und Unterstützer hielte. Auch unter Berücksichtigung der Versorgungs- oder Sicherheitslage, wie sie sich seit Herbst 2001 darstellt, ist dieses nicht der Fall (vgl. jüngst: OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 01.Februar 2002, 10 A 11812/01.OVG).

15

Damit war die Klage als offensichtlich unbegründet  bzw. als unbegründet abzuweisen.