Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 27.02.2002, Az.: 3 B 258/02
Abschiebungshindernis; Schutz vor Abschiebung; Sierra Leone
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 27.02.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 258/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41628
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 AuslG
Gründe
Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 03.12.2001, mit dem der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, bleibt ohne Erfolg.
Hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung aus politischen Gründen drängt sich die Ablehnung des Asylantrages auf, wie der angegriffene Bescheid zutreffend ausführt ( vgl. § 77 Abs. 2 AsylVfG ). Die Richtigkeit des Vortrages des Antragstellers über den Angriff der Rebellen unterstellt - angesichts der fehlenden Detailschilderungen, der teilweisen Widersprüche und des aus dem Anhörungsprotokoll dokumentierten Verhaltens des Antragstellers während der Anhörung spricht allerdings erhebliches hiergegen - handelte es sich bei dieser Schilderung um die Darstellung von Ereignissen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg, nicht jedoch um die Darstellung einer gezielt gegen den Antragsteller gerichteten staatlichen Verfolgung aus politischen Gründen. Die Frage nach Problemen mit staatlichen oder anderen Stellen hat der Antragsteller ausdrücklich verneint. Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung des Asylbegehrens als offensichtlich unbegründet ebenso wenig zu beanstanden wie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG offensichtlich nicht vorliegen.
Hinsichtlich des Bestehens von Abschiebungshindernissen, insbesondere im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG, nimmt das Gericht Bezug auf seine Entscheidung vom 19.10.2001 ( AZ 3 A 1178/01 ). Dort heißt es:
Dessen ungeachtet erwiese sich die Klage auch als unbegründet, wie im Eilverfahren bereits ausgeführt. Der Kläger würde bei einer Rückkehr nach Sierra Leone nicht der Gefahr des Todes oder schwerster Verletzungen ausgesetzt. Er selbst räumt die Verbesserung der Lage in Sierra Leone ein, indem er auf "Befriedungstendenzen" hinweist. Von diesen geht auch das Gericht aus. In dem im Eilverfahren zitierten Beschluss vom 20.08.2001, AZ 3 B 1025/01, hatte das Gericht unter Bezugnahme auf die frühere Entscheidung vom 13.07.2001 ( 3 B 845/01 ) ausgeführt:
"Der Antragsteller kann sich auch nicht auf ein Abschiebungshindernis berufen. Zwar hat das Gericht zu Beginn des Jahres ( vgl. etwa Urteil vom 22.02.2001, AZ 3 A 1093/99 ) das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG für Sierra Leone angenommen und dies mit einer Gesamtbetrachtung der Sicherheits- und der Versorgungslage - einschließlich der medizinischen Versorgung - begründet. Diese Auffassung kann allerdings nicht mehr aufrecht erhalten werden. Zutreffend weist der angegriffene Bescheid auf den Kurzbericht des Auswärtigen Amtes vom 03.04.2001 hin. Die dort geschilderten positiven Tendenzen bezüglich der Sicherheitslage haben sich bestätigt und weiter gefestigt. Seit Mai 2001 haben die ( durch Auseinandersetzungen mit der guineischen Armee empfindlich geschwächten; vgl. SZ vom 09.05.2001 ) Einheiten der RUF und Regierungsmilizen damit begonnen, ihre Waffen an die UN-Mission in Sierra Leone abzugeben ( FAZ vom 18.05.2001; FR vom 07.06.2001 ); dieser Vorgang dauert bis in die jüngste Vergangenheit an ( vgl. hierzu Sierra Leone News Archives - June 2001 - Sierra Leone web.htm sowie Sierra Leone News - Sierra Leone web.htm, Stand 10.07.2001 ). Zudem ist es parallel zu dieser Entwicklung Regierungstruppen erstmals seit 10 Jahren möglich gewesen, in im Norden des Landes und damit in einem zuvor von den Rebellen beherrschten Gebiet gelegene Städte einzurücken ( FR vom 07.06.2001 ). Schließlich werden die Truppen der UN-Mission in Sierra Leone ( Unamsil ), wie beschlossen, durch neue Kontingente aus Pakistan und Nepal verstärkt ( SZ 09.05.2001 ). Ein Vorauskommando von 265 Pakistanern ist am 08.06.2001 auf dem Flughafen Freetown eingetroffen. Das volle Kontingent dieser Einheiten soll sich bis zum 22.08.2001 im Lande befinden, so dass die Truppenstärke der UN dann insgesamt 17.500 Mann betragen wird (hierzu Sierra Leone News Archives - June 2001 - Sierra Leone web.htm zum Datum 08.06.2001 ).
Diese Umstände rechtfertigen einerseits, zur Zeit die Sicherheitslage im Land jedenfalls in der Region um die Hauptstadt Freetown nicht mehr im Rahmen des dem zurückkehrenden Asylbewerber drohenden Gefahrpotentials zu berücksichtigen. Andererseits führt die Stabilisierung der Sicherheitslage dazu, dass die nach wie vor schwierige Versorgungssituation mit Hilfe internationaler Hilfsorganisationen ohne Gefahr militärischer Kampfhandlungen verbessert werden kann. Ein für den Rückkehrer bestehendes Risiko, gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert zu werden, ist damit nicht mehr gegeben."
An dieser Auffassung ist auch für das vorliegende Klageverfahren festzuhalten. Das Gericht stützt seine Einschätzung auch auf die Verlängerung der UN-Mission für Sierra Leone ( NZZ vom 20.09.2001 ). Diese Auffassung entspricht auch der neuesten Rechtsprechung zu Sierra Leone ( vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21.09.2001, AZ 11 A 1360/01.A ). Die hiervon abweichende Auffassung des Klägers, dass eine Abschiebung nach Sierra Leone nicht "ohne Gefährdung" möglich sei ( Schriftsatz vom 20.09.2001 ), verkennt die erheblichen Voraussetzungen für die Annahme eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage des § 53 Abs. 6 AuslG. Aus diesem Grunde ist auch der Auffassung des VG Potsdam in der vom Kläger vorgelegten Entscheidung nicht zu folgen. Diese Entscheidung, die sich im übrigen zum Teil auf ältere Auskünfte und Presseberichte stützt, stellt im Gegensatz zu den frühren Entscheidungen der Kammer allein auf die wirtschaftliche und auf die Versorgungssituation ab. Anhaltspunkte dafür, dass allein dieses Gefährdungspotential mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG erfüllen könnte, bestehen nach den vorliegenden Erkenntnismitteln jedoch nicht.!
Dies gilt auch hier, so dass der Antrag mit der sich aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG ergebenden Kostenfolge abzulehnen war, wobei das Gericht gemäß
§ 83b Abs. 2 AsylVfG ( i. d. F. des Gesetzes vom 27.04.2001, BGBl. I S. 751 ff ) von einem Gegenstandswert von 1.500,- Euro ausgeht.