Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 08.02.2002, Az.: 6 B 98/02

CAP; Chloramphenicol; Fischmehl; Futtermittel; Konzentration; Nachweisgrenze; Proben; Schwellenwert; Verkehrsverbot

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.02.2002
Aktenzeichen
6 B 98/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41627
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen ein Verkehrsverbot für Fischmehl.

2

Nach einer Information des Keuringsdienst van Waren (Niederlande) vom 20. Dezember 2001, die der Antragsgegnerin über das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) und das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ML) am 11. Januar 2002 mitgeteilt worden war, bestand der Verdacht, dass Lieferungen von Fischresten, die die Antragstellerin - in der zweiten Novemberhälfte 2001 - aus den Niederlanden erhalten hatte, teilweise Shrimps (Garnelen) enthielten, die mit Rückständen des in der Europäischen Union verbotenen Antibiotikums Chloramphenicol - CAP - belastet waren, und dass diese Lieferungen bei der Antragstellerin zu Fischmehl verarbeitet worden waren. Daraufhin fand am 11. Januar 2002 eine Überprüfung des Betriebes der Antragstellerin - Fischmehlwerke - in C. statt. Hierbei wurden die Transportpapiere überprüft und aus allen Lagerboxen jeweils 3 repräsentative Proben gezogen.

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Mit Bescheid vom 14. Januar 2002 ordnete die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin u.a. unter 2. an, dass die am 11. Januar 2002 in ihrem Betrieb noch vorgefundene Lagermenge fertig hergestellten Fischmehls aus der Herstellungsperiode vom 16. November bis zum 3. Dezember 2001 in den Lagerboxen 6 und 9 (insgesamt 170 t) bis auf Weiteres nicht in Verkehr gebracht werden darf. Diese Anordnung stützte die Antragsgegnerin auf § 19 a Abs. 3 des Futtermittelgesetzes - FMG -. Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung ihres Bescheides an und führte dazu aus: Die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sei erforderlich, weil das öffentliche Interesse zur Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiege. Das Rechtsmittelverfahren könne nicht abgewartet werden, da in der Zwischenzeit sich die Gefahr realisieren würde und der Schaden damit für eine Vielzahl von Menschen und Tieren eingetreten wäre. Aufgrund der schwerwiegenden Folgen müsse sofort gehandelt werden. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der alsbaldigen Verwertung der Ware müsse dagegen zurücktreten.

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Mit Presseinformation vom 17. Januar 2002 teilte das ML mit: Die ihm soeben mitgeteilten ersten Untersuchungsergebnisse von Proben, die aus den bei der Antragstellerin vorgefundenen 170 t Fischmehl stammten, seien allesamt negativ, das heiße, es habe kein CAP nachgewiesen werden können. Weitere Untersuchungsergebnisse, z.B. von in dem entsprechenden Zeitraum produziertem Fischöl stünden noch aus, ebenso Ergebnisse von beprobten Futtermischungen. Sollen sich Verfütterungshinweise ergeben, würden mit entsprechenden Mischungen gefütterten Tieren Proben zur Untersuchung entnommen werden. Sämtliche durch Shrimps "verseuchte" Fischmehlchargen sowie mit diesem Fischmehl hergestellte Futtermischungen oder mit diesen Futtermischungen gefütterte Tiere würden sichergestellt, auch wenn sich die CAP-Anteile unterhalb der Nachweisgrenze von 0,2 Mikrogramm pro Kilogramm bewegen. Das weitere Vorgehen in Bezug auf diesbezügliche Sicherstellungen bedürfe dringend einer europäischen Regelung, zu deren Klärung Niedersachsen bereits am 16. Januar 2002 die Bundesregierung aufgefordert habe.

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Am 18. Januar 2002 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2002 und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung: Wie sich der Presseinformation des ML vom 17. Januar 2002 entnehmen lasse, sei in den bei ihren Fischmehlwerken in C. entnommenen Fischmehlproben kein CAP aufgefunden worden. Damit sei die Rechtsgrundlage für das angeordnete Verkehrsverbot entfallen. § 19 a Abs. 3 FMG gestatte nämlich die Anordnung eines Verkehrsverbotes nur bis zum Vorliegen der Analyseergebnisse. Da diese negativ ausgefallen seien, bestehe auch - mangels Gesundheitsgefahr für Menschen und Tiere - kein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug der Anordnung mehr.

6

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 18. Januar 2002 ab und führte dabei u.a. aus: Auch die in der Presseinformation des ML erfolgte Veröffentlichung erster Prüfungsergebnisse der bei der Antragstellerin entnommenen Fischmehlproben könne nicht zur Aufhebung der sofortigen Vollziehung führen. Das vorläufige Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 19 a Abs. 3 FMG bezwecke, dass verdächtige Futtermittel nicht in Verkehr gebracht werden, bevor die zuständige Behörde abschließend darüber entscheiden könne, wie mit diesen weiter zu verfahren sei. Deshalb stelle § 19 a Abs. 3 FMG auch lediglich auf das Vorliegen der Ergebnisse und nicht auf deren Inhalt ab. Da der Antragsgegnerin die Ergebnisse der Untersuchung noch nicht vollständig vorlägen, könne sie zur Zeit noch keine abschließende Entscheidung treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe weiterhin ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des ausgesprochenen vorläufigen Verkehrsverbotes.

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Am 21. Januar 2002 führte die Antragstellerin aus, die sofortige Vollziehung müsse zumindest ausgesetzt werden, soweit ein Verkehrsverbot für das in Box 6 befindliche Fischmehl angeordnet worden sei, da insoweit bereits am 17. Januar 2002 ein abschließendes Untersuchungsergebnis vorgelegen habe.

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Mit Bescheid vom 22. Januar 2002 ersetzte die Antragsgegnerin die in ihrem Bescheid vom 14. Januar 2002 unter Nr. 2 getroffene Anordnung durch die nachfolgende Formulierung:

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"Die am 11.01.2002 in Ihrem Betrieb noch vorgefundene Lagermenge fertig hergestellten Fischmehls aus der unter Nr. 1 bezeichneten Herstellungsperiode in den Lagerboxen 6 und 9 (insgesamt 170 t) darf bis auf Weiteres nicht als Futtermittel für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, in Verkehr gebracht werden. Die Abgabe als Futtermittel zur Verwendung z.B. im Heimtierbereich ist mir vorher anzuzeigen."

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Insoweit werde ihr Bescheid vom 14. Januar 2002 geändert, alle anderen Bestimmungen blieben hiervon unberührt.

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Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus: Nach bisherigem Kenntnisstand müsse trotz zwischenzeitlich vorliegender zahlreicher Untersuchungsergebnisse, die bis jetzt in keinem Fall das Vorhandensein von CAP über der Nachweisgrenze (0,2 Mikrogramm je Kilogramm) ausweisen konnten, davon ausgegangen werden, dass CAP tatsächlich enthalten sei. Es sei allerdings aufgrund der Verdünnung im Zuge der Vermischung mit unbelastetem Rohmaterial jetzt nicht mehr analytisch nachweisbar. Die Belastung eines Erzeugnisses mit CAP gleich welcher Konzentration führe aber dazu, dass die Verwendungsmöglichkeit als Futtermittel für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, entfalle. Die Gesundheitsgefährdung des Menschen sei selbst bei geringsten Spuren dieses Antibiotikums in Lebensmitteln nicht ausgeschlossen. Nach § 3 FMG sei es u.a. verboten, Futtermittel in den Verkehr zu bringen, wenn sie bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Verfütterung geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse, insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit, zu beeinträchtigen oder die Gesundheit von Tieren zu schädigen. Die ausgesprochene Untersagungsverfügung gründe sich auf § 1, 11 des Nds. Gefahrenabwehrgesetzes - NGefAG - in Verbindung mit §§ 3, 19 FMG. Es dürfe hier eingeschritten werden, weil ein Gefahrenverdacht für hochrangige Rechtsgüter vorliege. Es sei zu befürchten, dass das Fischmehl CAP enthalte und ohne ein Einschreiten zu erwarten sei, dass ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintrete. Unter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit seien u.a. die hohen Schutzgüter der Unversehrtheit und Gesundheit des Menschen geschützt, die durch Rückstände an CAP in Futtermitteln gefährdet seien. Aber auch mit einem Verstoß gegen § 3 FMG trete ein Schaden für die öffentliche Sicherheit ein. Diese Anordnung gelte bis auf Weiteres. Die Antragstellerin erhalte von der Antragsgegnerin zu gegebener Zeit weitere Nachricht.

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Am 23. Januar 2002 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ziffer 2. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2002 nachgesucht.

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Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat sich mit Beschluss vom 23. Januar 2002 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Stade verwiesen.

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Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2002 hat die Antragstellerin ihr Vorbringen ergänzt.

15

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

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II. Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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Die Antragstellerin wendet sich - wie sich aus ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 7. Februar 2002 ergibt - mit ihrem Eilantrag nunmehr gegen die Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2002 in der Fassung wenden will, die diese Anordnung durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2002 erhalten hat.

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Das so verstandene Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin bleibt erfolglos.

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Die im Rahmen dieses Eilverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse daran, dass die in dem Betrieb der Antragstellerin am 11. Januar 2002 noch vorgefundene Lagermenge fertig hergestellten Fischmehls in den Lagerboxen 6 und 9 (insgesamt 170 t) bis auf Weiteres nicht als Futtermittel für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, in Verkehr gebracht werden darf, überwiegt das private - wirtschaftliche - Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs.

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Zutreffend geht die Antragsgegnerin davon aus, dass die im Änderungsbescheid vom 22. Januar 2002 getroffene Anordnung nicht auf § 19 a Abs. 3 FMG gestützt werden kann. Danach kann die zuständige Behörde - dies ist hier die Antragsgegnerin -, wenn ein durch Tatsachen begründeter Verdacht vorliegt, dass Futtermittel, Zusatzstoffe oder Vermischungen nicht dem FMG oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht wurden oder werden sollen, und sie eine Probe nach der Futtermittel-Probenahme- und -Analyse-Verordnung entnommen hat, auch verbieten, dass das Futtermittel, der Zusatzstoff oder die Vormischung in den Verkehr gebracht wird, bevor das Ergebnis der Prüfung vorliegt. Diese gesetzliche Vorschrift rechtfertigte zunächst die mit Bescheid vom 14. Januar 2002 unter Nr. 2 getroffene ursprüngliche Anordnung. Dies galt aber nur, bis das Ergebnis der Prüfung - also das Ergebnis der am 11. Januar 2002 bei der Antragstellerin entnommenen Proben - vorlag. Das aber ist inzwischen der Fall. Die Untersuchungsberichte des Nds. Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - Veterinäramt für Fische und Fischwaren C. - für die aus den Boxen 6 (40 t) und 9 (130 t) entnommenen Proben datieren vom 21. Januar 2002. Danach war in diesen Proben CAP nicht nachweisbar; die Nachweisgrenze der eingesetzten Methode beträgt 0,2 Mikrogramm je Kilogramm.

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Als Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 22. Januar 2002 getroffene Anordnung kommt jedoch § 19 a Abs. 1 FMG in Betracht. Danach ordnet die zuständige Behörde, wenn sie bei der amtlichen Überwachung feststellt, dass Futtermittel, Zusatzstoffe oder Vormischungen nicht dem FMG oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße erforderlichen Maßnahmen an (Satz 1). Sie kann insbesondere eine geeignete Behandlung, die Verwendung zu anderen als zu Futterzwecken, die unschädliche Beseitigung oder die Rückbeförderung an den Ursprungsort im Falle des Verbringens aus einem anderen Mitgliedstaat anordnen (Satz 2). Gemäß Satz 3 gilt die Vorschrift des § 17 Abs. 6 FMG entsprechend. Danach stellt die zuständige Behörde sicher, dass die Verwendung oder Vernichtung der belasteten Futtermittel ohne Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt erfolgt.

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Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die am 11. Januar 2002 in dem Betrieb der Antragstellerin in den Lagerboxen 6 und 9 (insgesamt 170 t) noch vorgefundene Lagermenge fertig hergestellten Fischmehls nicht dem FMG oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entspricht.

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Nach § 3 Nr. 2 FMG ist es verboten, Futtermittel in den Verkehr zu bringen, wenn sie bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Verfütterung geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse, insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit, zu beeinträchtigen oder die Gesundheit von Tieren zu schädigen.

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Es ist im Rahmen dieses Eilverfahrens davon auszugehen, dass mit CAP belastete Futtermittel eine solche Eignung auch in Konzentrationen haben können, die unterhalb der Nachweisgrenze liegen.

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Bei bestimmten Patienten, die eine genetische Prädisposition haben, stellt CAP theoretisch in jeder Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit dar (vgl. Informationszentrale gegen Vergiftungen der Universität Bonn, Toxikologie des Chloramphenicols). Bei CAP wird die konzentrationsunabhängige Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers aus dessen Eignung abgeleitet, ohne klare Dosis-Wirkungsbeziehung beim Menschen eine aplastische Anämie verursachen zu können, die ggfls. mit einer Letalitätsrate von 50 - 60 % einhergeht. Diese Störung der Blutbildung ist selten und tritt in Verbindung mit einer Schädigung des Knochenmarks auf, die bei schweren Fällen irreversibel ist (vgl. den Vermerk des ML - Referat 109 - vom 4. Februar 2002). CAP führt dosisunabhängig mit einer Inzidenz von 1:400.000 bis 1:10.000 zu irreversiblen Knochenmarksaplasien. Eine Schwellendosis ließ sich bisher nicht ermitteln, weil keine geeigneten Tiermodelle zur Verfügung stehen (vgl. die von der Antragstellerin vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. Steinhart, Universität Hamburg, Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie, Abteilung Lebensmittelchemie, vom 1. Februar 2002). Daneben wird über dosisabhängige reversible Knochenmarksschädigungen berichtet, ebenso über das Auftreten des sog. "Grey-Syndrom" mit Erbrechen, Hypothermie, Atemstörungen, Kreislaufversagen, gastrointestinalen Störungen usw./ Römpp, Lexikon der Lebensmittelchemie, 1995, S. 179; Prof. Dr. Dr. Steinhart, Stellungnahme vom 1. Februar 2002). Im Sinne des Verbraucherschutzes wurde deshalb die Anwendung von CAP bei Lebensmittel liefernden Tieren verboten (vgl. Informationszentrale gegen Vergiftungen der Universität Bonn, Toxikologie des Chloramphenicols). Zudem wurde CAP durch die IACS als 2 A Carcinogen für Menschen eingestuft. Das heißt, dass CAP wahrscheinlich cancerogen für Menschen ist (vgl. Prof. Dr. Dr. Steinhart, Stellungnahme vom 1. Februar 2002, der allerdings einschränkend bemerkt, aus der wissenschaftlichen Literatur sei nicht nachvollziehbar, dass CAP wirklich mutagen bzw. cancerogen für Menschen sei). CAP gehört zu den in Anhang IV der VO (EWG) Nr. 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs aufgeführten Stoffen. Nach Art. 5 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2377/90 wird ein Stoff in das Verzeichnis des Anhang IV aufgenommen, wenn für die Rückstände eines in Tierarzneimitteln verwendeten pharmakologisch wirksamen Stoffes keine Höchstmenge festgesetzt werden kann, da Rückstände des betreffenden Stoffes in Lebensmitteln tierischen Ursprungs in jeder Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen. CAP ist durch die VO (EG) Nr. 1430/94 der Kommission vom 22. Juni 1994 in den Anhang IV - mit Wirkung vom 29. August 1994 - aufgenommen worden.

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Nach Art. 5 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 2377/90 ist die Verabreichung von in Anhang IV aufgeführten Stoffen an Tiere, die zur Nahrungsmittelerzeugung genutzt werden, in der ganzen Gemeinschaft verboten. Eine tolerierbare "Höchstmenge" - etwa der in der Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. Steinhart angesprochene Schwellenwert von 0,5 Mikrogramm je Kilogramm, den die Food and Drug Administration (FDA) der USA für risikoreiche Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln akzeptiere, oder eine Konzentration von 0,2 Mikrogramm je Kilogramm - ist für CAP-Rückstände in der Europäischen Union nicht festgesetzt worden.

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Nach dem bisherigen Streitstand ist davon auszugehen, dass die betroffenen Fischmehlmengen CAP enthalten und damit eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen.

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Dem steht der Umstand, dass in den genommenen Proben CAP nicht nachweisbar war, nicht entgegen. Dieses Untersuchungsergebnis besagt lediglich, dass die Nachweisgrenze, die bei der eingesetzten Methode 0,2 Mikrogramm je Kilogramm beträgt, nicht erreicht wurde. Auch von unter der Nachweisgrenze liegenden Mengen können jedoch Gesundheitsgefahren für Menschen ausgehen. Dies wird auch in der Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. Steinhart nicht ausgeschlossen. Dieser schildert die im Verlauf der Nahrungskette auftretenden weiteren Verdünnungsfaktoren und gelangt zu der Einschätzung, von dem Fischmehl gehe "kein nicht hinnehmbares gesundheitliches Risiko für Menschen" aus, wenn es an Tiere verfüttert wird, die zur Lebensmittelproduktion bestimmt sind.

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Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die betroffenen Fischmehlmengen CAP enthalten, besteht, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung zutreffend hinweist, aufgrund der Ermittlungsergebnisse deutscher und niederländischer Behörden. Die belasteten Shrimps wurden danach am 19. November 2001 zunächst bei der niederländischen Firma Kras Recycling angeliefert. In dieser Firma wurden die als SRM (specified risk material) etikettierten Garnelen mit anderen Fischabfällen gemischt und sodann von der Firma A. van Polanen & Zoon B.V. nach C. transportiert. Nach schriftlicher Mitteilung des niederländischen Keuringsdienst van Waren vom 23. Januar 2002 an das BMVEL wurden die belasteten Fischreste "vermutlich" an die Antragstellerin geliefert. Ausweislich der weiteren Mitteilung des Keuringsdienst van Waren vom 30. Januar 2002 an das ML hat sich diese Vermutung inzwischen endgültig bestätigt. Herr S. H. hat im Namen der F. A. v. P. & Z. B.V. erklärt, er habe in dem fraglichen Zeitraum ausschließlich Fischabfälle nach C. transportiert. Die Lieferung von 7 Partien Rohwaren an die Antragstellerin steht fest (vgl. auch die schriftliche Erklärung der Firma A. v. P. & Z. B. V. vom 29. Januar 2001), so dass davon ausgegangen werden muss, dass diese Lieferungen die verarbeiteten Shrimps enthielten.

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Dies zeigt auch das Schreiben der Antragstellerin an die Firma A. van P. & Z. B.V. vom 15. Januar 2002. Darin stellt die Antragstellerin fest: "Wie Sie wissen, wurden bei Ihren Fischrestelieferungen von ca. 188 t in der Zeit vom 16.11. bis 30.11.2001 ca. 27 t mit Antibiotika CAP verseuchte Shrimps beigemengt. Auf den Frachtbriefen waren diese Mengen nicht vermerkt. Fischreste, die von Fischen stammen, die für den menschlichen Verzehr aus Veterinärgründen nicht geeignet sind, dürfen, wie Sie wissen, nicht in den Futtermittelkreislauf gelangen. Dieses trifft besonders auch mit Antibiotika verseuchte Partien zu. Für die Beimengung dieser 27 t Shrimps möchten wir unser Entsetzen zum Ausdruck bringen. Für alle materiellen sowie immateriellen Schäden, die den Vereinigten Fischmehlwerken Cuxhaven durch diese Shrimpslieferungen entstehen, müssen wir Sie finanziell haftbar machen."

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Bei dieser Sachlage spricht Überwiegendes dafür, dass sich der Bescheid vom 22. Januar 2002 auf § 19 a Abs. 1 FMG stützen lässt. Mit der Anordnung, dass die Antragstellerin die in ihrem Betrieb noch vorgefundene Lagermenge fertig hergestellten Fischmehls aus der bezeichneten Herstellungsperiode in den Lagerboxen 6 und 9 (insgesamt 170 t) bis auf Weiteres nicht als Futtermittel für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, in Verkehr bringen darf (und dass sie die Abgabe als Futtermittel zur Verwendung z.B. im Heimtierbereich der Antragsgegnerin vorher anzuzeigen hat), hat die Antragsgegnerin nach dem derzeitigen Sachstand die zur Beseitigung festgestellter futtermittelrechtlicher Verstöße erforderlichen Maßnahmen angeordnet (§ 19 a Abs. 1 Satz 1 FMG).

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Nach alledem war der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.