Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 15.02.2002, Az.: 4 A 1895/00

Beratungshilfe; Ersatzpflicht; Rechtsanwaltskosten; Sozialhilfeangelegenheit

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
15.02.2002
Aktenzeichen
4 A 1895/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41760
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren von dem Beklagten die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.612,40 DM.

2

Am 25. Juli 2000 teilte die Vermieterin einer von der Familie P. bewohnten Wohnung der für den Beklagten handelnden Stadt O.-S. mit, dass sich für die Jahre 1998 und 1999 bei den Nebenkosten Nachzahlungen in Höhe von insgesamt 8.109,15 DM ergeben hätten. Herr S. P., der für sich und neun weitere Familienmitglieder laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, beantragte am 14. August 2000 bei der Stadt O.-S. die Übernahme dieser Nachzahlung. Am 17. August 2000 zeigten die Kläger unter Vollmachtsvorlage an, dass die Familie P. sie mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt habe. Nachdem der bei der Stadt O.-S. zuständige Sachbearbeiter einerseits gegenüber Herrn S. P. bei einem persönlichen Gespräch und andererseits gegenüber den Klägern telefonisch die Auffassung vertreten hatte, dass eine Übernahme nicht in Betracht komme, weil Sozialhilfe grundsätzlich nicht für zurückliegende Zeiträume gewährt werde, legten die Kläger durch Schriftsatz vom 5. September 2000 ein Schreiben der Vermieterin vor, in dem diese androhte, dass sie das Mietverhältnis mit Herrn S. P. kündigen werde, falls die geforderten Nebenkosten nicht bis zum 20. September 2000 gezahlt würden. Gleichzeitig wurde die Stadt O.-S. um Überprüfung ihres Rechtsstandpunktes gebeten. Durch Schreiben vom 14. September 2000 teilte die Stadt O.-S. Herrn S. P. mit, dass die Nebenkostenabrechnung 1998/1999 in voller Höhe zur Zahlung an den Vermieter angewiesen worden sei. Die Kläger erhielten hierüber zeitgleich eine Kurzmitteilung.

3

Durch Schreiben vom 19. September 2000 reichten die Kläger für ihr Tätigwerden in der Sozialhilfeangelegenheit des Herrn S. P. eine Kostenrechnung über 986,-- DM bei der Stadt O.-S. ein und baten um Ausgleichung.

4

Diesen Antrag lehnte die Stadt O.-S. durch Bescheid vom 11. Oktober 2000 ab, weil § 63 SGB X eine Kostenerstattung nur in einem sogenannten Vorverfahren bei Erfolg eines Widerspruches und nicht in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren vorsehe.

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Hiergegen erhoben die Kläger am 12. Oktober 2000 Widerspruch und legten gleichzeitig eine neue Kostennote über nunmehr 1.612,40 DM vor. Zur Begründung machten sie geltend, dass in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch gemäß § 9 BerHG auf sie übergegangen sei, und kündigten an, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Amtspflichtverletzung ihre Forderung gerichtlich geltend machen würden.

6

Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 2000, den Klägern zugestellt am 6. November 2000, unter nochmaligem Hinweis auf die Regelung des § 63 SGB X zurück.

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Die Kläger haben am 6. Dezember 2000 Klage erhoben, ohne diese zu begründen.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Stadt O.-S. vom 11. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 2. November 2000 zu verurteilen, ihnen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.612,40 DM zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert unter anderem:

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Die Kläger beriefen sich auf § 9 Satz 2 BerHG, wonach der Anspruch auf Kostenersatz durch den Gegner auf den Rechtsanwalt übergehe. Voraussetzung für den gesetzlichen Forderungsübergang sei aber nach § 9 Satz 1 BerHG, dass der Gegner verpflichtet sei, dem Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen. Da aber die Mandanten der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten hätten, sei auch kein Raum für den von den Klägern behaupteten Forderungsübergang.

14

Die Beteiligten haben durch Schriftsätze vom 21. Dezember 2001 (Kläger) und vom 8. Januar 2001 (Beklagter) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), bleibt ohne Erfolg.

17

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von 1.612,40 DM, so dass sich auch die angefochtenen Bescheide der Stadt O.-S. vom 11. Oktober 2000 und des Beklagten vom 2. November 2000 als rechtmäßig erweisen und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

18

Die Kläger stützen ihren Zahlungsanspruch gegen den Beklagten auf § 9 Satz 1 und 2 des Gesetzes über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz - BerHG -) vom 18. Juni 1980 (BGBl. I S. 689). Ist danach der Gegner verpflichtet, dem Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, hat er nach § 9 Satz 1 BerHG die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlen, also nicht etwa nur die Beratungshilfegebühren nach den §§ 131 bis 133 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), wobei sich die Ersatzpflicht nach dem materiellen Recht richtet. Sie kann aufgrund einer Parteivereinbarung oder einer gesetzlichen Regelung, insbesondere auch dann eintreten, wenn sich der Gegner als Schuldner im Verzug befunden hat und schadensersatzpflichtig geworden ist (vgl. auch Kalthoener/Büttner/Wrösel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rdnr. 998). Ein auf der Grundlage des § 9 Satz 1 BerHG bestehender Anspruch des Rechtssuchenden geht auf den Rechtsanwalt über (cessio legis gemäß § 9 Satz 2 BerGH).

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Gemessen an diesen Vorgaben liegen die Voraussetzungen für den Übergang eines Zahlungsanspruches auf die Kläger nach § 9 Satz 2 BerHG nicht vor, weil der Beklagte weder aufgrund einer - hier offensichtlich nicht gegebenen - Parteivereinbarung noch aufgrund einer gesetzlichen Regelung verpflichtet ist, die Kosten der Wahrnehmung der Rechte der Familie P. als Rechtssuchenden gemäß § 9 Satz 1 BerHG durch Übernahme der den Klägern nach der BRAGO zustehenden gesetzlichen Vergütung zu ersetzen.

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Dass im vorliegenden Fall eine Zahlungspflicht des Beklagten nicht aus dem das Verwaltungsverfahren in Sozialhilfeangelegenheiten spezialgesetzlich regelnden Sozialgesetzbuch X (SGB X) hergeleitet werden kann, weil Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nur in einem sogenannten Vorverfahren, also in einem förmlichen und erfolgreichen Widerspruchsverfahren bei Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten erstattungsfähig sind (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X), während die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in dem vorangehenden Verwaltungsverfahren grundsätzlich (Ausnahme: Beratungshilfe nach dem BerHG) für jeden Bürger auf eigene Rechnung und Kosten erfolgt, ist bereits in den angefochtenen Bescheiden zutreffend und ausführlich dargestellt worden. Die Kammer nimmt hierauf gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug.

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Darüber hinaus kann aber auch nicht festgestellt werden, dass eine Erstattungspflicht des Beklagten aus Schadensersatzgesichtpunkten gegeben sein könnte. Es ist bereits weder vorgetragen worden, noch ist es sonst für die Kammer ersichtlich, welcher Schaden bei der rechtssuchenden Familie P. durch das Verhalten der für den Beklagten handelnden Stadt O.-S. eingetreten sein soll. Die Nebenkosten-Nachforderung der Vermieterin der Familie P. ist nach Prüfung der Sach- und Rechtslage in voller Höhe (8.109,15 DM) auf der Grundlage des § 15 a Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommen worden, so dass der Verlust der Wohnung rechtzeitig abgewendet wurde und das Mietverhältnis fortgesetzt werden konnte. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang nur noch anzumerken, dass - soweit die Kläger in ihrer Widerspruchsbegründung ihren Zahlungsanspruch auf eine Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 Abs. 1 BGB) gestützt haben - es ihnen unbenommen bleibt, die Hilfe der ordentlichen Gerichte (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) in Anspruch zu nehmen.