Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.02.2002, Az.: 3 A 1633/01

Bürgerkriegssituation; Existenzgrundlage; extreme Gefahrenlage (Sierra Leone); Flüchtlingslager (Guinea); Sierra Leone; Versorgungs- und Sicherheitslage; Weiterflucht

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
22.02.2002
Aktenzeichen
3 A 1633/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42355
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei Rückkehr aus Sierra Leone auch ohne Familie, Haus und Arbeit besteht seit Herbst 2001 keine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 53 Abs. 6 AuslG

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er ist - nach eigenen Angaben - am 01. August 1985 geboren und sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er will Anfang Oktober 2001 mit dem Flugzeug von C. (Guinea) nach H. gekommen sein. Auf seinen Asylantrag vom 02. Oktober 2001 wurde er am 05. Oktober 2001 angehört. Als Grund, Sierra Leone verlassen zu haben, gab er an: Er stamme aus dem Dorf D.. Seine Mutter sei vor langer Zeit an Krankheit verstorben. Sein Vater sei vor 2 Jahren bei einem Rebellenüberfall getötet worden. Mit seinem Bruder und der seinerzeit 10 Jahre alten Schwester M. sei er geflohen und nach 10 Tagen im Lager P., wohl noch in Sierra Leone, aber grenznah zu Guinea, angekommen. Welche Organisation das Lager betrieben habe, wisse er nicht. Dann seien sie in ein Flüchtlingslager in Guinea gekommen (G.). Auch dieses Lager sei überfallen worden, wobei seine Schwester erschossen wurde. Er habe sich auf einem LKW unter Bananen verstecken können. Dieser sei in einer 2- 3-Tages-Tour nach C. gefahren. Mehrere Monate habe er sich bettelnd am Markt M. aufgehalten. Ein Schwarzer, dem er jeweils für Trinkgelder die Waren zum Auto getragen habe, habe ihn schließlich zum Flughafen gefahren, wo ihn ein Begleiter übernahm, ihn durch die Kontrollen ins Flugzeug brachte und ihm dort noch sagte, es ginge nach Amerika. Auf dem Flughafen in H. habe er bestätigt hier sei Amerika, habe die Papiere wieder an sich genommen und ihn verlassen.

2

Die Beklagte hielt die Angaben des Klägers für unsubstantiiert und widersprüchlich, so schon zum Reiseweg. Als Fluchtanlass sah sie allein die Wirtschafts-, Not- und Mangelsituation in Sierra Leone an. Sie wies darauf hin, dass sich die Lage in Sierra Leone aktuell konsolidiert und verbessert habe. Zwangsrekrutierung durch die Rebellen sei ebenso wenig zu befürchten wie eine Festnahme wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit den Rebellen, denn es gebe eine weitgehend befolgte Amnestie für die Rebellen. Jedenfalls im Raum F. könne der Kläger sicheren Aufenthalt erwarten.

3

Deswegen lehnte sie das Asylbegehren mit Bescheid vom 15. November 2001, zugestellt am 21.November 2001 durch Niederlegung, als offensichtlich unbegründet ab und hielt auch das Begehren nach § 51 AuslG für offensichtlich und das nach § 53 AuslG für unbegründet. Mit Nr. 4 des Bescheides forderte die Beklagte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Sierra Leone an.

4

Eilantrag und Klage vom 28. November 2001 begründete der Kläger mit der allgemeinen Lageschilderung in Sierra Leone. Nach rechtskräftiger Versagung von Eilrechtsschutz mit Beschluss vom 10. Dezember 2001 (3 B 1634/01), trug er Weiteres nicht vor.

5

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. November 2001 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise,

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die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ganz hilfsweise,

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die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG für Sierra Leone vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.

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Der Beteiligte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der zuständigen Ausländerbehörde (L. C.) Bezug genommen. Die in der Sitzungsniederschrift genannten Erkenntnismittel sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.

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Mit zutreffenden Erwägungen, wie das Gericht schon im rechtskräftigen Eilbeschluss vom 10. Dezember 2001 ( 3 B 1634/01) ausgeführt hat, hat die Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2001 das Asylbegehren und den Antrag festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen als offensichtlich unbegründet ablehnt. Ebenso wenig konnte das Vorliegen der Voraussetzen des § 53 AuslG festgestellt werden. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG daher abgesehen und es verbleibt auch hinsichtlich des Offensichtlichkeitsmaßstabes bei den Ausführungen im angefochtenen Bescheid und rechtskräftigen Eilbeschluss. Im Übrigen ist im Hinblick auf die Entscheidung nach § 53 AuslG auf die weitere Entwaffnung der Rebellen und die Beruhigung der Bürgerkriegssituation in Sierra Leone hinzuweisen (Vgl. FAZ vom 05.01.2002, UN setzen Tribunal in Sierra Leone ein, BZ vom 17.01.2002 Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone, NZZ vom 14.01.2002, Frieden in Sierra Leone nähergerückt, FAZ vom 31.01. 2002, Eine Stadt wie eine Anklage, UNHCR - Presseerklärungen vom 12. und 13. 02. 2002).Den Auskünften folgt das Gericht Das schriftliche Klagevorbringen und die Äußerung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Staatspräsident von Guinea wolle die Sierra Leoner nicht mehr in seinem Lande haben und in Sierra Leone habe er keine Familie, kein Haus und keine Existenzgrundlage, stellt diese Überzeugung nicht in Frage. Das alles reicht zur Annahme einer extremen Gefahrenlage , wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG fordert (zuletzt U. v. 12. Juli 2001, DVBl. 2001, S. 1772), nicht aus, auch nicht unter Berücksichtigung der Versorgungs- oder Sicherheitslage, wie sie sich seit Herbst 2001 darstellt (vgl. jüngst: OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 01.Februar 2002, 10 A 11812/01.OVG).

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Damit war die Klage als offensichtlich unbegründet bzw. als unbegründet abzuweisen.