Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.01.2019, Az.: 13 LC 211/16

absolut; abstrakt; Altfall; Änderungsbescheid; rückwirkende Anwendung; bakteriologisch; bestandskräftig; endgültig; Ersetzungsbescheid; Festsetzung; Fleischuntersuchung; Gebühr; absolute Gesetzlosigkeit; Großschlachtbetrieb; Höhenbegrenzung; Insolvenzverwalter; konkret; Kostentatbestand; unionsrechtliche Mindestgebühr; nicht bestandskräftig; nichtig; offensichtlich; Probenahme; Rechtsgrundlage; rechtsmissbräuchlich; Nationaler Rückstandskontrollplan; Schlachtschwein; Schlachttier- und Fleischuntersuchung; Schwein; Staffelung; Treu und Glauben; Unbestimmtheit; Vertrauensschutz; vorläufig; wirksam

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.01.2019
Aktenzeichen
13 LC 211/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69628
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.09.2016 - AZ: 6 A 172/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Lag für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen, die in den Vergangenheitszeiträumen des § 8 Satz 2 oder Satz 1 GOVV 2015 (1. Januar 2008 bis 2. Dezember 2014 oder 3. Dezember 2014 bis 15. September 2015) durchgeführt worden waren, auf die die durch die GOVV 2015 geänderten Kostentatbestände in VI.3.1.2.1 bis VI.3.1.2.8 der Anlage zu § 1 GOVV rückwirkend anwendbar sind, im Stichtagszeitpunkt (15. September 2015, 23.59 Uhr) eine (vorläufige oder endgültige, bestandskräftige oder nicht bestandskräftige) wirksame Festsetzung von Gebühren in einer bestimmten Höhe vor, löst diese gemäß § 8 Satz 3 GOVV 2015 die Höhenbegrenzung aus Vertrauensschutzgründen aus.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 23. September 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der F., Ortsteil G. (im Folgenden: Fa. F.), und wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser die Fa. F. zu weiteren Gebühren für im Mai 2008 durchgeführte amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen (einschließlich Trichinenuntersuchung), Probenahmen nach der Schlachtung für bakteriologische Fleischuntersuchungen und weitergehende Untersuchungen sowie für Untersuchungen und Kontrollen aufgrund des Nationalen Rückstandskontrollplans (§§ 41, 47 LFGB) an in diesem Monat geschlachteten Schweinen herangezogen hat.

Diese Untersuchungen sind u.a. nach den Verordnungen (EG) Nr. 853/2004 und Nr. 854/2004 und der Richtlinie 96/23/EG sowie mitgliedstaatlichen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen durchzuführen. Das Unionsrecht sieht in Art. 27 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Anhang IV Abschnitt B Kapitel I Buchst. c) 2. Spiegelstrich der VO (EG) Nr. 882/2004 - Kontrollverordnung - für Untersuchungen an hier in Rede stehenden Schlachtschweinen mit einem Lebendgewicht von mindestens 25 kg eine pflichtige Mindestgebühr von 1 EUR je Schwein vor. Die Erhebung höherer Gebühren zur Deckung der tatsächlich entstandenen Kosten ist nach Art. 27 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Anhang VI der VO (EG) Nr. 882/2004 bei Existenz einer wirksamen mitgliedstaatlichen Rechtsgrundlage sowie einer ordnungsgemäßen Kalkulation grundsätzlich zulässig. Die Beteiligten streiten allerdings seit längerem über die konkrete rechtliche Zulässigkeit derartiger höherer Gebührenfestsetzungen für verschiedene Zeiträume.

Die Fa. F. betrieb bis Ende 2016 im Gebiet des Beklagten einen Großschlachtbetrieb, in dem Mitarbeiter des Beklagten täglich die Fleischbeschau bei den geschlachteten Schweinen durchführten sowie Proben für die vom Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) durchgeführten Rückstandskontrolluntersuchungen und weitere mikrobiologische Kontrolluntersuchungen nahmen. Im Monat Mai 2008 wurden im Betrieb der Fa. F. 101.559 Schweine geschlachtet.

Nach einem Vermerk des Beklagten vom 26. Oktober 2007 wurden die oben genannten Untersuchungen im Kreisgebiet durch das Beschauamt - eine selbständig kostenrechnende Einrichtung des Beklagten - durchgeführt, in dem eigens dafür angestellte Tierärzte, Fleischkontrolleure (Fachassistenten) und Laborkräfte beschäftigt sind. Die Finanzierung des Beschauamtes erfolgt über die Gebührenerhebung nach Art. 27 der VO (EG) Nr. 882/2004 in Verbindung mit deren Anhängen IV und VI. Die Vergütung der Tierärzte folgte bis Ende August 2008 dem „Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe“ (TV Ang aöS), der eine Vergütung nach der Anzahl der vom Beschäftigten untersuchten Schlachtschweine (Stückvergütung) vorsah. Der neue „Tarifvertrag Fleischuntersuchung“ (TV-Fleischuntersuchung) trat erst am 1. September 2008 in Kraft und sieht nunmehr eine Stundenvergütung vor. Die Berechnung, so der Beklagte in seinem Vermerk vom 26. Oktober 2007 weiter, sei aufgrund der von den Mitarbeitern zu fertigenden Stück- und Stundennachweise erfolgt. Darüber hinaus seien vor Ort der Beschauamtsleiter und Laborkräfte tätig, welche nach TVöD/BAT vergütet würden.

Die Fleischbeschau erfolge im Schlachtbetrieb folgendermaßen: Die Schlachttier(lebend)untersuchung werde im Stall von einem Tierarzt ausgeführt, und zwar während der gesamten Dauer der Schlachtanlieferung. In der Schlachthalle erfolge die Fleischuntersuchung entsprechend der VO (EG) Nr. 854/2004. Die am Schlachtband stehenden Tierärzte und Fleischkontrolleure untersuchten den Tierkörper, das Geschlinge (Zunge, Luft- und Speiseröhre, Herz, Lunge, Leber mit Gallenblase) und das Darmpaket. Die Untersuchung bestehe aus Beschauen, Durchtasten und Einschneiden. Außerdem würden Proben für die Trichinenuntersuchung entnommen und alle Befunde mittels EDV erfasst und dokumentiert. Die Schlachtkörper würden entweder sofort tauglich gekennzeichnet oder bei beanstandeten Tieren zur weiteren Untersuchung in einen gesonderten Kühlraum verbracht. Die am Tierkörper entnommenen Trichinenproben würden im Labor von Mitarbeiter/innen des Landkreises mittels Verdauungsmethode aufbereitet und anschließend von den Tierärzten und Fleischkontrolleuren untersucht. Schlachtkörper, die nicht sofort als „tauglich zum menschlichen Verzehr“ beurteilt werden könnten, müssten je nach Befund durch den Beschauamtsleiter mittels „sonstiger Untersuchungen“ gemäß der VO (EG) Nr. 854/2004 weiter untersucht werden. Dazu gehörten die pH-Wert Messung, Koch- und Bratproben und andere Tests. Proben für die Untersuchung auf Rückstände sowie Hemmstoffe und für die bakteriologische Untersuchung seien im Schlachthof-Labor zu verpacken und an ein staatliches Veterinäruntersuchungslabor zu schicken. Diese Untersuchungen könnten nicht im örtlichen Labor im Schlachthof durchgeführt werden.

Ferner erstellte der Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 (Bl. 27 ff. der BA 013) eine Gebührenbedarfsberechnung für Fleischuntersuchungen (Gebührenkalkulation) für das Jahr 2008, in die er folgende Kosten einstellte:

Aufschlüsselung der Personalkosten:

Beamte (1 Sachbearbeiter): Aufstellung der Kalkulation5.758,00 EUR

u. Kostenabrechnung (12,8 % einer 1,00 VK, A10)

1 Beschauamtsleiter (1,00 VK, Ib BAT)     72.471,00 EURzeitanteilig als Sachbearbeiter für die Schlachttier-und Fleischuntersuchung einschl. Hygienekontrollen
15 Fleischkontrolleure (TV Ang aöS)5 VK-Stellen Tierärzte (TV Ang aöS)4 Laborkräfte (TV Ang aöS)   1.500.000,00 EUR

Aufschlüsselung der Sachkosten:

Kosten für die Rückstandsuntersuchung: 6.000 Untersuchungen    151.000,00 EURx 23,18 EUR zzgl. Versand
Kosten für die bakteriologische Untersuchung: 75 Untersuchungen3.500,00 EURx 30,35 EUR zzgl. Versand
Sachkosten für Sachbearbeiter (Beamter):15.600,00 EUR x 0,1281.996,80 EUR

(12,8 % der Arbeitszeit)

Porto, Fortbildung und Reisekosten Dr. Vogelgesang, Bürobedarf1.500,00 EUR

Aufschlüsselung der Gemeinkosten:

(Kosten anderer Fachdienste / Querschnittsfachdienste bei der

Abwicklung etc.)

Beamte: 1 Sachbearbeiter  287,90 EUR

Angestellte:

1 Beschauamtsleiter3.623,55 EUR
15 Fleischkontrolleure, 5 Tierärzte, 4 Laborkräfte     73.885,00 EUR

Gesamtkosten: 1.813.992,25 EUR [richtig allerdings: 1.814.022,25 EUR, d. S.],

geteilt durch 1.200.000 Schlachtschweine 2008

Gebühr pro Schlachtschwein 2008: 1,51 EUR

Diese Gebührenkalkulation wurde am 17. Dezember 2007 vom Kreistag beschlossen und später in der im Kreisgebiet des Beklagten erscheinenden Elbe-Jeetzel-Zeitung veröffentlicht.

Bei der endgültigen Abrechnung für 2008 am 23. April 2010 (Bl. 150 f. der BA 013) stellte der Beklagte Gesamtkosten in Höhe von 1.757.576,16 EUR und Gebühreneinnahmen in Höhe von 1.755.104,71 EUR fest.

Erstmals zog der Beklagte die Fa. F. für den Monat Mai 2008 mit Bescheid vom 11. Juni 2008 (Bl. 76 der BA 013) auf der Basis des Kalkulationswertes von 1,51 EUR je Schwein zu derartigen Gebühren in Höhe von 153.354,09 EUR heran. Aufgrund der (weiteren) nachträglichen Gebührenkalkulation vom 28. Oktober 2014 (Bl. 164 ff. der BA 013; später bestätigt am 11. November 2014, Bl. 256 ff. der BA 013), die zu einem Wert von 1,4967 EUR je Schlachtschwein geführt hatte, fasste der Beklagte den Bescheid vom 11. Juni 2008 am 6. November 2014 unter Abänderung des Festsetzungsbetrages in 152.003,36 EUR (Bl. 180 der BA 013) neu; er bezog sich dabei auf die rückwirkend geänderte „Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung“ in der Fassung der (15.) Änderungsverordnung vom 23. Januar 2014 (Nds. GVBl. S. 30) - GOVet 2014 -.

Mit seit Januar 2015 rechtskräftigem Urteil vom 20. November 2014 - 13 LB 54/12 - hob der Senat diesen Bescheid auf, soweit darin mehr als die unionsrechtliche Mindestgebühr von 1 EUR je Schlachtschwein (101.559 EUR) festgesetzt worden war. Zur Begründung führte der Senat aus, der Kostentatbestand aus Abschnitt IX. Buchst. C. Nr. 2.3.2 der Anlage zur GOVet 2014, der einen Gebührenrahmen von 1 bis 30 EUR je Schlachtschwein statuiert hatte, sei mangels normativer Festlegung eines Verteilungsmaßstabes nicht hinreichend bestimmt genug und daher unwirksam. Allerdings begegne eine etwaige zukünftige rückwirkende Inkraftsetzung eines geänderten Gebührentatbestandes keinen grundsätzlichen Bedenken.

Mit Ersetzungsbescheid vom 29. Dezember 2014 (Bl. 234 der BA 013) hob der Beklagte u.a. den Gebührenbescheid für Mai 2008 vom 11. Juni 2008 in der Neufassung vom 6. November 2014 vollständig auf und setzte die Gebühr für diesen Zeitraum erneut unter Verweis auf die GOVet 2014 und auf seine endgültige nachträgliche Gebührenkalkulation vom 11. November 2014 neu fest auf 152.003,35 EUR. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Lüneburg auf die Klage der Fa. F. mit rechtskräftigem Urteil vom 16. April 2015 - 6 A 29/15 - wegen entgegenstehender Rechtskraft des Senatsurteils vom 20. November 2014 auf, soweit für Mai 2008 Gebühren von mehr als 101.559 EUR festgesetzt worden waren.

Am 3. Dezember 2014 war die „Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens“ vom 29. November 2014 (Nds. GVBl. S. 318) - GOVV 2014 - in Kraft getreten, mit welcher (u.a.) die GOVet 2014 (ex nunc) aufgehoben wurde und in der zum selben Zeitpunkt nunmehr in Nr. VI.3.1.2.3.2 der Anlage zur GOVV 2014 ein Kostentatbestand für Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühren geschaffen wurde, der jedoch für Schweine mit mindestens 25 kg Schlachtgewicht abermals einen Gebührenrahmen von 1 bis 30 EUR vorsah. Sie enthielt keine Übergangs- oder Rückwirkungsregelungen. Am 7. September 2015 erließ das Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die „(1.) Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens“, durch deren Art. 1 die GOVV in der neuen, geänderten Fassung - GOVV 2015 - einen § 8 „Anwendung auf Altfälle“ sowie in der Anlage einen neugefassten Kostentarif der Nrn. VI.3.1.2 (Schlachttier- und Fleischuntersuchung) und VI.3.1.3 (Fleischuntersuchung) erhielt. Diese Änderungen traten nach Art. 2 der Änderungsverordnung am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Änderungsverordnung vom 7. September 2015 wurde im Nds. GVBl. vom 15. September 2015 verkündet (S. 181).

Mit Bescheid - „Kostenfestsetzungsbescheid – Teilweiser Ersetzungs-/Ergänzungsbescheid“ - vom 10. September 2015 (Bl. 298 ff. der BA 013), bekanntgegeben am Folgetag, traf der Beklagte folgende Regelungen:

„a) Hiermit hebe ich meinen Kostenfestsetzungsbescheid - Ersetzungsbescheid vom 29.12.2014 über die Gebührenfestsetzung für den Zeitraum vom 01.05.2008 bis 31.05.2008 über 152.003,35 EUR (Aktenzeichen: 39.Rü-42410 - F.), vom Verwaltungsgericht Lüneburg am 16.04.2015 aufgehoben, soweit mehr als 101.559,00 EUR erhoben werden, teilweise auf, insoweit dieser 1,00 EUR je Schlachtschwein übersteigt und ersetze ihn durch die nachstehende Gebührenfestsetzung.

b) Die Fa. F. GmbH & Co. KG wird hiermit für den Zeitraum vom 01.05.2008 bis zum 31.05.2008 zu Fleischuntersuchungsgebühren in Höhe von insgesamt 152.003,35 EUR herangezogen.“

In der Begründung des Bescheides bezog sich der Beklagte hinsichtlich der Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühr auf Nr. VI.3.1.2.4.7 der GOVV „vom 02.12.2014 in der zurzeit geltenden Fassung“; Anlass für den neuen Veranlagungsbescheid habe eine „neue Rechtslage, die durch die rückwirkende Änderung der GOVV entsteht“, gegeben. Ferner teilte er mit, dass der offene, mit dem Zugang des Bescheides fällige Restbetrag (50.444,35 EUR) innerhalb von 14 Tagen zu zahlen sei, um unter anderem Mahnkosten zu verhindern.

Mit weiterem „Nachtragsbescheid zum teilweisen Ersetzungs-/Ergänzungsbescheid vom 10.09.2015“ vom 21. September 2015 (Bl. 320 der BA 013) stellte der Beklagte

„klar, dass der Kostenfestsetzungsbescheid vom 10.09.2015 aufgrund der am 16.09.2015 in Kraft getretenen rückwirkenden Änderung vom 07.09.2015 als Rechtsgrundlage herangezogen wird“.

In der weiteren Begründung stellte er die Gebührenregelung der GOVV 2015 dar.

Am 7. Oktober 2015 reichte die Fa. F. beim Verwaltungsgericht Lüneburg einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am selben Tag erhobenen Anfechtungsklage 6 A 402/15 gegen den Bescheid vom 10. September 2015, soweit dieser sie zur Zahlung zusätzlicher 50.444,35 EUR verpflichtet hatte, ein. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2015 - 6 B 111/15 - statt; die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten wies der Senat mit Beschluss vom 10. Februar 2016 - 13 ME 179/15 - zurück.

Mit Änderungsbescheid vom 11. April 2016 (Bl. 4 ff. der GA) zog der Beklagte die Fa. F. für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Mai 2008 unter Berücksichtigung der bereits durch Bescheid vom 29. Dezember 2014 bestandskräftig festgesetzten Fleischuntersuchungsgebühren in Höhe von 101.559,00 EUR zu weiteren Fleischuntersuchungsgebühren in Höhe von 50.444,37 EUR heran (a)) und hob seine Bescheide vom 10. und 21. September 2015 insgesamt auf (b)), und zwar - wie in der Begründung ausgeführt wird - mit Wirkung für die Zukunft. Infolge dieser Aufhebung endete das Klageverfahren 6 A 402/15 unstreitig. Zur Begründung seiner Festsetzung erläuterte der Beklagte unter taggenauer Auflistung der im Mai 2008 geschlachteten und untersuchten Schweine, dass sich die Gebühren aus einem Betrag von 1,3843 EUR je Schlachtschwein nach seiner (endgültigen) Gebührenbedarfsberechnung (Nachkalkulation auf Ist-Kosten-Basis) vom 11. November 2014 (140.588,14 EUR; Nrn. VI.3.1.2.4.6 bzw. VI.3.1.2.4.7 der Anlage zur GOVV 2015) zuzüglich 0,0024 EUR je Schwein als Gebühr für Probenahmen nach der Schlachtung für bakteriologische Fleischuntersuchungen und weitergehende Untersuchungen zzgl. Auslagen und Laborkosten (243,74 EUR; Abschnitt IX. Buchst. C. Nr. 9.1 der Anlage zur GOVet 2014) und weiteren 0,11 EUR je Schwein als Zuschlag für die Laborkosten des LAVES für die Untersuchungen und Kontrollen nach dem Nationalen Rückstandskontrollplan (11.171,49 EUR; Abschnitt XIII. Nr. 1.3 der Anlage zur GOVet 2014) zusammensetzten (insgesamt 152.003,37 EUR). Der für den Zeitraum Mai 2008 bestandskräftig festgesetzte Betrag von 101.559 EUR sei hiervon abzutragen.

Am 10. Mai 2016 hat die Fa. F. Klage erhoben.

Sie hat vorgetragen, die in der neugefassten GOVV 2015 getroffenen Regelungen seien nicht hinreichend bestimmt. So verweise die Verordnung in der Anlage als Anmerkung zu den Nrn. VI.3.1.2 und VI.3.1.3 bezüglich der zu berücksichtigenden Kosten auf den allgemeinen Verwaltungsaufwand, der nicht weiter bezeichnet oder definiert werde. Das genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Ferner verstoße die Staffelung der Gebühren in den Nrn. VI.3.1.2.4.5 bis VI.3.1.2.4.8 für Großbetriebe gegen das vorrangige Unionsrecht. Staffelgebühren und Rahmengebühren nach der Anzahl der in einem Zeitraum geschlachteten Tiere seien in der VO (EG) Nr. 882/2004 nicht vorgesehen. Nach dem Urteil des Senats vom 20. November 2014, das auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2009 - Rs. C-309/07 - verweise, komme eine solche Staffelung der Gebührensätze nur in Betracht, wenn feststehe, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirkten. Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe bereits mit Urteil vom 17. Dezember 2013 - 5 A 1635/12 - eine ähnliche Gebührenstaffel für unwirksam erklärt, da sich in dieser die sich auf die Kosten auswirkenden Faktoren nicht wiedergefunden hätten. Gleiches gelte für die in der Anlage der GOVV 2015 geregelten Gebührenziffern, die ebenfalls die sich auf die Kosten auswirkenden Faktoren nicht widerspiegelten. Nach der Vergütungsregelung des § 12 TV Ang aöS sei die Staffelung bis zum 31. August 2008 nach Stückzahlen erfolgt. Der ab dem 1. September 2008 geltende TV-Fleischuntersuchung habe dann eine deutlich abweichende Vergütungsregelung getroffen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung erhielten die Beschäftigten in Großbetrieben, Wildverarbeitungsbetrieben und Geflügelschlachtbetrieben für jede geleistete Arbeitsstunde ein Stundenentgelt. Nur Beschäftigte außerhalb von Großbetrieben erhielten dagegen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung die in der Anlage 1 zu diesem Vertrag jeweils ausgewiesenen Stückvergütungen. Großbetriebe im Sinne dieses Tarifvertrages seien Schlachtbetriebe mit Schlachtungen, in denen im Durchschnitt des vorangegangenen Kalenderjahres mehr als 20 Großvieheinheiten wöchentlich geschlachtet worden seien (§ 24 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung). Dabei entsprächen 20 Großvieheinheiten 133 Schweinen mit einem Gewicht von bis zu 100 kg bzw. 100 Schweinen mit einem Gewicht von mehr als 100 kg. Ein Großbetrieb sei somit ein Betrieb mit einer wöchentlichen Schlachtleistung von mehr als 100 bzw. 133 Schweinen. Außerhalb von Großbetrieben sei demnach eine Staffelung nach Stück-Vergütung grundsätzlich zulässig, da die Vergütung und die Wegstreckenentschädigung einen erheblichen Teil der Kosten der Fleischuntersuchung ausmachten. Dies bestätige auch der Verordnungsgeber in der Begründung der GOVV 2015. Allerdings habe der Verordnungsgeber übersehen, dass die größere Schlachtleistung bei der Bildung der Staffelung bei Großbetrieben keine Rolle mehr spiele, da eine Abrechnung hier ausschließlich nach aufgewandter Zeit erfolge. Allein das Vorbringen, hohe Schlachtzahlen brächten eine automatische Kostenersparnis mit sich, könne die konkrete Gebührensatzstaffel im Bereich der Großbetriebe deshalb nicht rechtfertigen. Die Staffelung bilde die kostenauslösenden Faktoren nicht zutreffend ab, da die notwendige Differenzierung zwischen Großbetrieben und Kleinbetrieben in der Gebührenstaffelung nicht erfolgt sei. Ein Betrieb, der wöchentlich 20 Rinder und 3 Schweine schlachte, sehe sich nach wie vor bei Gebührenfestsetzungen für die Untersuchung beim Schwein nach Nr. VI.3.1.2.4.1 der Anlage zur GOVV 2015 mit einem Gebührenrahmen zwischen 1 EUR (Mindestgebühr) und 30 EUR (Höchstgebühr) konfrontiert. Der Senat habe mit seiner Entscheidung vom 20. November 2014 festgestellt, dass diese Gebührenspreizung nicht den Anforderungen des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Bestimmtheitsgebotes genüge.

Ferner sei aus § 8 Satz 3 GOVV 2015 ersichtlich, dass bei rückwirkender Anwendung der neuen Tatbestände keine höheren Gebühren neben die bestandskräftige Festsetzung treten dürften. Für den fraglichen Zeitraum liege ein vor dem 16. September 2015 erlassener, aber zum Teil aufgehobener, bestandskräftiger Bescheid des Beklagten vor. Insoweit genieße sie Vertrauensschutz, zumal die am 3. Dezember 2014 in Kraft getretene vorhergehende Fassung, die GOVV 2014, keine Anordnung einer rückwirkenden Anwendung auf Tatbestände vor ihrem Inkrafttreten vorgesehen habe. Nach dem Erlass der GOVV 2014 habe sie, die Fa. F., nicht mehr damit rechnen müssen, dass zu einem späteren Zeitpunkt Regelungen mit Rückwirkung erlassen würden, die sich auf Zeiträume vor dem Inkrafttreten der GOVV 2014 erstreckten. Das zu einem vergleichbaren Übergang zwischen zwei Änderungsverordnungen (4. und 8.) zur GOVet ergangene Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2004 - 10 LC 28/04 - sei insoweit übertragbar. Das Urteil des Senats vom 20. November 2014 stehe einer Gewährung absoluten Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall nicht entgegen. In dieser - vor dem Inkrafttreten der GOVV 2014 - ergangenen Entscheidung habe der Senat eine Rückwirkung nur grundsätzlich für möglich und zulässig gehalten. Zudem habe der Beklagte das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 16. April 2015 - 6 A 29/15 -, mit dem die Gebührenfestsetzung des Beklagten vom 29. Dezember 2014 aufgehoben worden sei, soweit sie die Mindestgebühren (101.559 EUR) überschritten habe, in Rechtskraft erwachsen lassen. Schließlich seien die Gebührenforderungen bezüglich der Zeiträume Mai 2008 bis einschließlich Dezember 2012 verjährt. Der Beklagte habe zudem mit Schreiben vom 22. April 2016 selbst die Vollziehung seines Bescheides ausgesetzt.

Als damalige Klägerin hat die Fa. F. beantragt,

den Kostenfestsetzungsbescheid vom 11. April 2016 hinsichtlich der Regelung zu a) aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seinen Bescheid verteidigt und vorgetragen, es liege nur ein Fall unechter Rückwirkung vor, da die Veranlagung nicht abgeschlossen gewesen sei und die Fa. F. mit einer kostendeckenden Gebührenerhebung habe rechnen müssen. Er sei auch nicht durch die Regelung des § 8 Satz 3 GOVV 2015 an einer Nachveranlagung gehindert, denn schon vor deren Inkrafttreten habe er die Fa. F. durch den Bescheid vom 10. September 2015 zu dem geforderten Betrag herangezogen.

Mit Urteil vom 23. September 2016 (der Beklagtenseite zugestellt am 7.10.2016) hat das Verwaltungsgericht Lüneburg Buchst. a) des Bescheides des Beklagten vom 11. April 2016 als rechtswidrig und rechtsverletzend angesehen und aufgehoben. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:

Zwar stehe einer Gebührenveranlagung für Mai 2008 nicht gemäß § 121 VwGO die Rechtskraft der Urteile des Senats (v. 20.11.2014 - 13 LB 54/12 -) sowie des Verwaltungsgerichts Lüneburg (v. 16.4.2015 - 6 A 29/15 -) entgegen, weil mit der GOVV 2015 eine entscheidungserhebliche Rechtslagenänderung verbunden gewesen sei.

Jedoch sei § 8 Sätze 1 und 2 GOVV 2015, der eine rückwirkende Anwendbarkeit der durch die GOVV 2015 neugefassten Kostentatbestände Nrn. VI.3.1.2.1 bis VI.3.1.2.8 sowohl auf nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 3. Dezember 2014 (Satz 2) als auch auf nach dem 2. Dezember 2014 und vor dem 16. September 2015 (Satz 1) durchgeführte Untersuchungen vorsehe, unwirksam. Die Norm sei auf eine echte Rückwirkung gerichtet, die verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise zulässig sei. Eine als Ausnahme anerkannte Fallgruppe greife hier nicht ein. Grundsätzlich habe die Fa. F. zwar, wie auch der Senat in seinem Urteil vom 20. November 2014 ausgeführt habe, aufgrund der bisherigen gleichartigen (wenn auch unwirksamen) Regelungsversuche in der GOVet 2014, spätestens aber seit dem Senatsurteil mit einer rückwirkenden Schaffung einer wirksamen, eine kostendeckende Gebührenerhebung ermöglichenden Rechtsgrundlage rechnen müssen. Diese Bewertung gelte jedoch nicht mehr, nachdem der niedersächsische Verordnungsgeber in Kenntnis des Senatsurteils die darin für unwirksam erachteten Bestimmungen der GOVet 2014 durch die am 2. Dezember 2014 verkündete, am 3. Dezember 2014 in Kraft getretene GOVV 2014 (eine komplette Neuregelung unter ausdrücklichem Systemwechsel, etwa im Hinblick auf die Kontrollen nach dem Nationalen Rückstandskontrollplan) nicht - wie etwa anlässlich früherer Reformen der GOVet - rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft ersetzt habe, ohne Übergangsregelungen zu treffen, und auch nicht zeitnah nach dem Senatsurteil vom 20. November 2014 eine Nachbesserung wegen eines Versehens angekündigt, sondern erst viel später eine Reaktion auf dieses Senatsurteil gezeigt habe. Angenommen werden müsse, dass der Verordnungsgeber sich bei Schaffung der GOVV 2014 bewusst dafür entschieden habe, von der Möglichkeit einer Rückwirkung keinen Gebrauch zu machen. Hieraus erwachse der Fa. F. die Grundlage für ein Vertrauen darauf, dass die Leistungen des Beklagten mit der unionsrechtlichen Mindestgebühr von 1 EUR je Schlachtschwein abgegolten sein würden und die jahrelangen Rechtsstreitigkeiten hierum ihr Ende gefunden hätten.

Der nachträglichen Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 50.444,37 EUR für Mai 2008 stehe unabhängig davon die konkrete Vertrauensschutzregelung aus § 8 Satz 3 GOVV 2015 entgegen. Ihre Auslegung ergebe, dass danach rückwirkende gebührenerhöhende Neuregelungen nur für die Fälle zulässig sein sollten, in denen gar keine wirksame Veranlagung erfolgt oder eine solche vollständig aufgehoben worden sei. So liege es hier für den streitgegenständlichen Zeitraum Mai 2008 nicht. Der Versuch einer Gebührenfestsetzung durch die Bescheide vom 10. und 21. September 2015 im Vorgriff auf die sich abzeichnende, aber noch nicht in Kraft gesetzte Regelung der GOVV 2015 sei nicht zu berücksichtigen, weil er sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben als rechtsmissbräuchlich (unzulässige Rechtsausübung) darstelle; einmal, weil er bewusst Voraussetzungen der noch nicht existenten Norm habe schaffen wollen (Rechtsgedanke des § 162 Abs. 2 BGB), zum anderen, weil damit wiederholt gegen rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen zu dem betreffenden Zeitraum Mai 2008 verstoßen worden sei. Im Übrigen liege ohnehin darin eine vor dem 16. September 2015 getroffene wirksame höhere Festsetzung nicht. Denn die auch vom Senat in seinem Beschluss vom 10. Februar 2016 - 13 ME 179/15 - attestierte materielle Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10. September 2015 hinsichtlich der mangelnden Bestimmtheit der Höhe nach sei derart gravierend gewesen, dass der Bescheid wegen unklaren Inhalts nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig gewesen sei. Die Rechtsfolge des § 8 Satz 3 GOVV 2015 führe dazu, dass eine die bestandskräftige Festsetzung der unionsrechtlichen Mindestgebühr von 101.559 EUR aus dem Bescheid vom 29. Dezember 2014 erhöhende Nachfestsetzung nicht erfolgen dürfe. Die Regelung differenziere nicht zwischen mit dem ursprünglichen, vollständigen Betrag bestandskräftig gewordenen Alt-Festsetzungen und solchen, in denen die ursprüngliche Gebührenfestsetzung nur teilweise aufgehoben worden, hinsichtlich des verbliebenen Betrages jedoch Bestandskraft eingetreten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung des Umfangs des Vertrauensschutzes sowie wegen einer Abweichung vom Senatsurteil vom 20. November 2014 - 13 LB 54/12 - zugelassene Berufung des Beklagten, die dieser am 28. Oktober 2016 eingelegt und am 1. Dezember 2016 begründet hat.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte zunächst aus, die GOVV 2015 bewirke eine unzulässige echte Rückwirkung nicht. Die Fa. F. habe damit rechnen müssen, auch zukünftig - nach Erlass einer mit Rückwirkung ausgestatteten wirksamen Gebührenordnung - für den Zeitraum Mai 2008 erneut zu weiteren, über die unionsrechtlich geschuldete Mindestgebühr von 101.559 EUR hinausgehenden Gebühren veranlagt zu werden. Zumindest mit darauf gerichteten Versuchen des Verordnungsgebers habe die Fa. F. rechnen müssen. Diese Sichtweise nehme auch das Senatsurteil vom 20. November 2014 ein. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe sich hieran durch den Erlass der GOVV 2014 nichts geändert. Die Annahme, der Verordnungsgeber habe in Kenntnis des Senatsurteils vom 20. November 2014 bewusst darauf verzichtet, die darin für unwirksam erachteten Bestimmungen der GOVet 2014 ex tunc zu ersetzen, sondern diese lediglich ex nunc durch die GOVV 2014 ersetzt, ohne Übergangsregelungen zu treffen, gehe fehl. Dies folge bereits aus den zeitlichen Abläufen. Dem Nds. Landwirtschaftsministerium als Verordnungsgeber habe am 21. November 2014 nur der Tenor des Senatsurteils vom Vortag vorgelegen; erst am 3./4. Dezember 2014 seien ihm die schriftlichen Entscheidungsgründe zugegangen. Bereits vorher sei jedoch die GOVV 2014 erlassen (29.11.2014) bzw. im Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet (2.12.2014) worden. Ein vom Verwaltungsgericht angenommenes Vertrauen der Fa. F. darauf, für Mai 2008 nicht mit höheren Gebühren als bisher belastet zu werden, habe daher von vornherein nicht entstehen können; ganz davon abgesehen, dass ein solches Vertrauen nicht im Verhältnis der Fa. F. zum prozessbeteiligten Beklagten als bloßer für den Vollzug von Normen des Verordnungsgebers zuständigen Behörde vorstellbar sei.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts errichte im vorliegenden Fall auch § 8 Satz 3 GOVV 2015 für ihn - den Beklagten - kein unüberwindliches Hindernis, rückwirkend Gebühren für den Zeitraum Mai 2008 festzusetzen. Lediglich eine Höhenbegrenzung durch vorangegangene Festsetzungen sei danach zu beachten. Dabei handele es sich um den Ausfluss eines allgemeinen Schlechterstellungsverbots, wie es auch im Kommunalabgabenrecht und im sonstigen Abgabenrecht Geltung beanspruche. Für Mai 2008 treffe die nachträgliche Heranziehung zu um 50.444,37 EUR höheren Gebühren nicht auf relevante Grenzen. Die Bestandskraft des Bescheides vom 29. Dezember 2014 (unionsrechtliche Mindestgebühr in Höhe von 101.559 EUR) gehe auf eine Teilaufhebung nur durch die Gerichte, nicht aber durch ihn, den Beklagten, zurück und sei daher unerheblich. Jedenfalls am 15. September 2015 habe mit dem Bescheid vom 10. September 2015 (in Verbindung mit dem Bescheid vom 21. September 2015) eine Festsetzung von insgesamt 152.003,35 EUR vorgelegen. Eine unzulässige Rechtsausübung bzw. ein rechtsmissbräuchliches Verhalten seinerseits lägen darin nicht. Allenfalls könne eine misslungene Bescheidtechnik konzediert werden, die jedoch nicht zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben geführt habe. Der Bescheid vom 10. September 2015 sei auch im Übrigen wirksam gewesen. Insbesondere ergäben sich für seine - vom Verwaltungsgericht bejahte - „Nichtigkeit wegen unklaren Inhalts“ keine Anhaltspunkte. Sein verfügender Teil sei entgegen der vom Senat im Beschluss vom 10. Februar 2016 - 13 ME 179/15 - geäußerten Auffassung bei verständiger Auslegung nicht einmal zu unbestimmt gewesen. Folgte man dem Senat darin, dass Buchst. a) des Bescheides vom 10. September 2015 ins Leere gegangen sei, weil er einen bereits durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. April 2015 - 6 A 29/15 - aufgehobenen Festsetzungsteil nochmals aufzuheben beabsichtigt habe, so verbliebe jedenfalls die in Buchst. b) dieses Bescheides enthaltene, auf Mai 2008 bezogene Festsetzung eines Betrages von „insgesamt“ 152.003,35 EUR, der ersichtlich den verbleibenden Rest des Bescheides vom 29. Dezember 2014 (101.559 EUR) habe einbeziehen wollen.

Während des Berufungsverfahrens ist am 31. Dezember 2016 das Insolvenzverfahren 7 IN 102/16 über das Vermögen der Fa. F. vor dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - Uelzen eröffnet worden, und der Kläger ist am selben Tage zunächst zum Sachwalter und am 24. Februar 2017 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Beklagte hat am 31. Januar 2017 die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Gebührennachforderung in Höhe von 50.444,37 EUR (als Teil behaupteter Gesamtgebührennachforderungen des Beklagten gegen die Fa. F. für die Fleischbeschau der Jahre 2008 bis 2014 in Höhe von 2.544.337,15 EUR zzgl. Zinsen) zur Insolvenztabelle angemeldet. Nachdem das Bestehen dieser ursprünglich behördlich titulierten Forderung (§ 179 Abs. 2 InsO) seitens des Klägers am 23. Februar 2017 bestritten worden ist, hat der Beklagte nach zwischenzeitlich eingetretener Unterbrechung des verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsrechtsstreits (§ 240 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 173 Satz 1 VwGO) am 16. März 2017 gemäß §§ 185 Satz 2, 180 Abs. 2 InsO die Wiederaufnahme des vorliegenden Verfahrens beantragt und deutlich gemacht, dass er damit die Aufnahme der streitigen Forderung in die Insolvenztabelle feststellen lassen will.

Der Beklagte beantragt vor diesem Hintergrund,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 23. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger als Partei kraft Amtes beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft die Ausführungen der Fa. F. aus dem Klageverfahren. § 8 Satz 2 GOVV 2015 enthalte hinsichtlich des Zeitraums Mai 2008, der vor dem Inkrafttreten der GOVV 2014 am 3. Dezember 2014 gelegen habe, eine unzulässige echte Rückwirkung. Soweit der Beklagte auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 20. November 2014 hinsichtlich zu erwartender zulässiger Heilungsversuche des Verordnungsgebers abstelle, hätten diese ersichtlich auf der Prämisse einer Fortschreibung der GOVet gefußt. Mit der Außerkraft-setzung der GOVet durch § 8 Satz 2 GOVV 2014 (a.F.) ab dem 3. Dezember 2014, d.h. einer geänderten Rechtslage, seien sie jedoch überholt. Die Änderung einer außer Kraft getretenen Verordnung sei nicht möglich; hiervon sei auch der Verordnungsgeber in seiner Begründung zur GOVV 2015 ausgegangen. Ohne Auswirkung bleibe das Vorbringen des Beklagten, dem Nds. Landwirtschaftsministerium habe am 21. November 2014 lediglich der Tenor des Senatsurteils vom 20. November 2014 vorgelegen. Denn hieraus habe der Verordnungsgeber jedenfalls ersehen können, dass die Regelungen der GOVet 2014, die als unwirksam angesehen worden seien, mit denen der GOVV 2014 im hier interessierenden Zusammenhang identisch gewesen seien und daher auch Letztere absehbar einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würden. Dennoch habe der Verordnungsgeber in Kenntnis dieses Umstandes unter dem 29. November 2014 die GOVV 2014 ohne Rückwirkung erlassen und die bisher für Altfälle allein geltende GOVet außer Kraft gesetzt. Angesichts einer solchen Vorgehensweise habe die Fa. F. davon ausgehen dürfen, dass der Verordnungsgeber vor dem Inkrafttreten der GOVV 2014 (3. Dezember 2014) liegende Zeiträume nicht mehr habe aufgreifen wollen. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch § 8 Satz 3 GOVV 2015 ein rechtliches Hindernis für eine höhere Gebührenfestsetzung als die bisherigen bestandskräftigen Festsetzungen entnommen. Die Norm sei nicht, wie der Beklagte meine, Ausdruck eines allgemeinen Schlechterstellungsverbotes, sondern stehe einer Erhöhung der Gebühren durch Wiederaufgreifen in Altfällen (bestandskräftig abgeschlossenen Fällen) entgegen. Ein derartiger Fall liege für Mai 2008 mit den bestandskräftig auf 101.559 EUR festgesetzten Gebühren vor. Dass sich die in § 8 Satz 2 GOVV 2015 vorgesehene Rückwirkung wegen § 8 Satz 3 GOVV 2015 nur auf Fälle beziehe, in denen gar keine wirksame Veranlagung erfolgt sei, folge aus dem klaren Wortlaut der letztgenannten Bestimmung, aber auch ergänzend aus der Antwort des Nds. Landwirtschaftsministeriums vom 2. September 2015 (LT-Drs. 17/4198) auf die Kleine Anfrage einiger Landtagsabgeordneter (LT-Drs. 17/4003), worauf auch das Verwaltungsgericht abgehoben habe. Die Bescheide des Beklagten vom 10. bzw. 21. September 2015 seien nicht geeignet, die Vertrauensschutzschranke aus § 8 Satz 3 GOVV 2015 zu beseitigen. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte mit einem unklaren und nichtigen Bescheid, der sich erkennbar auf die neue, noch nicht geltende Verordnung habe stützen wollen, billigerweise nicht zugleich die Voraussetzungen für deren Anwendung habe schaffen können. Dass der Bescheid vom 10. September 2015 zu unbestimmt und schon deshalb rechtswidrig gewesen sei, habe der Senat in seinem Beschluss vom 10. Februar 2016 - 13 ME 179/15 - ausgeführt. Dem Bescheid vom 21. September 2015 sei kein Regelungscharakter zugekommen. Schließlich seien in dem Senatsbeschluss weitere Gründe aufgezählt worden, die der Wirksamkeit der Kostentatbestände aus Nrn. VI.3.1.2 und VI.3.1.3 auch in der Fassung der GOVV 2015 entgegenstehen könnten, selbst wenn sie zulässigerweise rückwirkend auf den Zeitraum Mai 2008 angewendet werden könnten, etwa deren fragliche hinreichende inhaltliche Bestimmtheit sowie die unionsrechtliche Vereinbarkeit der darin vorgesehenen Staffelung.

Im Insolvenzverfahren 7 IN 102/16 hat der Kläger am 14. März 2017 gemäß § 208 InsO angezeigt, dass die Insolvenzmasse zur Erfüllung der fälligen bzw. künftig fällig werdenden sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht ausreicht, das heißt Masseunzulänglichkeit besteht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie die Beiakten (BA) 001 bis 014 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt mangels Begründetheit ohne Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Festsetzung in Höhe von (weiteren) 50.444,37 EUR aus Buchst. a) des Bescheides des Beklagten vom 11. April 2016, mit welchem sich der Beklagte einer derartigen - in Wahrheit materiell-rechtlich nicht bestehenden - Gebührennachforderung berühmt hat, als rechtswidrig und rechtsverletzend aufgehoben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Hauptposition Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung einschließlich Trichinenuntersuchung.

1. Als Rechtsgrundlage für den Bescheid kamen insoweit zwar §§ 1, 3 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2, 4 bis 7 NVwKostG in Verbindung mit § 1 Nr. 1 Buchst. a) und § 8 Satz 2 sowie (je nach täglicher Schlachtzahl) Nrn. VI.3.1.2.4.6 bzw. VI.3.1.2.4.7 der Anlage zu § 1 der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und der Veterinärverwaltung in der Fassung der (1.) Änderungsverordnung vom 7. September 2015 (Nds. GVBl. S. 181) - GOVV 2015 - in Betracht. Nach § 8 Satz 2 GOVV 2015 ist u.a. der am 16. September 2015 in Kraft getretene Kostentarif aus Nrn. VI.3.1.2.4.6 bzw. VI.3.1.2.4.7 der Anlage zu § 1 GOVV 2015 auch auf Schlachttier- und Fleischuntersuchungen anzuwenden, die - wie hier (im Mai 2008) - nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 3. Dezember 2014 durchgeführt wurden.

2. Jedoch trifft die rückwirkende Anwendung des Kostentarifs aus Nrn. VI.3.1.2.4.6 bzw. VI.3.1.2.4.7, die § 8 Satz 2 GOVV 2015 anordnet, auf aus Gründen des konkreten Vertrauensschutzes gezogene Grenzen, die sich bereits aus der Verordnung selbst - nämlich aus § 8 Satz 3 GOVV 2015 - ergeben. Nach dieser Norm erhöht sich die Gebühr nach § 8 Satz 2 GOVV 2015 nicht, wenn für Untersuchungen (im betreffenden Zeitraum) vor dem 16. September 2015 bereits eine Gebühr festgesetzt worden ist.

a) Das vorliegende Berufungsverfahren gibt keinen Anlass dazu, im Rahmen einer Auslegung des § 8 Satz 3 GOVV 2015 sämtliche Konstellationen zu betrachten und zu würdigen, in denen danach eine rückwirkende Anwendung mit der Folge einer höheren Gebührenforderung bereits durch den Verordnungsgeber ausgeschlossen sein soll, und die Frage zu beantworten, ob im Ergebnis Konstellationen einer verordnungsmäßig zulässigen Rückwirkung verbleiben, die auf im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hinsichtlich einer hier anzunehmenden echten Rückwirkung (vgl. dazu mit Blick auf abgeschlossene gebührenpflichtige Amtshandlungen - hier: die jeweiligen Schlachttier- und Fleischuntersuchungen - nach der GOVV: Senatsurt. v. 27.9.2017 - 13 LC 233/16 -, juris Rn. 133 ff., insbes. Rn. 135) wurzelnde verfassungsrechtliche Bedenken stoßen könnten. Diese Fragen sind hier nicht entscheidungserheblich, weil § 8 Satz 3 GOVV 2015 in jedem Fall so zu deuten ist, dass er vorliegend eine Nachforderungen ermöglichende rückwirkende Anwendung ausschließt.

aa) Jedenfalls dort, wo es am Ende des maßgeblichen Stichtags (15. September 2015, 23.59 Uhr) nur eine bestandskräftige Gebührenfestsetzung mit einer niedrigeren Gebühr gegeben hat, soll es nach § 8 Satz 3 GOVV 2015 von vornherein bei dieser Gebührenhöhe verbleiben; diese „Altfälle“ sollen - wie sowohl die endgültige Verordnungsbegründung zur GOVV 2015 vom 5. August 2015 (Bl. 7 der BA 007 = Bl. 373 der BA 014) erkennen lässt als auch die Antwort des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Landwirtschaftsministerium) namens der Nds. Landesregierung vom 2. September 2015 (LT-Drs. 17/4198, S. 3) zu Nr. 4 der Kleinen Anfrage einiger Abgeordneter des Nds. Landtags vom 20. Juli 2015 („Stellt die Landesregierung durch die rückwirkende Änderung von Gebührensätzen den Vertrauensschutz infrage?“, LT-Drs. 17/4003, S. 1) klarstellt - gar nicht wiederaufgegriffen werden. Das folgt ohne Weiteres auch aus der Systematik der Sätze 2 und 3 von § 8 GOVV 2015.

bb) Vielmehr soll nach dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers eine Rückwirkung nach § 8 GOVV 2015 sich nur beziehen auf „Einzelfälle, in denen die Verwaltungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen“ waren (Antwort des Nds. Landwirtschaftsministeriums v. 2.9.2015, a.a.O.); allerdings soll in diesen überhaupt nur potentiell der Rückwirkung unterfallenden Konstellationen („noch laufenden Verfahren“) eine Erhöhung der festgesetzten Gebühr vermieden werden (vgl. endgültige Verordnungsbegründung v. 5.8.2015, a.a.O., Bl. 7 der BA 007 = Bl. 373 der BA 014). Daraus ist nach Auffassung des Senats zu folgern, dass auch eine noch nicht bestandskräftig gewordene niedrigere Gebührenfestsetzung, soweit sie im Stichtagszeitpunkt bestanden hat (das heißt wirksam gewesen ist), höhenbegrenzende Wirkung zu entfalten vermag, so dass sich insoweit der Höhe nach das Gleiche ergibt wie bei einer niedrigeren bestandskräftigen Festsetzung. § 8 Satz 3 GOVV 2015 verlangt nicht notwendigerweise die Bestandskraft einer niedrigeren Festsetzung, sondern lediglich deren Existenz am Stichtag. Weder Wortlaut („ist […] eine Gebühr […] festgesetzt worden“) noch Sinn und Zweck des § 8 Satz 3 GOVV 2015, der ersichtlich eine Bereinigung der Vergangenheitsfälle im Interesse der Erlangung von Rechtsfrieden anstrebt, sprechen im Übrigen in diesem Zusammenhang dagegen, dabei neben endgültigen Festsetzungen auch vorläufige Festsetzungen als höhenbegrenzend in Betracht kommen zu lassen.

cc) Waren vor dem genannten Stichtagszeitpunkt mithin (vorläufige oder endgültige, bestandskräftige oder noch nicht bestandskräftige) Gebührenfestsetzungen ergangen, lösen sie die Rechtsfolge einer Höhenbegrenzung aus § 8 Satz 3 GOVV 2015 aus. Hieran änderte sich nur dann etwas, wenn chronologisch nach einer solchen betragsmäßig niedrigeren Festsetzung im Zeitraum bis zu dem genannten Stichtagszeitpunkt noch eine höhere, naturgemäß nicht bestandskräftig gewesene Festsetzung erging, die die Höhenbegrenzung (= den Ausschluss einer rückwirkend höheren Gebührenschuld und -festsetzung ab dem 16. September 2015) beseitigen könnte. Eine solche weitere Gebührenfestsetzung müsste jedoch, um dieses Ergebnis zeitigen zu können, jedenfalls wirksam (gewesen) sein. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, so dass es bei der Rechtsfolge eines Ausschlusses von Rückwirkung, die sich aus dem o.g. Grundsatz ergibt, verbleiben muss. Im Einzelnen:

b) Nach mehreren Festsetzungsversuchen war der Veranlagungszeitraum Mai 2008 zuletzt durch Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2014 in einer (niedrigeren) Höhe von 101.559 EUR wirksam geregelt worden. Diese hindert im vorliegenden Fall eine auf § 8 Satz 2 GOVV 2015 gestützte (insgesamt) höhere Gebührenfestsetzung für Mai 2008 und damit auch die hier durch streitgegenständlichen Bescheid vom 11. April 2016 verfügte Nachfestsetzung in Höhe von 50.444,37 EUR.

Der Bescheid vom 29. Dezember 2014 hatte zwar ursprünglich eine Gebühr in Höhe von 152.003,35 EUR festgesetzt, die (mit 0,02 EUR Differenz) nahezu der im Ergebnis unter Berücksichtigung des streitgegenständlichen Bescheides vom 11. April 2016 festgesetzten Gebührenhöhe entsprach. Allerdings hatte sich diese Höhe später vor dem 16. September 2015 in vollständig (aa)) oder zumindest teilweise (bb)) bestandskräftiger Weise verringert.

aa) Der am selben Tage bekanntgegebene Bescheid vom 29. Dezember 2014, der keine Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne des § 58 Abs. 1 VwGO enthielt und deshalb nach § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe (das heißt bis einschließlich 29.12.2015) klageweise angefochten werden konnte, ist vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg (6 A 29/15) von vornherein nur hinsichtlich des den unionsrechtlichen „Sockel“ nach Anhang IV Abschnitt B Kapitel I Buchstabe c) 2. Spiegelstrich zu Art. 27 Abs. 2 und 3 der VO (EG) Nr. 882/2004 (Mindestgebühr von 101.559 EUR) übersteigenden Teils angefochten worden. Unter Berücksichtigung der im vorliegenden Einzelfall während der jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Fa. F. und dem Beklagten zur Gebührenfestsetzungshöhe für Mai 2008 mit wiederholten Festsetzungsversuchen seitens des Beklagten von der Fa. F. eingenommenen und kundgetanen Position spricht bereits vieles dafür, diese Teilanfechtung als konkludenten Klageverzicht bezüglich der Sockelfestsetzung zu verstehen, wodurch Bestandskraft des Bescheides hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils eintreten wäre (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 74 Rn. 25). Die Fa. F. hat gegenüber dem Beklagten stets deutlich gemacht, dass sie ihre Verpflichtung zur Zahlung des unionsrechtlichen Mindestbetrages von 1 EUR je Schlachtschwein anerkenne, und hat Zahlungen in diesem Umfang auch stets geleistet. Nur diesen Betrag übersteigende Gebühren hat sie durchweg abzuwehren versucht. Hieraus folgte allerdings zunächst nur, dass die Fa. F. aufgrund des Bescheides vom 29. Dezember 2014 mindestens diesen Betrag (101.559 EUR) zu zahlen verpflichtet war; im Übrigen (50.444,35 EUR) blieb deren weitergehende Zahlungspflicht für Mai 2008 zunächst offen. Das Verwaltungsgericht jedoch hat mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 16. April 2015 - 6 A 29/15 - die Gebührenfestsetzung im angefochtenen „überschießenden“ Umfang aufgehoben (mit der Folge, dass jedenfalls kein über 101.559 EUR hinausgehender Betrag für Mai 2008 geschuldet wurde). Nach alledem war etwa ab Mai 2015 für Mai 2008 eine (niedrigere) Gebührenfestsetzung in Höhe von insgesamt nur 101.559 EUR bestandskräftig geworden.

bb) Selbst wenn man die Teilanfechtung nicht als Klageverzicht in Höhe des Mindestgebührensockels deutet, muss darauf abgestellt werden, dass zwar der Bescheid vom 29. Dezember 2014 in Höhe von 101.559 EUR im Mai 2015 und sodann auch am 15. September 2015, 23.59 Uhr, zwar noch nicht bestandskräftig war, allerdings nur in der Weise, dass allenfalls noch eine Reduktion dieses Betrages hätte erstritten werden können. Das rechtskräftige antragsgemäß teilkassierende Urteil vom 16. April 2015 hat jedenfalls die Wirkung gezeitigt, dass von der Fa. F. kein höherer Betrag als 101.559 EUR geschuldet wurde. Selbst wenn man auch diese Auffassung nicht teilte, änderte das nichts an der Tatsache, dass zum o.g. Stichtagszeitpunkt immerhin eine - und zwar nur eine niedrigere - Gebührenfestsetzung im Sinne des § 8 Satz 3 GOVV 2015 vorgelegen hatte, mag sie auch noch (ggf. insgesamt) nicht bestandskräftig gewesen sein.

c) An der durch die Festsetzung vom 29. Dezember 2014 eingetretenen Höhenbegrenzung ändert der durch Bescheid vom 10. September 2015 (durch den Beklagten erst ex nunc aufgehoben durch nicht klageweise angefochtenen Buchst. b) seines Bescheides vom 11. April 2016) und damit noch vor dem 16. September 2015 unternommene Festsetzungsversuch des Beklagten, der auf eine wie auch immer bezifferte „höhere Höhe“ hinauslaufen sollte, nichts.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Verwaltungsgericht vorrangig angenommen hat - dieser Bescheid bereits entsprechend § 162 Abs. 2 BGB (oder § 242 BGB) mit dem Argument als treuwidrig und daher rechtsmissbräuchlich „hinweggedacht“ werden muss, er sei - insoweit rechtswidrig - vor dem Inkrafttreten des § 8 GOVV 2015 am 16. September 2015, damit „verfrüht“ (vgl. hierzu den den Beteiligten bekannten Senatsbeschl. v. 10.2.2016 - 13 ME 179/15 -, juris Rn. 37 ff., insbes. Rn. 43) und ersichtlich nur mit Bezug auf die zu erwartende Regelung und deren Rückwirkungsgrenzen erlassen worden.

bb) Denn der Bescheid vom 10. September 2015 kann jedenfalls deshalb keine die maximale Höhe abweichend regulierende Bedeutung erlangen, weil er von Anfang an nichtig und daher unwirksam gewesen ist (§ 43 Abs. 3 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG). Dies ergibt sich aus § 44 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG. Ein Verwaltungsakt ist danach nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Zu beachten ist zwar die verwaltungsrechtliche Besonderheit, dass grundsätzlich Verwaltungsakte auch dann wirksam sind, wenn sie (formell und/oder materiell) rechtswidrig sein sollten. Allerdings kann im Ausnahmefall mit einer Rechtswidrigkeit zugleich die Nichtigkeit - das heißt Unwirksamkeit - verbunden sein, und zwar bei besonders schwerwiegenden Fehlern, deren Bestehen offensichtlich ist. So liegt es hier.

Wie sich aus den genannten Vorschriften ergibt, führt eine bloße Fehlerhaftigkeit eines Abgabenbescheides im Allgemeinen noch nicht zu seiner Nichtigkeit. Auch eine schwerwiegende Fehlerhaftigkeit genügt hierfür nicht. Selbst ein besonders schwerwiegender Fehler begründet noch keine Nichtigkeit des Bescheids, wenn nicht zugleich offensichtlich ist, dass der Bescheid an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Die aus Rechtsmängeln abgeleitete Folge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist als eine besondere Ausnahme von dem geschilderten Grundsatz anzusehen, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Besonders schwerwiegend ist daher nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1997 - BVerwG 8 C 1.96 -, NVwZ 1998, 1061, 1062, juris Rn. 28 m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.8.2018 - 9 LA 141/17 -, juris Rn. 38). Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in einem so erheblichen Maße verletzt worden sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2016 - BVerwG 4 BN 36.15 -, juris Rn. 10, und v. 16.9.2015 - BVerwG 4 VR 2.15 u.a. -, juris Rn. 9). Dass ein Verwaltungsakt im maßgeblichen Erlasszeitpunkt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.4.2011 - BVerwG 6 B 41.10 -, juris Rn. 4) an einem solchen besonders schwerwiegenden Fehler leidet, ist dann offensichtlich, wenn dies für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen durchschnittlichen Beobachter (einen „urteilsfähigen Bürger“, vgl. BVerwG, Urt. v. 16.7.1970 - BVerwG VIII C 23.68 -, juris Rn. 9) ohne Weiteres ersichtlich ist, das heißt sich geradezu aufdrängt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 14.11.1996 - 3 L 5961/94 -, NdsVBl. 1997, 111, 112). Dem Verwaltungsakt muss die besonders schwere Fehlerhaftigkeit gewissermaßen „auf die Stirn geschrieben sein“ (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 17.4.2018 - 15 KF 9/17 -, juris Rn. 71 m.w.N.). Die einem verständigen Bürger zu unterstellende Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände erstreckt sich dabei nicht ohne Weiteres auf die Kenntnis der Rechtslage im Einzelfall, denn dies würde dazu führen, dass schwerwiegende Rechtsfehler, deren Kenntnis dem verständigen Bürger unterstellt würden, letztlich immer als offenkundig anzusehen wären (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1997, a.a.O., S. 1063 bzw. Rn. 33). Allerdings muss von dem zu erwartenden durchschnittlichen Einblick eines Angehörigen desjenigen Personenkreises ausgegangen werden, dem der Betroffene angehört; möglich ist also auch die Würdigung von Umständen, die nicht für alle offensichtlich (allgemeinkundig) sind, aber für den Betroffenen in Betracht kommen und damit die Offensichtlichkeit des Fehlers bewirken können (vgl. Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 44 Rn. 31, unter Berufung auf OVG Lüneburg, Urt. v. 11.6.1985 - 9 OVG A 5/82 -, DÖV 1986, 382 [OVG Niedersachsen 11.06.1985 - 9 A 5/82]).

Auch gemessen an diesen strengen Maßstäben war der Bescheid vom 10. September 2015 bei gebotener Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aus zwei Gründen nichtig.

(1) Zum einen litt er offensichtlich am Mangel einer sog. „absoluten Gesetzlosigkeit“ (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 30a).

(a) Ihm fehlte am Erlasstag (11. September 2015, vgl. Senatsbeschl. v. 10.2.2016, a.a.O., Rn. 31) in materieller Hinsicht nach jeder Betrachtungsweise die Rechtsgrundlage.

Denn die bislang für den Monat Mai 2008 allein geschaffenen Kostentatbestände aus Abschnitt IX. Buchst. C. Nr. 2.3.2 der Anlage zur GOVet 2014 waren nach dem Senatsurteil vom 20. November 2014 - 13 LB 54/12 - bekanntermaßen unwirksam, und die seit März 2015 (vgl. Bl. 129 ff. der BA 014) vorbereitete GOVV 2015, welche die im Bescheid vom 10. September 2015 bereits genannten, neugefassten Kostentatbestände in Nr. VI.3.1.2.4 der Anlage mit einer gewissen rückwirkenden Anwendungsmöglichkeit vorsehen würde, war zu diesem Zeitpunkt ersichtlich noch nicht in Kraft getreten (vgl. im Einzelnen Senatsbeschl. v. 10.2.2016 a.a.O., Rn. 37 ff., insbes. Rn. 43). Der Kostentarif aus Nr. VI.3.1.2.3.2 der Anlage zur GOVV 2014, den der Bescheid nicht explizit benannt hat, kann auch unter Berücksichtigung des Hinweises in der Begründung des Bescheides vom 10. September 2015, die GOVV in der „zurzeit geltenden Fassung“ (das wäre die GOVV 2014) solle angewandt werden, eindeutig nicht alternativ als Rechtsgrundlage herangezogen werden, weil dieser Kostentatbestand nur ex nunc (mit Wirkung vom 3.12.2014) in Kraft getreten war und damit von vornherein für den hier zu betrachtenden Vergangenheitszeitraum (Mai 2008) weder galt noch anzuwenden war; ganz abgesehen davon, dass gegen seine Wirksamkeit dieselben durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestanden wie gegen die der nahezu wortlautidentischen Vorläuferfassung aus Abschnitt IX. Buchst. C. Nr. 2.3.2 der Anlage zur GOVet 2014 (vgl. den den Beteiligten bekannten, in einem Parallelverfahren ergangenen Senatsbeschl. v. 19.2.2016 - 13 ME 187/15 -, juris Rn. 35).

(b) Dieser materielle Rechtsfehler wiegt nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall auch besonders schwer.

(aa) Zwar ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes im Allgemeinen - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - nicht schon deshalb anzunehmen, weil dieser einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (einen sog. „gesetzlosen Verwaltungsakt“ darstellt) oder die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewandt wurden, denn beides sind prinzipiell gleichwertige Unterfälle der materiellen Rechtswidrigkeit, die regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit (Vernichtbarkeit), nicht jedoch zur Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des Verwaltungsakts führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1997 -, a.a.O., S. 1062 bzw. Rn. 28 m.w.N., u.a. unter Verweis auf seinen Beschl. v. 21.1.1954 - BVerwG I B 49.53 -, BVerwGE 1, 67, 69 f., juris Rn. 12; Nds. OVG, Beschl. v. 28.8.2018, a.a.O., Rn. 38; BSG, Urt. v. 9.6.1999 - B 6 KA 76/97 R -, juris Rn. 29, für die Parallelvorschrift in § 40 Abs. 1 SGB X; BFH, Urt. v. 29.10.2002 - VII R 2/02 -, juris Rn. 24, für § 125 Abs. 1 AO).

(bb) Im Ausnahmefall zur Nichtigkeit zu führen vermag jedoch eine wegen besonderer Umstände des Einzelfalls zu bejahende „absolute Gesetzlosigkeit“, die es unerträglich macht, den fehlerbehafteten Verwaltungsakt aufrechtzuerhalten, etwa wenn es sich der hoheitlichen Betätigung offensichtlich fremde oder entzogene, willkürliche, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrende, das heißt gesetzlich schlechterdings nicht zu rechtfertigende Akte handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1970 - BVerwG VII C 10.70 -, BVerwGE 35, 334, 343, juris Rn. 30; Hess. VGH, Urt. v. 30.9.1960 - OS IV 65/58 -, DÖV 1961, 515, 516; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.5.2015 - OVG 4 B 28.14 -, juris Rn. 61; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.5.1998 - 12 A 12501/97 -, juris Rn. 12). Das können insbesondere bewusst ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Anforderungen - in positiver Kenntnis fehlender wichtiger Voraussetzungen - getroffene Willkürmaßnahmen sein (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 106; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 30a; treffend VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 16.2.2012 - 5 K 3/11 -, juris Rn. 32), etwa eine vorsätzlich rechtswidrige straßenrechtliche Widmungsverfügung, die den privaten Eigentümer unter Missbrauch der Bestimmungen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und Umgehung der gesetzlichen Regelungen des Straßengesetzes faktisch enteignet (Nds. OVG, Urt. v. 13.9.2012 - 7 LB 84/11 -, NVwZ-RR 2013, 129, 130 f.), oder eine bewusst und willkürlich überhöhte „Strafschätzung“ von Besteuerungsgrundlagen (BFH, Urt. v. 20.12.2000 - I R 50/00 -, juris Rn. 20).

Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben. Zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte den Bescheid vom 10. September 2015 ganz bewusst ohne eine damals (schon und noch) zur Verfügung stehende Rechtsgrundlage erlassen, um sich eine vermeintlich bessere Ausgangsposition im Hinblick auf die zu erwartende Neuregelung der GOVV 2015 zu verschaffen. Auf diese innere Tatsache eines vorsatzgeleiteten rechtswidrigen, willkürlichen Handelns kann aufgrund einer Reihe erdrückender Indizien geschlossen werden.

Eine neue „verfrühte“ Gebührenfestsetzung am 10. September 2015 zu verfügen, war in dieser Phase „zwischen zwei Rechtszuständen“ (unwirksame Ziffer der GOVet 2014 – noch nicht verkündete GOVV 2015) bei objektiver Betrachtung zunächst durch nichts veranlasst. Eingedenk dessen sowie des Umstandes, dass der Beklagte im Rahmen der Beteiligung der Verbände und Träger öffentlicher Belange zum Verordnungsänderungsentwurf der GOVV 2015 seit dem 12. Juni 2015 (vgl. Bl. 240 der BA 014), spätestens aber seit dem 21. Juli 2015 (über die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens - Veterinärwesen -, vgl. deren Stellungnahme auf Bl. 289 ff. der BA 014) von einer geplanten, später in § 8 GOVV 2015 verorteten Rückwirkungsanwendungsregelung sowie deren Stichtagsbestimmung (Inkrafttretenstag) Kenntnis hatte und auch später - in einer für Abgabenbescheide völlig unüblichen Weise - den Bescheid vom 10. September 2015 durch Buchst. b) des Bescheides vom 11. April 2016 lediglich mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) aufgehoben hat, ist der Senat nach Würdigung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Verhalten des Beklagten in der Gesamtschau nur dadurch erklärt werden kann, dass er diesen Bescheid allein im Interesse der Herbeiführung einer (wenngleich nur vorübergehend) am Stichtag wirksamen höheren Gebührenfestsetzung vor Inkrafttreten der GOVV 2015 erlassen und aufrechterhalten hat, um im Hinblick auf die erwartete Vertrauensschutzregelung des § 8 Satz 3 GOVV 2015 eine bessere Position zu erlangen. Mit anderen Worten hat er einen „Altfall“, der bekanntermaßen bereits seit Mai 2015 durch eine Gebührenfestsetzung mit niedrigerer Höhe (maximal 101.559 EUR) abgeschlossen war und der nach dem erklärten Willen des Verordnungsgebers auch unter Berücksichtigung des § 8 GOVV 2015 gerade nicht „wiederaufgerollt“ werden sollte, in künstlicher und durchsichtiger Weise erneut nach oben „geöffnet“, indem er die Fa. F. „zur Unzeit“ - wenige Tage vor dem Inkrafttreten der GOVV 2015 - mit einem ersichtlich klar rechtswidrigen, zu diesem Zeitpunkt naturgemäß noch nicht bestandskräftigen Bescheid mit einer höheren Gebührenfestsetzung als bisher konfrontierte. Diese Annahme des Senats wird untermauert durch die E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Nds. Landwirtschaftsministerium und dem Beklagten im Vorfeld des Inkrafttretens der GOVV 2015. Hatte das Ministerium am 11. Mai 2015 (Bl. 179 der BA 014) auf die Nachfrage des Beklagten vom 7. und 8. Mai 2015 hin noch keinen Zeitpunkt für eine „rückwirkende Änderung“ der Gebührentatbestände in Aussicht stellen können, so avisierte es am 2. September 2015 (vgl. Bl. 431 der BA 014), die GOVV 2015 in der 37. oder 38. Kalenderwoche 2015 zu verkünden und zuvor dem Beklagten noch den endgültigen Verordnungstext in der Fassung des Korrekturabzugs der Amtsblattstelle bei der Nds. Staatskanzlei zu übersenden. Dies geschah als Anhang zur E-Mail des Ministeriums vom 9. September 2015 (Bl. 461 ff. der BA 014) u.a. an den Beklagten, in welcher als Verkündungstermin (auf dessen Folgetag das Inkrafttreten und die Stichtagsbestimmung in § 8 Satz 3 GOVV 2015 für den Beklagten nunmehr konkret absehbar fallen würden) voraussichtlich ein Tag „Anfang nächster Woche“ (das heißt ein Zeitpunkt ab Montag, dem 14. September 2015) vorausgesagt wurde. Es erhellt ohne Weiteres und liegt auf der Hand, weshalb der Beklagte - in nahezu sicherer Kenntnis des nahenden Stichtags (der letztlich erst auf den 16. September 2015 fiel) - sofort die Erstellung des Bescheides am Donnerstag, dem 10. September 2015, veranlasste: weil er davon ausgehen musste, dass voraussichtlich spätestens am 15. September 2015 die GOVV 2015 in Kraft treten und es nach der in § 8 Satz 3 GOVV 2015 geplanten Regelung in einem „Altfall“ wie dem vorliegenden ohne höhere Gebührenfestsetzung vor diesem Datum bei der bisher niedrigeren vom 29. Dezember 2014 verbleiben würde.

(c) Das Fehlen der Rechtsgrundlage und die besondere Schwere dieses Mangels (die „absolute Gesetzlosigkeit“) waren in dieser Situation auch offensichtlich.

Das Fehlen einer Rechtsgrundlage aus der einzig (potentiell) in Frage kommenden GOVV 2015, die am Erlasstag (11. September 2015) weder verkündet noch in Kraft getreten war, ist ohne Weiteres in allgemeiner Weise offenkundig gewesen (vgl. zu einem vergleichbaren Fall: Hess. VGH, Urt. v. 30.9.1960, a.a.O., S. 517). Auch die Fa. F. als Adressatin konnte angesichts der jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen und wiederholten Festsetzungsversuche gerade für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Mai 2008 sowie des ihr bekannten Reformbedarfs und -standes im Bereich der GOVet 2014 / GOVV 2014 ohne weitere Prüfung erkennen, dass der Bescheid vom 10. September 2015 jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte und ein rein „taktisches Mittel“ in der Hand des Beklagten darstellte. Einem durchschnittlichen, mit den Umständen vertrauten, unvoreingenommenen Beobachter aus dem Personenkreis der Schlachtereibetreiber, zu dem die Fa. F. gehörte, musste sich aufdrängen, dass der „verfrühte“ Bescheid vom 10. September 2015 nur dazu zu dienen bestimmt sein konnte, unter Umgehung aller rechtlichen Anforderungen eine bessere „Bescheidlage“ zu schaffen, auf die es nach § 8 Satz 3 GOVV 2015 absehbar ankommen würde.

Das erkennbar von dieser Intention geleitete Vorgehen des Beklagten, das sich schließlich im Bescheid vom 10. September 2015 manifestierte und das von jedem objektiven Durchschnittsbeobachter, der auch nur die geringste Kenntnis von den damals noch laufenden Reformbemühungen des Jahres 2015 im niedersächsischen Fleischbeschaugebührenrecht hatte, als rein durch Beklagteninteressen geleitet und offensichtlich bewusst grob rechtswidrig und willkürlich identifiziert werden musste, gereicht dem Beklagten nicht zum Vorteil.

Dieser Versuch erweist sich vielmehr als nichtig und damit unwirksam.

(2) Unabhängig davon war der Bescheid vom 10. September 2015 - wie das Verwaltungsgericht auf Seiten 17 f. des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf den Senatsbeschl. v. 10. Februar 2016, a.a.O., Rn. 33 bis 35 - eingehend und zutreffend ausgeführt hat, auch deshalb nichtig, weil er derart grob unbestimmt (§§ 37 Abs. 1, 44 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG) war, dass er - insbesondere eingedenk der besonderen Funktion eines Abgabenbescheides als potentiellem Vollstreckungstitel - hinsichtlich seines zentralen Elements der Festsetzungshöhe (152.003,35 EUR oder 50.444,35 EUR?) selbst nach vorrangig anzustellender Auslegung (vgl. hierzu Thür. OVG, Beschl. v. 28.1.2005 - 4 ZKO 360/04 -, juris Rn. 3) völlig unklar blieb und damit offensichtlich an einem besonders schweren Fehler litt (vgl. zur Nichtigkeit in derartigen Fällen völliger Unbestimmtheit Sachs, a.a.O., Rn. 113 f.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 10; Peuker, a.a.O., Rn. 24). Auf die im verwaltungsgerichtlichen Urteil gemachten Ausführungen nimmt der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren gegen die Annahme der Unbestimmtheit nunmehr einwendet, Buchst. b) des Bescheides vom 10. September 2015 habe ersichtlich nur „insgesamt“ - das heißt unter Einbeziehung der Gebührenfestsetzungshöhe aus dem Bescheid vom 29. Dezember 2014 (101.559 EUR) - 152.003,35 EUR festsetzen wollen, ist dem in der Gesamtwürdigung der beiden Buchstaben a) und b) des Bescheidtenors entgegenzuhalten, dass eine derartige Eindeutigkeit hier gerade nicht gegeben war. Denn die Festsetzung aus Buchst. b) sollte bei wörtlicher Betrachtung nach Buchst. a) a.E. im Umfang der darin vorgenommenen Aufhebung des Bescheides vom 29. Dezember 2014 (im Ergebnis freilich: 0 EUR) an dessen Stelle treten, was unweigerlich zu einer Doppelfestsetzung im Hinblick auf den dem Wortlaut des Buchst. a) nach unangetastet gelassenen Mindestgebührensockel von 101.559 EUR aus dem Bescheid vom 29. Dezember 2014, nicht aber zu einer Einbeziehung dieses Betrages führen würde.

d) Der klarstellende „Bescheid“ des Beklagten vom 21. September 2015, der im Übrigen ebenso wie der Bescheid vom 10. September 2015 durch den nicht klageweise angefochtenen Buchst. b) des Bescheides vom 11. April 2016 (wenn auch ex nunc) aufgehoben wurde, ist ohne Rücksicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob ihm Regelungscharakter zugekommen ist, schon deshalb für eine abweichende Höhenbegrenzung nicht relevant, weil er nicht - wie es § 8 Satz 3 GOVV 2015 aber verlangt - in der Zeit vor dem 16. September 2015 erlassen wurde.

3. Vor diesem Hintergrund bedürfen die weiteren von den Beteiligten thematisierten Fragen im vorliegenden Berufungsverfahren keiner Entscheidung.

a) Dies gilt etwa für die vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung selbständig tragend zugrunde gelegte Annahme, die eine rückwirkende Anwendung des reformierten Kostentatbestandes aus Nr. VI.3.1.2.4 vorsehende Rechtsgrundlage in § 8 Satz 2 GOVV 2015 selbst sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG bereits unwirksam, weil diese Norm im Hinblick auf ein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers, der die GOVV 2014 am 3. Dezember 2014 unter gleichzeitiger Aufhebung der GOVet 2014 zunächst nur ex nunc und ohne Übergangs- und Rückwirkungsregelungen in Kraft gesetzt habe, per se eine unzulässige echte Rückwirkung enthalte und damit auf abstrakte oder absolute Vertrauensschutzgrenzen stoße, weil der rechtsunterworfene Bürger nicht mehr mit einer solchen echten Rückwirkung habe rechnen müssen. Insoweit kann auch offenbleiben, ob das Urteil des 10. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2004 - 10 LC 28/04 -, juris Rn. 31, das den Übergang zwischen der 4. und der 8. Änderungsverordnung zur GOVet betroffen hat, auf die vorliegende Fallgestaltung (Übergang zwischen GOVet 2014 und GOVV 2014) übertragbar ist.

b) Dahinstehen können aber auch die Fragen, ob die neugefassten Kostentatbestände aus Nrn. VI.3.1.2.4.6 bzw. VI.3.1.2.4.7 der Anlage zur GOVV in der Fassung der GOVV 2015 „an sich“ wirksam, insbesondere inhaltlich hinreichend bestimmt sind (Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. dazu Senatsurt. v. 20.11.2014, a.a.O., Rn. 77 ff.), die dortige Staffelung der Gebühren für Großbetriebe nach der Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum (hier: Tag) geschlachteten Schweine mit Unionsrecht (v.a. Anhang IV Abschnitt B Kapitel I Buchst. c), Anhang VI zu Art. 27 Abs. 3, 4, 5 VO (EG) Nr. 882/2004) vereinbar ist, ob der für das Jahr 2008 vom Beklagten endgültig kalkulierte Wert auf der Basis der Ist-Kosten (1,3843 EUR für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, bei 1,4967 EUR insgesamt) pro Stück Schlachtschwein sachlich und rechnerisch ordnungsgemäß ist, insbesondere in die Kalkulation nur die in Anhang VI zur VO (EG) Nr. 882/2004 genannten Kosten eingestellt worden sind, ob Gebührennachforderungen für zurückliegende Zeiträume verjährt sind oder auf diese wirksam verzichtet worden ist.

II. Bestand für den Monat Mai 2008 mit Bezug auf die Hauptposition (Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung einschließlich Trichinenuntersuchung) eine höhere Gebührenforderung des Beklagten als die unionsrechtlich geschuldete und bereits mit Bescheid vom 29. Dezember 2014 bestandskräftig festgesetzte Mindestgebühr von 101.559 EUR nicht, so ist auch für eine zusätzliche - ggf. nur anteilige - Festsetzung einer Gebühr für Probenahmen nach der Schlachtung für bakteriologische Fleischuntersuchungen und weitergehende Untersuchungen zzgl. Auslagen und Laborkosten nach Abschnitt IX. Buchst. C. Nr. 9.1 der Anlage zur GOVet 2014 sowie eines Zuschlags für die Laborkosten des LAVES für die Untersuchungen und Kontrollen nach dem Nationalen Rückstandskontrollplan nach Abschnitt XIII. Nr. 1.3 der Anlage zur GOVet 2014 (in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Satz 2 GOVV 2015) kein Raum.

1. Denn auch diese Nebenpositionen sind dem Grunde nach von der unionsrechtlichen Mindestgebühr aus Anhang IV Abschnitt B Kapitel I Buchst. c) zur VO (EG) Nr. 882/2004 erfasst. Für die Rückstandskontrollen und -untersuchungen nach der Richtlinie 96/23/EG ergibt sich dies bereits daraus, dass diese Tätigkeiten (Amtshandlungen) unmittelbar in Anhang IV Abschnitt A Nr. 1 zur VO (EG) Nr. 882/2004 genannt sind (vgl. Senatsurt. v. 20.11.2014, a.a.O., juris Rn. 86). Aber auch die Probenahmen für bakteriologische Fleischuntersuchungen sind von der Gemeinschaftsgebühr umfasst. Zwar sind diese Tätigkeiten nunmehr als „Labortests“ und „Probenahmen“ aufgrund des Art. 5 Nr. 1 Buchst. f), des Anhangs I Abschnitt I Kapitel II Buchst. F und des Anhangs I Abschnitt IV zur VO (EG) Nr. 854/2004 (Verfahrensverordnung amtliche Überwachung Lebensmittel tierischen Ursprungs im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 853/2004 - Hygieneverordnung Lebensmittel tierischen Ursprungs -) vorgesehen, während Anhang IV Abschnitt A Nr. 1 zur VO (EG) Nr. 882/2004 weiterhin (außer der noch geltenden Richtlinie 96/23/EG, s.o.) nach seinem Wortlaut nur Tätigkeiten nach den Richtlinien 89/662/EWG (u.a. zur Änderung der Richtlinie 64/433/EWG), 90/425/EWG und 93/119/EG erfasst, soweit sie nach der Richtlinie 85/73/EWG finanziert wurden, das heißt gebührenpflichtig waren. Dies hat auf die bakteriologische Fleischuntersuchung zugetroffen (vgl. EuGH, Urt. v. 30.5.2002 - Rs. C-284/00 u.a. -, juris Rn. 59). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass ungeachtet der fortbestehenden textlichen Nennung u.a. der Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG und 93/119/EG in Anhang IV Abschnitt A Nr. 1 der VO (EG) Nr. 882/2004 seit dem Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 854/2004 darunter auch die dort vorgesehenen Inspektionen und Kontrollen fallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2012 - BVerwG 3 C 20.11 -, juris Rn. 16 m.w.N.; Sächs. OVG, Urt. v. 18.7.2018 - 5 A 587/16 -, juris Rn. 39 f.), zu denen - wie ausgeführt - auch die bakteriologische Fleischuntersuchung einschließlich der zugehörigen Probenahmen gehört.

2. Nach alledem sind auch diese beiden Gebührenpositionen in der bereits festgesetzten Mindestgebühr für die Untersuchungen an den im Mai 2008 geschlachteten Schweinen (101.559 EUR) enthalten und daher damit abgegolten, wenn und weil es dem Beklagten im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der Hauptposition „Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühr“ nicht gelungen ist, rechtmäßig einen summierten Gebührenbetrag von höher als einem Euro festzusetzen. Diese beiden Nebengebührenpositionen wirken sich vor diesem Hintergrund nicht aus. Denn selbst wenn sie jeweils „an sich“ rechtmäßig festgesetzt worden sein sollten, übersteigen sie auch addiert (0,1124 EUR/Schwein) einen Betrag von 1 EUR je Schlachtschwein nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.