Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2019, Az.: 8 ME 93/18
Anzeigepflicht; Aufenthaltsort; Datenschutz; Verhältnismäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.01.2019
- Aktenzeichen
- 8 ME 93/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 70042
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 06.09.2018 - AZ: 19 B 2430/18
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs 1 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Als Maßnahme zur Förderung der Ausreise nach § 46 I AufenthG kann die Anordnung einer Anzeigepflicht im Fall der nächtlichen Abwesenheit von der Wohnung zulässig sein.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichterin der 19. Kammer - vom 6. September 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. September 2018 hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat es zutreffend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6. März 2018 anzuordnen, mit dem ihm unter Anordnung des Sofortvollzuges eine Anzeigepflicht für beabsichtigte Aufenthalte außerhalb seiner Wohnung im Zeitraum von Montag bis Freitag jeweils zwischen 00:00 Uhr und 07:00 Uhr auferlegt worden ist.
Die mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht.
Die Verfügung des Antragsgegners hat ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 1 AufenthG. Danach kann die Ausländerbehörde gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen, insbesondere kann sie den Ausländer verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen. Über die Verfügung zur Wohnsitznahme wird die Erreichbarkeit des Ausländers und die Einwirkungsmöglichkeit der Ausländerbehörde sichergestellt (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 88 zu § 46). Die in § 46 Abs. 1 AufenthG ausdrücklich genannte Wohnsitzauflage stellt keine abschließende Regelung dar, sondern bildet lediglich ein Beispiel für mögliche Anordnungen, wie die Verwendung des Terminus „insbesondere“ deutlich macht; es kommen alle Maßnahmen in Betracht, die geeignet sind, die freiwillige oder erzwungene Ausreise des Ausländers zu fördern (Nds. OVG, Beschl. v. 22.1.2018 – 13 ME 442/17 –, juris Rn. 5 m.w.N.). Hierzu zählen die Auferlegung von Handlungspflichten, z.B. die regelmäßige Vorsprache bei den zuständigen Behörden, oder das Gebot zum Ansparen von finanziellen Mitteln für die Heimreise. Eine entsprechende Anordnung muss einen sinnvollen Bezug zu dem Verfahrenszweck des § 46 Abs. 1 AufenthG aufweisen und darf nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten, auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen oder den Betreffenden im Einzelfall unverhältnismäßig treffen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11.3.2013 - 2 M 168/12 -, juris Rn. 6).
Die Auffassung des Antragstellers, die Auferlegung der Anzeigepflicht bei Abwesenheit habe „… einen freiheitsentziehenden Charakter“, weil er „… immer schon vorplanen (müsse), ob eventuell ein Aufenthalt außerhalb der Wohnung vonstattengeht oder nicht,“ und sei daher rechtlich unzulässig, ist nicht zutreffend.
Wie der Senat bereits entschieden hat, gehört zu den Maßnahmen, die auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 AufenthG getroffen werden können, auch die Anordnung einer Anzeigepflicht im Fall der nächtlichen Abwesenheit. Sie bleibt in der Eingriffsintensität hinter der - nach der Vorschrift zulässigen - Verhängung einer Wohnsitzauflage zurück und ist, soweit sie freiheitsbeschränkende Wirkung entfaltet, durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt (vgl. Senatsbeschl. v. 11.6.2018 – 8 ME 34/18 –, V.n.b.). Dies gilt ebenso für eine Anordnung, mit der zur Anzeige absehbaren oder spontanen Fernbleibens von der Unterkunft unter Angabe des abweichenden Aufenthaltsortes verpflichtet wird (Nds. OVG, Beschl. v. 13.3.2018 – 13 ME 38/18 –, juris Rn. 10, 8 m.w.N.).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird auch vorliegend nicht verletzt. Die Anordnung vom 6. März 2018 ist vor dem Hintergrund des Nichtantreffens des Antragstellers in seiner Unterkunft am 8. Januar 2018 und am 19. Februar 2018 und damit aufgrund eines konkreten Anlasses erfolgt. Sie dient der Vorbereitung seiner Überstellung nach Spanien aufgrund der im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Juli 2017 angeordneten Abschiebung im Rahmen des Dublin III-Verfahrens, mithin einem zulässigen Verfahrenszweck. Die Eingriffsintensität ist gering, da sie nicht den Aufenthalt des Antragstellers beschränkt, sondern ihm lediglich auferlegt, bei Abwesenheit in den Nachtstunden montags bis freitags, die ohnehin üblicherweise in der Unterkunft verbracht werden, eine Meldung gegenüber dem Sachbearbeiter der Ausländerbehörde zu machen bzw. eine Nachricht zu hinterlassen, und ist daher in Abwägung mit dem angestrebten Ziel, seine Erreichbarkeit sicherzustellen, nicht unangemessen.
Soweit der Antragsteller unspezifisch einen Verstoß gegen „… sämtliche Bestimmungen des Datenschutzes“ rügt, ist darauf hinzuweisen, dass die Anordnung ihn lediglich verpflichtet, eine schriftliche Nachricht über seinen Aufenthaltsort zu hinterlassen. Davon, dass er diese – wie er vorträgt - „… öffentlich an die Wohnungstür zu hängen (habe)“, so dass sein Aufenthaltsort auch Dritten ohne weiteres offenbar würde, ist keine Rede. Vielmehr kommt als Nachricht auch eine an die Ausländerbehörde adressierte verschlossene Mitteilung in Betracht, die nur unter Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB) geöffnet werden könnte. Darüber hinaus schließt die offene Fassung des Wortlautes der Anordnung nicht aus, dass der Antragsteller die (verschlossene) Nachricht mit seinem Aufenthaltsort einem anwesenden Mitbewohner übergibt und lediglich einen Hinweis darauf im Eingangsbereich seiner Wohnung hinterlässt. Eine derartige Handhabung minimiert auch das vom Antragsteller angeführte Einbruchsrisiko, das sich ohnehin primär aus seiner Abwesenheit und nicht aus der Benachrichtigung der Ausländerbehörde hierüber ergibt. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Wohnung „Kerschensteiner Weg 1“ um eine Flüchtlingsunterkunft handelt, bei der davon auszugehen ist, dass werktäglich nachts andere Bewohner anwesend sind, erscheint die infolge des Hinterlassens der Abwesenheitsnachricht beschworene (erhöhte) Gefahr von „… Einbruch, Diebstahl (oder) Verwüstung durch ausländerfeindliche Personen“ jedenfalls gering. Der Antragsteller hat es zudem selbst in der Hand, dem vorzubeugen, indem er die Nächte in der Wohnung verbringt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).