Verwaltungsgericht Hannover
v. 31.01.2023, Az.: 13 A 6443/21

Beamter; Bewerbungsverfahrensanspruch; Ernennung; Erprobung; Rücknahme; Rücknahme einer beamtenrechtlichen Ernennung wegen unterbliebener Ausschreibung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
31.01.2023
Aktenzeichen
13 A 6443/21
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2023, 13641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0131.13A6443.21.00

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rücknahme der Ernennung des Beigeladenen zum Kreisverwaltungsrat und eine erneute Entscheidung über die Vergabe dieser Stelle aufgrund eines Auswahlverfahrens.

Der Kläger ist bei dem Beklagten als Beamter auf Lebenszeit im Status eines Kreisverwaltungsamtsrates (BesGr. A 12 NBesO - soweit aus den übersandten Verwaltungsvorgängen ersichtlich im Amt für Wirtschaftsförderung) beschäftigt. Außerdem befindet er sich ab 1. Oktober 2019 in Altersteilzeit (Teilzeitmodell) bis zum voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand am 31. Oktober 2024.

Ursprünglich gab es bei dem Beklagten die Stelle eines Leiters des Sozialamtes, bewertet nach BesGr. A 13 NBesO. 2013 wurde diese Stelle eingespart, 2017 jedoch wiedereingeführt, zunächst jedoch mit der Wertigkeit nach BesGr. A 12 NBesO. Im Haushaltsplan für das Jahr 2020 wurde die Stelle dann wieder nach BesGr A 13 NBesO angehoben.

Dem Beigeladenen war seinerzeit nach Wiedereinführung der Stelle der Dienstposten eines Leiters des Sozialamtes übertragen worden. Zum 1. Oktober 2021 wurde der Beigeladene zum Kreisverwaltungsrat befördert. Eine Ausschreibung der Stelle fand nicht statt.

Mit Schreiben vom 11. November 2021 wandte sich der Kläger an die Beklagte und rügte, dass durch die unterbliebene Ausschreibung der Stelle sein Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass er in den Bewerberkreis des Vergabeverfahrens einbezogen worden sei. Er forderte die Rücknahme der Ernennung des Beigeladenen.

Der Beklagte entgegnete unter dem 1. Dezember 2021, dass er keine rechtliche Möglichkeit sehe, die Ernennung des Beigeladenen von Amts wegen zurückzunehmen. Der Kläger wurde auf dem Rechtsweg verwiesen.

Der Kläger hat am 9. Dezember 2021 Klage erhoben.

Der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage stehe die Ernennung des Beigeladenen trotz des Grundsatzes der Ämterstabilität nicht entgegen. Der Beigeladene sei ernannt worden, ohne dass ihm, dem Kläger, die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Auswahlentscheidung eingeräumt worden sei.

Sein, des Klägers, Bewerbungsverfahrensanspruch sei verletzt worden, weil der Beklagte die zu besetzende Stelle nicht ausgeschrieben habe. Er, der Kläger, sei auch nicht in den Bewerberkreis einbezogen worden. Bei fehlerfreier Durchführung des Auswahlverfahren sei seine Beförderung zumindest möglich.

Er habe erst nach Rückkehr aus dem Urlaub Ende Oktober 2021 von der Beförderung des Beigeladenen erfahren und sich sodann mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten Mitte November 2021 gegen die Beförderung gewendet.

Er, der Kläger, sei tatsächlich noch nicht in einem höheren Amt erprobt, so dass die Voraussetzungen für eine Beförderung gem. § 20 Abs. 2 NBG, § 10 Abs. 1 NLVP nicht vorliegen würden. Die fehlende Erprobung stehe der Berufung auf den Bewerbungsverfahrensanspruch vorliegend aber nicht entgegen, weil der Beklagte diesen auf der Ebene der Vergabe des streitigen Beförderungsdienstpostens bereits verletzt und auch in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes vereitelt habe. Der Beklagte habe den Anspruch des Klägers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl hinsichtlich des streitigen Dienstpostens dadurch verletzt, dass er diesen, nachdem er durch Neubewertung mit A 13 zum Beförderungsdienstposten geworden ist, nicht ausgeschrieben habe. Der Beklagte habe dem Kläger damit die Möglichkeit genommen, sich auf diesen Dienstposten zu bewerben und so die Chance zu erhalten, sich im Rahmen der laufbahnrechtlich vorgeschriebenen Erprobung auf dem höherwertigen Dienstposten zu bewähren.

Der Kläger beantragt,

die Ernennung des Beigeladenen zum Kreisverwaltungsrat (Bes.Gr. A 13 NBesG) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Vergabe des Dienstpostens Leiter/n des Sozialamtes und die damit verbundene Beförderung zum Kreisverwaltungsrat aufgrund eines Auswahlverfahrens zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er spreche bereits vieles dafür, dass die Klage unzulässig sei.

Der Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen zur Besetzung des streitigen Dienstpostens. Er müsse gemäß § 20 Abs. 2, 1. Hs. NBG für das höhere Amt geeignet sein. Dies setze eine Erprobungszeit von mindestens 3 Monaten Dauer voraus. Der Kläger habe sich in einer Erprobungszeit nicht auf ein im Vergleich zu seinem Statusamt höher bewerteten Dienstposten bewährt. Damit habe er die gesetzlich erforderlichen Beförderungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Er sei deshalb nicht in die Auswahlentscheidung mit einzubeziehen gewesen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Beförderung.

Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.

Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage gerichtet auf Rücknahme der Ernennung des Beigeladenen statthaft. Dem Kläger steht ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

Vorliegend könnte nach dem Vortrag des Klägers - ob dieser letztendlich zutrifft oder nicht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht deren Zulässigkeit - der Grundsatz der Ämterstabilität zulässiger Weise zu durchbrechen sein, weil der Beklagte die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes für den Kläger dadurch verhindert hat, dass er weder die hier streitige Planstelle ausgeschrieben noch eventuelle Mitkonkurrenten um die Stelle über die beabsichtige Ernennung des Beigeladenen vorab informiert hat und - der Beklagte ist dem klägerischen Vortrag insoweit jedenfalls nicht entgegengetreten - den Kläger auch nicht von sich aus in das Auswahlverfahren einbezogen hat.

Zwar ist die Ernennung eines ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität in aller Regel rechtsbeständig und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das (Status-)Amt ist mit der Ernennung daher unwiderruflich vergeben, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob die Ernennung mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang steht. Dementsprechend gehen auch grundsätzlich die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber durch die Ernennung unter (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 27; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 85.). Eine Aufhebung der Ernennung des ernannten Beamten kommt in einem gerichtlichen (Hauptsache-)Verfahren grundsätzlich ebenso wenig in Betracht wie gegen die bereits erfolgte Ernennung gerichteter Eilrechtsschutz (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 A 5.18 -, juris, Rn. 24).

Die Rechtsbeständigkeit einer Ernennung aus Gründen der Ämterstabilität ist mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG jedoch nur vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können. Es muss sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügt. Hierfür hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Ein unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf verwiesen, eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, durch die dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. Erwächst eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in Rechtskraft, so muss der Dienstherr das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen und auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens eine neue Auswahlentscheidung treffen. Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. (VG Münster, Urteil vom 29. April 2021 - 5 K 2935/18 -, Rn. 18 - 34, juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 89.). Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt (VG Münster, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 4. November 2010, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger allerdings wegen des Verhaltens des Beklagten keine Chance, vorab im Rahmen eines Eilverfahrens gegen die Entscheidung des Beklagten um Rechtsschutz nachzusuchen. Der Dienstherr hat ihn über seine Besetzungspläne nicht informiert.

Die aus Art. 19 Abs. 4 i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitende Verpflichtung des Dienstherrn, unterlegene Bewerber um ein Beförderungsamt rechtzeitig über das Ergebnis des Auswahlverfahrens zu unterrichten, besteht unabhängig davon, ob der Beamte sich beworben hat oder ob er mangels Ausschreibung von seinem Dienstherrn von Amts wegen bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 95). Bei der Beförderungsauswahl unterlegene Beamte haben nach alledem stets und unabhängig von der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens als Bewerbungsverfahren oder sonstiges Verfahren der Vergabe von Beförderungsplanstellen einen Anspruch auf eine verbindliche Information durch den Dienstherrn über das Ergebnis der Beförderungsauswahl (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 95).

Der Kläger kann nach alledem -unter Zugrundelegung seines Vortrages - die Ernennung des Beigeladenen zulässigerweise anfechten, weil die Ernennung eines nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählten Bewerbers für ein Amt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG darstellt, der darauf gerichtet ist, unmittelbare Rechtswirkungen für den durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensanspruch der unterlegenen Bewerber zu entfalten (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 82.). Der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Ernennung der Beigeladenen steht in diesem nicht der - von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung durchweg so angenommenen - Grundsatz der Ämterstabilität entgegen, weil dem Kläger nach seinem Vortrag der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebotene Rechtsschutz vor der Ernennung nicht gewährt worden ist. Aus diesem Grund könnte, wenn der Kläger begründet die Beförderungsentscheidung des Beklagten angreifen würde, eine inhaltliche Nachprüfung der Ernennung verfassungsrechtlich geboten sein (so auch schon OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 8; VG Münster, Urteil vom 29. April 2021 - 5 K 2935/18 -, Rn. 18 - 34, juris). Nach alledem ist von der Zulässigkeit der Klage auszugehen.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bewerbungsverfahrensanspruch jedenfalls des Klägers wurde durch die Ernennung des Beigeladenen nicht verletzt, auch wenn der Kläger von vornherein nicht in das Auswahlverfahren einbezogen wurde.

Nach § 20 Abs. 2 NBG setzt die Beförderung die Feststellung der Eignung für das höhere Amt nach einer Erprobungszeit von mindestens drei Monaten Dauer voraus. § 10 Abs. 1 NLVO bestimmt, das die Beförderung die Feststellung der Eignung für das höhere Amt nach einer Erprobungszeit auf einem mindestens dem höheren Amt zugeordneten Dienstposten voraussetzt und die Erprobungszeit nach § 20 Abs. 2 NBG für Ämter der Besoldungsgruppen A 3 bis A 13 drei und im Übrigen sechs Monate dauert.

Diese Voraussetzungen hat der Kläger - im Gegensatz zu den Beigeladenen -nicht erfüllt und erfüllt sie im Übrigen auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht. Nach alledem musste der Beklagte den Kläger bei der Besetzung der hier streitigen Stelle weder berücksichtigen noch ihn vorab informieren. Die Ernennung des Beigeladenen ist - jedenfalls im Hinblick auf die Situation des Klägers - nicht zu beanstanden. Sein Bewerbungsverfahrensanspruch wurde bei der hier streitigen Beförderung nicht verletzt, weil die eigentliche Entscheidung schon im Jahr 2020 durch die Besetzung des höherwertigen Dienstpostens mit den Beigeladenen getroffen wurde.

Die Frage, ob der Beklagte 2020 die Besetzung des Dienstpostens (zur Erprobung) hätte ausschreiben müssen und ob der Kläger Anspruch auf Erprobung auf einen höherwertigen Dienstposten hat, um sich damit ebenfalls für ein Beförderungsamt zu qualifizieren, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Nachdem im Haushaltsplan für das Jahr 2020 der streitige Dienstposten wieder nach A 13 angehoben wurde, hat der Kläger nichts unternommen, um ggf. statt des Beigeladenen auf den streitigen Dienstposten erprobt zu werden. Er hat damit durch eigene Untätigkeit die Kausalkette unterbrochen.

Mit einer Besoldungsgruppe A 12 NBesO zählt der Kläger zu den Spitzenbeamten in der Verwaltung des Beklagten. Es kann daher erwartet werden, dass ihm die Stellenanhebung nicht unbekannt war. Jedenfalls hätte sie ihm bekannt sein müssen; er hätte nur im Haushaltsplan nachschauen brauchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit nicht ebenfalls einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.