Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.02.2023, Az.: 10 A 1101/22
Akteneinsicht; Datenschutzrechtliche Verwarnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 20.02.2023
- Aktenzeichen
- 10 A 1101/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 14269
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0220.10A1101.22.00
Rechtsgrundlagen
- DSGVO Art. 6
- VwGO § 99 Abs. 1
Fundstelle
- ZD 2023, 13
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Pflicht der Behörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Vorlage von Urkunden und Akten bezieht sich auf die vollständigen und ungeschwärzten Originale der Unterlagen.
- 2.
Zum Verhältnis des § 99 VwGO und der Datenschutzgrundverordnung
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2022 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer datenschutzrechtlichen Verwarnung.
Die Klägerin ist eine öffentlich-rechtliche Universität. In dieser Funktion führte sie ein Stellenbesetzungsverfahren für eine Studiendirektorin oder einen Studiendirektor als ständige Vertretung der Kollegleitung am Niedersächsischen Studienkolleg durch. Auf die Stelle bewarben sich 30 Personen. Mit sechs Bewerberinnen und Bewerbern führte die Klägerin ein persönliches Gespräch durch, von denen es vier in ein Auswahlranking schafften und zwei Personen als ungeeignet erachtet wurden. Im Nachgang zu diesem Bewerbungsverfahren wurde vor dem hiesigen Gericht ein Konkurrentenstreitverfahren von einem nicht berücksichtigten und auch nicht zum Auswahlgespräch eingeladenen Bewerber - Herrn C. D. - geführt (Az. 13 E.).
Im Rahmen des Konkurrentenstreitverfahrens forderte das Verwaltungsgericht Hannover die Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2019 auf, ihren Verwaltungsvorgang zum Auswahlverfahren sowie die Personalakte des ausgewählten Bewerbers vorzulegen. Daraufhin übersandte die Klägerin ihren vollständigen Auswahlvorgang in einem verschlossenen Umschlag mit Schreiben vom 21. August 2019 an das Gericht. Der Auswahlvorgang wurde vom Gericht als Beiakte 001 erfasst. Das Gericht gewährte dem Prozessbevollmächtigten des Herrn D. mit Verfügung vom 2. September 2019 antragsgemäß Akteneinsicht in den Auswahlvorgang (= Beiakte 001) der Klägerin. In der Folge konnte auch der streitführende Bewerber Kenntnis von sämtlichen Bewerbungsunterlagen der unterlegenen Bewerberinnen und Bewerber nehmen.
Mit Schreiben vom 11. September 2019 übersandte die Klägerin zudem die Personalakte des ausgewählten Bewerbers, welche beim Gericht als Beiakte 003 erfasst wurde. Auch in diese Akte hat das Gericht dem Prozessbevollmächtigten des Herrn D. antragsgemäß Akteneinsicht gewährt.
Unter dem 14. September 2019 wandte sich Frau Dr. F. G. mittels einer Online-Beschwerde an die Beklagte. Sie trug vor, dass sie sich ebenfalls auf die von der Klägerin ausgeschriebene Stelle beworben habe. Einer ihrer Mitbewerber führe ein gerichtliches Konkurrentenstreitverfahren und habe im Zuge dessen Einsicht in ihre persönlichen Daten, wie beispielsweise Beurteilungen und ihre Bewerbung aus dem Bewerbungsverfahren, zur Kenntnis erhalten. Dieser Mitbewerber habe sie kontaktiert und ihr aus ihrer Beurteilung vorgelesen. Im Nachgang teilte Frau Dr. G. der Beklagten noch mit, dass es sich bei dem besagten Mitbewerber um Herrn D. gehandelt habe.
Die Beklagte leitete daraufhin unter dem 15. März 2021 ein Datenschutzüberprüfungsverfahren ein und forderte die Klägerin zur Beantwortung eines Fragenkatalogs auf.
Die Klägerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 31. März 2021 und vom 6. April 2021 und trug vor, im Rahmen des Konkurrentenstreitverfahrens sei der gerichtlichen Aufforderung zur Übersendung des Verwaltungsvorgangs zum Auswahlverfahren nachgekommen worden. In diesem Vorgang seien auch die eingegangenen Bewerbungsunterlagen der übrigen Bewerberinnen und Bewerber enthalten gewesen. Sie sei zur Übersendung des Vorgangs gemäß § 99 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verpflichtet gewesen. Schwärzungen des Originals seien nicht vorgesehen. Nach Abschluss des Verfahrens sei der Verwaltungsvorgang vernichtet worden. Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht an den Prozessbevollmächtigten des Herrn D., habe dieser seinem Mandanten die Akten offenbar ebenfalls zur Einsichtnahme überlassen. Nachdem ihr bewusst geworden sei, dass Herr D. seine Mitbewerberinnen und Mitbewerber kontaktiert und diese mit ihren Unterlagen konfrontiert habe, habe ihre Rechtsabteilung dessen Prozessvertreter aufgefordert, seinen Mandanten dazu anzuhalten dieses Verhalten zu unterlassen, sowie die personenbezogenen Daten der Mitbewerberinnen und Mitbewerber zu vernichten. Für den Fall, dass Herr D. dieses Verhalten nicht einstelle, sei mit der Einleitung rechtlicher Schritte gedroht worden.
Mit Schreiben vom 14. April 2021 forderte die Beklagte die Klägerin ergänzend zur Beantwortung von zwei weiteren Fragen auf. Zum einen sollte die Klägerin darlegen, ob vor Übersendung des Verwaltungsvorgangs geprüft worden sei, ob Bewerbungsunterlagen von Frau G. geheimhaltungsbedürftig seien und es Schwärzungen des Namens oder der Herausnahme von einzelnen Dokumenten bedurft habe. Zum anderen sollte die Klägerin dazu Stellung nehmen, ob geprüft worden sei, ob die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber zu übersenden gewesen seien oder lediglich diejenigen des Herrn D. und der Person, die das Auswahlverfahren für sich entschieden habe.
Die Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 21. April 2021 mit, dass sie es nicht für vertretbar halte, vor der Übersendung ihres Vorgangs an das Gericht die Originalvorgänge zu schwärzen oder Seiten zu entfernen. Durch ein solches Verhalten würde sie Gefahr laufen, dass ihr Manipulation vorgeworfen werde. Zudem sei zur Entscheidung des Konkurrentenstreitverfahrens die Vorlage des gesamten Vorgangs notwendig gewesen.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2022, welcher der Klägerin am 16. Februar 2022 zugestellt wurde, sprach die Beklagte als aufsichtsbehördliche Maßnahme eine Verwarnung gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. b) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gegen die Klägerin aus. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe gegen den Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO verstoßen, indem umfassende personenbezogene Daten der Beschwerdeführerin aus einem Bewerbungsverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht Hannover durch die Übersendung des Verwaltungsvorgangs zum Auswahlverfahren offengelegt worden seien. Es hätten keine Bewerbungsunterlagen derjenigen Bewerber, die für die Stelle nicht ausgewählt worden seien, an das Gericht übermittelt werden dürfen. Es wäre ausreichend gewesen, die Unterlagen des streitführenden Herrn D. und diejenigen des obsiegenden Bewerbers zu übersenden. Selbst wenn zur Überprüfung der Auswahlentscheidung die übrigen Bewerber hätten betrachtet werden müssen, wäre hierfür die Übersendung einer Synopse bzw. einer Übersicht der wichtigsten Daten der übrigen unterlegenen Bewerber ausreichend gewesen. Mindestens eine Pseudonymisierung hätte durchgeführt werden müssen. Die Verwarnung sei schließlich auch verhältnismäßig. Sie sei geeignet, um eine Sensibilisierung zu erreichen und das datenschutzrechtliche Bewusstsein für künftige Verarbeitungsvorgänge zu stärken. Es handele sich auch um das mildeste Mittel. Gegenläufige klägerische Interessen, die gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Abhilfe datenschutzrechtlicher Verstöße überwiegen könnten, seien nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 14. März 2022 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, ein datenschutzrechtliches Fehlverhalten liege nicht vor. Ein Schwärzen der Originalvorgänge vor der Übersendung an das Verwaltungsgericht sei nicht vertretbar gewesen. Vielmehr sei immer der Originalvorgang beim Verwaltungsgericht vorzulegen. Die vollständige Übermittlung des Verwaltungsvorgangs an das Verwaltungsgericht Hannover basiere auf Art. 6 Abs. 1 lit. c), Abs. 2, 3 DSGVO i.V.m. § 99 Abs. 1 VwGO. Insbesondere sehe die Vorlage- und Auskunftspflicht der Behörde aus § 99 Abs. 1 VwGO vor, dass die vollständigen und ungeschwärzten Originale der Unterlagen zu übermitteln seien. Allein das Gericht habe zu beurteilen, welche Akten entscheidungserheblich seien, sodass die zur Vorlage verpflichteten Behörden diesbezüglich keinen eigenen Prüfungsspielraum hätten. Die Übermittlung des gesamten Vorgangs sei demnach erforderlich gewesen. Dies ergebe sich auch daraus, dass für die Entscheidung des Gerichts letztlich alle Bewerbungen betrachtet werden müssten. Dies folge daraus, dass die Zielsetzung im Konkurrentenstreitverfahren darauf abziele, eine Rechtsverletzung des Klägers im Konkurrentenstreit festzustellen; eine solche liege jedoch nicht vor, wenn eine andere Person in zutreffender Weise besser eingestuft würde als der das Konkurrentenstreitverfahren führende Kläger selbst. Hinsichtlich der Möglichkeit gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einer Übermittlung von Akten zu widersprechen, sei anzumerken, dass es weder der Rechtspraxis noch den rechtlichen Anforderungen und dem Normcharakter entspreche, jegliche Vorlagebegehren, die personenbezogenen Daten beträfen, durch die oberste Aufsichtsbehörde mit einem Sperrvermerk versehen zu lassen und damit ein Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zu provozieren. Auch müsse berücksichtigt werden, dass einer Offenlegung personenbezogener Daten durch das Gericht begegnet werden könnte. Jedenfalls bestünde diesbezüglich die Möglichkeit, dass das Gericht nicht entscheidungserhebliche Akten zurückgibt; bei einer offensichtlichen Verletzung des Geheimnisschutzes Privater bestünde demnach sogar eine Pflicht des Gerichts, von Amts wegen die Akten der Verwaltung zurückzugeben. Ferner wendet die sie ein, dass eine Pseudonymisierung der Datensätze nur bedingt geeignet sei, eine Identifizierung der Bewerberinnen und Bewerber zu verhindern. Dies folge aus dem Umstand, dass entsprechende Informationen in Portalen wie "Xing" oder Pressemitteilungen über besonders gute Absolventinnen bzw. Absolventen für die Öffentlichkeit abrufbar seien. So fänden sich etwa zu der Beschwerdeführerin etliche Einträge in Internetsuchmaschinen, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch unter Verwendung von geschwärzten Dokumenten ebenfalls weitere Angaben, bis hin zu Kontaktangaben, bei einer entsprechenden Recherche hätten gefunden werden können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt in Ergänzung zur Begründung des angegriffenen Bescheides im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe nicht im Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen gehandelt. Eine routinemäßige Vorlage der Gesamtheit aller Bewerbungsunterlagen ohne eigenständige Prüfung der Erheblichkeit laufe dem datenschutzrechtlichen Erforderlichkeitsgrundsatz zuwider. Die Gefahr, dass durch Schwärzungen der Aussagegehalt der Unterlagen verfälscht werden könnte, werde nicht gesehen. Selbst wenn das Gericht die Unterlagen als erforderlich betrachtet hätte, hätte die Klägerin die ungeschwärzten Daten in einem gestuften Verfahren erst auf Anforderung des Gerichts offenlegen können. Ferner habe die Klägerin gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz verstoßen, indem sie die Möglichkeit zur Weigerung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht berücksichtigt habe. Die Klägerin habe vorliegend eine entsprechende Pflicht zur Weigerung erkennen und die zuständige Aufsichtsbehörde informieren müssen, dies jedoch unterlassen. Sie habe insofern den ihr zustehenden Ermessensspielraum hinsichtlich einer möglichen Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht wahrgenommen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass Personalakten als wesensmäßig geheimhaltungsbedürftig anzusehen seien. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Gericht gemäß § 100 VwGO zur Gewährung der Akteneinsicht verpflichtet sei, ohne dass hierbei eine Prüfung von eventuell entgegenstehenden Interessen erfolge. Die Argumentation der Klägerin, dass das Gericht Maßnahmen zur Verhinderung der Offenlegung personenbezogener Daten ergreifen könne, überzeuge daher nicht, vielmehr sei die Prüfung Aufgabe der Verwaltungsbehörden. Schriftsätze dürften demnach keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen beinhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie die beigezogene Akte mit dem Aktenzeichen - 13 E. - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, da die Verwarnung ein feststellender Verwaltungsakt ist (vgl. hierzu Martini/Wenzel, "Gelbe Karte von der Aufsichtsbehörde: die Verwarnung als datenschutzrechtliches Sanktionenhybrid" in PinG 2017, S. 92, 96), und auch im Übrigen zulässig, insbesondere kann die Klägerin nach § 20 Abs. 3 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) als öffentliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 1 NDSG gegen sie betreffende verbindliche Entscheidungen der Beklagten vorgehen.
II. Die Klage ist auch begründet. Die Verwarnung vom 11. Februar 2022 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten ausgesprochene Verwarnung ist Artikel 58 Abs. 2 lit. b) DSGVO. Danach hat die Aufsichtsbehörde nach Artikel 51 DSGVO die Befugnis, einen Verantwortlichen zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen die DSGVO verstoßen hat.
2. Die Verwarnung ist formell rechtmäßig.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der auf diese Rechtsgrundlage gestützte Verwarnung der Beklagten sind nicht ersichtlich. Die Beklagte ist nach § 18 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) als Aufsichtsbehörde i.S.d. Art. 51 Abs. 1 DSGVO für die Datenverarbeitung im Anwendungsbereich des Ersten Teils des NDSG zuständig. Eine solche Datenverarbeitung ist Gegenstand der angefochtenen Verwarnung der Beklagten. Denn die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 58 Hochschulrahmengesetz (HRG) i.V.m. § 15 Satz 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG)) eine öffentliche Stelle des Landes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c) NDSG, und die von ihr als Verantwortliche (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) vorgenommene und von der Beklagten beanstandete Übermittlung der in den streitgegenständlichen Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) ist eine Verarbeitung dieser Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO, sodass die Klägerin insoweit der Aufsicht durch die Beklagte unterliegt. Form- oder Verfahrensfehler sind hinsichtlich der angefochtenen Verwarnung nicht erkennbar.
3. Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig.
Die Voraussetzungen für eine Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b) DSGVO liegen nicht vor. Die von der Beklagten beanstandete Datenverarbeitung durch die Klägerin hat nicht gegen die DSGVO verstoßen. Die Übermittlung der in den dem Gericht vorgelegten Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten durch die Klägerin an das Verwaltungsgericht war gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO rechtmäßig, weil diese Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung der Klägerin erforderlich war.
Diese rechtliche Verpflichtung ergibt sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach war die Klägerin als Behörde im Sinne dieser Vorschrift verpflichtet, dem Verwaltungsgericht in dem Konkurrentenstreitverfahren 13 E. Akten vorzulegen. Dies umfasst die Verpflichtung zur Übermittlung der in den Akten enthaltenen personenbezogenen Daten aller Bewerberinnen und Bewerber, die in das in jenem Rechtsstreit streitbefangenen Auswahlverfahren der Klägerin einbezogen worden waren.
Unionsrechtliche Bedenken gegen § 99 Abs. 1 VwGO bestehen nicht. Diese Regelung genügt den nach Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO an eine Rechtsvorschrift i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO zu stellenden Anforderungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 15.02.2019 - 1 S 188/19 -, BeckRS 2019, 2625, Rn. 20 f. m.w.N.).
Im Rahmen des vor dem Verwaltungsgericht Hannover geführten Konkurrentenstreitverfahrens (Az. 13 E.) forderte das Verwaltungsgericht Hannover die Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2019 auf, den Verwaltungsvorgang zum Auswahlverfahren zu übersenden. Nach Überzeugung der Kammer war die Klägerin daher verpflichtet, den vollständigen und ungeschwärzten Aktenvorgang an das Gericht zu übermitteln.
Die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Verpflichtete im Sinne des § 99 Abs. 1 VwGO, da von einem funktionalen Behördenbegriff auszugehen ist (Posser, in: BeckOK VwGO, 64. Edition, Stand 01.01.2023, § 99 Rn. 12, 12.1).
Gegenstand der Vorlage- und Auskunftspflicht i.S.d. § 99 VwGO sind alle Unterlagen, deren Inhalt für die gerichtliche Entscheidung relevant sind; sie sind grundsätzlich jeweils im Original, vollständig und ungeschwärzt zu übermitteln (BVerwG, Beschl. v. 15.10.2008 - 20 F 1.08 -, ZUR 2009, 322; VGH Mannheim, Beschl. v. 15.02.2019 - 1 S 188/19 -, BeckRS 2019, 2625, Rn. 17; Posser, in: BeckOK VwGO, 64. Edition Stand 01.01.2023, § 99 Rn. 8).
Die Entscheidungserheblichkeit ist dabei ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 99 Abs. 1 VwGO, das sich aus dem Untersuchungsgrundsatz i.S.d. § 86 Abs. 1 VwGO ergibt. Die Entscheidung darüber, welche Urkunden und Akten vorzulegen sind, steht im Rahmen des § 86 Abs. 1 VwGO im Ermessen des Gerichts; ihm allein und nicht der Behörde kommt nach § 86 Abs. 1 VwGO die Beurteilung zu, welche Urkunden und Akten für seine Entscheidung erheblich sein können (BVerwG, Beschl. v. 09.02.2016 - 20 F 11.15 -, ZD 2016, 239, 240; VGH Mannheim, Beschl. v. 15.02.2019 - 1 S 188/19 -, BeckRS 2019, 2625, Rn. 18). Nur auf unerhebliche Tatsachen bezieht sich die Vorlagepflicht insofern von vornherein nicht (BVerwG, Beschl. v. 12.01.2006 - 20 F 12/04 -, NVwZ 2006, 700, 701; Beschl. v. 09.02.2016 - 20 F 11.15 -, ZD 2016, 239). Denn die Verpflichtung der Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten bezweckt schließlich, dem Gericht die erforderliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu ermöglichen und den Verfahrensbeteiligten Kenntnis von den entscheidungserheblichen Vorgängen zu verschaffen. Diese Zweckbestimmung beschränkt die Vorlagepflicht von vornherein auf solche Akten und Urkunden, deren Inhalt der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht der Hauptsache und der Gewinnung von Grundlagen für die Prozessführung der Beteiligten überhaupt dienlich sein kann (BVerwG, Beschl. v. 09.02.2016 - 20 F 11.15 -, ZD 2016, 239).
Die Entscheidungserheblichkeit ergibt sich ausnahmsweise auch aus einer einfachen Aktenanforderung in der Eingangsverfügung, wenn die angeforderten Unterlagen zweifelsfrei entscheidungserheblich sind (BVerwG, Beschl. v. 12.02.2021 - 20 F 1/20 -, juris Rn. 13, m.w.N.). So liegt es hier.
Die Klägerin musste vorliegend davon ausgehen, dass die Übersendung der vollständigen Originalakten entscheidungserheblich war. Anhaltspunkte dafür, dass Aktenbestandteile unerheblich sein und der Gewinnung von Grundlagen für die Prozessführung der Beteiligten überhaupt nicht dienlich sein könnten, lagen nicht vor. Entscheidungserheblichkeit ist anzunehmen, wenn ein inhaltlicher Bezug zum Streitgegenstand besteht und die konkreten Unterlagen zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und Streitentscheidung ohne Zweifel benötigt werden (BVerwG, Beschl. v. 09.11.1962 - VII B 91/62 -, NJW 1963, 553; Beschl. v. 15.08.2003 - 20 F 8/03 -, NVwZ 2004, 105, 106). Dies ist vorliegend der Fall, entsprechende Zweifel sind nicht ersichtlich. Im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens ist grundsätzlich eine auf erneute Bescheidung gerichtete Verpflichtungsklage mit einer Anfechtungsklage gegen die Auswahlentscheidung zu verbinden (Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider VwGO, 43. EL, Stand August 2022, § 42 Abs. 1 Rn. 322 ff.). Der anzulegende Bewertungsmaßstab des Verwaltungsgerichts ist insofern nicht, ob der Kläger im Konkurrentenstreitverfahren gegenüber der ausgewählten Person vorzuziehen gewesen wäre, sondern vielmehr ob das Auswahlverfahren als solches rechtmäßig durchgeführt wurde. Hierfür ist eine Berücksichtigung auch aller sonstigen Bewerberinnen und Bewerber erforderlich. Daran ändert auch nichts, dass der Verwaltungsvorgang zur Auswahlentscheidung vom Gericht im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vom Gericht beigezogen wurde. Denn Herr D. hat im Rahmen dieses Eilverfahrens mit Schriftsatz vom 10. September 2019 selbst vorgetragen, dass nicht erkennbar sei, warum welche Bewerberin oder welcher Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei und andere - so wie er selbst - nicht. Um diesen Vortrag rechtlich würdigen zu können, ist es dementsprechend notwendig, die Unterlagen aller Bewerberinnen und Bewerber, zumindest aller zum Gespräch eingeladenen, überprüfen zu können. Jedenfalls konnte die Klägerin nach diesem Vortrag nicht davon ausgehen, Teile ihres Vorgangs zur Auswahlentscheidung seien offenbar nicht entscheidungserheblich.
Auch ist eine Ausnahme von der Auskunftspflicht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht ersichtlich. Dies wäre der Fall, wenn die zu übermittelnden Akten geheimhaltungsbedürftig im Sinne der Vorschrift wären. Sind die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegeben, so liegt die Entscheidung über die Vorlage bzw. Auskunft im Ermessen der zuständigen Behörde. Ihr wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt und zugleich die Verpflichtung auferlegt, die im Widerstreit stehenden Interessen an der Offenlegung der Akten einerseits und an der Wahrung der in ihnen enthaltenen Geheimnisse andererseits nach Maßgabe des betroffenen (grundrechtlichen) Schutzbereichs sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 - 1 BvR 2087/03 -, NVwZ 2006, 1041, 1043; BVerwG, Beschl. v. 21.02.2008 - 20 F 2/07 -, NVwZ 2008, 554; Beschl. v. 12.02.2021 - 20 F 1.20 -, BeckRS 2021, 7813 Rn. 55 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 03.05.210 - 13a F 31/09 -, NVwZ 2010, 1044, 1045 [OVG Nordrhein-Westfalen 03.05.2010 - 13a F 31/09]) gegeneinander abzuwägen (Posser, in: BeckOK VwGO, 64. Ed., Stand 01.01.2023, § 99 Rn. 26).
Ein Fall nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt vor, wenn Informationen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Dies ist zwar bei personenbezogenen Daten, wie sie hier im Streit stehen, grundsätzlich der Fall (BVerwG, Beschl. v. 28.11.2022 - 20 F 10/21 -, bei juris Rn. 9 m.w.N.). Dies nötigt jedoch nicht zu der Annahme, die Klägerin sei, wie die Beklagte meint, verpflichtet gewesen, nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine umfassende Ermessensentscheidung zu treffen und danach das Interesse an einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht im Rahmen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geringer zu gewichten als das Interesse der Mitbewerberinnen und Mitbewerber in dem betreffenden Auswahlverfahren an einer Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten. Der hohe Rang, den der Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz im Verfassungsgefüge besitzt, verbietet es, mehr oder weniger zweitrangige Belange als Gründe für eine Vorlageverweigerung ausreichen zu lassen. Es müssen daher durch das Bekanntwerden der Vorgänge schwerwiegende Nachteile für gewichtige Interessen der Öffentlichkeit oder privater Personen drohen (Rudisile, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, § 99 VwGO, Rn. 18 m.w.N.). Bestehen für derart schwerwiegende Nachteile keine Anhaltspunkte, verpflichtet § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch nicht dazu, im Einzelfall umfangreiche Ermessenserwägungen anzustellen. Vielmehr kann die Behörde grundsätzlich davon ausgehen, zur Vorlage der vom Gericht angeforderten und (damit) als entscheidungserheblich bezeichneten Unterlagen verpflichtet zu sein. Dies anders zu sehen, liefe letztlich darauf hinaus, der Behörde die Beurteilung zu überlassen, welche Informationen das Gericht erhalten darf, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt möglichst umfassend aufzuklären. Eine dahingehende Entscheidungsmacht kommt der Behörde indes, wie dargelegt, grundsätzlich nicht zu.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit ihrer Entscheidung, ihren vollständigen Vorgang ohne jegliche Schwärzungen zu übersenden, nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat.
Für Personalakten kann eine Geheimhaltungsbedürftigkeit zwar vorliegen, da diese grundsätzlich als geheimhaltungsbedürftig einzustufen sind, gleichwohl kann auch bei Personalakten eine Offenbarung gegenüber dem Gericht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen (Rudisile, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, § 99 VwGO, Rn. 20, 25). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass mit einer Bewerbung stets eine Offenbarungsbereitschaft bezüglich der in der Bewerbung enthaltenen Informationen einhergeht, die es als zulässig erscheinen lässt, dass ein Bewerber Einsicht in Vorgänge, die andere Bewerberinnen und Bewerber betreffen, erhält, weil diese einen untrennbare Einheit bilden (Rudisile, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, § 99 VwGO, Rn. 20 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 04.08.1975 - VI C 30/72 -, NJW 1976, 204). Im Ergebnis ist die Übermittlung von Personalakten im Rahmen von Konkurrentenstreitverfahren damit grundsätzlich zulässig.
Vorliegend ist zu beachten, dass im Zuge des vorliegenden Konkurrentenstreitverfahrens zwar auch Personalakten, namentlich diejenige des ausgewählten Bewerbers als auch die des streitführenden Herrn D. vom Gericht beigezogen wurden, streitgegenständlich im hiesigen Verfahren ist aber lediglich der Verwaltungsvorgang der Klägerin zur Auswahlentscheidung, welcher im Wesentlichen weitaus weniger sensible Daten als die Personalakten umfasst, wie beispielsweise die eingegangenen Bewerbungsunterlagen, die zur Grundlage der Auswahlentscheidung gemacht wurden, sowie Unterlagen zum Auswahlprozess und die Begründung der Auswahlentscheidung. Diese betreffen zwar grundsätzlich die Persönlichkeitssphäre der betroffenen Personen und sind grundsätzlich auch vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt, sind jedoch weniger schutzwürdig als Personalakten, die über Bewerbungsunterlagen hinausgehende Informationen enthalten. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Informationen weniger umfangreich; zudem enthalten sie grundsätzlich keine besonders sensiblen Daten wie etwa besondere Kategorien von Daten i.S.v. Art. 9 DSGVO. Soweit ersichtlich enthielt auch der streitgegenständliche Verwaltungsvorgang keine Daten i.S.v. Art. 9 DSGVO. Soweit einzelne Bewerberinnen und Bewerber ihren Bewerbungsunterlagen auch Beurteilungsbeiträge beigefügt hatten, so hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass dies von der Ausschreibung nicht gefordert war. Die jeweiligen Bewerberinnen und Bewerber haben dies demnach gänzlich aus freien Stücken getan, sodass die Kammer auch hinsichtlich dieser Dokumente keine besondere Geheimhaltungsbedürftigkeit erkennen kann. Es handelt sich somit bei den im Verwaltungsvorgang zum Auswahlverfahren enthaltenen Dokumenten nicht um besonders schutzwürdige Daten, deren Schutzbedürftigkeit als mit einem dem Staatswohl ebenbürtig gewichtigem Geheimhaltungsinteresse zu beurteilen ist. Personenbezogene Daten, die nicht unter Art. 9 DSGVO fallen und die auch kein anderweitig erhöhtes Risiko im Falle einer Offenlegung gegenüber den am Verwaltungsstreit Beteiligten in sich tragen, fallen somit nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO vor.
Zunächst hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, dass über die Anwendung dieser Vorschrift dem Gericht vorzulegende Akten teilweise von der Behörde zurückgehalten werden oder geschwärzt werden können, nachdem eine Geheimhaltungsbedürftigkeit nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verneint wurde. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass dieser datenschutzrechtliche Grundsatz bei der Frage, ob behördliche Vorgänge im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, trotz einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung (teilweise) zurückgehalten, geschwärzt oder pseudonymisiert werden können, hinter der Regelung des § 99 VwGO zurücktritt. Letztere Regelung ist für verwaltungsgerichtliche Verfahren wohl spezieller. Dies zeigt sich schon daran, dass die Regelung für entsprechende Fälle ein spezielles austariertes Verfahren vorsieht. So muss die zuständige oberste Aufsichtsbehörde, nachdem ihre Ermessensprüfung ergeben hat, dass ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse vorliegt, zunächst eine Sperrerklärung verfassen, aus der sich konkret ergibt, warum die vollständige Aktenvorlage verweigert wurde (vgl. Posser, in: BeckOK VwGO, 64. Edition Stand 01.01.2023, § 99 Rn. 28). Die Bewertung derjenigen Umstände, die der Geheimhaltungsbedürftigkeit Vorrang einräumen, ist dabei so einleuchtend darzulegen, dass eine richterliche Überprüfung nach rechtsstaatlichen Maßgaben noch möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.11.2020 - 20 F 5.20 -, BeckRS 2020, 34092 Rn. 21; Beschl. v. 21.06.2019 - 7 B 24.18 -, BeckRS 2019, 17698 Rn. 5). Nach § 99 Abs. 2 VwGO kann sodann ein gerichtliches Überprüfungsverfahren eingeleitet werden, sobald das Hauptsachegericht durch eine förmliche Entscheidung zu erkennen gibt, dass es die zurückgehaltenen Informationen für entscheidungserheblich hält und ein Verfahrensbeteiligter einen entsprechenden Antrag stellt. Zuständig für das sodann folgende sogenannte "in camera-Verfahren" ist grundsätzlich das Oberverwaltungsgericht, bei dem gemäß § 99 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 189 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für solche Verfahren ein sogenannter Fachsenat eingerichtet ist, dessen Mitglieder einer besonderen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen (§ 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO). Diesem Fachsenat sind sodann die vollständigen Akten vorzulegen (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 5 VwGO). Nach einer zweistufigen Prüfung, bei der der Fachsenat sowohl überprüft, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 vorliegen, als auch, ob Ermessensfehler - etwa hinsichtlich des (eingeschränkten) Umfangs der Vorlage - bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.07.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002, 1249, 1250), ergeht die Entscheidung durch einen Feststellungstenor bezüglich der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verweigerung durch die oberste Aufsichtsbehörde. Es dürfte nicht hinzunehmen sein, dass dieses für geheimhaltungsbedürftige Informationen vorgesehene spezielle Verfahren durch das Datenschutzrecht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgehebelt wird. Diese Ansicht wird dadurch gestützt, dass eine Verweigerung zur Aktenvorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter Verweis auf die DSGVO als nicht möglich erachtet wird (so VGH Mannheim, Beschl. v. 15.02.2019 - 1 S 188/19 -, BeckRS 2019, 2625, Rn. 20).
Selbst wenn man der Regelung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO neben § 99 VwGO einen eigenen Anwendungsbereich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einräumen müsste, sieht die Kammer den Grundsatz der Datenminimierung vorliegend nicht als verletzt an.
Personenbezogene Daten müssen nach dieser Regelung dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Dies ist vorliegend der Fall.
Zweck der Aktenvorlage war es, dem Gericht die notwendige Grundlage zur Entscheidung des Rechtsstreits zu liefern. Warum aus Sicht der Kammer zur Entscheidung des konkreten Konkurrentenstreitverfahrens hierfür die Vorlage des gesamten Vorgangs notwendig war, wurde oben bereits erläutert.
Die Klägerin war auch nicht gehalten, ihren Verwaltungsvorgang zum Auswahlverfahren durch Schwärzungen - beispielsweise der Namen der Bewerberinnen und Bewerber - zu pseudonymisieren. Die Implementierung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung war vorliegend nach dem Grundsatz der Datenminimierung nicht geboten. Dies ergibt sich unter Heranziehung des Erwägungsgrundes 76 zur DSGVO. Hiernach haben Verantwortliche im Zuge einer Risikobewertung die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person in Bezug auf die Art, den Umfang, die Umstände und die Zwecke der Verarbeitung zu bestimmen, wobei ein objektiver Bewertungshorizont anzulegen ist. Als relevante Risiken werden etwa Vorfälle angesehen, die zu einem physischen, materiellen oder immateriellen Schaden führen könnten, insbesondere wenn die Verarbeitung zu einer Diskriminierung, einem Identitätsdiebstahl oder -betrug, einem finanziellen Verlust, einer Rufschädigung, einem Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten, der unbefugten Aufhebung der Pseudonymisierung oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen führen kann (vgl. Erwägungsgrund 75). Die Erwägungsgründe stehen zwar außerhalb des eigentlichen Normtextes der DSGVO und nehmen nicht Teil an seiner Verbindlichkeit. Dennoch sind sie bei der Auslegung der Normen einzubeziehen und demnach geeignete und wichtige Orientierungshilfen zur Auslegung (Wolff/Brink, in BeckOK Datenschutzrecht, 42 Edition Stand 01.02.2022, Einleitung zur DSGVO Rn. 18).
Bei der Risikobeurteilung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Daten lediglich gegenüber dem Gericht veröffentlicht wurden. Zwar werden die Informationen auch den Beteiligten an einem Rechtsstreit gegenüber offengelegt. Diese unterliegen jedoch wiederum ihrerseits dem Datenschutzrecht sowie auf Seiten des Prozessbevollmächtigten des Herrn D. dem anwaltlichem Berufsrecht. Die Beteiligten dürfen die ihnen so bekannt gegebene personenbezogene Daten nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Zweckbindung, Rechtmäßigkeit und Datenminimierung verarbeiten. Daten aus Verwaltungsvorgängen, die in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogen werden, werden in der Regel nur den Verfahrensbeteiligten und damit einem sehr überschaubaren Kreis von Personen bekannt. Dabei werden die Akten zur Gewährung der Akteneinsicht auch nur Behörden und Rechtsanwälten übersandt. Bei Letzteren stellt das anwaltliche Berufsrecht bereits sicher, dass diese die gewonnenen Informationen lediglich zum Zwecke des Verfahrens verwenden. Sollten nicht vertretene Personen Akteneinsicht nehmen wollen, werden die Akten nicht an deren Privatanschrift übersandt. Vielmehr wird die Akteneinsicht am Gericht unter Aufsicht von Gerichtsbediensteten gewährt, die hinsichtlich der zulässigen Datennutzung die Beteiligten entsprechend sensibilisieren. Ein etwaiges Fehlverhalten durch Verfahrensbeteiligte stellt ein allgemeines Lebensrisiko dar, das nicht dazu führen kann, dass eine Verarbeitung unmittelbar rechtswidrig wird. Hier hat sich zwar durch das Verhalten des Streitführers im Konkurrentenstreitverfahren eine Unannehmlichkeit realisiert, nicht jedoch ein mit der Schwere der in Erwägungsgrund 75 genannten Nachteilen vergleichbares Risiko. Ein solches ist bei der Übermittlung von (nicht im Sinne der VwGO oder gem. Art 9 DSGVO schutzbedürftigen) personenbezogen Daten auch nicht ersichtlich. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin unmittelbar, nachdem sie vom Verhalten des Herrn D. Kenntnis erlangt hat, diesen zur Einstellung der Weiterleitung seiner Erkenntnisse angehalten und ihm die Einleitung rechtlicher Schritte angedroht hat. Mehr war von ihr nicht zu verlangen.
Im Rahmen der Risikobewertung ist die Kammer schließlich der Ansicht, dass eine Pseudonymisierung gewisser Aktenbestandteile vorliegend keinen Erfolg im datenschutzrechtlicher Hinsicht versprochen hätte. Denn selbst wenn man beispielsweise Namen und Kontaktdaten geschwärzt hätte, wäre es aller Wahrscheinlichkeit nach möglich gewesen, aufgrund der ungeschwärzten entscheidungsrelevanten Aktenbestandteile einen Rückschluss auf die entsprechenden Daten wie die Identität des jeweiligen Bewerbers zu ziehen. So könnte man beispielsweise - so wie die Klägerin es dargelegt hat - Veröffentlichungen oder verschiedene berufliche Stationen in einer Internetrecherche eingeben und bekommt Treffer angezeigt, welche z.B. Profile der Bewerber bei "Xing" oder "Linkedin" inklusive Kontaktmöglichkeiten beinhalten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.