Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.11.2007, Az.: 13 W 114/07
Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen eines Wettbewerbsverstoßes; Verwendung einer nicht rechtmäßigen Widerrufsbelehrung in einem gewerblichen Internetauftritt; Vorliegen einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung der geschäftlichen Belange des Mitbewerbers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.11.2007
- Aktenzeichen
- 13 W 114/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 45079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:1119.13W114.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 18.09.2007 - AZ: 11 O 35/07
Rechtsgrundlagen
- § 355 Abs. 2 S. 2 BGB
- § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB
- § 3 UWG
- § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG
Fundstellen
- AGS 2008, 612-613 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 310
Amtlicher Leitsatz
Bei einstweiligen Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312 c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll, kann bei der Bemessung des Streitwerts von einem Richtwert von 3.000 EUR ausgegangen werden.
In der Beschwerdesache
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie
die Richter am Oberlandesgericht W. und B.
am 19. November 2007
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verfügungsbeklagten wird der Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim vom 18. September 2007 abgeändert.
Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Interesse der Verfügungsklägerin am Erlass der einstweiligen Verfügung erscheint mit einem Streitwert von 3.000,00 EUR ausreichend bemessen.
Bei der Bestimmung des klägerischen Interesses sind u. a. zu berücksichtigen die Gefahr der Beeinträchtigung des verletzten Mitbewerbers durch die angegriffene Wettbewerbshandlung (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rdn. 2369 f.) sowie Art und Umfang der Streitsache, vgl. § 12 Abs. 4 UWG. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint dem Senat vorliegend ein Streitwert von 3.000,00 EUR als angemessen.
1.
Die Verfügungsklägerin wendet sich dagegen, dass der Verfügungsbeklagte in seinem Internetauftritt eine nicht den Anforderungen der §§ 312 c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung verwende. Ein derartiger Wettbewerbsverstoß wird die geschäftlichen Belange des verletzten Mitbewerbers nach Einschätzung des Senats in aller Regel nur unwesentlich beeinträchtigen. An der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen besteht zwar zum Schutze der Verbraucher ein erhebliches Allgemeininteresse, weshalb Widerhandlungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten. Die Interessenlage des Mitbewerbers, die die Streitwertbemessung für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG maßgeblich beeinflusst, wird durch einen solchen Wettbewerbsverstoß jedoch nur unwesentlich berührt. Der Umstand, dass eine Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, erscheint dem Senat nämlich lediglich als bedingt geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zu Gunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten zu beeinflussen. In der Regel wird der Verbraucher seine Kaufentscheidung nicht von der konkreten Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung abhängig machen, zumal fraglich sein dürfte, ob der durchschnittliche, rechtlich nicht vorbelastete Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt einer Widerrufsbelehrung überhaupt kennt (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. August 2006 - 6 W 117/06). Auch dass der Verletzer durch Verwendung einer zu kurzen Widerrufsfrist deshalb nennenswerte wirtschaftliche Vorteile erlangen wird, weil einzelne Verbraucher aufgrund dieser Belehrung einen im Falle der Verwendung einer inhaltlich zutreffenden Widerrufsbelehrung getätigten Widerruf nicht vornehmen, erscheint dem Senat als eher fernliegend.
2.
Die vorliegende Sache ist nach Art und Umfang zudem auch einfach gelagert. Davon ist auszugehen, wenn die Sache nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten zu bearbeiten ist und sich damit als "tägliche Routinearbeit" darstellt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 12 UWG Rdn. 5.22). Einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise in serienweise wiederkehrenden Wettbewerbsverletzungen und rechtlich eindeutigen Verstößen zu sehen (vgl. Schneider/Herget, a. a. O., Rdn. 2407 f).
Streitgegenständlich ist vorliegend eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, der in der Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312 c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung liegen soll. Dem Senat ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass es sich hierbei um einen häufig vorkommenden Standardfehler in den im Internet verwendeten Widerrufsbelehrungen handelt. Diesbezügliche Abmahnungen sind einfachen Charakters, da sie sich aus verschiedenen Textbausteinen zusammensetzen. Die Abmahnungen in diesem Bereich wiederholen sich in einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen und müssen, wenn überhaupt, nur geringfügig angepasst werden (vgl. auch LG Münster, Urteil vom 4. April 2007 - 2 O 594/06). Dass die Verfügungsklägerin, wie sie vorträgt, mit ihrer Klage "insbesondere auf die individuellen Gegebenheiten dieses Falles abgestellt" hat und mithin keine "ungeprüfte oder massenhaftschematische Fallbearbeitung vorliegt", vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil besteht die Klageschrift im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von einschlägigen Rechtssprechungsnachweisen. Die "individuelle Komponente" der Klageschrift besteht allein darin, dass in insgesamt drei Sätzen die Verfahrensbeteiligten dargestellt werden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint vorliegend ein Streitwert von 3.000,00 EUR als ausreichend bemessen. Dass der Verfügungsbeklagte selbst einen (höheren) Streitwert von 5.001 EUR für angemessen hält, ist insoweit unbeachtlich (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 68 Rdn. 19).
Von einer Festsetzung des Streitwerts ab dem Zeitpunkt der (teilweisen) Erledigterklärung sieht der Senat ab, da - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die Verhandlungs sowie Terminsgebühr zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden waren und die Reduzierung des Streitwerts sich auf deren Bemessung daher nicht mehr auswirken kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.