Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.11.2007, Az.: 9 U 57/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.11.2007
Aktenzeichen
9 U 57/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59317
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:1107.9U57.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 22.02.2007 - AZ: 25 O 60/06
nachfolgend
BGH - 18.05.2009 - AZ: II ZR 262/07
BGH - 09.07.2009 - AZ: II ZR 262/07

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 362-364
  • ZIP 2008, 926 (red. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Februar 2007 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer - 5. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Hannover wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sowohl der Hauptantrag als auch die Hilfsanträge zu 1 und zu 2 des Klägers im ersten Rechtszug abgewiesen sind.

  2. Es wird festgestellt, dass die Nebenintervention der Streithelferin zu 2 unzulässig ist.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin zu 1 trägt die Beklagte. Die Streithelferin zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger oder die Streithelferin zu 2 vorher Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

  5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 400 000 € festgesetzt.

  6. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der klagende Verein vertritt satzungsgemäß die Interessen von Minderheitsaktionären; er hält selbst einige Aktien der Beklagten. Die auf seiner Seite beigetretenen Streithelfer sind Aktionäre der Beklagten.

2

Der Kläger greift den zu Tagesordnungspunkt 9 gefassten Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Mai 2006 mit Nichtigkeitserwägungen an. Der Beschluss sieht unter anderem vor:

"Der Vorstand wird ermächtigt, bis zum 4. Mai 2011 einmalig oder mehrmalig Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen (im Folgenden zusammengefasst auch: ‚Teilschuldverschreibungen‘) im Gesamtnennbetrag von bis zu € 6 000 000 000 mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren zu begeben und den Inhabern von Optionsschuldverschreibungen Optionsrechte bzw. den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen Wandlungsrechte auf Aktien der Gesellschaft mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von insgesamt bis zu € 149 000 000,00 nach näherer Maßgabe der Options- bzw. Wandelanleihebedingungen zu gewähren und/oder entsprechende Wandlungspflichten zu begründen.

...

Der jeweils festzusetzende Options- bzw. Wandlungspreis für eine Aktie muss - auch bei einem variablen Umtauschverhältnis bzw. Wandlungspreis - entweder mindestens 80 % des Durchschnitts aus den Schlusskursen der Aktie der Gesellschaft mit gleicher Ausstattung im Xetra-Handel (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) an den 10 Börsentagen vor dem Tag der Beschlussfassung durch den Vorstand über die Begebung der Options- oder Wandelschuldverschreibungen betragen oder mindestens 80 % des Durchschnitts aus den Schlusskursen der Aktie der Gesellschaft mit gleicher Ausstattung im Xetra-Handel (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) während der Tage, an denen die Bezugsrechte an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden, jedoch mit Ausnahme der beiden letzten Börsentage des Bezugrechtshandels, entsprechen.

...

Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Einzelheiten der Ausgabe und Ausstattung der Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen, insbesondere Zinssatz, Ausgabekurs, Laufzeit, Stückelung, Options- bzw. Wandlungspreis und den Options- bzw. Wandlungszeitraum festzusetzen bzw. im Einvernehmen mit den Organen der die Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen begebenden Beteiligungsgesellschaft festzulegen. ..."

3

Im weiteren wird eine bedingte Kapitalerhöhung um bis zu 149 000 000 € vorgesehen. Die Kapitalerhöhung soll nur insoweit durchgeführt werden, wie von Wandlungs- bzw. Optionsrechten Gebrauch gemacht wird.

4

Wegen des weiteren Inhalts des Tagesordnungspunktes 9 wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift vom 2. Juni 2006 verwiesen.

5

Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten vor der Beschlussfassung Widerspruch zu Protokoll des beurkundenden Notars eingelegt.

6

Gegen die Wirksamkeit des in der Hauptversammlung zum Tagesordnungspunkt 9 gefassten Beschlusses hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Juni 2006, bei Gericht eingegangen am 7. Juni 2006, Klage erhoben. Die Klageerhebung ist im elektronischen Bundesanzeiger vom 30. Juni 2006 bekannt gemacht worden.

7

Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2006 hat sich die Nebenintervenientin zu 1 auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit angeschlossen. Die Zulässigkeit dieser Nebenintervention hat das Landgericht mit rechtskräftigem Zwischenurteil vom 20. November 2006 festgestellt.

8

Die Nebenintervenientin zu 2 hat sich der Klage auf Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 15. Januar 2007 angeschlossen.

9

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im ersten Rechtszug wird im Übrigen auf die angefochtene Entscheidung verwiesen, § 540 ZPO.

10

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils Abweisung der Klage und die Zurückweisung der Nebenintervention der M. ... GmbH.

11

Sie meint, dass dem Landgericht Verfahrensfehler unterlaufen seien. So habe das Landgericht dem dritten Hilfsantrag stattgegeben, ohne die Klage im Übrigen abzuweisen. Das Landgericht habe sich inhaltlich auch weder mit dem Hauptantrag noch mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag auseinandergesetzt.

12

Die Klage sei unzulässig, weil die Anträge nicht hinreichend bestimmt seien. Es sei der Klägerin von vornherein nur um das im dritten Hilfsantrag verfolgte Begehren gegangen, dieser Antrag hätte daher als Hauptantrag gestellt werden müssen, um der Beklagten eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen.

13

Fehlerhaft habe das Landgericht die Ansicht vertreten, in dem Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung fehle die erforderliche Festsetzung des Ausgabebetrages oder die Festsetzung der Grundlagen seiner Errechnung. In dem Beschluss sei der Options- bzw. Wandlungspreis zulässig an den späteren Börsenkurs geknüpft worden, indem dieser Preis mindestens 80 % des Börsenkurses betragen müsse. Damit sei dem Vorstand keinesfalls ein uneingeschränktes Ermessen eingeräumt worden. Die Altaktionäre könnten zudem zutreffend beurteilen, welches finanzielle Risiko mit der bedingten Kapitalerhöhung verbunden sei.

14

§ 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG verlange entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht, dass konkrete Preisbemessungskriterien angegeben würden. Der Begriff "Grundlagen" erfasse auch den hier gegebenen Fall der Angabe eines Mindestausgabebetrages. Dies entspreche auch Sinn und Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, der die Aktionäre vor der Verwässerung ihrer Beteiligung schützen solle, sofern ihr Bezugsrecht ausgeschlossen sei oder nicht bestehe. Vom Wortlaut der Norm sei die Ansicht des Landgerichts, § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG schütze die Informationsinteressen des Kapitalverkehrs oder der Gesellschaftsgläubiger, nicht gedeckt.

15

Vorsorglich verweist die Beklagte darauf, dass die Ermächtigung des Vorstandes zum Ausschluss des Bezugsrechtes zulässig sei und die Anzahl und die Art der neuen Aktien nicht angegeben werden mussten.

16

Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht eine Gesamtnichtigkeit des Beschlusses bejaht. Die bedingte Kapitalerhöhung in Höhe von 149 000 000 € (TOP 9e) sei von den Entscheidungen zu TOP 9b, c und g unabhängig; letztere hätten daher Bestand haben müssen.

17

Die Beklagte beanstandet die Kostenentscheidung und meint, dass eine Kostenaufhebung hätte erfolgen müssen.

18

Zuletzt vertritt sie die Auffassung, dass die Nebenintervention der Streithelferin zu 2 zurückzuweisen sei, weil sich diese zu spät an der Klage beteiligt habe.

19

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig. Er meint, dass es einer ausdrücklichen Tenorierung zur Abweisung des Haupt- und der beiden ersten Hilfsanträge nicht bedurft habe. Zum einen ergebe sich die Abweisung eindeutig aus den Entscheidungsgründen, zum anderen könne ein eventuell zu bejahender Mangel gemäß § 319 ZPO korrigiert werden. Zudem übersehe die Berufung, dass das Landgericht mit dem Hinweis auf § 139 BGB eine Begründung dafür gegeben habe, warum es vorstehende Anträge abgewiesen hat. Der anzunehmende Grundsatz der Beschlusseinheit werde von der Rechtsprechung auch durchgängig zugrunde gelegt.

20

Die Klage sei auch in der vorliegend gewählten Form zulässig. Die Beschränkung der vorrangig gestellten Anträge auf einzelne Beschlussteile folge daraus, dass die Klägerin in erster Linie die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 9e und f festgestellt wissen wolle. Letztlich hätte die Beklagte hiervon profitiert, keineswegs fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis.

21

Der Kläger wiederholt seinen Vortrag zur Verletzung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG und verweist darauf, dass der Wortlaut der Norm dem von der Beklagten gewünschten Verständnis nicht entspreche. Die "Grundlagen der Berechnung" seien nur dann angegeben, wenn sämtliche maßgeblichen Faktoren genannt seien. Nicht stichhaltig sei auch die Ansicht der Beklagten, dass die Festsetzung des Ausgabebetrages in einer Mindesthöhe des Börsenreferenzkurses zulässig sein müsse, weil jedenfalls die Festsetzung in einer bestimmten Höhe eines Börsenreferenzkurses zulässig sei. Die Beklagte verkenne hier, dass die Hauptversammlung und nicht der Vorstand die Grundstruktur der Wandel-/Optionsschuldverschreibung festzulegen habe.

22

Soweit die Berufung darauf abstelle, dass den Aktionären über den festgesetzten Mindestausgabebetrag ein "Mindestschutz" gewährt werde, sei dies unerheblich. Vorliegend gehe es um die aktienrechtliche Kompetenzverteilung, deren Verletzung nicht durch Einhaltung eines Mindestschutzes geheilt werden könne.

23

Die Begriffe "Mindestausgabebetrag" und "Ausgabebetrag" seien im Gesetz differenziert zur Regelung unterschiedlicher Sachverhalte eingesetzt, sodass sich die Ersetzung des Begriffes "Ausgabebetrag" durch den Begriff "Mindestausgabebetrag" in § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG verbiete.

24

Der Beschluss über das bedingte Kapital sei nach richtiger Ansicht nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Für den Erfolg der Klage sei dies indessen irrelevant, weil der Anfechtungsantrag im Nichtigkeitsantrag enthalten sei.

25

Der Beschluss über das bedingte Kapital sei auch deshalb nichtig, weil in ihm nicht festgestellt sei, welche Art die neuen Aktien haben dürfen. Wegen § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG sei dieses Erfordernis dann zwingend, wenn - wie hier - die Satzung selbst keine Regelung für die neuen Aktien enthalte. Gleiches gelte für die Anzahl der neuen Aktien.

26

Eine analoge Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG im Rahmen des Ausschlusses des Bezugsrechts scheitere schon deshalb, weil es keine finanzmathematische Methode zur Ermittlung des Marktwertes einer Wandel-Optionsschuldverschreibung gebe. Mithin sei auch der Bezugsrechtsausschluss in der gewählten Form unzulässig.

27

Die Kostenentscheidung sei richtig. Die Beklagte habe in größerem Umfang verloren, als dies von der Klägerin mit ihrem Hilfsantrag begehrt worden war. Zudem sei die Abweisung des Hauptantrages nicht Folge eines Obsiegens der Beklagten, sondern Folge ihres umfangreicheren Unterliegens.

28

Die Nebenintervenientinnen verweisen auf die Ausführungen der Klägerin und beantragen die Zurückweisung der Berufung.

29

II.

Die Berufung der Beklagten ist ganz überwiegend unbegründet. Sie hat nur insofern Erfolg, als die Unzulässigkeit der Nebenintervention der Streithelferin zu 2 festzustellen ist. In Einzelnen gilt das Folgende:

30

1. Die Nebenintervention der Streithelferin zu 2 ist unzulässig. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Monatsfrist beigetreten. § 246 Abs. 4 AktG schreibt in Satz 2 für den Fall der Anfechtungsklage vor, dass sich ein Aktionär als Nebenintervenient nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Klage am Verfahren beteiligen kann. § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG erklärt § 246 Abs. 4 AktG für die Nichtigkeitsklage für entsprechend anwendbar. Da vorliegend die Bekanntgabe am 30. Juni 2006 im elektronischen Bundesanzeiger erfolgt ist, war der im Januar 2007 erklärte Beitritt verspätet mit der Folge, dass die Nebenintervention unzulässig ist. Demgemäß hat die Streithelferin zu 2 auch ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

31

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Jeder der gestellten Anträge (Haupt- und Hilfsanträge) genügt - bei isolierter Betrachtung - dem Bestimmtheitsgebot. Hieran ändert sich durch ihre Kumulierung nichts. Der Beklagten ist es insbesondere nicht unzumutbar oder gar unmöglich geworden, sich gegen diese Anträge - die sich letztlich gegen die Wirksamkeit des Tagesordnungspunktes 9 richten - sachgerecht zu verteidigen.

32

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten leidet das Urteil auch nicht an einem gravierenden Verfahrensmangel. Zwar hat das Landgericht im Entscheidungstenor weder den Haupt- noch die Hilfsanträge zu 1 und zu 2 beschieden; aus den Entscheidungsgründen ergibt sich aber eindeutig, dass sich das Landgericht mit diesen Anträgen sachlich befasst hat. Das Landgericht hat ausdrücklich (S. 9 des Urteils) ausgeführt, dass dem Hauptantrag und den ersten beiden Hilfsanträgen nicht stattzugeben war, weil der Tagesordnungspunkt 9 als einheitliche Regelung anzusehen ist und die anzunehmende Teilnichtigkeit über § 139 BGB zu einer Gesamtnichtigkeit des Beschlusses führt, sodass eine isolierte Anfechtung einzelner Beschlussteile nicht in Betracht komme. Damit war zugleich die vom Kläger mit der Staffelung der Anträge verbundene rechtliche Bedingung für eine Entscheidung über den Hilfsantrag zu 3 gegeben. Zur Klarstellung hat der Senat die Abweisung des Hauptantrags und der Hilfsanträge zu 1 und 2 in den Tenor aufgenommen.

33

4. In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend die umfassende Nichtigkeit des zu Tagesordnungspunkt 9 gefassten Beschlusses der Hauptversammlung vom 5. Mai 2006 festgestellt. Die Beschlussfassung verstößt gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, weil der Beschluss weder einen "Ausgabebetrag" für die neuen Aktien enthält noch die Festlegung der "Grundlagen, nach denen dieser Betrag errechnet wird".

34

a) Der im Beschluss allein angegebene Mindestbetrag kann nicht als Errechnungsgrundlage nach § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG angesehen werden (zum aktuellen Streitstand vgl. Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. IV, Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2007, Rdnr. 18 zu § 57 m.w.N.).

35

Eine Gesetzesauslegung in diesem Sinn ist nicht möglich, weil dem bereits der Gesetzeswortlaut entgegensteht. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Dabei ist in aller Regel mit der Auslegung nach dem Wortlaut zu beginnen ( BGHZ 46, 74 ff. ). Ein eindeutiger Wortsinn des Gesetzes ist grundsätzlich bindend. Von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung gebietet ( BGH NJW 2003, 290 f. [BGH 25.09.2002 - VIII ZR 253/99]).

36

Der Begriff Ausgabebetrag bezeichnet sprachlich eindeutig eine abschließend bezifferte Summe. Die "Grundlagen für die Errechnung dieses Betrages" müssen ebenso sprachlich eindeutig im Ergebnis ihrer Anwendung zu dieser abschließend bezifferten Summe führen. Auch kann begrifflich nur eine bestimmte Summe "errechnet" werden. Der hier vorgesehene Mindestbetrag von 80 % eines bestimmten Kurses in einem bestimmten Zeitraum ermöglicht aber aus sich heraus nicht die Errechnung einer bestimmten Summe, sondern nur die Berechenbarkeit nach Maßgabe einer notwendigen weiteren Entscheidung des Vorstandes, die ganz unterschiedlich ausfallen kann.

37

b) Dieses am unmissverständlichen Wortlaut orientierte Ergebnis widerspricht nicht dem Gesetzeszweck. Dieser Zweck gebietet es nicht, die Festlegung eines Mindestbetrages entgegen dem Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ausreichen zu lassen. Die Regelung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG soll die Altaktionäre mit Blick auf eine Verwässerung ihrer Anteilsgrößen schützen und das Registergericht über die Höhe des Ausgabebetrages informieren, weil dies zur Wertkontrolle notwendig ist. Ferner ist die allgemeine Information von Gläubigern und potentiellen Anlegern über die beabsichtigte Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital von Bedeutung. Diese Ziele werden nur mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Angabe eines bestimmten oder abschließend und ohne weitere Entscheidungsspielräume errechenbaren Betrages erreicht. Der im vorliegenden Fall beschlossene Mindestbetrag entspricht nicht diesen Anforderungen. Es bedarf im Gegenteil einer besonderen Begründung dafür, dass die Angabe nur eines Mindestbetrages im Kapitalerhöhungsbeschluss den Interessen der registerrechtlichen Kontrolle und der Aktionäre nicht entgegensteht. So mag man z.B. formulieren können, dass die Aktionäre mit der Beschlussfassung eines Mindestbetrages selbst hinreichend die Grenzen definieren, ab denen sie keine Beeinträchtigungen ihrer Anteilsgrößen mehr hinnehmen wollen. Für eine vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende, allein auf den Gesetzeszweck gestützte Auslegung genügt es aber nicht, dass der vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Sachverhalt dem Zweck des Gesetzes lediglich nicht zuwider läuft.

38

Bei alledem ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den vorstehend beschriebenen Gesetzeszweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG zwischenzeitlich nicht etwa aufgegeben oder abgeschwächt hat. Weitere Kontrolle und Transparenz im Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung sieht vielmehr der durch das entsprechend benannte Gesetz vom 27. April 1998 eingefügte § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG vor.

39

c) Auch der Hinweis auf die Vorschrift des § 221 Abs. 2 Satz 1 AktG führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift kann der Vorstand zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen ermächtigt werden. Es ist jedoch nicht möglich, § 221 Abs. 2 Satz 1 AktG als vorrangige Spezialnorm gegenüber den Beschlusserfordernissen aus § 193 AktG über die bedingte Kapitalerhöhung anzusehen. Denn das Vorstandsermessen bei der Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen hat einen eigenständigen Anwendungsbereich. Es kann neben der zwingenden Festsetzung des Ausgabebetrages für die Aktien bzw. der Berechnungsgrundlagen für diesen Betrag im Beschluss der Hauptversammlung über das bedingte Kapital für andere Fragen selbständig zum Tragen kommen. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen nach § 221 Abs. 2 Satz 1 AktG ist im Übrigen nicht nur auf die bedingte Kapitalerhöhung bezogen. Sie kann auch in anderer Weise als durch Schaffung von bedingtem Kapital durchgeführt werden. Die Vorschriften über die bedingte Kapitalerhöhung und die Ausgabe der Wandelanleihe sind also nicht untrennbar aufeinander bezogen, sondern haben durchaus unterschiedliche Regelungsinhalte.

40

d) Gegen die von der Beklagten gewollte Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG spricht auch die Regelung des § 182 Abs. 3 AktG. Dort ist - für einen gänzlich anderen Fall - vom Gesetzgeber der Begriff "Mindestbetrag" gewählt worden. Hieran wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber sehr wohl zwischen dem Begriff "Ausgabebetrag" auf der einen und dem Begriff "Mindestbetrag" auf der anderen Seite unterschieden hat und - je nach Interessenlage - diese Begriffe auch bewusst verschieden gewählt hat, sodass sich ein austauschbares Verständnis dieser Begriffe verbietet, sie vielmehr nach ihrem Wortsinn zu verstehen sind. Auch dies steht der von der Beklagten gewünschten Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG entgegen.

41

5. Als Rechtsfolge ist der Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung nichtig gemäß § 241 Nr. 3 AktG. § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist eine Schutznorm im öffentlichen Interesse gegen den Missbrauch der Kapitalerhöhung (Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, Rdnr. 10 zu § 193 m.w. Nachw.). Die Nichtigkeit des Beschlussteils über die Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung ergreift - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - gemäß § 139 BGB auch die übrigen Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 9. Beim hier angegriffenen Beschluss handelt es sich um ein einheitliches Kapitalerhöhungsprojekt, dessen einzelne Teile aufeinander bezogen waren und für sich keinen Bestand haben sollten bzw. konnten. Dies gilt auch für die teilweise Aufhebung der Altermächtigung und die Herabsetzung des bedingten Kapitals nebst Satzungsänderung (TOP 9b und c), die beide erkennbar nur deshalb beschlossen worden sind, weil eine neue Ermächtigung (TOP 9d) ins Auge gefasst war. Ebenso sind die im Beschluss enthaltenen Satzungsänderungen (TOP 9a, g und f) nur deshalb beschlossen worden, weil ihre Grundlage in der Ausgabe des bedingten Kapitals liegt.

42

6. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung im ersten Rechtszug ist trotz der in der Sache vorliegenden teilweisen Klageabweisung wegen des höheren Wertes des zweiten Hilfsantrages zutreffend.

43

7. Die Revision ist gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Der Rechtsstreit hat wegen der Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG im Hinblick auf festgesetzte Mindestbeträge grundsätzliche Bedeutung, da es sich insoweit um eine entscheidungserhebliche und grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.