Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.11.2007, Az.: 5 W 103/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.11.2007
- Aktenzeichen
- 5 W 103/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 59373
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:1129.5W103.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 24.10.2007 - AZ: 9 OH 4/07
Rechtsgrundlagen
- §§ 406 Abs. 1
- 42 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- BauR 2008, 1187-1188 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 412-413
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zwar ist es einem Sachverständigen untersagt, selbst Anknüpfungstatsachen zu ermitteln oder den Sachverhalt aufzuklären. Die Einholung von Auskünften in Bezug auf einen bereits feststehenden Sachverhalt und die Anforderung vorhandener Unterlagen ist hingegen zulässig und geboten.
- 2.
Das Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen ist nicht dazu bestimmt zu überprüfen, ob seine Beurteilung der beweiserheblichen Fragen, um deren Beantwortung er gebeten worden ist, sachlich richtig oder falsch ist.
In der Beschwerdesache
...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 29. November 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Im Rahmen des anhängigen selbständigen Beweisverfahrens hat das Landgericht den Sachverständigen Dipl.-Ing. Ch.F. mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat das Gutachten am 10. September 2007 fertiggestellt. Die Antragsteller haben den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und den Antrag begründet. Das Landgericht hat dem Sachverständigen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben und sodann mit dem angefochtenen Beschluss, auf den zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, den Antrag für unbegründet erklärt. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die gem. den §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Das Landgericht hat zutreffend entschieden.
Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber ( BGH NJW-RR 1987, 893). Daraus folgt unmittelbar, dass der Sachverständige, soweit es um seine Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten geht, sich grundsätzlich an denselben Maßstäben messen lassen muss, wie sie für den Richter gelten. Ebenso wie der Richter muss der Sachverständige als sein Helfer alles vermeiden, was ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in seine Unabhängigkeit rechtfertigen könnte. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es einem Sachverständigen zwar untersagt ist, selbst Anknüpfungstatsachen zu ermitteln oder den Sachverhalt aufzuklären. Die Einholung von Auskünften in Bezug auf einen bereits feststehenden Sachverhalt und die Anforderung vorhandener Unterlagen ist hingegen zulässig und geboten. Vorliegend waren die Parteien damit einverstanden, dass der Sachverständige fehlende Unterlagen von den Antragsgegnern anfordert, wie dem Schriftsatz der Antragsgegner vom 10. Oktober 2007 und dem Schriftsatz der Antragsteller vom 18. Oktober 2007 zu entnehmen ist. Da der Gutachter die Kontaktaufnahme auch in seinem Gutachten S. 13 offengelegt hat, bestehen keine Bedenken gegen seine Unparteilichkeit. (vgl. auch OLG Frankfurt, OLGR 1997, 306). Ebenso wenig vermag der Umstand, dass sich der Sachverständige mit dem zuständigen Bauaufsichtsamt in Verbindung gesetzt hat, eine Befangenheit begründen. Soweit die Antragsteller weitere Informationen dazu wünschen, mag der Sachverständige um Ergänzung bzw. Erläuterung des Gutachtens gebeten werden.
Vorliegend hat der Sachverständige auch die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offengelegt. Auf Seite 8 des Gutachtens hat der Gutachter die Auszüge aus der Planung mitgeteilt, die er seiner Begutachtung zu Grunde gelegt hat. Soweit die Antragsteller die Auszüge aus der Genehmigungsplanung oder der Ausführungszeichnung nicht nachvollziehen können, kann der Sachverständige um Erläuterung gebeten werden. Erst wenn der Sachverständige eine derartige Erläuterung verweigern sollte, könnte Anlass für einen Befangenheitsantrag bestehen.
Soweit der Sachverständige mitgeteilt hat, dass er auf Grund der ihm übergebenen Pläne nicht in der Lage gewesen sei, die Frage eines Planungsfehlers eindeutig zu beantworten, können die Antragsteller, wenn sie der Meinung sind, vollständige Pläne zu haben, auf der Grundlage dieser Pläne eine Ergänzung des Gutachtens beantragen. Im Übrigen wäre es Sache des Gerichts, rechtliche Schlüsse daraus zu ziehen, wenn die Planung so unvollkommen wäre, dass selbst der Sachverständige nicht in der Lage wäre, aus ihr eindeutige Feststellungen zu treffen.
Die Frage, ob auf S. 13 des Gutachtens eine nach Ansicht der Antragsteller unrichtige Wiedergabe einer Äußerung des Antragstellers vorliegt, kann, soweit es darauf überhaupt ankommt, in einer Anhörung geklärt werden. Eine Befangenheit des Gutachters lässt sich daraus nicht herleiten.
Soweit die Antragsteller dem Sachverständigen vorwerfen, er habe sämtliche Messungen zu Gunsten der Antragsgegner vorgenommen, ist diese Unterstellung zum Einen durch nichts belegt. Sie ist zudem ehrenrührig, weil sie dem Sachverständigen unterstellt, dass er das Gutachten zu Lasten der Antragsteller manipuliert habe.
Zum Anderen ist die Tatsache, dass der Gutachter bei seinen vor Ort durchgeführten Messungen zu anderen Ergebnissen als andere Messungen gekommen ist, eine Frage der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Das Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen ist, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, nicht dazu bestimmt zu überprüfen, ob seine Beurteilung der beweiserheblichen Fragen, um deren Beantwortung er gebeten worden ist, sachlich richtig oder falsch ist. Die wirkliche oder vermeintliche Fehlerhaftigkeit oder Unzulänglichkeit der sachverständigen Begutachtung mag die Anordnung der Ergänzung oder Erläuterung des Gutachtens oder eine neue Begutachtung durch denselben oder einen anderen Sachverständigen erforderlich machen; die Ablehnung rechtfertigt sie nicht (vgl. dazu OLG Saarbrücken OLGR 2006, 841).
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, weil die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über den Befangenheitsantrag als Teil des selbständigen Beweisverfahrens keine Kostenentscheidung enthalten durfte und das Beschwerdeverfahren daher nur einen Bestandteil des selbständigen Beweisverfahrens darstellt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Verfahrens, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die Partei zu tragen hat, der auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens anfallen ( BGH, II ZB 30/04, Beschluss vom 12. Dezember 2005 ).