Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.11.2007, Az.: 6 U 79/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.11.2007
Aktenzeichen
6 U 79/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:1122.6U79.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 27.04.2007 - AZ: 4 O 107/06

Fundstelle

  • ErbR 2009, 194-195 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brockmöller für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Unter Abweisung der geänderten Klage wird die Berufung des Klägers gegen das am 27. April 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim zurückgewiesen, soweit er diese nicht zurückgenommen hat.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

A.

Die Parteien streiten um die Auslegung eines Testaments.

2

Die Beklagte zu 1 ist die Witwe und der Beklagte zu 2 der Zwillingsbruder des am 12. September 1998 verstorbenen Erblassers P.... H...., der am 18. Juni 1998 folgendes Testament errichtete (Anlage K 1, Bl. 10f d.A. und Bl. 51f d.A.):

"Mein Testament

Mein Anteil in der St.G.straße ..., nämlich 5/6, sollen J...., B...., S....-L.... zu gleichen Teilen erben. Die Mieteinnahmen sollen dabei bis zum Lebensende von J.... H...., zwischen B.... und J.... zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. S.... soll über ihr Erbe erst nach dem Tode von J.... verfügen, jedoch nicht vor dem 30. Lebensjahr. Das Haus und Grundstück in L.... erbt alleine J..... Der Einheitswert liegt dem Finanzamt A.... vor. Die Gebäude und das Grundstück M....straße ... soll B. zu 2/3 und J.... zu 1/3 erben. Die Mieteinnahmen sollen auch in diesem Verhältnis aufgeteilt werden. Mein Anteil an der S.... Gebäudebau GmbH u. Co. KG soll sowohl B...., als auch J.... zu gleichen Teilen erben. Sollte Interesse bestehen, die Anteile zu verkaufen, so sollte dies nicht vor dem Jahr 2005 erfolgen. Achtung: Die Gewinnausschüttung aus diesem Unternehmen sollte folgend aufgeteilt werden:

33 % B...., 33 % J...., 33 % als Hilfe für I.... (möglichst Holocaustgeschädigte oder Sozialschwache, die nach Israel heimkehren). Das Haus, Am W.... erbt B.... alleine."

3

Mit der Klage hat der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Auskunft über die jährlichen Gewinnausschüttungen sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Auszahlung von 33 % gezahlter Gewinnausschüttungen bzw. von 33 % des Verkaufserlöses sowie auf Zahlung von 3 794,38 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen und dazu vorgetragen, das Testament enthalte ein Vermächtnis zu seinen Gunsten.

4

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, das Vermächtnis sei zu unbestimmt.

5

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 141-147 d.A.), hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das zu Gunsten "Israel" angeordnete Vermächtnis zu unbestimmt sei.

6

Hiergegen wendet der Kläger sich mit seiner Berufung, die er in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2007 zurückgenommen hat, soweit er den Zahlungsantrag, den er nunmehr im Rahmen der Stufenklage verfolgt, gleichzeitig neben dem Auskunftsantrag als Feststellungsantrag geltend gemacht hatte (Bl. 241 d.A.).

7

Er beantragt,

  1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils

    1. I.

      die Beklagten im Wege der Stufenklage als Gesamtschuldner zu verpflichten,

      1. 1.

        ihm Auskunft über die Höhe der jeweiligen Gewinnausschüttungen aufgrund ihrer Anteile an der S.... Gerätebau GmbH und Co. KG (HRA ... Amtsgericht Hildesheim) seit dem 12. September 1998 zu erteilen,

      2. 2.

        die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gegebenenfalls an Eides statt zu versichern,

      3. 3.

        nach Auskunftserteilung die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 33 % der den Beklagten aufgrund ihrer Anteile an dieser Gesellschaft seit dem 12. September 1998 ausgezahlten Gewinnausschüttungen in noch zu bestimmender Höhe an ihn, den Kläger, zu zahlen und

      4. 4.

        die Sache wegen der zweiten und dritten Stufe der Stufenklage an das Landgericht zurückzuverweisen.

    2. II.

      festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, im Falle des Verkaufs ihrer Anteile an dieser Gesellschaft 33 % des Verkaufserlöses an ihn, den Kläger, auszukehren,

    3. III.

      die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3 794,38 € als selbstständige Nebenforderung festzusetzen,

8

Die Beklagten beantragen,

  1. die Berufung unter Abweisung der geänderten Klage zurückzuweisen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

10

B.

Die Berufung ist unbegründet.

11

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus einem Vermächtnis des Erblassers.

12

I.

Dieses gilt zunächst für einen Anteil von 33 % am Erlös aus einem künftigen Verkauf der Anteile der Beklagten zu 1 - nur sie hält solche - an o.g. KG und GmbH. Der Erblasser hat in seinem Testament vom 18. Juni 1998 ein solches Vermächtnis nicht ausgesetzt. Dazu findet sich in dem Testament kein Wort.

13

II.

Der Kläger kann auch nicht Ausschüttung von 33 % der Gewinne verlangen, die der Beklagten zu 1 seit September 1998 infolge ihres Eintritts in die Gesellschafterstellungen des Erblassers zustehen (§ 13 der Gesellschaftssatzung, Bl. 62 d.A.) und an denen der Beklagte zu 2 aufgrund Vermächtnisses zu beteiligen ist (s.S. 3 o. der Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 27. Januar 2004 in dem Rechtsstreit vor dem Senat zu 6 U 37/03, Bd. IV Bl. 404 der Beiakten 5 O 3/02 Landgericht Hildesheim).

14

1. Das Vermächtnis "33 % als Hilfe für I. (möglichst Holocaustgeschädigte oder Sozialschwache, die nach I. heimkehren)" ist unwirksam (§ 2065 Abs. 2 Fall 1 BGB).

15

a) Der Erblasser hat die Bestimmung der Person, welche die Zuwendung erhalten soll, nicht selbst getroffen, sondern den Beklagten als seinen Miterben überlassen. Dieses folgt aus der eindeutigen Formulierung "die Gewinnausschüttung ... sollte folgend aufgeteilt werden", die eine Anweisung an die mit den Anteilen, auf welche die Gewinne entfallen, bedachten Beklagten zu 1 und 2 darstellt und keine eigene letztwillige Verfügung des Erblassers.

16

b) Selbst wenn eine Auslegung möglich wäre, dass der Erblasser mit der Anordnung "33 % als Hilfe für I...." eine eigene letztwillige Verfügung getroffen hätte, bleibt das Ergebnis dasselbe. Die Person des Vermächtnisnehmers ist durch diese Anordnung nicht eindeutig bestimmt. Es ist nicht sicher, dass der Erblasser den Kläger gemeint und mit der Auflage (§ 2193 Abs. 1 BGB) beschwert hat, ihm zu überlassende Gewinne aufgrund eigener Bestimmung an Holocaustgeschädigte oder sozialschwache I.... heimkehrer zu leisten. Es bleibt die Möglichkeit, dass der Erblasser sich vorgestellt hat, die Holocaustgeschädigten und I.... heimkehrer seien selbst die Vermächtnisnehmer, welche die Beklagten als Begünstigte auszuwählen hätten. Als lediglich Auflagebegünstigte hatten Angehörige dieses Personenkreises keine rechtliche Möglichkeit, Ansprüche gegen den Kläger durchzusetzen (vgl. § 2194 BGB), während dem Erblasser vorgeschwebt haben mag, Angehörige dieses Personenkreises könnten als auszuwählende Vermächtnisnehmer ihre Auswahl von den Beklagten fordern.

17

2. Das unwirksame Vermächtnis lässt sich nicht in ein wirksames zugunsten des Klägers umdeuten (§ 140 BGB). Der Kläger kann nicht beweisen, dass der Erblasser die Zuwendung an ihn als Vermächtnisnehmer gewollt hätte, wenn er die Nichtigkeit der von ihm getroffenen Anordnung gekannt hätte. Es bleibt die Möglichkeit, dass der Erblasser nichts anderes wollte, als an die Beklagten zu appellieren, die Verteilung von 33 % der Gewinne in dem von ihm in dem Testament dargestellten Sinne vorzunehmen. Die Beklagte zu 1 hat dazu vorgetragen, sie habe gemäß der umstrittenen Klausel in dem Testament, wie mit dem Erblasser besprochen, lediglich dessen zu seinen Lebzeiten entfaltete Spendentätigkeit fortsetzen sollen, was sie auch tue, ohne dass dieses Vorbringen sich widerlegen lässt.

18

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 Satz 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

19

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.

Piekenbrock
Volkmer
Dr. Brockmöller