Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.11.2007, Az.: 6 U 54/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.11.2007
Aktenzeichen
6 U 54/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:1115.6U54.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 17.04.2007 - AZ: 6 O 332/06

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brockmöller für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das am 17. April 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

  6. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 156 045,48 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. mbH (nachfolgend: Schuldnerin) Werklohn aus vier Abschlagsrechnungen abzüglich eines Sicherheitseinbehalts in Höhe von 20 % zugunsten der Beklagten.

2

Mit Vertrag vom 20. Mai 2005 (Anlage K 4, Hefter I) beauftragte die Beklagte die Schuldnerin mit den "Abbruch-, Erd-, Wasserhaltungs-, Entwässerungs-, Ramm, Gleisbau-, Stahlbeton-, Mauer- und Straßenbauarbeiten" für die Baumaßnahme "Umsteigepunkt Bahnhof N." zu einer Auftragssumme von 1 738 998,08 €, ergänzt durch Auftrag vom 20./21. Juni 2005 (Anlage B 5, Hefter II) über eine Auftragssumme von 99 992,16 € für den "Neubau ca. 180 m RW-Kanalisation in der Hauptstraße" an der oben genannten Baumaßnahme.

3

Am 30. August 2005 ordnete das Amtsgericht Hameln die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter (Anlage K 1, Hefter I). Am 8./12. September 2005 schlossen die Schuldnerin und die Beklagte mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters einen "Änderungsvertrag" (Anlage K 5, Hefter I) zu dem Vertrag vom 20. Mai 2005, in welchem es heißt:

"... 1. Die vorgenommenen Einbehalte zu den bislang gelegten Abschlagsrechnungen ... bleiben bestehen, und zwar bis zur Schlussabnahme und Schlussrechnungsprüfung

2. Bei jeder künftigen Abschlagsrechnung ist die (Beklagte) darüber hinaus berechtigt, 20 % der vom Ingenieurbüro L. geprüften Bruttoabschlagssumme einzubehalten.

Nach der vorbehaltlosen funktionalen Abnahme der Unterführung einschl. der Rampen durch den Fachbeauftragten für Brücken der D. AG ...wird die (Beklagte) 10 % der geprüften Bruttoabschlagssummen dieser künftigen Abschlagsrechnungen auszahlen (und) sich ... dafür verwenden, dass die Abnahme durch den Fachbeauftragten möglichst zeitnah nach Fertigstellung der Unterführung nebst Rampen erfolgt ...

3. Nach der vorbehaltlosen, insbesondere mangelfreien Schlussabnahme der beauftragten Leistungen durch die (Beklagte) wird diese sämtliche bis dahin einbehaltenen Beträge an die (Schuldnerin) bzw an den (vorläufigen) Insolvenzverwalter auszahlen, jedoch nur Zug um Zug gegen Stellung einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft ... in Höhe von 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme. ...

4. Die (Schuldnerin) sichert zu, dass die vereinbarten Vertragsfristen eingehalten werden. Sie verpflichtet sich , bis zum 12.09.2005 einen fortgeschriebenen Bauablauf vorzulegen, der dies gewährleistet."

4

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 (Anlage K 10, Bl. 31 d.A., und Anlage B 12, Hefter II) teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, sie werde ihren Geschäftsbetrieb am 1. November 2005 einstellen, an welchem das Amtsgericht Hameln das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnete und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellte (Anlage K 2, Hefter I). Mit Schreiben vom 4. November 2005 (Anlage K 7, Hefter I) kündigte die Beklagte deswegen den Bauvertrag mit der Schuldnerin.

5

Die Beklagte ließ die von ihr behaupteten Mängel am Werk der Schuldnerin anderweitig beheben und verlangt von der Schuldnerin keine Leistungen mehr. Die in Position 14.1 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (Anlage B 3, Hefter II) vereinbarte förmliche Abnahme der Leistungen der Schuldnerin fand bisher nicht statt. Die Schluss-Rechnung, deren Inhalt nicht vorgetragen ist, wurde der Beklagten am 12. März 2007 übermittelt (Bl. 374 d.A.).

6

Mit der Klage hat der Kläger Abschlagszahlung nach folgender Berechnung aus vier Abschlagsrechnungen (Anlage K 6, Hefter I) verlangt:

16. Oktober 2005104 266,18 €
21. Oktober 200511 507,08 €
23. Oktober 200577 550,54 €
23. Oktober 200526 513,87 €
Summe219 837,65 €
(rechnerisch richtig:219 837,67 €)
abzüglich 20 %43 967,53 €
Klagforderung175 870,12 €.
7

Er hat vorgetragen, die Parteien hätten bei einer Besprechung am 6. September 2005 (Bl. 296 d.A.) mündlich vereinbart, er könne trotz Schlussrechnungsreife weiterhin Zahlung aufgrund der Abschlagsrechnungen verlangen. Die Beklagte habe auf schriftlicher Fixierung dieser Abrede bestanden, die durch den schriftlichen Änderungsvertrag vom 12. September 2005 erfolgt sei.

8

Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt.

9

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 318-323 d.A.), hat das Landgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger könne keine Abschlagszahlungen mehr verlangen, da die Schlussrechnung erstellt sei.

10

Mit der Berufung nimmt der Kläger gewisse Kürzungen der Abschlagsrechnungen durch die Beklagte hin und wendet ein, das Landgericht habe den Inhalt der Änderungsvereinbarung nicht verstanden und zu Unrecht die Vernehmung der angebotenen Zeugen zur mündlichen Vereinbarung vom 6. September 2005 unterlassen.

11

Der Kläger beantragt,

  1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 156 045,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2006 zu zahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

14

II.

Die Berufung ist unbegründet.

15

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschlagszahlungen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 VOB/B).

16

a) Da er der Beklagten, nachdem diese den Bauvertrag zwischen der Schuldnerin und ihr mit Schreiben vom 4. November 2005 gekündigt hat, keine Leistungen zur Fertigstellung des Werkes mehr schuldet, ist der Grund für die Abschlagszahlungen, dem Unternehmer einen Ausgleich für seine Vorleistungspflicht zu bieten, entfallen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rn. 41).

17

Vielmehr muss nunmehr die Beklagte Gelegenheit erhalten, den ihr nach Kündigung wegen des von der Schuldnerin beantragten Insolvenzverfahrens zustehenden Anspruch gegen diese auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B) mit der endgültigen Werklohnforderung der Schuldnerin zu verrechnen.

18

b) Die Schuldnerin und die Beklagte haben nicht vereinbart, dass sie ohne Rücksicht auf das Ende ihrer Arbeiten und das Erstellen der Schlussrechnung von dieser weiter Abschläge auf ihren Werklohn fordern darf. Ob dieses am 6. September 2005, wie der Kläger behauptet, so besprochen worden ist, ist unerheblich. Durch die mündliche Absprache war der Vertrag noch nicht geschlossen (§ 154 Abs. 2 BGB). Nach eigenem Vortrag des Klägers hat die Beklagte auf schriftlicher Fixierung der Absprache bestanden, an der es fehlt. In dem schriftlichen Änderungsvertrag vom 8./12. September 2005 hat die Absprache keinen Anklang gefunden. Ein Entgegenkommen der Beklagten enthält dieser Vertrag nur insoweit, als diese 10 % der geprüften Bruttoabschlagssummen künftiger Abschlagsrechnungen nach vorbehaltloser Abnahme der Unterführung zahlen sollte, während eine weiter gehende Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen der VOB/B zugunsten der Schuldnerin nicht zu erkennen ist. Die in Nr. 3 des Vertrages festgelegte Pflicht der Beklagten, nach Schlussabnahme sämtliche einbehaltenen Beträge Zug um Zug gegen Stellen eines Gewährleistungsbürgen durch die Schuldnerin auszuzahlen, betrifft nicht die geltend gemachten Abschläge, sondern die Sicherheitseinbehalte von jeweils 20 % der Bruttoabschlagssummen, welche der Kläger nicht verfolgt, sondern sich selbst abzieht.

19

c) Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf das Entfallen der Voraussetzungen für den Anspruch auf Abschlagszahlungen zu berufen. Dieses gilt selbst dann, wenn sich dem Änderungsvertrag der Sinn entnehmen ließe, die Schuldnerin wegen deren Krise kurzfristig liquide zu halten. Dieser Sinn wäre jetzt jedenfalls entfallen. Die Schuldnerin hat ihren Geschäftsbetrieb zum 1. November 2005, dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, eingestellt.

20

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

21

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.

Piekenbrock
Volkmer
Dr. Brockmöller