Landgericht Göttingen
Beschl. v. 12.08.2008, Az.: 10 T 90/08
Aufhebung der Stundung der Kosten eines Insolvenzverfahrens wegen Versagung oder Widerrufs der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 12.08.2008
- Aktenzeichen
- 10 T 90/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 37432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2008:0812.10T90.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 03.07.2008 - AZ: 74 IN 489/05
Rechtsgrundlagen
- § 4c Nr. 5 InsO
- § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Fundstellen
- DStR 2008, XIV Heft 46 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2008, VIII Heft 9 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2008, 626 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI (Beilage) 2009, 31 (red. Leitsatz)
- ZInsO 2008, 1032-1033 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2008, 472-473 (Volltext mit amtl. LS)
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
E. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 15./18.07.2008
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 03.07.2008 - 74 IN 489/05 -
am 12.08.2008
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 1.500,00 EUR
Gründe
Mit Beschluss vom 09.02.2006 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und ihr die Stundung der Verfahrenskosten bewilligt. Ferner hat das Amtsgericht den Rechtsanwalt C. in F. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 18.10.2007 ist der Schuldnerin die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Nachdem dieser Beschluss rechtskräftig geworden ist, hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 10.06.2008 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 31.10.2007 und 11.01.2008 hat der Treuhänder mitgeteilt, die Schuldnerin habe trotz mehrfacher Aufforderungen ihre Lohn- und Gehaltsabrechnungen nicht übersandt, so dass eine Ermittlung des pfändbaren Einkommens nicht erfolgen könne. Das Amtsgericht hat daraufhin die Schuldnerin mit Verfügung vom 14.01.2008 aufgefordert, umgehend dem Treuhänder die gewünschten Auskünfte zu erteilen, andernfalls könne die bewilligte Stundung widerrufen werden. Die Schuldnerin hat daraufhin mitgeteilt, sie habe dem Treuhänder die Abrechnungen der Monate Juni, Juli und August 2006 zukommen lassen. Im übrigen sei sie nunmehr in der Filiale G. beschäftigt und habe dadurch erhebliche Fahrtkosten. Von ihrem Nettoverdienst bleibe nichts übrig. Die Schuldnerin hat dem Schreiben eine Lohn/Gehaltsabrechnung für den Monat September 2007 beigefügt und erklärt, ihr Verdienst sei jeden Monat unverändert.
Mit Schreiben vom 15.02.2008 hat der Treuhänder ausgeführt, es sei nicht davon auszugehen, dass die Schuldnerin jeden Monat den gleichen Verdienst habe, da ihr Arbeitgeber für die Monate November und Dezember 2007 unterschiedliche pfändbare Beträge abgeführt habe. Im Hinblick darauf habe er die Schuldnerin nochmals aufgefordert, über sämtliche monatlichen Einkünfte Auskunft zu erteilen. Dieser Aufforderung sei sie jedoch wiederum nicht nachgekommen. Ende Februar 2008 hat die Schuldnerin dem Treuhänder die Gehaltsabrechnungen für die Monate November 2007 und Januar 2007 überreicht, aus denen sich ergab, dass die Höhe der Bezüge schwankt. Der Treuhänder hat die Schuldnerin nochmals aufgefordert, ihr Gehalt für die Monate Juni, Juli, September 2006, Februar, Mai, Oktober, Dezember 2007 und Februar 2008 darzulegen. Nachdem die Schuldnerin bis zum 09.06.2008 die entsprechenden Auskünfte dem Treuhänder nicht erteilt hatte, hat das Amtsgericht sie mit Verfügung vom 12.06.2008 aufgefordert, die geforderten Erklärungen innerhalb von zwei Wochen dem Treuhänder gegenüber abzugeben. Mit Beschluss vom 03.07.2008 hat das Amtsgericht die der Schuldnerin bewilligte Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Stundung sei gemäß §4 c Nr. 1 InsO aufzuheben, da die Schuldnerin eine vom Gericht verlangte Erklärung über ihre Verhältnisse nicht abgegeben habe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, sie habe die geforderten Unterlagen am 27.06.2008 dem Treuhänder zukommen lassen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß §§6 Abs. 1, 4 d Abs. 1 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis die der Schuldnerin bewilligte Stundung zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss aufgehoben.
Zwar liegt hier nicht der Aufhebungsgrund des §4 c Nr. 1 InsO vor, denn die Schuldnerin hat nunmehr die geforderten Auskünfte gegenüber dem Treuhänder erteilt. Der Treuhänder hat mit Schreiben vom 25.07.2008 mitgeteilt, die Schuldnerin habe die fehlenden Lohnabrechnungen mit Schreiben vom 27.06.2008 vorgelegt. Zwar hat die Schuldnerin diese Auskünfte nicht fristgerecht erteilt. Hierauf kommt es jedoch im Rahmen des §4 c Nr. 1 InsO nicht an, insoweit ist im Rahmen dieser Vorschrift nur entscheidend, ob die Auskünfte letztlich erteilt worden sind.
Die Stundung ist hier jedoch nach §4 c Nr. 5 InsO aufzuheben. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird. Hier liegt der Versagungsgrund des §295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor, denn die Schuldnerin hat von der Abtretungserklärung erfasste Bezüge verheimlicht. Diese in §295 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannte Obliegenheit des Schuldners soll vor allem dazu beitragen, dass die von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge vollständig an den Treuhänder abgeführt werden. Der Schuldner ist deshalb verpflichtet, über seine Bezüge vollständig und lückenlos Auskunft zu erteilen, um so den Treuhänder in die Lage zu versetzen, die jeweils pfändbaren Bezüge festzustellen und einzuziehen. Hiergegen hat die Schuldnerin verstoßen. Trotz entsprechender Aufforderungen hat sie ihre jeweiligen monatlichen Bezüge dem Treuhänder nicht innerhalb der ihr gesetzten Fristen mitgeteilt. Darüber hinaus entsprach ihre Auskunft vom 28.01.2008, dass sich ihr Gehalt, wie es sich aus der beigefügten Abrechnung für den Monat September 2007 ergebe, nicht verändere, nicht den Tatsachen. Die Schuldnerin hat ein unterschiedliches Einkommen erzielt, wie der Treuhänder aus den nunmehr vollständig von der Schuldnerin vorgelegten Gehaltsabrechnungen festgestellt hat. Folge des nicht mitgeteilten jeweiligen monatlichen Gehalts ist die unterbliebene Einforderung der vollständigen von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge. Nach den Berechnungen des Treuhänders hat sich insoweit ein Rückstand der pfändbaren Beträge in Höhe von 917,35 EUR ergeben. Diesen Rückstand hat die Schuldnerin bislang auch nicht ausgeglichen, so dass hierdurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Der Schuldnerin war auch bekannt, dass sie ihr Einkommen vollständig und richtig angeben musste, so dass sie ihre Obliegenheiten schuldhaft verletzt hat. Der Schuldnerin wäre deshalb wegen Verletzung der Obliegenheiten in der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung nach §296 Abs. 1 InsO zu versagen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 16.12.2004, abgedruckt in NZI 2005, 232 [BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03]) ist die Stundung ausgeschlossen, wenn zweifelsfrei ein Versagungsgrund nach §290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt. Einem Schuldner, der in dem Stadium, in dem darüber zu entscheiden ist, ob ihm Stundung zu bewilligen ist, eindeutig gegen die sich aus der Insolvenzordnung ergebenden Mitwirkungspflichten verstößt, ist der Anspruch auf Stundung nicht zuzubilligen. Das Insolvenzgericht ist nicht verpflichtet, die Stundung zunächst zu gewähren, um sie später aus einem Grund, der bereits in diesem Stadium vorliegt, wieder aufzuheben (BGHZ 2005, 232, 233; Nerlich/Römermann/Becker, Insolvenzordnung §4 a Rdnr. 34). Es dürfen nicht öffentliche Mittel für eine Stundung eingesetzt werden, wenn von Anfang an zweifelsfrei feststeht, dass die Restschuldbefreiung letztlich versagt werden wird, so dass aus diesem Grund die Bewilligung der Stundung nachträglich wieder aufzuheben ist.
Dieser Grundsatz, den der BGH für das Stadium vor Verfahrenseröffnung aufgestellt hat, muss auch dann gelten, wenn - wie hier - die Schuldnerin sich in der Wohlverhaltensperiode befindet. Auch in dieser Phase des Verfahrens treffen den Schuldner die in der Insolvenzordnung normierten Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten. Auch in diesem Stadium ist dem Schuldner die Stundung nicht weiterhin zu gewähren, wenn sich herausstellt, dass er die ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt und aufgrund dessen die Restschuldbefreiung gemäß §296 Abs. 1 InsO zu versagen ist (vgl. Landgericht Göttingen, Beschluss vom 26.09.2007 - 10 T 120/07 -).
Bei dem hier festgestellten Sachverhalt ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Schuldnerin die Restschuldbefreiung nach §296 Abs. 1 InsO versagt werden wird.
Damit ist der Widerruf der Stundung berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach §3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse der Schuldnerin an der Aufrechterhaltung der Kostenstundung ausgegangen.