Landgericht Göttingen
Beschl. v. 02.12.2008, Az.: 10 T 89/08

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
02.12.2008
Aktenzeichen
10 T 89/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 43509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2008:1202.10T89.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 03.07.2008 - AZ: 74 IN 413/02

Fundstellen

  • DStR 2009, XIV Heft 7 (red. Leitsatz)
  • NZI 2009, 122-123 (Volltext mit red. LS)

In dem Insolvenzverfahren

...

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen durch I. als Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 21.07.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 03.07.2008 - 74 IN 413/02 -

am 02.12.2008 beschlossen:

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  2. Beschwerdewert: bis zu 1 200,00 EUR

Gründe

1

Mit Beschluss vom 08.01.2003 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Rechtsanwältin G. in J. zur Insolvenzverwalterin bestellt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Schuldnerin beantragt, ihr die Restschuldbefreiung zu erteilen.

2

Die Schuldnerin ist Eigentümerin des im Grundbuch von K. eingetragenen Grundstücks L., das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt. Die oben genannte Gläubigerin hat die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt, die Insolvenzverwalterin hat am 19.07.2007 das Grundstück aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Nachdem im vorliegenden Verfahren die Insolvenzmasse verwertet worden ist, hat das Amtsgericht für die Beendigung des Verfahrens das schriftliche Verfahren angeordnet und mit Beschluss vom 02.05.2008 den Gläubigern eine Frist bis zum 26.06.2008 gesetzt, um Einwendungen gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung vorzubringen. Innerhalb dieser Frist hat die Gläubigerin beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Schuldnerin habe mit Vertrag vom 01.01.2008 das Grundstück an ihren Ehemann vermietet. Der Mietvertrag sei so ausgestaltet, dass der Ehemann durch eine Mietvorauszahlung auf eine Zeit von mindestens vier Jahren unkündbar das Nutzungsrecht an der gesamten Immobilie erhalte. Damit sei eine Verwertung der Immobilie und daraus folgend die Befriedigung der Gläubiger nach dem Willen der Schuldnerin auf mehrere Jahre blockiert. Die Schuldnerin habe zudem die Insolvenzverwalterin über die aus dem Mietvertrag resultierende Mietvorauszahlung von behaupteten 100 000,00 EUR nicht informiert.

3

Mit Beschluss vom 03.07.2008 hat das Amtsgericht den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der von der Gläubigerin dargelegte Sachverhalt falle nicht unter die in § 290 Abs. 1 Nr. 1 - 6 InsO aufgeführten Versagungsgründe. Da die Insolvenzverwalterin das Grundstück freigegeben habe, sei es nicht mehr massezugehörig und werde nicht mehr vom Insolvenzverfahren erfasst.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde.

5

Die Schuldnerin hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens dargelegt, sie habe in der Vergangenheit zahlreiche "Sonderwünsche" in Bezug auf das Haus und Grundstück gehabt. Die daraus resultierenden Zahlungen habe ihr Ehemann geleistet, dabei jedoch klargestellt, dass diese Zahlungen nur darlehensweise erfolgten. Da sie, die Schuldnerin seinerzeit sicher gewesen sei, aus ihren geschäftlichen Aktivitäten das Geld zurückzahlen zu können, habe sie der Rückzahlungsverpflichtung zugestimmt. Aufgrund dieser Darlehensvereinbarung schulde sie ihrem Ehemann einen Betrag von mindestens 100 000,00 EUR. Mit dem Mietvertrag habe sie ihrem Ehemann das Recht eingeräumt, in der Mietsache durch Auf- bzw. Verrechnung solange zahlungsfrei zu wohnen, bis das Darlehen einschließlich Zinsen vollständig zurückgeführt worden sei.

6

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Der von der Gläubigerin vorgetragene Sachverhalt, den die Schuldnerin im Beschwerdeverfahren näher dargelegt hat, fällt nicht unter die Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 - 6 InsO.

7

In Betracht kommen hier ohnehin nur die § 290 Abs. 1 Nr. 4 und 5 InsO aufgeführten Versagungsgründe, die jedoch die Gläubigerin im Ergebnis nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

8

Nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet hat. Die Investitionen der Schuldnerin an dem Haus und Grundstück fallen nicht unter diese Voraussetzung, denn ausweislich den von der Schuldnerin vorgelegten Rechnungen fand die letzte bauliche Maßnahme, für die sie ein Darlehen ihres Ehemannes erhielt, im Jahr 1997 statt, lag mithin mehr als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag. Auch die Verrechnung des Mietzinses mit den Ansprüchen ihres Ehemannes auf Rückzahlung des Darlehens erfüllt nicht den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Zwar stehen der Schuldnerin die Mieteinnahmen auf diese Weise nicht zur Verfügung. Unter den Begriff der Verschwendung ist dieses Verhalten indes nicht zu subsumieren. Da die Insolvenzverwalterin das Grundstück aus der Insolvenzmasse freigegeben hat, darf die Schuldnerin über das Grundstück verfügen, das heißt, sie darf Mietverträge schließen und den daraus erzielten Mietzins einnehmen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Schuldnerin besteht auch eine Gegenforderung ihres Ehemannes, so dass sie nicht etwa auf den Mietzins verzichtet. Entgegen der Darstellung der Gläubigerin hat der Ehemann der Schuldnerin als Mieter des Grundstücks auch keine Mietzinsvorauszahlung in Höhe von 100 000,00 EUR geleistet, von der die Insolvenzverwalterin keine Kenntnis hatte. Vielmehr stellt sich der Sachverhalt nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Schuldnerin so dar, dass sie, die Schuldnerin in den Jahren 1993 - 1997 verschiedene Darlehen von ihrem Ehemann in Höhe von mindestens 100 000,00 EUR erhalten, jedoch nicht zurückgezahlt hat. Durch den Abschluss des Mietvertrags wird ihr Anspruch auf Mietzinszahlung gegen ihren Ehemann mit dessen Rückzahlungsanspruch aus der Darlehensforderung verrechnet. Da jedoch das Grundstück nicht dem Insolvenzbeschlag unterfällt, mithin die Schuldnerin über die Einnahmen aus dem Grundstück frei verfügen kann, fällt diese Form der Mietzinsverrechnung nicht unter die in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO aufgeführten Tatbestände.

9

Auch der in § 290 Abs. Nr. 5 InsO geregelte Versagungsgrund liegt nicht vor. Dass die Schuldnerin während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, hat die Gläubigerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht. Den Abschluss des Mietvertrags in der vorliegenden Form musste die Schuldnerin nicht mitteilen, denn - wie bereits ausgeführt - durfte sie in Folge der Freigabe des Grundstücks aus dem Insolvenzbeschlag darüber verfügen.

10

Für die Ankündigung der Restschuldbefreiung spielt es auch keine Rolle, dass die von der Schuldnerin und ihrem Ehemann gewählte Mietvertragskonstellation möglicherweise die Verwertung des Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung erschwert. Ein solches Verhalten der Schuldnerin wird im Restschuldbefreiungsverfahren nicht sanktioniert.

11

Letztlich kommt auch keine Verletzung der Auskunftspflichten in Betracht. Zwar muss der Schuldner seine Gläubiger und die gegen ihn bestehenden Forderungen angeben, um nicht die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu riskieren. Dass jedoch die Schuldnerin die Forderungen ihres Ehemannes nicht angegeben hat, hat die Gläubigerin zur Begründung des Versagungsantrags weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt. Da im Streitfall keine hinreichenden Anhaltpunkte dafür bestehen, wie sich die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin entwickeln werden und ob beziehungsweise in welchem Umfang sie in Zukunft in der Lage sein wird, Zahlungen zu leisten, ist als maßgebender Wert für das Beschwerdeverfahren der Betrag von 1 200,00 EUR festzusetzen (vgl. BGH Beschluss vom 23.01.2003 - IX ZB 227/02 -).