Landgericht Göttingen
Beschl. v. 23.06.2008, Az.: 10 T 69/08
Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde bei Entscheidungen des Insolvenzgerichts in den Fällen des § 6 Insolvenzordnung (InsO)
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 23.06.2008
- Aktenzeichen
- 10 T 69/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 19766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2008:0623.10T69.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 17.06.2008 - AZ: 74 IN 11/01
- nachfolgend
- BGH - 17.12.2009 - AZ: IX ZB 177/08
Rechtsgrundlage
- § 6 InsO
Fundstellen
- NZI (Beilage) 2009, 5 (red. Leitsatz)
- ZInsO 2008, 1144-1145 (Volltext mit red. LS)
In dem Insolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 18.06.2008
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 17.06.2008 - 74 IN 11/07 -
am 23.06.2008
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: bis zu 19.000,00 EUR
Gründe
Mit Beschluss vom 04.01.2001 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Rechtsanwalt P. F. R. v. D. zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 10.11.2005 hat das Amtsgericht den Rechtsanwalt Dr. R. F. in Kassel zum Sonderinsolvenzverwalter bestellt zur Prüfung der Frage, ob gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche zu Gunsten der Masse geltend gemacht werden können. Der Sonderinsolvenzverwalter hat mit Schriftsatz vom 12.02.2008 die Anberaumung eines Termins zur Anhörung des Insolvenzverwalters beantragt und hierzu zahlreiche, dem Insolvenzverwalter in diesem Termin zu stellende Fragen angeführt. Ferner hat der Sonderinsolvenzverwalter angeregt, der Insolvenzverwalter möge die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt versichern. Mit Verfügung vom 16.04.2008 hat das Amtsgericht Termin zur Anhörung des Insolvenzverwalters und sogleich zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anberaumt auf den 22.04.2008. Der Insolvenzverwalter ist zu diesem Termin nicht erschienen. Zuvor hatte er dem Gericht mitgeteilt, er habe einen vorrangigen Arzttermin, zudem gebe es keine gesetzliche Grundlage für die vom Sonderinsolvenzverwalter beantragte Anhörung. Mit Beschluss vom 30.05.2008 hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - angeordnet, dass der Insolvenzverwalter die eidesstattliche Versicherung gemäß §§ 97, 98 InsO abzugeben habe. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, aufgrund der Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung bestehe das Recht des Sonderinsolvenzverwalters auf Anhörung des Insolvenzverwalters. In dem Bereich, in dem der Sonderinsolvenzverwalter bestellt sei, habe er die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Im Umfang der Sonderinsolvenzverwaltung entsprächen die Auskunfts- und Mitwirkungsverpflichtungen des Insolvenzverwalters denjenigen des Schuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter. Dem Auskunftsverlangen des Sonderinsolvenzverwalters müsse deshalb der Insolvenzverwalter nachkommen. Da jedoch der Insolvenzverwalter keine beziehungsweise widersprüchliche Informationen erteilt habe, müsse der Insolvenzverwalter die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm zu erteilenden Auskünfte an Eides statt versichern. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Insolvenzverwalter mit der sofortigen Beschwerde vom 16.06.2008. Er meint, dem Sonderinsolvenzverwalter stehe nicht das Recht zu, den Insolvenzverwalter zur Anhörung laden zu lassen, geschweige denn, dass der Insolvenzverwalter seine Angaben an Eides statt zu versichern habe.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.06.2008 die Beschwerde des Insolvenzverwalters als Erinnerung gegen den Beschluss der Rechtspflegerin gewertet und die Erinnerung mit Beschluss vom 17.06.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Regelungen der §§ 97, 98 InsO seien anwendbar.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Insolvenzverwalter mit der sofortigen Beschwerde vom 18.06.2008. Er wiederholt seinen Rechtsstandpunkt, dass dem Sonderinsolvenzverwalter kein Recht zustehe, die Anhörung des Insolvenzverwalters zu fordern und demzufolge die Ladung des Insolvenzverwalters zur Auskunftserteilung zu beantragen. Im Hinblick darauf könne der Insolvenzverwalter auch nicht verpflichtet werden, seine Angaben an Eides statt zu versichern.
Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters ist unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht hier die §§ 97, 98 InsO zutreffend angewendet hat, indem es die Stellung des Insolvenzverwalters im Verhältnis zum Sonderinsolvenzverwalter mit der Stellung des Schuldners im Verhältnis zum Insolvenzverwalter verglichen hat. Selbst wenn die Auffassung des Amtsgerichts - wofür einiges spricht - nicht zutreffend ist, ist jedoch die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters nicht statthaft. Gemäß § 6 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen das Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für den Fall, dass das Insolvenzgericht anordnet, der Insolvenzverwalter möge seine Angaben in einem Anhörungstermin, der auf Betreiben des Sonderinsolvenzverwalters stattfindet, an Eides statt versichern, sieht die Insolvenzordnung kein Rechtsmittel vor. Selbst wenn man in diesem Fall § 98 InsO analog anwenden würde, ergäbe sich auch daraus nicht ein Beschwerderecht des Insolvenzverwalters. Nach § 98 Abs. 3 Satz 3 InsO findet gegen die Anordnung der Haft die sofortige Beschwerde des Schuldners statt. Gegen die Anordnung der sonstigen Zwangsmittel des § 98 InsO, mithin auch gegen die Anordnung, dass der Schuldner seine Angaben an Eides statt versichert, steht dem Schuldner ein Beschwerderecht nicht zu (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, Kommentar zur Insolvenzordnung 30. Lfg. 10/07 § 98 Rdnr. 11). Auch einem Schuldner stünde deshalb gegen die Anordnung, dass er seine Angaben an Eides statt zu versichern hat, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht zu.
Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zulässig, dass es sich bei der vom Insolvenzgericht angeordneten Maßnahme um eine dem Gesetz fremde, in den grundrechtlich geschützten Bereich des Schuldners eingreifende Maßnahme handelt (vgl. BGH NJW 2004, 2015). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die vom Amtsgericht hier herangezogene analoge Anwendung der §§ 97, 98 InsO auf den Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Sonderinsolvenzverwalter nicht in Betracht kommt, liegt in der Anordnung, dass der Insolvenzverwalter seine Angaben an Eides statt zu versichern habe, kein Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen. Zwar bezieht sich die Regelung des § 6 Abs. 1 InsO nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2004, 2015 ff.) nur auf solche Maßnahmen, die nach Wortlaut, Inhalt und Zweck des Gesetzes überhaupt in Betracht kommen können. Liegt die gerichtliche Maßnahme außerhalb der Befugnisse, die dem Insolvenzgericht von Gesetzes wegen verliehen werden und greift die Maßnahme in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen ein, schließt es die Vorschrift des § 6 Abs. 1 InsO nicht aus, dem Betroffenen ein Rechtsmittel zu eröffnen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn durch die angegriffene Maßnahme in das Grundrecht des Betroffenen auf Unverletzlichkeit der Wohnung oder in das Recht auf Freiheit eingegriffen wird. Eine derartige Grundrechtsverletzung ist jedoch durch die in Rede stehende Anordnung, der Insolvenzverwalter möge seine Angaben an Eides statt versichern, nicht erkennbar. Dies folgt auch daraus, dass auch der Schuldner - wie bereits oben ausgeführt - sich gegen die Anordnung, seine Angaben an Eides statt zu versichern, nicht mit der sofortigen Beschwerde wenden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Insolvenzverwalters, die Angaben nicht machen zu müssen, ausgegangen. Dieses Interesse bemisst die Kammer mit der Hälfte des Anspruchs, den der Sonderinsolvenzverwalter zwischenzeitlich gerichtlich gegen den Insolvenzverwalter geltend macht.