Landgericht Göttingen
Beschl. v. 11.01.2008, Az.: 5 S 31/07
Ausgestaltung der Pflicht zum Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten i.R.d. Regulierung eines Verkehrsunfalls; Begründetheitsvoraussetzungen einer Berufung im zivilprozessualen Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 11.01.2008
- Aktenzeichen
- 5 S 31/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 37992
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2008:0111.5S31.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hann.Münden - AZ: 3 C 482/06
Rechtsgrundlagen
- § 522 Abs. 2 ZPO
- § 249 Abs. 2 S. 1 BGB
Fundstellen
- ACE-VERKEHRSJURIST 2008, 26 (amtl. Leitsatz)
- VersR 2008, 657-658 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
M.
am 11. Januar 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Kammer weist darauf hin, dass sie beabsichtigt, die Berufung wegen fehlender Erfolgsaussicht durch einstimmigen Beschluss gemäß §522 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hann. Münden vom 02.02.2007 bietet in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Da die Sache im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung der Kammer erfordert, ist die Berufung gemäß §522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Umstand, dass die erste Instanz die Berufung nach §511 Abs. 4 ZPO zugelassen hat, schließt eine Beschlusszurückweisung nicht aus, wenn das Berufungsgericht die Zulassungsvoraussetzungen anders beurteilt (vgl. Baumbach/Lauterbach, 62. Auflage, §522 Rdnr. 17). So liegt es hier.
Die Berufung stützt ihren Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil insbesondere darauf, dass auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens das Recht der freien Werkstattwahl des Geschädigten gelte, was das Amtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe.
Diese Rechtsauffassung findet keine Stütze im Gesetz und der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Grundsätzlich gewährt §249 Abs. 2 Satz 1 BGB einen Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH vom 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02, NJW 2003, 2086, zitiert nach [...], dort Rdnr. 7 mit umfassenden Nachweisen). Ferner ist das Ziel des Schadensersatzes die Totalreparation und der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei (a.a.O.). Andererseits ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (a.a.O., Rdnr. 9). Dies sind die allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätze, von denen bei der Bemessung des Schadensersatzes für die Beschädigung eines Kfz auszugehen ist und die der BGH in der zitierten sogenannten Porsche-Entscheidung unangetastet gelassen hat. In der zitierten Entscheidung hat sich der BGH lediglich mit der Frage auseinander zu setzen gehabt, ob die Grundlage der Berechnung im konkreten Schadensfall der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken und freien Fachwerkstätten einer Region sein kann, wenn der Geschädigte fiktive Reparaturkosten abrechnet. Diese, im vorliegenden Fall nicht interessierende Fragestellung, hat der BGH in der Entscheidung verneint. Vielmehr hat der BGH auch in der dortigen Entscheidung betont, dass ein Ersatz zu erfolgen hat, wenn der vom Geschädigten gewählte Weg zur Schadensbehebung dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §249 Abs. 2 Satz 1 BGB entspricht (a.a.O., Rdnr. 15). Insoweit ist zwar anerkannt, dass der Geschädigte die Werkstatt frei wählen kann und insbesondere mit der Reparatur eine anerkannte Fachwerkstatt beauftragen kann (MüKo-Oettker, 5. Auflage, §249 Rdnr. 365). Allerdings gilt insoweit, dass bei mehreren für den Geschädigten zumutbaren Werkstätten jedoch nur diejenigen Kosten zu ersetzen sind, die mit dem geringsten Aufwand verbunden sind (a.a.O.), was Folge des Wirtschaftlichkeitsgebots ist.
Daraus folgt, dass das Recht der freien Werkstattwahl nicht per se, sondern lediglich in den Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots geschützt ist.
Für den Fall folgt daraus, dass das Amtsgericht zu Recht darauf abgestellt hat, dass eine Durchführung der Reparaturarbeiten durch die Firma N. in O. dem Beklagten ebenso zumutbar ist, wie eine Reparatur durch die Autolackiererei P. in Q.. Unstreitig war dem Kläger bereits frühzeitig seitens der Beklagten diese Alternative für die Durchführung der Reparaturarbeiten angeboten worden, ohne dass ersichtlich wäre, warum dem Kläger eine Durchführung der Reparaturarbeiten durch die Firma N. nicht zumutbar sein sollte. Schon nach den allgemeinen zitierten schadensersatzrechtlichen Grundsätzen muss sich der Geschädigte, der auf der Basis eines Kostenvoranschlages fiktive Reparaturkosten abrechnen will, auf ein kostengünstigeres ebenso in Betracht kommendes Angebot einer anderen Wertstatt verweisen lassen. Die streitige und vom BGH in der sogenannten Porsche-Entscheidung offen gelassene Frage, ob der Geschädigte für den Fall eines Kostenansatzes einer markengebundenen Fachwertstatt das Ausweichen auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt zuzumuten ist, ist durch den vorliegenden Fall gerade nicht aufgeworfen, da der Geschädigte nicht auf der Basis des Kostenvoranschlages einer solchen markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen will. Dies impliziert bereits, dass ihm eine Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zuzumuten ist und ein weitergehender Schadensersatz nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen würde, entsprechende Mehrkosten mithin nicht erforderlich i.S.d. §249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind.
Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.