Landgericht Göttingen
Urt. v. 04.06.2008, Az.: 5 S 5/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 04.06.2008
- Aktenzeichen
- 5 S 5/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43510
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2008:0604.5S5.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 12.12.2007 - AZ: 28 C 380/07
Fundstellen
- VerkA 2008, 117 (Kurzinformation)
- VerkA 2008, 132 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen im schriftlichen Verfahren mit einer Äußerungsfrist bis zum 21.05.2008 durch K.
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 12.12.2007 - Az. 28 C 380/07 - wird das angegriffene Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 866,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.08.2007 zu zahlen sowie den Kläger von 80,80 EUR Anwaltskosten freizustellen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- 4.
Die Revision wird zugelassen.
- 5.
Streitwert: 866,33 EUR.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die Gründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Amtsgerichts wird auf die Gründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 14. Januar 2008. Er beantragt,
- 1.
das am 12.12.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Göttingen aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 866,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.08.2007 zu zahlen,
- 3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von weiteren 80,80 EUR Anwaltskosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Seiten haben umfassend zur Rechtslage vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet, wegen eines geringen Teils der Zinsforderung unbegründet.
Die Kammer hat, da die Beklagtenseite keinen ausdrücklichen Antrag in der Berufungsinstanz gestellt hat, das Vorbringen der Beklagtenseite dahingehend ausgelegt, dass diese die Zurückweisung der Berufung beantragt.
1.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 866,33 EUR gegen die Beklagte aus den §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 3 PflVersG. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Die Parteien streiten lediglich um den Umfang des zu leistenden Ersatzes.
Dem Kläger steht nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag zu, mit der Maßgabe, dass Umsatzsteuer nur von diesem Betrag umfasst ist, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Der zur Wiederherstellung erforderliche Betrag beträgt nach dem Gutachten 4 015,74 EUR, auf die die Beklagte lediglich 3 149,14 EUR gezahlt hat, so dass der Kläger weitere 866,33 EUR verlangen kann.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Es ist zwischen den Parteien und in der Instanzrechtsprechung umstritten, wie der erforderliche Geldbetrag i.S.v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ermitteln ist. Nach Auffassung der Kammer entspricht der erforderliche Geldbetrag dem vom Sachverständigenbüro L. und in der Bezifferung des klägerischen Schadens zugrunde gelegten Stundenverrechnungssatz einer markengebundenen (M.-) Fachwerkstatt.
Auszugehen ist bei dem Begriff der Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB davon, dass die Vorschrift vom Grundsatz der Totalreparation und dem Grundsatz der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, den Schadensersatz frei zu verwenden, ausgeht. Daraus folgt, dass der Geschädigte grundsätzlich selbst entscheiden kann, ob und wie er ein beschädigtes Fahrzeug repariert und wie er den zu leistenden Schadensersatz einsetzt. Begrenzt ist dieser Grundsatz lediglich durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Schadensminderungspflicht des Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB sowie das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot, das sich schon unmittelbar aus der im Schadensersatzrecht geltenden Differenzhypothese ergibt, wonach der Geschädigte durch den Schadensersatz so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, woraus sich auch ergibt, dass der Geschädigte durch den Schadensersatz nicht besser gestellt werden soll, als ohne das schädigende Ereignis.
Rechnet der Geschädigte (anders als im vorliegenden Fall) auf diese Weise ab, dass er konkret die Kosten einer durchgeführten Reparatur dem Schädiger in Rechnung stellt, darf er, wie auch die Beklagte konzediert, grundsätzlich Reparaturkosten, die bei der Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entstehen, verlangen. Die Kammer hat keinen Anlass, von dieser, von beiden Parteien geteilten Rechtsauffassung abzuweichen. Für diese Rechtsauffassung spricht insbesondere (vgl. dazu Landgericht Mainz, Urteil vom 14.12.2007, 3 S 133/06, zitiert nach Juris), dass dem Geschädigten nicht zuzumuten ist, bei der Werkstattwahl eine andere als eine ihm vertrauenswürdig und kompetent erscheinende Vertragswerkstatt bzw. Niederlassung des Herstellers mit der Reparatur zu beauftragen. Er wird in der Regel nicht wissen, ob eine sonstige Fachwerkstatt über hinreichende Erfahrungen mit der Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke verfügt, da das Einbeziehen derartiger Kriterien vielfach zu Streit und Ungewissheit darüber führen wird, ob der Geschädigte sich im konkreten Fall auf eine ihm von dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung benannte günstige Werkstatt verweisen lassen muss. Dies ist mit dem Bedürfnis nach klaren Kriterien für die Abwicklung von Schadensfällen im Straßenverkehr als Massenphänomen unvereinbar (Landgericht Mainz, a.a.O., Rdnr. 16).
Aus dem Umstand, dass der erforderliche Geldbetrag i.S.v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nach allgemeiner Auffassung nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist, wie auch der BGH in der sogenannten Porsche -Entscheidung vom 29. April 2003, Az. VI ZR 398/02, betont hat (vgl. dort Seite 6), kann für die Abrechnung auf Gutachtenbasis kein anderer Maßstab hinsichtlich der Erforderlichkeit gewählt werden, wie im Fall des Ersatzes einer konkret in einer Fachwerkstatt durchgeführten Reparatur. Insbesondere vor dem Hintergrund der Dispositionsfreiheit des Geschädigten ist nicht einzusehen, wieso der erforderliche Geldbetrag i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB variieren soll, je nach dem ob der Geschädigte den Ersatz einer konkret durchgeführten Reparatur oder den Wertersatz von auf dieser Basis berechneten Reparaturkosten verlangt. Dies wird ferner durch die Überlegung unterstrichen, dass bei der Entscheidung für eine Reparatur eine ex-ante-Betrachtung erforderlich ist, d.h., dass der Geschädigte bei der Werkstattwahl eine Prognose treffen muss, ob die von ihm gewählte Werkstatt kompetent und sachgerecht den Schaden beseitigen wird. Prognoserisiken in diesem Zusammenhang treffen grundsätzlich den Schädiger, so dass der Geschädigte insbesondere nicht gegen seine Verpflichtung zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstößt, wenn er eine markengebundene Fachwerkstatt mit der Reparatur beauftragt.
Bei einer fiktiven Kostenabrechnung auf Gutachtenbasis ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls hinsichtlich der anzusetzenden Kosten auf eine entsprechende exante-Bewertung des Geschädigten abzustellen. Daraus folgt, dass auch auf der Basis der Feststellung des BGH in der sogenannten Porsche-Entscheidung es darauf ankommt, ob der Geschädigte (ex ante) mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, auf die er sich verweisen lassen muss. Dies wird in der Regel kaum eine nicht markengebundene Fachwerkstatt sein, sofern der Geschädigte nicht über besondere Erkenntnismöglichkeiten verfügt, die ihn in die Lage versetzen, die Gleichwertigkeit der Reparatur durch eine nicht markengebundene zu erkennen.
Die Kammer setzt sich durch die vorliegende Entscheidung auch nicht im Widerspruch zu der von den Parteien in Bezug genommenen Entscheidung der Kammer im Beschluss 5 S 31/07. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Geschädigte durch Vorlage eines Kostenvoranschlages einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt abgerechnet und der Schädiger bzw. dessen Versicherung Stundensätze einer ebenfalls nicht markengebundenen Fachwerkstatt entgegengehalten. Mithin ist die hier zu entscheidende Frage in der damaligen Entscheidung nicht aufgeworfen worden.
Der Anspruch auf Verzinsung der Hauptforderung folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Das Schreiben der Beklagten vom 17.08.2007 (Anlage K 6 zur Klagschrift) enthält eine Erfüllungsverweigerung i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Ab Zugang dieses Schreibens befand sich die Beklagte in Verzug. Da der genaue Zeitpunkt des Zugangs nicht mitgeteilt worden ist, hat die Kammer eine Laufzeit von drei Tagen zugunsten der Beklagten zugrunde gelegt. Das Schreiben wäre mithin am 20.08.2007 zugegangen, Verzugsbeginn wäre damit am 21.08.2007. Der weitergehende Zinsanspruch besteht daher nicht.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Freistellung i.S. des Klageantrages zu Ziffer 2.. Insofern hat die Beklagte 338,50 EUR reguliert, da diese von einem geringeren Gegenstandswert der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters ausgegangen ist. Tatsächlich ist, wie aus der Entscheidung zur Hauptsache folgt, die Gebührenrechnung auf einen höheren Streitwert zu gründen und mithin der Differenzbetrag von 80,80 EUR noch vom Kläger an den Klägervertreter zu zahlen, weshalb dieser einen entsprechenden Freistellungsanspruch hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.