Landgericht Göttingen
Beschl. v. 18.04.2008, Az.: 6 S 64/07

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
18.04.2008
Aktenzeichen
6 S 64/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 43513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2008:0418.6S64.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - AZ: 21 C 45/06

Fundstellen

  • NJW-RR 2009, 73-74 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-Spezial 2008, 710 (Kurzinformation)

Gründe

1

I.

Beide Parteien werden darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Kammer aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verteilung der Steuerschuld auf der Grundlage einer fiktiven getrennten Veranlagung ( BGH NJW 2006, 2623 [BGH 31.05.2006 - XII ZR 111/03]) folgt, dass es einen generellen Anspruch auf Vorteilshabe an dem "Zusammenveranlagungsgewinn" (also an der gegenüber einer Getrenntveranlagung erzielten Gesamtersparnis) nicht gibt. Denn wenn der BGH hierzu ausführt, Grundgedanke sei, dass jeder Ehegatte im Verhältnis zum anderen Ehegatten für die Steuer aufzukommen habe, die auf seine Einkünfte entfalle, dies gelte gleichermaßen für Steuererrückzahlungen wie auch Steuernachforderungen, so bedeutet dies, dass dann, wenn einer der Ehegatten bei getrennter Veranlagung keine Einkommenssteuer zu entrichten hätte, er auch an Rückzahlungen (über die Rückgewähr evtl. gleichwohl von ihm erbrachter Vorauszahlungen hinaus) nicht teilhaben kann, weil sein ins Verhältnis zu setzender Anteil "Null" beträgt (Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 426 Rn. 9c m.w.N.).

2

Für die abweichende Auffassung der Klägerin, es sei die Differenz zwischen tatsächlicher Erstattung und des bei fiktiver getrennter Veranlagung sich ergebenden Erstattungsbetrages zu bestimmen und sodann hälftig (als Vorteil der Zusammenveranlagung) an beide Parteien zu verteilen, vermag die Kammer in der genannten BGH-Entscheidung keine Stütze zu finden. Nur am Rande sei hier darauf hingewiesen, dass der "überschlägigen Berechnung" der Klägerin, die das Amtsgericht ins Urteil übernommen hat, ein gravierender Irrtum zu Grunde liegt. Denn selbst wenn der "Zusammenveranlagungsvorteil" hälftig zu teilen wäre, wie die Klägerin meint, ergibt sich aus der Berechnung nur, dass dieser Vorteil, nicht aber dessen Hälfte, die Klagforderung übersteigen würde. Konsequenterweise hätte die Klägerin daher nur auf einen Anspruch von mindestens 695,67 EUR kommen können.

3

Auch wenn die o.g. Entscheidung des BGH ausdrücklich die Frage der Aufteilung von Steuerschulden nach der Trennung von Eheleuten regelt, hier aber das Steuerjahr 2004 in Rede steht und die Parteien sich erst im September 2005 getrennt haben, wird der in der Entscheidung genannte Verteilungsmaßstab im vorliegenden Fall gleichwohl anzuwenden sein. Denn die Ehe der Parteien wurde erst am 17.05.2004 geschlossen, so dass es sich um die erste gemeinsame Veranlagung der Parteien handelte. Es ist deshalb objektiv ausgeschlossen, dass sich zwischen den Parteien eine Übung für die Aufteilung der hieraus resultierenden Steuererrückzahlung entwickelt haben könnte, die von dem genannten, aus der objektiven Interessenlage hergeleiteten Verteilungsmaßstab abweicht. Eine ausdrückliche Abrede der Parteien über eine bestimmte Aufteilung ist nicht vorgetragen, also offenkundig auch nicht erfolgt.

4

II.

Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich zunächst zu klären wäre, in welchem Umfang beide Parteien bei isolierter Betrachtung nach ihren eigenen Einkünften, Werbungskosten, Aufwendungen etc. einkommenssteuerpflichtig gewesen wären. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob sich daraus gegenüber dem Finanzamt Rückforderungen aufgrund überhöhter eigener Vorauszahlungen (hier: wg. Lohnsteuerabzug) ergeben. Diese Beträge stehen den Parteien als Eigenanteile an dem Rückzahlungsbetrag vorab zu. Wäre eine Partei gegenüber dem Finanzamt bei getrennter Veranlagung nachzahlungspflichtig, weil die tatsächlichen Vorauszahlungen zu gering waren, so ist der prozentuale Anteil dieser Nachforderung an der fiktiven Einkommenssteuer dieser Partei zu bestimmen. Der anderen Partei steht in diesem Fall bis zu einem Betrag, der einem gleichen prozentualen Anteil an ihrer eigenen fiktiven Einkommenssteuer entspricht, auch der verbleibende Rückzahlungsbetrag zu. Erst wenn nach dieser Bereinigung ein Rest verbleibt (bei dem es sich um den "Reingewinn" allein aus den Gestaltungsmöglichkeiten der Zusammenveranlagung handeln würde), ist im dritten Schritt nach dem Verhältnis der Beträge der jeweiligen fiktiven Einkommenssteuerlast aufzuteilen.

5

Konsequenz hieraus ist aber, dass ein Ehegatte, der bei fiktiver getrennter Veranlagung keine Einkommenssteuer zu tragen und im Steuerjahr auch keine Vorauszahlungen erbracht hat, an einer Steuerrückzahlung nicht partizipiert (vgl. schon BGH NJW 1977, 378 [BGH 13.10.1976 - IV ZR 104/74]; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 832). Insoweit liegt in jenem dem anderen Ehegatten dann allein verbleibenden Vorteil der Zusammenveranlagung keine ungerechtfertigte Bereicherung, da es insoweit an einer Leistung des einen Ehegatten an den andern i.S.d. § 812 Abs. 1 BGB ebenso fehlt wie an einer unmittelbaren Bereicherung auf Kosten des anderen Ehegatten im Rahmen eines einheitlichen Bereicherungsvorganges.

6

Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin unstreitig nur derart geringe Einkünfte erzielt hat, dass diese im Rahmen des steuerfreien Existenzminimums bleiben, wird für sie ein Anteil an der Rückzahlung nur in Betracht kommen, wenn sie im Steuerjahr 2004 einem Abzug von Lohnsteuer unterworfen war. Denn die Rückgewähr (nur) dieses Abzuges stünde ihr wegen der Steuerfreiheit ihrer Einkünfte zu, für die Aufteilung im übrigen wird sich ihr Anteil entsprechend der eigenen Steuerlast mit "Null" bemessen. Ob (und ggfls. in welchem Umfang) die Klägerin einem Lohnsteuerabzug unterworfen war, ist bislang nicht erkennbar. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, wird die Berufung voraussichtlich zur Abänderung des Urteils und zur Klagabweisung führen müssen.

7

III.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen drei Wochen ab Zugang auf diese Hinweise ergänzend vorzutragen. In gleicher Frist wird um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis damit besteht, ggfls. im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.