Landgericht Göttingen
Beschl. v. 26.09.2007, Az.: 10 T 120/07
Ausschluss der Stundung bei Vorliegen eines zweifelsfreien Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung (InsO); Einsatz öffentlicher Mittel für eine Stundung bei Feststehen der Versagung der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 26.09.2007
- Aktenzeichen
- 10 T 120/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 49951
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2007:0926.10T120.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 14.08.2007 - AZ: 71 IN 23/00
Rechtsgrundlagen
- § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO
- § 296 Abs. 1 InsO
Fundstellen
- NZI 2008, 33
- NZI 2008, 36
- NZI 2007, VII Heft 12 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2008, 54-55 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI (Beilage) 2008, 33 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2007, 1159-1160 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Restschuldbefreiungsverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
G. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 17.08.2007
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 14.08.2007 - 71 IN 23/00 -
am 26.09.2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 1.500,00 EUR.
Gründe
Mit Beschluss vom 06.06,2007 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Dem Schuldner ist die Stundung der Kosten bewilligt worden. Mit Beschluss vom 28.10.2004 hat das Amtsgericht dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt. Seit dem 31.01.2005 ist das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Bereits mit Schreiben vom 28.04,2005 teilte der Treuhänder mit, dass der Schuldner seine Pflichten nicht erfülle und die pfändbaren Lohnanteile nicht abführe. Infolge dessen hat das Amtsgericht den Schuldner auf seine Pflichten hingewiesen und ihm insbesondere die Rechtsfolge der Aufhebung der Kostenstundung deutlich gemacht. Mit Verfügung vom 11.10.2005 hat das Amtsgericht diese Hinweise nochmals wiederholt.
Mit Schreiben vom 02.04.2007 hat der Treuhänder dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass der Schuldner seit dem 01.06.2006 ein neues Arbeitsverhältnis habe, von dem er, der Treuhänder jedoch erst im Dezember 2006 Kenntnis erhalten habe. Aufgrund des Nettolohns, den der Schuldner erhalten habe, sei ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.486,80 EUR ermittelt worden. Der Schuldner habe jedoch diesen Nachzahlungsbetrag nicht geleistet.
Der Schuldner hat ausgeführt, er habe den Treuhänder bereits mit Schreiben vom 05.07.2006 darüber unterrichtet, dass er ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sei. Auch habe er dem Treuhänder eine Lohnabrechnung übersandt. Da der Treuhänder erfahrungsgemäß die Post des Schuldners sehr spät beantworte, habe der Schuldner keine Veranlassung gesehen, den Treuhänder nochmals zu unterrichten. Darüber hinaus gehe er auch davon aus, dass der Treuhänder das Schreiben vom 05.07.2006 erhalten habe. Anders sei es nicht zu erklären, dass ihn der Treuhänder im Dezember 2006 aufgefordert habe, die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen.
Der Treuhänder hat vorgetragen, er habe das Schreiben des Schuldners vom 05.07.2006 nicht erhalten. Er habe den Schuldner am 05.12.2006 turnusmäßig angeschrieben und gebeten, ihn, den Treuhänder über die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu informieren. Erst daraufhin habe er am 16.12.2006 vom Schuldner die Lohnabrechnung für November 2006 erhalten mit dem Hinweis, dass diese Lohnabrechnung mit den bisherigen seit Juni 2006 erstellten Lohnabrechnungen identisch sei.
Mit Beschluss vom 14.08.2007 hat das Amtsgericht die dem Schuldner bewilligte Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Schuldner sei seinen Obliegenheitspflichten nicht nachgekommen. Selbst wenn man zu Gunsten des Schuldners unterstelle, dass er dem Treuhänder sein Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 05.07.2006 mitgeteilt habe, habe der Schuldner gleichwohl gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen. Gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO müsse der Schuldner jeden Wechsel der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht anzeigen und dürfe keine von der Abtretungserklärung umfassten Bezüge verheimlichen. Dies sei dem Schuldner mit Schreiben des Gerichts vom 11.10.2005 ausdrücklich bekannt gemacht worden. Dem Gericht habe jedoch der Schuldner sein neues Beschäftigungsverhältnis nicht angezeigt. Darüber hinaus habe der Schuldner auch die pfändbaren Beträge in Höhe von 1.486,80 EUR bislang nicht an den Treuhänder abgeführt. Der Schuldner könne sich auch nicht darauf berufen, dass er grundsätzlich sehr lange auf Antworten des Gerichts beziehungsweise des Treuhänders warten müsse. Zwischen dem Schreiben des Schuldners vom 05.07.2006 und der Anfrage des Treuhänders vom 05.12.2006 liege ein Zeitraum von fünf Monaten. Der Schuldner habe nicht davon ausgehen können, dass sich der Treuhänder über einen derart langen Zeitraum bei ihm nicht melde und die pfändbaren Bezüge nicht einfordere.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde, die er indes nicht begründet hat.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 4 d Abs. 1 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis die dem Schuldner bewilligte Stundung zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss aufgehoben.
Zwar liegt hier nicht der Aufhebungsgrund des § 4 c Nr. 1 InsO vor, denn diese Alternative setzt voraus, dass der Schuldner eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat. Hier hat jedoch das Gericht den Schuldner nicht konkret aufgefordert, über sein Beschäftigungsverhältnis und seinen Verdienst ab Juni 2006 Auskunft zu geben. Die allgemeine Pflicht des Schuldners zur Auskunftserteilung im Insolvenzverfahren beziehungsweise in der Wohlverhaltensperiode ist indes von § 4 c Nr. 1 InsO nicht erfasst, denn das Gesetz knüpft die Sanktion der nachträglichen Aufhebung der Stundung nur daran, dass der Schuldner vom Gericht verlangte Erklärungen über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat.
Die Stundung ist jedoch hier nach § 4 c Nr. 5 InsO aufzuheben. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird. Hier liegt der Versagungsgrund des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor, denn der Schuldner hat entgegen der hier im Gesetz festgelegten Verpflichtung dem Insolvenzgericht nicht unverzüglich angezeigt, dass er ab Juni 2006 einer Beschäftigung nachging. Gleichzeitig hat er Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst waren, nicht an den Treuhänder abgeführt. Wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend ausgeführt hat, kann dahinstehen, ob der Schuldner tatsächlich dem Treuhänder schon mit Schreiben vom 05.07.2006 mitgeteilt hat, dass er ab Juni 2006 eine neue Arbeitsstelle hat. Der Schuldner hätte dies auch unverzüglich dem Insolvenzgericht anzeigen müssen. Dies war dem Schuldner auch bekannt, denn das Insolvenzgericht hatte ihn mit Schreiben vom 11.10.2005 auf diese Verpflichtung ausdrücklich hingewiesen. Aufgrund dieses Hinweises wusste der Schuldner auch, dass er Bezüge aus seiner Beschäftigung unverzüglich mitteilen musste, um so dem Gericht beziehungsweise dem Treuhänder die Prüfung zu ermöglichen, ob Beträge abzuführen sind. Der Schuldner hat damit während der Wohlverhaltensperiode Obliegenheiten verletzt, so dass ihm gemäß § 296 Abs. 1 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 16.12.2004, abgedruckt in NZI 2005, 232) ist die Stundung ausgeschlossen, wenn zweifelsfrei ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt. Einem Schuldner, der in dem Stadium, in dem darüber zu entscheiden ist, ob ihm Stundung zu bewilligen ist, eindeutig gegen die sich aus der Insolvenzordnung ergebenden Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verstößt, ist der Anspruch auf Stundung nicht zuzubilligen. Das Insolvenzgericht ist nicht verpflichtet, die Stundung zunächst zu gewähren, um sie später aus einem Grund, der bereits in diesem Stadium vorliegt, wieder aufzuheben (BGH NZI 2005, 232, 233 [BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03]; Nerlich/Römermann/Becker, Insolvenzordnung § 4 a Rdnr. 34). Es dürfen nicht öffentliche Mittel für eine Stundung eingesetzt werden, wenn von Anfang an zweifelsfrei feststeht, dass die Restschuldbefreiung letztlich versagt werden wird, so dass aus diesem Grund die Bewilligung der Stundung nachträglich wieder aufzuheben ist.
Dieser Grundsatz, den der BGH für das Stadium vor Verfahrenseröffnung aufgestellt hat, muss auch dann gelten, wenn - wie hier - der Schuldner sich in der Wohlverhaltensperiode befindet. Auch in dieser Phase des Verfahrens treffen den Schuldner die in der Insolvenzordnung normierten Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten. Auch in diesem Stadium ist dem Schuldner die Stundung nicht weiterhin zu gewähren, wenn sich herausstellt, dass er seine ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt und aufgrund dessen die Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1 InsO zu versagen ist.
Wie bereits oben ausgeführt, steht hier fest, dass der Schuldner gegen die Pflichten des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verstoßen hat. Der Schuldner hat im Juni 2006 eine Beschäftigung aufgenommen und infolgedessen einen Nettoverdienst erzielt, bei dem er verpflichtet war, überschießende Beträge an die Masse abzuführen. Dem Schuldner war die betreffende Verpflichtung spätestens seit der Belehrung durch das Insolvenzgericht im Oktober 2005 bekannt. Unabhängig davon, ob er im Juli 2006 den Treuhänder von der Aufnahme der Beschäftigung unterrichtet hat, hätte er auf jeden Fall auch das Insolvenzgericht in Kenntnis setzen müssen.
Bei diesem Sachverhalt ist die Annahme gerechtfertigt, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 InsO versagt werden wird. Mithin ist der Widerruf der Stundung berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Schuldners an der Aufrechterhaltung der Kostenstundung ausgegangen.