Landgericht Göttingen
Urt. v. 13.02.2008, Az.: 5 O 46/07

Fehlende Verantwortlichkeit der Mitglieder eines Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten; Voraussetzungen für das Vorliegen der Kausalität im Rahmen von zivilrechtlichen Haftungsnormen

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
13.02.2008
Aktenzeichen
5 O 46/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 32245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2008:0213.5O46.07.0A

Fundstelle

  • ZInsO 2009, 1107-1111

In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Wintgen,
die Richterin Dr. Weinrich und
den Richter am Landgericht Klemke
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gebr. K... GmbH S... u... H... (im Weiteren: K... GmbH) in A.... Das Konkursverfahren wurde am 01.02.1995 (Amtsgericht Göttingen 71 N 90/94) eröffnet.

2

Der Kläger führte seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die K... GmbH weiter. Der gesamte Betrieb wurde mit notariellem Vertrag vom 28.01.2006 von der Firma Kl... H... N... GmbH (im Weiteren: Kl... GmbH) übernommen. Übergabestichtag war der 20.02.2006. Der Kaufpreis war am 03.03.2006 fällig. Die Kl... GmbH hielt ab Fälligkeit bis zum 22.12.2006 einen Teil des Kaufpreises, namentlich 2,7 Millionen Euro zurück. Für die Einbehaltung dieses Betrages macht der Kläger den Beklagten verantwortlich und nimmt ihn mit der vorliegenden Klage auf Schadensersatz wegen eines behaupteten Zinsverlustes in Anspruch.

3

Im Einzelnen liegt dem folgender Sachverhalt zugrunde:

4

Der Beklagte ist in der (fortgesetzten) ersten Gläubigerversammlung vom 16.03.1995 zum ersten Ersatzmitglied des Gläubigerausschusses gewählt worden. Nachdem das ordentliche Gläubigerausschussmitglied H... K... am 16.06.2000 sein Amt niederlegte, rückte der Beklagte als ordentliches Mitglied in den Gläubigerausschuss nach. Er nahm als solches erstmals an der Gläubigerausschusssitzung vom 25.10.2000 teil und ab diesem Zeitpunkt an allen Gläubigerausschusssitzungen, bis er durch Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 14.08.2006 entlassen wurde.

5

Der Beklagte war in der Zeit seiner Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss gleichzeitig auch Betriebsratsvorsitzender der K... GmbH und ist auch heute noch Mitglied des Betriebsrats der Kl... GmbH.

6

Vor Eröffnung des Konkursverfahrens der K... GmbH zahlte diese ihren Mitarbeitern jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ab Fortführung des Unternehmens nach Konkurseröffnung wurden solche Sonderzahlungen durch den Kläger nicht mehr an die Mitarbeiter des Betriebes geleistet. Ob insoweit ein Anspruchsverzicht auf Arbeitsnehmerseite oder nur eine Stundungsabrede zugunsten des Klägers vorlag, ist zwischen den Arbeitnehmern und dem Kläger umstritten und Gegenstand von noch andauernden Verfahren vor den Arbeitsgerichten. Zwischen den Arbeitnehmern und dem Kläger wurden jeweils zu den Zeitpunkten, zu denen Sonderzahlungen anstanden, namentlich in der Urlaubszeit sowie zum Jahresende Gespräche über Sonderzahlungen geführt, die während der Betriebsfortführung durch den Kläger jeweils das Ergebnis hatten, dass der Kläger erklärte, es seien keine Gelder zur Leistung von solchen Sonderzahlungen in der Masse vorhanden und die Arbeitnehmer daraufhin zumindest nicht die sofortige Leistung dieser Zahlungen verlangten.

7

Mitte Januar 2006 meldete sich beim Kläger ein Unternehmensvermittler für Herrn Kl... und stellte diesen als Übernahmeinteressenten vor. Am 24.01.2006 kam es auf dem Flughafen Hannover zu einem Erstgespräch zwischen dem Kläger und Herrn Kl..., das direkt dazu führte, dass Herr Kl... einen sogenannten "Letter of Intent" übergab. Daraufhin wurde eine außerordentliche Gläubigerausschusssitzung seitens des Klägers zwei Tage später , am 26.01.2006, abgehalten. Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrages fand am 28.01.2006 in Hamburg statt.

8

Schon am 03.01.2006 hatte sich für den Betriebsrat ein Rechtsanwalt M... beim Kläger gemeldet und mitgeteilt, dass der Betriebsrat ihn beauftragt habe, nach den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften bei einer Schließung, Veräußerung oder Übernahme des Betriebes den Betriebsrat zu beraten und den Kläger gebeten, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Mit Schreiben vom 31.01.2006 meldete sich Rechtsanwalt M... erneut beim Kläger. In dem Schreiben machte er Arbeitnehmeransprüche auf Sonderzahlungen für die vorangegangenen Jahre geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 9 des Anlagenbandes Bezug genommen.

9

Ebenfalls am 31.01.2006 wurde der Kläger mit Schreiben des Wirtschaftsausschusses, vertreten durch den Beklagten als dessen Vorsitzender und Betriebsratsvorsitzender aufgefordert, an einer Wirtschaftsausschusssitzung zum Thema einer möglichen Veräußerung des Unternehmens sowie sich daraus ergebender möglicher weiterer Konsequenzen für das Unternehmen teilzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 14.02.2007 (Bl. 1-13 d.A.) Bezug genommen.

10

Am 06.02.2006 fand eine von dem Kläger einberufene Pressekonferenz statt, in der die Umstehende Betriebsübernahme durch die Kl... GmbH bekannt gegeben wurde.

11

Die Arbeitnehmer wurden zusätzlich in einer Betriebsversammlung am 07.02.2006 informiert, nachdem zuvor der Betriebsrat von der Übernahme und der für die Arbeitnehmer und den Standort bedeutenden Regelung in Kenntnis gesetzt worden war. Auf der Pressekonferenz wurde mitgeteilt, dass der gesamte Betrieb übernommen werden sollte, wie er stehe und liege, und dass alle Arbeitsverhältnisse ohne Einschränkungen und Kündigung übernommen würden. Ferner wurde auch das Fortführungskonzept der Firma Kl... erläutert. Es wurde mitgeteilt, dass Investitionen von 30 Millionen Euro beabsichtigt seien. Auf der nachfolgenden Betriebsversammlung wurde ähnliches den Mitarbeitern auch von Vertretern der Firma Kl... mitgeteilt.

12

Am 16.02.2006 tagte sodann der Wirtschaftsausschuss unter Teilnahme des Klägers. Auf dieser Sitzung händigte der Kläger die Arbeitnehmerfragen betreffende Passage des notariellen Übernahmevertrages aus. Aus dieser Passage ergibt sich, dass alle Arbeitsverhältnisse im damaligen Bestand übernommen werden sollten.

13

Am 27.02.2006 ließ der Kläger wegen der Furcht der Arbeitnehmerschaft vor dem Ablauf laufender Ausschlussfristen einen Aushang im Betrieb aushängen, mit dem wegen des behaupteten Anspruchs auf Weihnachtszahlung für das Jahr 2005 auf die Ausschlussfrist befristet bis zum 31.03.2006 verzichtet wurde (vgl. Bl. 14 des Anlagenbandes).

14

Durch einen Aushang vom 16.03.2006 im Betrieb, der mit "die Mitarbeiter der ehemaligen Gebr. K... GmbH i. K." unterschrieben ist, wurde gefordert einen Teil des erwarteten Erlöses für die Betriebsübertragung für betriebliche Sonderzahlungen aufzuwenden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 26 des Anlagenbandes Bezug genommen.

15

Am 20.03.2006 übermittelte der Beklagte dem Göttinger Tageblatt eine Pressemitteilung des Betriebsrats, die von ihm unterzeichnet war. Darin wurde ausgeführt, dass der Kläger 2,7 Millionen Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Sozialabgaben an die Beschäftigten zu zahlen habe und den Arbeitnehmern nur noch der Klagweg vor dem Arbeitsgericht bleibe. Am darauf folgenden Tag veröffentlichte das Göttinger Tageblatt einen Artikel mit entsprechendem Inhalt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bl. 27-29 des Anlagenbandes Bezug genommen. An diesem Tag fand auch eine außerordentliche Gläubigerausschusssitzung statt, die jedoch unterbrochen und vertagt wurde mit der Empfehlung an den Beklagten, wegen angeblicher Interessenkollisionen über eine Amtsniederlegung nachzudenken.

16

Die erhobenen Ansprüche wies der Kläger mit Schreiben an den Betriebsrat vom 22.03.2006 als unbegründet zurück (vgl. Bl. 30 des Anlagenbandes). Mit Schreiben des anwaltlichen Bevollmächtigten der Betriebsübernehmerin vom 06.03.2006 wurde nach den ersten eingegangenen schriftlichen Anspruchstellungen das Volumen der drohenden Inanspruchnahme auch der Betriebsübernehmerin auf ca. 2,7 Millionen Euro beziffert, wie sich aus einem Telefax der Kl... GmbH an den Kläger vom 03.03.2006 (Anlagenband Bl. 7) ergibt. In dem Fax kündigte die Kl... GmbH an, diesen Betrag des Kaufpreises zunächst zurückzuhalten. Diesem Schreiben beigefügt war ein Schreiben des Betriebsrates nebst Forderungsschreiben von einzelnen Mitarbeitern an die Kl... GmbH, die Anlagen liegen dem Gericht nicht vor. Mit Schreiben vom 14.03.2006 wurden dem Kläger von dem anwaltlichem Bevollmächtigten der Kl... GmbH 16 außergerichtliche Aufforderungsschreiben von weiteren Mitarbeitern übermittelt. Diese Schreiben waren zuvor an die Geschäftsführung der Kl... GmbH mit Schreiben des Beklagten gesandt worden. Mit Schreiben vom 16.03.2006 erhielt der Kläger vom Beklagten die Aufforderungsschreiben weiterer sieben Mitarbeiter. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bl. 19 ff. des Anlagenbandes Bezug genommen.

17

Am 04.05.2006 wurde dem Kläger als erste Klage diejenige des Arbeitsnehmers S... G... auf Zahlung rückständigen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für die Jahre 2003 bis 2005 zugestellt. Bis zum 04.07.2006 wurden 257 Klagen durch Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Göttingen erhoben, 123 wurden vertreten durch den Deutschen Gewerkschaftsbund, 113 durch Rechtsanwalt M... und 21 vertraten sich selbst oder wurden durch andere Rechtsanwälte vertreten.

18

Die Firma Kl... überwies den von ihr zurückbehaltenen Teil des Kaufpreises erst eingehend beim Kläger am 22.12.2006.

19

Der Kläger behauptet, die gerichtliche Geltendmachung der Arbeitnehmeransprüche sei auf Initiative und Veranlassung des Beklagten geschehen. Dieser habe ein Musteranspruchsschreiben entworfen, diese Anschreiben für die einzelnen Arbeitnehmer ausgefüllt und von diesen unterzeichnen lassen und an den Kläger vor Ablauf bestehender Ausschlussfristen weitergeleitet. Über die Verhandlung mit der Übernehmerin habe der Beklagte die Mitglieder des Betriebsrats unmittelbar nach der außerordentlichen Sitzung des Gläubigerausschusses vom 26.01.2006 informiert.

20

Dar Beklagte habe seine Kenntnisse als Gläubigerausschussmitglied zur Durchsetzung individueller Arbeitnehmeransprüche eingesetzt. Der Kläger ist der Meinung, der Beklagte habe hierdurch gegen seine ihm als Gläubigerausschussmitglied obliegende Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung in der Klagschrift (Bl. 5-8 d.A.) Bezug genommen.

21

Der Kläger behauptet, der Beklagte sei Initiator der Anspruchserhebung durch die Belegschaft gewesen, wie sich zum Einen aus dem Umstand ergäbe, dass dieser die Anspruchsschreiben an die Firma Kl... bzw. den Kläger weitergeleitet habe. Ferner sieht der Kläger im zeitlichen Ablauf einen Hinweis auf Pflichtverletzungen des Beklagten. So sei es "wohl nicht zufällig" am Tag der Gläubigerausschusssitzung vom 21.03.2006 zu der erwähnten Veröffentlichung im Göttinger Tageblatt über die ausstehenden Sonderzahlungen gekommen. Der Beklagte sei Initiator und Hauptantriebskraft für die Geltendmachung angeblicher Arbeitnehmeransprüche für die Jahre 2003 bis 2005 gegen den Kläger gewesen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag in der Klagschrift (Bl. 6-10 d.A.) Bezug genommen.

23

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte durch sein Handeln auch gegen seine Pflichten als Gläubigerausschussmitglied insofern verstoßen habe, als er zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Gläubigergemeinschaft verpflichtet sei. Der Kläger ist der Meinung, der Beklagte hätte sein Amt als Mitglied im Gläubigerausschuss niederlegen müssen, da es zu einer Pflichtenkollision mit seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat gekommen sei. Ferner trägt der Kläger vor, es sei durch das Verhalten des Beklagten zu einem Zinsschaden in Höhe der Klagforderung gekommen, da der zurückbehaltene Betrag in Höhe von 2,91% p.a. zu verzinsen gewesen sei.

24

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 63.074,25 EUR nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2007 zu zahlen.

25

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

26

Er behauptet, er habe den Arbeitnehmern nicht zur Klageerhebung geraten, vielmehr sei dies auf Betreiben der Gewerkschaft IG Metall geschehen. Überdies meint der Beklagte, es habe keine Pflichtenkollision zwischen seinen beiden Ämtern gegeben; er habe beide Ämter stets rechtmäßig ausgeführt und seine gesetzlichen Pflichten erfüllt. Er ist der Ansicht, der Kläger habe es pflichtwidrig unterlassen, den Betriebsrat rechtzeitig über den Verkauf des Betriebs zu unterrichten.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2008 (Bl. 160 f d.A.) abgegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

29

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten aus § 89 KO. Gemäß dieser Vorschrift sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich.

30

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

31

Voraussetzung dieser Vorschrift ist, dass ein Mitglied des Gläubigerausschusses schuldhaft eine Pflicht verletzt, durch die einem Beteiligten i. S. der Vorschrift kausal ein Schaden zugefügt wird.

32

Vorliegend fehlt es sowohl an der Pflichtverletzung als auch an der Kausalität und überdies an qualifizierten Darlegungen zum Schaden. Im Einzelnen gilt Folgendes:

33

1.

Der Kläger hat auch nach dem durch die Kammer erteilten richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2008, dass eine Pflichtverletzung nach dem derzeitigen Stand möglicherweise nicht schlüssig vorgetragen sei, seinen Vortrag zu den behaupteten Pflichtverletzungen nicht hinreichend substantiiert. Der Vortrag des Klägers zielt in zweierlei Hinsicht auf die Verletzung von Pflichten des Beklagten ab, nämlich zum Einen auf die Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht und zum Anderen sieht der Beklagte eine Pflichtverletzung durch die von ihm behauptete "Initiierung" der Anspruchserhebung durch die Arbeitnehmer.

34

a)

Die Ausführungen des Klägers zu einem angeblichen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Beklagten sind unsubstanziiert.

35

Der Kläger hat nicht vorgetragen, an welchen Tagen welchen Personen gegenüber der Beklagte welche Informationen weitergeleitet haben soll. Insoweit mag dem Kläger zugebilligt werden, dass das Schreiben des Rechtsanwalts M... vom 31.01.2006 möglicherweise indiziell dafür spricht, dass der Beklagte nach dem 26.01.2006 den Inhalt der Gläubigerausschusssitzung zumindest indirekt an Rechtsanwalt M... weitergetragen hatte, da dieser sich in seinem Schriftsatz vom 31.01.2006 darauf bezieht, das Unternehmen stehe "dem Vernehmen nach" vor der Veräußerung. Es ist aber keineswegs zwingend, dass diese Information an Rechtsanwalt M... über den Beklagten gelangt ist.

36

Auch der in diesem Zusammenhang von dem Kläger gehaltene Vortrag, der Beklagte habe die Mitglieder des Betriebsrats unmittelbar nach der Gläubigerausschusssitzung vom 26.01.2006 über die anstehende Übernahme informiert, wobei offen bleibt, wo und wem konkret gegenüber dies geschehen sein soll, ist für den Beklagten nicht einlassungsfähig.

37

Vor diesem Hintergrund war auch kein weiterer Hinweis der Kammer im Hinblick darauf erforderlich, dass die in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen ohne Beweisantritt des Klägers aufgestellt worden sind und bestritten wurden (vgl. zur Problematik der Kausalität selbst für den Fall, dass man entsprechende Verschwiegenheitspflichtverletzungen des Beklagten unterstellt, Ziffer 2a)).

38

b)

Soweit dem Beklagten eine Pflichtverletzung durch die Initiierung der klagweisen Anspruchsgeltendmachung durch die Mitarbeiter vorgeworfen wird, ist der Vortrag des Klägers auch hierzu unsubstantiiert. Ungeachtet dieses Umstands stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die von dem Kläger behaupteten Handlungen des Beklagten überhaupt pflichtwidrig gewesen sein können. Auszugehen ist dabei zunächst von den Pflichten des § 88 KO, wonach die Mitglieder des Gläubigerausschusses den Verwalter bei seiner Geschäftsführung unterstützen und zu überwachen haben. Schon aus dem Wortlaut folgt, dass die Mitglieder den Verwalter nicht bedingungslos zu unterstützen haben, vielmehr kann die Überwachungspflicht, die die Ausschussmitglieder gleichermaßen trifft, nur dann sinnvoll ausgeführt werden, wenn ein Ausschussmitglied nur begrenzt durch das Gebot von Treu und Glauben der Konkursverwaltung zur Unterstützung verpflichtet ist. Daraus folgt auch, dass ein Ausschussmitglied im Rahmen des rechtlich Vertretbaren eigene Rechtsauffassungen in die Arbeit des Ausschusses einfließen lassen kann und i. S. einer sachgerechten Amtsführung auch muss. Vorliegend hat der Beklagte intern im Gläubigerausschuss die Rechtsauffassung vertreten, die Arbeitnehmer hätten weitergehende Ansprüche auf Sonderzahlungen, als diejenigen, die der Kläger, seiner Darstellung nach, freiwillig den Arbeitnehmern zahlen wollte. Diese Auffassung soll der Beklagte nach Darstellung des Klägers auch außerhalb der Gläubigerausschusssitzung vertreten haben und sich auf diese Weise zum Initiator der erhobenen Arbeitnehmerklagen gemacht haben.

39

Die Kammer hegt bereits große Zweifel daran, dass vor dem Hintergrund der auch verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen des Beklagten, namentlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit, das Vertreten einer solchen Rechtsauffassung innerhalb und außerhalb des Gläubigerausschusses überhaupt als Pflichtwidrigkeit in Betracht zu ziehen ist.

40

Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Problematik der Pflichtenkollision zwischen dem Gesamtgläubigerinteresse und dem Individualinteresse des Ausschussmitgliedes erörtert wird (vgl. Uhlenbruck in ZIP 2002, S. 1373 ff, ders. in Konkursordnung, 11. Aufl., § 88 KO, Rn. 4 ff; BGH v. 11.11.1993 in ZIP 1994, 46 ff), handelt es sich regelmäßig um Fallkonstellationen, in denen das Ausschussmitglied seine konkrete Tätigkeit im Gläubigerausschuss fehlerhaft ausübt oder missbraucht, indem er z.B. bei Abstimmungen gegen die Gesamtgläubigerinteressen bewusst zugunsten der eigenen Interessen abstimmt oder etwa nur ihm als Ausschussmitglied zugängliche Informationen an Dritte weitergibt, so dass diese aufgrund eines Informationsvorsprungs vor anderen Gläubigern auf bestimmte Gegenstände zugreifen können. Derartige Fallkonstellationen liegen hier aber nicht vor, vielmehr geht der Vorwurf des Klägers vor allem dahin, dass der Beklagte seine Tätigkeit außerhalb seiner konkreten Aufgaben als Gläubigerausschussmitglied, insbesondere in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied, dem Gesamtgläubigerwohl nicht untergeordnet hat. Nach Ansicht der Kammer besteht eine derart weitgehende Unterordnungspflicht nicht.

41

Dies kann letztlich jedoch offen bleiben, da der Kläger die behauptete Initiatorenrolle des Beklagten nicht substantiiert dargelegt hat. Insoweit ist lediglich substantiiert vorgetragen, dass der Kläger von dem Beklagten Anspruchsschreiben übersandt erhalten hat und dass der Beklagte eine Presseerklärung im Namen des Betriebsrates unterschrieben hat. Allein das Weiterleiten und Sammeln von Musterschreiben kann für eine Initiatorenrolle nicht ausreichen, da nicht erkennbar ist, wie andere Arbeitnehmer dadurch veranlasst worden sein sollen, Ansprüche zu erheben. Ebenso wenig reicht das Unterschreiben der Presseerklärung, die im Namen des gesamten Betriebsrates abgegeben wurde, aus, dem Beklagten eine solche Initiatorenrolle zuzuschreiben.

42

Bestritten und letztlich ebenso unsubstantiiert ist der Vortrag, wonach der Beklagte den Aushang innerhalb des Betriebes veranlasst haben soll. Woraus der Kläger meint, diesen Schluss ziehen zu können, teilt er nicht mit.

43

2.

Selbst wenn man die von dem Kläger - unsubstantiiert - behaupteten Handlungen des Beklagten als zutreffend unterstellt und selbst wenn man sie für pflichtwidrig hielte, wären diese jedoch im Rechtssinne nicht kausal für den behaupteten Schaden der Masse geworden. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes, wobei nach den einzelnen Vorwürfen zu differenzieren ist:

44

a)

Die Kausalität fehlt, soweit der Kläger dem Beklagten eine Verschwiegenheitspflichtverletzung vorwirft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass in der Gläubigerausschusssitzung lediglich eine Information über den bevorstehenden Vertragsschluss und die wirtschaftlichen Eckdaten dieses Vertrages gegeben worden ist. Eben diese Eckdaten wurden vom Kläger selbst sowie von der Kl... GmbH eigens auf einer Betriebsversammlung sowie darüber hinaus auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit mitgeteilt. Der Beklagte hat insofern anschaulich in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass innerhalb der Arbeitnehmerschaft vor dem Hintergrund der mitgeteilten Eckdaten der Übernahme "gerechnet" wurde. Wenn der Kläger der Meinung ist, dass allein die Mitteilung der Eckdaten des Verkaufs selbst ohne Nennung des konkreten Kaufpreises, den die Firma Kl... zahlte, ausreichend war, um die Belegschaft zur Erhebung entsprechender Ansprüche zu veranlassen, so kann eine Verschwiegenheitspflichtverletzung des Beklagten ohne Weiteres weggedacht werden, ohne dass der Schaden der Masse entfiele, da diese Informationen wenige Tage später vom Kläger selbst an die Öffentlichkeit weitergeleitet wurden.

45

Für alle zivilrechtlichen Haftungsnormen gilt, dass der Vorstoß gegen eine Rechtspflicht nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern soll. Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Pflichtigen genügt danach nicht; vielmehr muss der Schaden bei wertender Betrachtung in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen ( BGH, Urteil vom 11.11.1993 - IX ZR 35/93, ZIP 1994, Seite 46 (Seite 49) m.w.N.). An einem solchen inneren Zurechnungszusammenhang fehlt es hier selbst für den Fall, dass man annimmt, der Beklagte habe den Betriebsrat oder die Belegschaft über den anstehenden Verkauf informiert und dabei auch mitgeteilt, dass die Arbeitsverhältnisse von dem Investor mit übernommen werden sollen. Diese Informationen hätten Betriebsrat und Arbeitnehmerschaft ohnehin wenige Tage später erreicht, so dass hier nicht ersichtlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Folgegeschehen (der Anspruchserhebung durch die Mitarbeiter) und der behaupteten Pflichtverletzung besteht. Dieses Ergebnis wird auch noch durch eine weitere Überlegung unterstrichen. Nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung wäre es seiner Auffassung nach pflichtgemäß gewesen, dass der Beklagte sich bei den Verhandlungen über Sonderzahlungen im Gläubigerausschuss der Stimme enthalten und auch eine Teilnahme an der Sitzung bei diesem Tagesordnungspunkt unterlassen hätte, da er den Beklagten für selbst betroffen hielt. Im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens kann dieses Verhalten auch ohne Weiteres angenommen werden, ohne dass die Belegschaft nicht gleichwohl die Informationen erhalten hätte.

46

b)

Auch soweit dem Beklagten eine Beteiligung als "Initiator" der Arbeitnehmerklagen oder die Abgabe der Presseerklärung als Verhalten vorgeworfen wird, ist nicht ersichtlich, worin hier eigentlich die Veranlassung der Arbeitnehmer zur Klageerhebung gesehen werden soll. Insoweit ist zu bedenken, dass die Arbeitnehmerschaft bereits über Jahre hinweg immer wieder mit dem Kläger über die Zahlung bzw. die Gründe für die Nichtzahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gesprochen hatte. Immer wieder waren diese Verhandlungen mit dem selben Ergebnis ausgegangen, nämlich dass im Interesse der Sanierung des Unternehmens entsprechende Zahlungen nicht erbracht wurden, wobei vor diesem Hintergrund auch die Entscheidung über den letztlich grundlegenden Streit zwischen der Arbeitnehmerschaft und dem Kläger immer wieder zurückgestellt werden konnte, nämlich ob es einen Anspruch der Arbeitnehmer gab oder der Kläger eine freiwillige Gratifikation nicht im Stande war zu leisten und eine Rechtspflicht zur Zahlung ohnehin nicht bestand. Dass dieser Streit ausgetragen werden würde, nachdem über Jahre hinweg Verhandlungen in dieser Weise immer wieder mit dem gleichen Ergebnis geführt wurden, sobald die Insolvenzmasse entsprechende Geldeingänge erreichen würde und der Insolvenzverwalter zahlungsfähig werden könnte, war nach diesem Vorgeschehen ohne Weiteres vorhersehbar, ohne dass es eines besonderen Beitrages des Beklagten hierzu bedurfte. Jedenfalls ist seitens des Klägers die Darlegung nicht erfolgt, dass gerade ein Beitrag des Beklagten zu der Anspruchserhebung geführt hat.

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Dies folgt auch daraus, dass nach dem unstreitigen Sachverhalt der Betriebsrat, bei dem es sich um ein Kollegialorgan handelt, so dass nicht sämtliche Entscheidungen des Betriebsrates ohne Weiteres dem Beklagten zugeschrieben werden können, bereits zum Jahresbeginn, noch vor Beginn der Verhandlungen mit der Firma Kl..., Rechtsanwalt M... mit seiner Vertretung für den Fall einer etwaigen Übernahme beauftragt hatte. Das® der Betriebsrat mithin bereits für den Fall einer solchen Betriebs-Arbeitnehmerschaft getroffen hatte, ist damit offensichtlich. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts M... auf der Mitwirkung der IG Metall beruht. Es ist nicht dargelegt, dass der Beklagte bezüglich der Tätigkeit des Rechtsanwalts M... und der Klageerhebung durch die Mitarbeiter, die von Rechtsanwalt M... in den arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten werden, überhaupt einen Beitrag geleistet hat. Ferner ergibt sich auch aus dem unstreitigen Umstand, dass der Kläger selbst durch einen Aushang gegenüber der Arbeitnehmerschaft seine Bereitschaft erklärte, auf bestimmte Ausschlussfristen betreffend die Geltendmachung der Sonderzahlungen für das Jahr 2005 zu verzichten, dass zu diesem Zeitpunkt , namentlich am 27.02.2006, das Thema der betrieblichen Sonderzahlungen innerhalb der Arbeitnehmerschaft "schwelte". Wenn man mithin die Pressemitteilung des Betriebsrates, die vom Beklagten unterschrieben ist, als pflichtwidrig ansähe, stellte sich auch insoweit die Frage, wie die nachträgliche Veröffentlichung einer Pressemitteilung ursächlich dafür sein konnte, dass Arbeitnehmer bereits zuvor Ansprüche auf betriebliche Sonderzahlungen geltend machten, beziehungsweise entschlossen waren, dies zu tun.

48

c)

Zweifel an der Kausalität bestehen auch deshalb, weil seitens des Klägers keinerlei Vortrag dazu vorliegt, ob die Firma Kl... überhaupt berechtigt war, den Kaufpreis aufgrund der vorgerichtlich erhobenen Ansprüche zurückzuhalten. Die Frage, ob ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht bestand, hängt von den vertraglichen Regelungen des Übernahmevertrages ab, wozu jeglicher Vortrag fehlt. Insofern wäre der Kläger zum Zwecke der Schadensminderung gehalten gewesen, für den Fall, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestand, die zurückbehaltene Teilforderung zur Masse zu verlangen und ggf. der Firma Kl... gegenüber die streitgegenständliche Zinsforderung geltend zu machen. Ob ein solches Zurückbehaltungsrecht bestand, ist zumindest vor dem Hintergrund fraglich, dass die Firma Kl... letztendlich Ende Dezember 2006 den restlichen Kaufpreis für das Unternehmen überwiesen hat, wobei ein äußerer Grund hierfür angesichts des Standes der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erledigt waren, nicht erkennbar ist. Die Kammer hat auf diesen Punkt, da die Klage schon aufgrund der vorstehend genannten Gründe abweisungsreif ist, nicht gesondert hingewiesen.

49

3.

Auch der geltend gemachte Zinsschaden ist seiner Höhe nach nicht nachvollziehbar. Warum der Kläger meint, ihm sei ein Schaden in Höhe von 2,91%-Punkten entstanden, wird durch seine Darlegungen nicht substantiiert erhellt. Die Schadenshöhe wird durch die Beklagtenseite bestritten, ohne dass der Kläger hierzu weiteren Vortrag gehalten hat.

50

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Dr. Wintgen
Dr. Weinrich
Klemke