Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.08.2001, Az.: 1 OA 1861/01
betreutes Wohnen; Seniorenresidenz; Streitwert
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.08.2001
- Aktenzeichen
- 1 OA 1861/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40365
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.04.2001 - AZ: 4 A 412/00
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 S 1 GKG
- § 3 Abs 4 BauNVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Umstand, dass betreutes Wohnen (möglicherweise) von § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 erfasst wird und bauplanungsrechtlich daher als reines Wohnen anzusehen ist, hindert nicht, bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, mit der "mehr Geld zu verdienen ist" als mit der Vermietung oder dem Verkauf von Räumen, welche "nur" zum Wohnen genutzt werden. Daher ist bei der Bemessung des Streitwerts je "Wohneinheit" ein Zuschlag von 50 v.H. gerechtfertigt.
Gründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Streitwertbeschwerde ist nur zum Teil begründet. Richtig ist im Ausgangspunkt, dass der Streitwert für die Rücknahme des Bauvorbescheides vom 4. April 1995 identisch mit dem Streitwert ist, der für eine entsprechende Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Bauvorbescheides für das Vorhaben auf dem Baugrundstück M Straße ... in H. hätte angenommen werden müssen. Eine genauere Durchsicht der Bauakten der Beklagten ergibt, dass zwar nicht 130 Wohneinheiten mit der dann aufgehobenen Verfügung vom 4. April 1995 beschieden worden sind, sondern "nur" deren 71. Deren Nutzung ist indes gewerblicher Nutzung gleich zu achten mit der Folge, dass ein Aufschlag von 50 v.H. zu machen ist. Im Einzelnen ist auszuführen:
Der Bauvorbescheid vom 4. April 1995 nimmt in seiner Betreffzeile zwar Bezug auf die Bauvoranfrage der Klägerin vom 26. Juli 1994 (das war das Eingangsdatum bei der Bauverwaltung der Beklagten). Der Gegenstand dieser Bauvoranfrage hat sich dann indes -- ohne das dies in der Betreffzeile ausreichend zum Ausdruck gekommen wäre -- im Laufe des Verfahrens mehrfach verändert. Zunächst hatte die Klägerin beabsichtigt, in den ersten drei Obergeschossen je fünf Zweizimmer- und 23 Einzimmer-Appartements, insgesamt also 28 Einheiten unterzubringen. Diese sollten durch vier bis fünf Einheiten im Dachgeschoss ergänzt werden (vgl. Schreiben/Fax der Klägerin vom 19.2.1994). Zugleich hatte die Klägerin mit diesem Fax die ursprüngliche Nutzungsabsicht korrigiert, im Erdgeschoss -- neben Wohnen im untergeordneten Umfang -- vor allem Läden, Büros oder Arztpraxen unterzubringen. Nunmehr sollte auch das Erdgeschoss allein zu Wohnzwecken genutzt werden. In diesem Stand des Verfahrens waren mithin (4 x 28) + 5 = 117 Appartements im Sinne der Nr. 1 f der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 6. Senates des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (NdsVBl. 1995, 80) Gegenstand des Verwaltungsgeschehens.
Diese Nutzungsabsicht hatte sich indes vor Erteilung des streitigen Bauvorbescheides entscheidend geändert. Das ergibt sich namentlich aus dem ... zweiseitigen Fax der Klägerin vom 6. März 1995. Nunmehr sollten in das Gebäude 71 Wohneinheiten mit ca. 4.620 m2 Wohnfläche eingebaut werden; das entspricht etwa 65 m2 je Wohneinheit. Nutzungszweck war nunmehr -- wie sich insbesondere/auch aus den Ausführungen in den Widerspruchsschriften aller drei Beigeladenen vom 11. Februar 1998 sowie den Ausführungen in der Klageschrift vom 19. Januar 2000 (u.a. Seite 2 unten und 3 oben) ergibt -- eine Seniorenresidenz in Form des betreuten Wohnens in allen vier Geschossen. Diese Nutzungsart rechtfertigt es, den sich aus Nr. 1 f der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 6. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (a.a.O.) ergebenden Wert entsprechend Nr. 3 a dieser Streitwertannahmen um 50 v.H. zu erhöhen. Betreutes Wohnen mag zwar wegen § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 bauplanungsrechtlich "reines Wohnen" darstellen. Für die Streitwertbetrachtung ist indes nicht die bauplanungsrechtliche Beurteilung, sondern gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG das Interesse maßgeblich, welches der Kläger an einem im positiven Ausgang des Verfahrens hat. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Betreiben einer Seniorenresidenz/von betreutem Wohnen als gewerbliche Tätigkeit darstellt, mit der "mehr Geld zu verdienen ist" als mit der Vermietung oder dem Verkauf von Räumen, welche "nur" zum Wohnen genutzt werden.
Die 71 Einheiten somit multipliziert mit einem Wert von 15.000,-- DM ergibt den im Tenor genannten Betrag.