Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.08.2001, Az.: 13 MA 2718/01
Abgangszeugnis; Eintragung von Fehlzeiten; Unterrichtsversäumnisse
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2001
- Aktenzeichen
- 13 MA 2718/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39359
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 11.07.2001 - AZ: 5 B 1334/01
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs 3 BBiSchulV ND
- Ergänzende Bestimmungen BBS-VO Nr. 6.6
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für die Eintragung von Fehlzeiten in Abgangszeugnisse der Berufsschulen und Berufsfachschulen ist eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich.
Gründe
Der Antragstellerin ist in dem ausgesprochenen Umfang Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren zu bewilligen, weil ihr Begehren nur insoweit hinreichende Erfolgsaussichten aufweist und sie im Übrigen ihre Bedürftigkeit nachgewiesen hat (§ 166 VwGO iVm § 114 ZPO).
Der Zulassungsantrag hat teilweise Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses bestehen (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht überwiegendes für einen Anspruch der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO (Regelungsanordnung) insoweit, als sie die Erteilung eines vorläufigen Abgangszeugnisses ohne die Angabe von Fehlzeiten beansprucht. Dabei ist der Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit - mit dem Interesse der Antragstellerin, sich mit ihrem Abgangszeugnis um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu bewerben, durchaus glaubhaft gemacht. Es erscheint nicht zumutbar, die Antragstellerin auf den Ausgang eines u.U. mehrere Jahre beanspruchenden Hauptsacheverfahrens zu verweisen. Deshalb ist auch ausnahmsweise die Zulassung einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt; denn es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin in Bewerbungsverfahren gegenüber Mitbewerbern mit anderer Schullaufbahn benachteiligt ist. Diese Benachteiligung ist darin zu sehen, dass sie gezwungen ist, mit der Vorlage ihres Abgangszeugnisses ihre nicht unerheblichen - wenn auch entschuldigten - Fehlzeiten in der Abgangsklasse offenzulegen. Da sie etwa auch mit Abiturienten um Ausbildungsplätze konkurriert, deren Abgangszeugnisse entsprechende Aussagen nicht enthalten, erscheinen ihre Befürchtungen keineswegs unbegründet.
Insoweit dürfte ihr Begehren auch von einem Anordnungsanspruch getragen sein. Dies ergibt sich daraus, dass für die Regelung in 6.6 der Ergänzenden Bestimmungen zur Verordnung über Berufsbildende Schulen - RdErl. d. MK vom 24.7.2000 SVBl. 2000, S. 303, 354 -, wonach in Zeugnisse der Berufsschule und der Berufsfachschule auch Angaben über Unterrichtsversäumnisse aufzunehmen sind, eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich ist, was nach der sog. Wesentlichkeitstheorie aber erforderlich scheint. Nach § 26 Abs. 3 BBS-VO vom 24. Juli 2000 (SVBl. 2000, 273) - worauf sich die Antragsgegnerin beruft - können neben der Bewertung der erbrachten Leistung in das Zeugnis auch Bemerkungen zum Arbeits- und Sozialverhalten des Schülers aufgenommen werden. Von einer Aufnahme von Angaben über Unterrichtsversäumnisse ist dort oder an anderer Stelle aber nicht die Rede. Die Verwaltungsvorschriften sind damit auf eine übergeordnete Grundentscheidung nicht zurückzuführen. Da die Antragsgegnerin im Übrigen einräumt, dass derartige Angaben ausschließlich in Zeugnisse der Berufsschule und der Berufsfachschule, nicht aber in sonstige Abgangszeugnisse aufgenommen werden, erscheint die Verpflichtung allein der Abgänger der Berufsbildenden Schulen zur Offenlegung ihrer Fehlzeiten in den Abgangszeugnissen als gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber anderen Schulabgängern. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens sprechen damit erhebliche Gründe dafür, dass die angefochtene Entscheidung - insoweit - im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Dies gilt mithin in diesem Umfang auch im Hinblick auf das Begehren der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.
Im Übrigen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses indessen zu verneinen.
Die Aufnahme von Bemerkungen zum Arbeits- und Sozialverhalten entspricht § 26 Abs. 3 BBS-VO, wobei Nr. 6.6 der Ergänzenden Bestimmungen hinsichtlich der Abschluss- und Abgangszeugnisse verbietet, Eintragungen aufzunehmen, die für den Schüler nachteilig sein können. Anders als bei den Fehlzeiten läßt sich die Aufnahme von Bemerkungen zum Arbeits- und Sozialverhalten mithin über die BBS-VO auf die entsprechenden Ermächtigungen des NSchG zurückführen. Im Übrigen erscheint die Auffassung der Antragstellerin, sie sei gegenüber Mitbewerbern benachteiligt, weil sie nicht die beste Beurteilung erhalten habe, wenig überzeugend. Insoweit steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung also auch das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen, weil nicht angenommen werden kann, sie erleide mit dem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare Nachteile.
Die übrigen von der Antragstellerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen hinsichtlich der Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens nicht vor. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache insoweit nicht auf (§§146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), weil nicht angenommen werden kann, sie verursache überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten. Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen deren lediglich begrenzter Rechtskraftwirkung i.d.R. auf damit zusammenhängende verfahrensrechtliche Fragen beschränkt. Schließlich liegt in der Gleichzeitigkeit der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe kein Verfahrensfehler (§§146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Diese Verfahrensweise ist beim einstweiligen Rechtschutz wegen dessen Eilbedürftigkeit üblich. Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch unabhängig von ihrem Prozesskostenhilfeantrag gestellt und nicht beantragt, dass darüber vorab entschieden werden solle.
Soweit die Beschwerde zugelassen worden ist, wird das Verfahren unter dem neuen Aktenzeichen 13 MB 2927/01 als Beschwerdeverfahren fortgeführt.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Entscheidung über die Beschwerde vorbehalten.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.