Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.08.2001, Az.: 1 OB 2381/01
Anfechtbarkeit; außergerichtliche Kosten; Beigeladener; Ergänzungsurteil; Erstattungsfähigkeit; Kostenentscheidung; Rechtsmittel; Urteilsergänzung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2001
- Aktenzeichen
- 1 OB 2381/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40371
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.06.2001 - AZ: 2 A 2019/98
Rechtsgrundlagen
- § 120 VwGO
- § 158 VwGO
- § 162 Abs 3 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen gehört zur Kostenentscheidung i.S. des § 120 VwGO. Wird geltend gemacht, die Voraussetzungen einer Urteilsergänzung hätten nicht vorgelegen, steht § 158 VwGO einem Rechtsmittel nicht entgegen.
2. Eine Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Beiladung auf Anregung des Beigeladenen vor der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung in der Sache unanfechtbar aufgehoben worden ist.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem es die Kosten des ehemaligen Beigeladenen für erstattungsfähig erklärt hat.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Mai 2000 die Nachbarklage des Klägers gegen den dem ehemals Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid für 3 Wohnhäuser abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hatte den Eigentümer des Baugrundstücks mit Beschluss vom 1. Dezember 1998 beigeladen. Auf die Mitteilung des ehemals Beigeladenen, dass er nicht mehr Eigentümer des Baugrundstücks sei, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. April 2000 die Beiladung aufgehoben und die Erwerber der Baugrundstücke beigeladen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die außergerichtlichen Kosten des zunächst zu dem Verfahren Beigeladenen J für erstattungsfähig erklärt.
Die Beschwerde des Kl. hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss ist zulässig. § 158 VwGO greift nicht ein, weil es um die Frage der Zulässigkeit einer Urteilsergänzung nach § 120 VwGO geht und vom Kläger nicht die Kostenentscheidung in der Sache angefochten worden ist. Ein Ergänzungsurteil nach § 120 VwGO ist anfechtbar, ohne dass § 158 Abs. 1 VwGO entgegensteht (BVerwG, Beschl. v. 2.6.1999 -- 4 B 30/99 --, NVwZ-RR 1999, 694; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000 § 158 Rdnr. 3 und § 120 Rdnr. 10, Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000 § 120 Rdnr. 3; Bader/Funke-Kaiser/Kunze/v.Albedyll, VwGO 1999, § 158 Rdnr. 6; a.A.: Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Juli 2000, § 158 Rdnr. 20).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Kläger ist in seinen Rechten verletzt, weil das Verwaltungsgericht sein Urteil hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des ehemaligen Beigeladenen im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ergänzt hat, obwohl der erforderliche Antrag eines Beteiligten nicht vorgelegen hat. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt in der Sache eine Ergänzung des Urteils gemäß § 120 VwGO dar, weil die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen zu der Kostenentscheidung gehört, über die das Gericht gemäß § 161 VwGO von Amts wegen im Urteil zu entscheiden hat. Diese Entscheidung kann als Entscheidung über die Kostenfolge i.S. des § 120 VwGO nicht durch einen gesonderten Beschluss, der nicht den Voraussetzungen des § 120 VwGO unterliegt, nachgeholt werden (BVerwG, Urt. v. 13.1.1987 -- 6 C 55.83 --, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 21).
Für die Urteilsergänzung fehlt es an einem fristgerecht gestellten Antrag eines Beteiligten. Die Entscheidung nach § 120 VwGO kann nur auf Antrag ergehen. Einer Entscheidung von Amts wegen, wenn es am ausdrücklichen Antrag eines Beteiligten fehlt, steht der Wortlaut des § 120 VwGO entgegen (BVerwG, Urt. v. 13.1.1987, a.a.O.; Beschl. v. 28.6.1993 -- 7 B 143/92 -- NVwZ-RR 1994, 236; Beschl. v. 2.6.1999, a.a.O.; Redeker/von Oertzen, a.a.O.; Bader/Funke-Kaiser/Kunze/v. Albedyll a.a.O., § 120 Rdnr. 7; Kopp/Schenke, a.a.O., § 120 Rdnr. 8). Beteiligter im Sinne der Vorschrift sind die i.S. des § 63 VwGO am Verfahren Beteiligten. Hierzu gehört der ursprüngliche Eigentümer ... nicht, weil dessen Beiladung vor Erlass des Urteils mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. April 2000 aufgehoben worden war. Damit hatte der ursprüngliche Eigentümer seine Beteiligtenstellung für das Verfahren verloren, so dass er keine Möglichkeit hat, einen Antrag auf Urteilsergänzung zu stellen. Unabhängig davon, ob die Antragsbefugnis zusätzlich zur Beteiligtenstellung verlangt, dass der Beteiligte durch das unvollständige Urteil beschwert wird, ist jedenfalls die Beteiligtenstellung Voraussetzung für die Antragsbefugnis (Kopp/Schenke, a.a.O. Rdnr. 7). Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob ein Antrag auf Urteilsergänzung gestellt wurde und zusätzlich die in § 120 VwGO vorgegebene Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eingehalten wurde sowie auf die Frage, ob der Kostenfestsetzungsantrag eines Beigeladenen umgedeutet werden kann in einen Antrag auf Ergänzung des Urteils nach § 120 VwGO.
Abgesehen davon ist in den Schreiben des Prozessbevollmächtigten des ehemals Beigeladenen vom 9. Oktober 2000 und 15. März 2001 sowie vom 20. Juni 2001 auch im Wege der Auslegung ein ausdrücklicher Antrag auf Ergänzung des Urteils nach § 120 VwGO nicht zu erkennen. In diesen Schreiben nimmt der Prozessbevollmächtigte des ehemaligen Beigeladenen ausdrücklich Bezug auf seinen Antrag auf Kostenfestsetzung und auf die spätere Verfügung des Gerichts, mit der ein Beschluss über die Erstattungsfähigkeit seiner Kosten angekündigt wurde. Fehlt es damit schon an dem erforderlichen Antrag, so ist die Entscheidung des Gerichts schon aus diesem Grund aufzuheben.
Eine Entscheidung über die Ergänzung des in der Sache ergangenen Urteils hätte darüber hinaus auch bei Vorliegen eines Antrags i.S. des § 120 VwGO nicht durch Beschluss, sondern ebenfalls in der Form eines Urteils ergehen müssen (Bader u.a., a.a.O., § 120 Rdnr. 9; Kopp/Schenke, a.a.O. § 120 Rdnr. 5; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 120 Rdnr. 5).
Im Übrigen hätte ein Antrag auf Urteilsergänzung hinsichtlich der Kosten des "ausgeladenen" Beigeladenen auch in der Sache keinen Erfolg haben können, da die Kosten des "Nicht-mehr-Beigeladenen" nicht erstattungsfähig sind. Diese gehören nicht mehr zu den Kosten notwendiger Rechtsverfolgung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn -- wie hier -- der ursprünglich beigeladene Bauherr auf eigenen Wunsch ausscheidet, weil er das Grundstück veräußert hat, und das Gericht diesem Wunsch durch Beschluss über die Aufhebung seiner Beiladung nachkommt. Zwar hat der ehemals Beigeladene nicht ausdrücklich die Aufhebung der Beiladung beantragt, aber er hat die Aufhebung der Beiladung -- auch ohne Entscheidung über die bisher entstandenen Kosten -- nicht angefochten. Ähnlich wie im Falle eines Parteiwechsels aufseiten der Klägerpartei die darin liegende Klageänderung gegenüber den übrigen Beteiligten wie eine Klagerücknahme durch den ursprünglichen Kläger wirkt (vgl. Alberts, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2001, Vorbemerkung § 154 Rdnr. 29; Neumann, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 154 Rdnr. 78), ist auch das Verhalten des auf eigenen Wunsch ausscheidenden beigeladenen Bauherrn zu bewerten mit der Folge, dass eine Kostenerstattung seiner außergerichtlichen Kosten nicht infrage kommen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO.
Der ehemalige Beigeladene hat als in diesem Verfahren beteiligter Dritter die Kosten zu übernehmen, weil selbst im Fall unrichtiger Sachbehandlung durch das Gericht entstandene außergerichtliche Kosten der Staatskasse nicht auferlegt werden können mangels gesetzlicher Vorschriften (BVerwG, Beschl. v. 4.6.1991 -- 4 B 189/90 --, Buchholz 360 § 8 GKG Nr. 4; Beschl. v. 2.6.1999 -- 4 B 30/99 -- a.a.O.). Die Kostenpflicht eines Dritten, der zwar nicht Beteiligter ist, aber im Verfahren in der Rolle eines Beteiligten aufgetreten ist und die Kosten in einer prozessual zurechenbaren Weise veranlasst hat, ergibt sich aus dem Grundgedanken der § 154 f VwGO, deren Grundlage das Veranlassungsprinzip ist (Neumann in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 154 Rdnr. 28 und 57; Kopp/Schenke, a.a.O., § 154 Rdnr. 1). Der ehemals Beigeladene hat zu dem hier zu entscheidenden Beschwerdeverfahren Anlass gegeben, indem er seinen Antrag auf Kostenerstattung weiterverfolgte, nachdem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2001 auf die Erinnerung des Klägers entschieden hatte, dass sich der Kostenausspruch des Urteils nicht auf den zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr beigeladenen ursprünglichen Eigentümer bezog. Aus diesem Grunde steht auch § 154 Abs. 3 VwGO einer Kostentragungspflicht des ehemaligen Beigeladenen nicht entgegen. Zwar schränkt diese Vorschrift die Voraussetzungen für die Kostenhaftung eines Beigeladenen ein auf den Fall, dass ein Sachantrag gestellt ist. In der hier zur Entscheidung anstehenden Konstellation ist der ehemals beigeladene ursprüngliche Eigentümer jedoch nicht in seiner Rolle als Beigeladener des Hauptsacheverfahrens aufgetreten, sondern als Antragsteller eines Anspruchs nach § 162 Abs. 3 VwGO und damit in der Rolle eines Hauptbeteiligten im Verfahren, der wie der Antragsgegner dem Beschwerdeführer und Kläger der Hauptsache entgegentritt (Neumann in: Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 19).