Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.08.2001, Az.: 1 OA 2021/01
Anwalt; Behörde; Berufungszulassung; Erstattungsfähigkeit; Kostenerstattung; Notwendigkeit; Prozeßbevollmächtigter; Rechtsanwalt; Treu und Glauben; Zulassungsantragsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.08.2001
- Aktenzeichen
- 1 OA 2021/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40305
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 15.05.2001 - AZ: 4 A 411/00
Rechtsgrundlagen
- § 162 Abs 1 VwGO
- § 162 Abs 2 S 1 VwGO
- § 67 Abs 1 S 3 VwGO
- § 124a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Kosten eines Rechtsanwalts, dessen sich eine Behörde im Verfahren des ersten Rechtszuges bedient, sind nur dann - ausnahmsweise - nicht erstattungsfähig, wenn dessen Heranziehung Treu und Glauben widersprach. Das ist in der Regel nur dann anzunehmen, wenn die Beauftragung nutzlos und nur dazu angetan war, der Gegenseite Kosten zu verursachen.
2. Außergerichtliche Kosten eines Rechtsanwaltes, den die Behörde zur Erwiderung auf einen Antrag auf Zulassung der Berufung beauftragt, sind jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn die Behörde Hauptbeteiligte ist und ihr der Zulassungsantrag nebst seiner Begründung nicht ausdrücklich mit dem Bemerken zugesandt worden war, sie solle über dessen Einlegung lediglich unterrichtet werden, der Senat werde das Rechtsmittel nicht ohne besondere Anhörung der Behörde zulassen (Abgrenzung zu BVerwG, B. v. 17.1.1995 - 4 B 1.95 -, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29 und B. v. 7.6.1995 - 4 B 126.95 -, NJW 1995, 2867 = Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 30).
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beklagten, welche dieser durch die Beauftragung ihrer Rechtsanwälte im Verfahren des ersten Rechtszuges (- 4 A 411/00 -) und im Zulassungsverfahren zum Aktenzeichen 1 L 2299/00 entstanden sind.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten durch Beschluss vom 3. April 2001 (Bl. 106 f. d. GA) stattgegeben, der sich auf die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug bezieht. Mit weiterem Beschluss vom 12. April 2001 (Bl. 109 f. d. GA) hat sie den Antrag der Beklagten abgelehnt, ihr auch die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Beauftragung ihrer Bevollmächtigten in dem Zulassungsantragsverfahren entstanden waren, das der Kläger als Zulassungsantragsteller ohne Erfolg betrieben hatte. Das Verwaltungsgericht hat die widerstreitenden Erinnerungen beider Beteiligten mit Beschlüssen vom 15. Mai 2001, auf deren Begründung Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Dagegen richten sich die rechtzeitig eingelegten Beschwerden beider Beteiligten gegen die sie jeweils belastenden Beschlüsse. Diese haben nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. § 162 Abs. 1 VwGO definiert die erstattungsfähigen Kosten und macht ihre Erstattungsfähigkeit im Grundsatz davon abhängig, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Für die Gebühren und Auslagen, welche durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstanden sind, gilt etwas anderes. Diese sind nach der gesetzlichen Anordnung in § 162 Abs. 2 Satz 1 im Grundsatz stets und unabhängig davon erstattungsfähig, welcher der Beteiligten sich anwaltlichen Beistandes bedient hatte. Deshalb bedarf es hier grundsätzlich keiner Prüfung, ob sie im Sinne des Abs. 1 dieser Vorschrift "notwendig" waren; das wird vielmehr durch Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift von Gesetzes wegen klargestellt. Da Behörden indes gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO das Privileg genießen, sich durch in bestimmter Weise qualifizierte Mitarbeiter vor Gericht vertreten zu lassen, gilt § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO für Behörden nicht uneingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschl. v. 27.5.1999 - 9 O 1765/99 -, V.n.b.; Beschl. v. 17.12.1997 - 5 O 5242/97 -, V.n.b.; ebenso im Übrigen Eyermann/J. Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 162 Rdn. 8) sind die Kosten, welche die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch eine Behörde verursacht, ausnahmsweise dann nicht erstattungsfähig, wenn die Heranziehung des Verfahrensbevollmächtigten gegen Treu und Glauben verstößt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Hinzuziehung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist/war, dem Gegner Kosten zu verursachen (vgl. auch VGH Mannheim, Beschl. v. 28.2.1991 - NC 9 S 98/90 -, NVwZ 1992, 388 = BWVBl. 1991, 254 m.w.N.).
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Schon das Beschwerdevorbringen behauptet nicht, dass es sich um eine offensichtlich nutzlose und nur aus Gründen finanzieller Schädigung verursachte Beauftragung gehandelt habe. Der Kläger meint lediglich, es habe sich um eine Routineangelegenheit gehandelt, welche eine Behörde im Rahmen ihres "juristischen Alltags" selbständig hätte behandeln können müssen. Das ist nicht mit den Grundsätzen gleichzusetzen, welche allein eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu rechtfertigen vermögen. Im Übrigen setzt sich der Kläger mit diesem Vorbringen in unauflöslichen Gegensatz zu den Ausführungen auf Seite 5 seiner Zulassungsantragsschrift vom 14. Juni 2000 - 1 L 2299/00 -. Dort hatte er ausgeführt, die Rechtssache weise aus den vorgenannten Gründen, namentlich wegen der Schwierigkeiten der tatsächlichen Feststellungen (Bodenkontamination?) besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf.
Die Beschwerde der Beklagten hat dagegen Erfolg. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung die Ausführung, welche ein Berichterstatter des Senates im Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 1 L 4421/99 - gemacht hat, in diesem Zusammenhang auf §§ 162 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO angewandt. In jenem Beschluss hatte der Berichterstatter die Grundsätze, welche das Bundesverwaltungsgericht unter anderem in den Beschlüssen vom 17. Januar 1995 (- 4 B 1.95 -, Buchholz 310, § 162 VwGO Nr. 29) und vom 7. Juni 1995 (- 4 B 126.95 -, NJW 1995, 2867 = Buchholz 310, § 162 VwGO Nr. 30) entwickelt hatte, für die Beurteilung der Frage fruchtbar zu machen versucht, wann die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit entspricht. Das ist nicht die Frage, die sich hier im Verhältnis zwischen beiden Hauptbeteiligten stellt.
Dementsprechend kann sich allenfalls die Frage stellen, ob die vom Bundesverwaltungsgericht a.a.O. entwickelten Grundsätze auf das Zulassungsverfahren zum Aktenzeichen 1 L 2299/00 entsprechend angewandt werden können. Das ist nicht der Fall. Die beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts fußen auf anderen Tatsachengrundlagen. In beiden seinerzeit entschiedenen Fällen hatte der Nichtzulassungsbeschwerdegegner alsbald nach Eingang der Beschwerde und ohne Kenntnis ihrer (noch ausstehenden) Begründung einen Rechtsanwalt bevollmächtigt und dies durch Stellung eines Antrages auf Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt. In Ermangelung einer Beschwerdebegründung waren die Ausführungen zum Antrag, diese sei zurückzuweisen, naturgemäß inhaltsleer geblieben und hatten Ausführungen, welche die Erörterung des Streitstoffes wirklich hätten fördern können, naturgemäß vermissen lassen. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Anders als im Verfahren nach § 133 Abs. 2 und 3 VwGO müssen Anträge auf Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 4 "in dem Antrag", das heißt innerhalb der Zulassungsantragsfrist des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet werden. Dementsprechend lag den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten bei ihrem Antrag vom 25. Juli 2000 der Zulassungsantrag der Klägerseite vom 14. Juni 2000 in vollem Wortlaut, das heißt einschließlich der zur Begründung des Zulassungsantrages gemachten Ausführungen vor. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten haben sich auch nicht darauf beschränkt, "schmucklos" die Ablehnung dieses Antrages zu beantragen. In ihrer Erwiderung vom 7. August 2000 haben sie vielmehr auf 4 1/2 Seiten Ausführungen zu den Erfolgsaussichten dieses Antrages gemacht. Dieser Antrag war ihnen vom Senat auch nicht - wie dies geraume Zeit der Übung des Senates entsprach - mit dem ausdrücklichen Bemerken übersandt worden, dies geschehe lediglich "zur Unterrichtung"; etwaige Äußerungen seien derzeit nicht veranlasst und geschähen auf eigenes Kostenrisiko.
Der Zulassungsantrag des Klägers mag zwar im Wesentlichen wegen fehlender Substantiierung (§ 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO) ohne Erfolg geblieben sein. Gleichwohl verstieß es aus der Sicht eines verständigen Beteiligten nicht gegen Treu und Glauben, sich mit dem Ziel zu diesem Antrag zu äußern, er möge vom Senat abgelehnt werden. Dass sich die Beklagte hierzu anwaltlichen Beistandes bediente, stellt (noch) keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar und ist namentlich nicht allein durch das Bestreben motiviert, dem Kläger durch die Beauftragung eigener Bevollmächtigter finanziellen Schaden zuzufügen (vgl. obige Nachweise).