Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.06.2005, Az.: 11 ME 170/05

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.06.2005
Aktenzeichen
11 ME 170/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 44009
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:0615.11ME170.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - AZ: 5 B 414/05

In der Verwaltungsrechtssache

der Nationaldemokratischen Partei Deutschland, Landesverband Niedersachsen,

vertr. d. d. Stellvertretenden Vorsitzenden,

Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,

Proz.-Bev.: Rechtsanwältin Pahl,

Dahlengrund 55 e, 21077 Hamburg,

gegen

die Stadt Braunschweig, vertreten durch den Oberbürgermeister,

Bohlweg 30, 38100 Braunschweig,

Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,

Streitgegenstand: Versammlungsrechtliche Auflagen

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat - am 15. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt erfolglos.

2

Mit der Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, soweit darin auf einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage (5 A 413/05) hinsichtlich der Auflagen Nr. 1, 2 und 3 in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2005 im Wesentlichen wiederhergestellt worden war. Die im erstinstanzlichen Verfahren auch noch umstrittenen Auflagen Nr. 16 und 20 sind im Beschwerdeverfahren nicht Streitgegenstand.

3

Die Antragsgegnerin trägt im Wesentlichen vor, es müsse bei der von ihr verfügten Demonstrationsroute verbleiben, die Demonstration dürfte auch nur im Zeitraum von 12.00 bis 15.00 Uhr stattfinden mit einer einzelnen Kundgebung (nur) von 15 Minuten. Die anderslautende Entscheidung des Verwaltungsgerichts berücksichtige nicht in zureichendem Maße, dass die NPD-Demonstration auf der von der Antragstellerin beantragten und von dem Verwaltungsgericht bestätigten Route eine großräumige Absperrung der betroffenen Straßen erfordere, es sich hierbei um Hauptverkehrsachsen handele, die den Zugang zur Braunschweiger Innenstadt vermittelten, und dass aufgrund dieser großräumigen Absperrung noch dazu in einem Zeitraum von 12.00 bis 19.00 Uhr der Zugang zur Innenstadt für die Bürger letztlich unzugänglich bleibe. Dies wiege umso schwerer, als es sich bei dem 18. Juni 2005 um einen Samstag, also um einen Haupteinkaufstag handele und von der großflächigen Absperrung ein größerer motorisierter Käuferkreis aus Braunschweig und dem Braunschweiger Umland betroffen werde. Diesen besonderen gewichtigen Interessen an der Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs und der Ermöglichung eines relativ unbeschwerten Einkaufens in der Braunschweiger Innenstadt würde aber gerade durch die in der angefochtenen Verfügung enthaltenen Auflagen zu 1), 2) und 3) zureichend Rechnung getragen, ohne dass dadurch das Demonstrationsrecht der Antragstellerin in seinem Kern beeinträchtigt werde.

4

Dieser Wertung vermag der Senat nicht zu folgen. Nach den Angaben der Antragstellerin über den von ihr geplanten (nachträglich durch die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14. Juni 2005 geringfügig veränderten und von der Antragstellerin insoweit akzeptierten) Demonstrationsverlauf ist voraussichtlich nicht damit zu rechnen, dass es zu einer längerfristigen großräumigen Absperrung der Hauptverkehrsstraßen, auf denen die NPD-Demonstration verlaufen soll, und damit zu einer langfristigen Sperrung der Zufahrt von diesen Hauptverkehrstraßen zur eigentlichen Innenstadt nach Braunschweig kommen wird. Nach Aussagen der Antragstellerin werden zu ihrer Demonstration ca. 300 NPD-Anhänger erwartet. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss ein Lauftempo von nicht unter 3 km/h vorgegeben. Die Antragstellerin hat in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2005 darauf hingewiesen, dass der Aufzug aus etwa 60 Reihen zu je 5 Personen bestehen und in etwa eine Länge einschließlich der Lautsprecherwagen von 150 m haben wird. Bei diesem Umfang der NPD-Demonstration ist nicht damit zu rechnen, dass die erforderlichen Straßenabsperrungen für die Dauer der gesamten vom Verwaltungsgericht bestätigten Demonstrationszeit, also von 12.00 bis 19.00 Uhr, auf der gesamten Demonstrationsstrecke aufrechterhalten bleiben müssen. Die Absperrungen können vielmehr sukzessive nach Passieren des jeweiligen Bereichs durch die NPD-Demonstranten abgebaut und insoweit die Zufahrt in die Braunschweiger Innenstadt für den üblichen Straßenverkehr freigegeben werden.

5

Sollte die Antragstellerin befürchten, dass die Demonstration der Antragstellerin durch Maßnahmen von Gegendemonstranten verzögert wird und dass deswegen eine zügige Aufhebung der Absperrung nicht möglich sein wird, geht die dann eintretende (weitere) Störung des Straßenverkehrs von der Gegendemonstration aus. Es ist aber Aufgabe der Polizei, eine Gegendemonstration in unmittelbarer Nähe der Marschroute der NPD-Demonstration zu verhindern und auch keine "Kreuzungspunkte" verschiedener Demonstrationen zuzulassen. Soweit die Polizei befürchten sollte, dass aus der (engen) Innenstadt heraus durch evtl. gewaltbereite Autonome auf die NPD-Demonstration zugegriffen und eine Eskalation und damit auch eine erhebliche Verzögerung der NPD-Demonstration erreicht werden soll, ist es ebenfalls Aufgabe der Polizei dafür Sorge zu tragen, dass am 18. Juni 2005 keine Gegendemonstranten in die Innenstadt gelangen. Anhaltspunkte, dass die NPD sich an die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Auflagen nicht halten wird, sind nicht gegeben. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das etwaige Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration der NPD zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt ist. Da die NPD nicht verboten ist, steht (auch) ihr das Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu, solange sie sich bei der Demonstration im Rahmen der Gesetze hält. Davon ist auszugehen, zumal

6

jüngste Veranstaltungen der NPD in A. und B. friedlich verlaufen sind.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Da im Beschwerdeverfahren die Auflagen zu Nr. 16 und 20 nicht mehr im Streit sind, hat der Senat einen Wert von (nur noch) 4.000,-- Euro zugrunde gelegt.