Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.06.2005, Az.: 13 ME 176/05

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.06.2005
Aktenzeichen
13 ME 176/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 44013
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:0617.13ME176.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - AZ: 1 B 27/05

In der Verwaltungsrechtssache

des Herrn A., vertr.d.d. Eltern,

gegen die Haupt- und Realschule B., vertreten durch die Schulleiterin,

Streitgegenstand: Überweisung an eine andere Schule - vorläufiger Rechtsschutz -

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht -13. Senat - am 17. Juni 2005

beschlossen:

Tenor:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 9. Mai 2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ordnungsmaßnahme nach § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG zuzusprechen, ist im Beschwerdeverfahren nicht abzuändern.

2

Angesichts des mehrfachen Hinweises der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung und in den eingereichten Schriftsätzen, sie werde im Falle eines für sie positiven Ausgangs des Beschwerdeverfahrens entscheiden, ob die Vollziehung der Ordnungsmaßnahme pädagogisch noch sinnvoll sei, bestehen Bedenken am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde. Indem die Antragsgegnerin beim derzeitigen Sachstand offen lässt, ob sie den angefochtenen Verwaltungsakt tatsächlich vollziehen will, zieht sie das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung selbst in Zweifel. In Wahrheit geht es ihr nach ihren ausdrücklichen Ausführungen auch um eine Grundsatzentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ordnungsmaßnahme und die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung. Das auf einstweiligen Rechtsschutz gerichtete Verfahren ist indessen angesichts seiner besonderen Ausgestaltung insbesondere auch hinsichtlich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, aber auch wegen seiner begrenzten Rechtskraftwirkung in aller Regel nicht geeignet, eine Grundsatzentscheidung zu treffen.

3

Diese Zweifel am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde werden durch das Betreiben des Beschwerdeverfahrens durch die Antragsgegnerin bestätigt. Ginge es ihr tatsächlich um eine sofortige Durchsetzung der angefochtenen Verfügung, so hätte sie gegen den ihr am 19. Mai 2005 zugestellten erstinstanzlichen Beschluss unverzüglich und nicht erst am Tage des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, nämlich am 2. Juni 2005, die - zudem noch nicht mit einer Begründung versehene - Beschwerde eingelegt. Die Begründung ist schließlich erst am 7. Juni 2005 nachgereicht worden. Angesichts der von der Antragsgegnerin selbst behaupteten Bedeutung der Sache spricht diese Verfahrensweise gegen das Bestehen eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses.

4

Ungeachtet dessen ist die Beschwerde aber auch nicht begründet.

5

In auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO orientieren die Verwaltungsgerichte ihre Entscheidung in der Regel an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren, jedenfalls sofern diese offensichtlich sind. Ob dies im vorliegenden Verfahren der Fall ist, kann angesichts des fortgeschrittenen Zeitablaufs, d.h. wegen des unmittelbar bevorstehenden Schuljahresendes, dahinstehen. Die vom Senat zu treffende Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO kann sich allein daran orientieren, ob dem Antragsteller im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Schulwechsel im Zuge der verhängten Ordnungsmaßnahme zum jetzigen Zeitpunkt, also dem der Beschwerdeentscheidung, (noch) zugemutet werden darf. Ohne rechtliche Bedeutung ist dabei, dass die Antragsgegnerin für den Fall eines für sie positiven Ausgangs des Beschwerdeverfahrens nunmehr eine erneute Entscheidung über die sofortige Vollziehung der Ordnungsmaßnahme treffen will. Für die Beschwerdeentscheidung ist die Absicht der Vollziehung zu unterstellen.

6

Nach § 61 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 NSchG kann ein Schüler an eine andere Schule derselben Schulform überwiesen werden, wenn er seine Pflichten grob verletzt, insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen hat, den Unterricht nachhaltig stört, die von ihm geforderten Leistungen verweigert oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleibt. Ebenso wie das Verwaltungsgericht vertritt der Senat die Auffassung, dass das Verhalten des Antragstellers im Zusammenwirken mit zwei weiteren Mitschülern auf der Klassenfahrt eine grobe Pflichtverletzung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, die mithin grundsätzlich die ausgesprochene Überweisung rechtfertigt. Die Entscheidung über die Verhängung der Ordnungsmaßnahme fällt dabei in die pädagogische Entscheidungskompetenz der Schule, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Im Rahmen ihrer pädagogischen Entscheidung hatte die Schule, insbesondere also die dazu berufene Klassenkonferenz, auch den Zeitpunkt der Verhängung der Ordnungsmaßnahme, also die Konsequenzen, die sich aus dem späten Schulwechsel für den betroffenen Schüler ergeben, zu berücksichtigen. Ob sich die mit Verfügung vom 29. April 2005 ausgesprochene Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule im Rahmen der der gerichtlichen Überprüfung unterliegenden rechtsstaatlichen Grundsätze bewegt, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einhält, kann endgültig erst im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden werden.

7

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint zur Überzeugung des Senats die Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule aber nicht mehr als verhältnismäßig. Der Antragsteller müsste für eine Unterrichtszeit von allenfalls drei Wochen in die neue Schule wechseln. Nach Darstellung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 14. Juni 2005 wäre ihm ein Abgangs- oder Abschlusszeugnis mit Angaben über den gegenwärtigen Leistungsstand von der bisherigen Schule, der Antragsgegnerin, zu erteilen. Andererseits hätte die neue Schule, also die C. -Realschule D., unter Zugrundelegung des Zeugnisses der abgebenden Schule die Zeugnisnoten im Abschlusszeugnis zu bilden, wobei sich ihr Beurteilungsspielraum auf ein Minimum bzw. auf Null - so die Antragsgegnerin bzw. die sie im Verfahren vertretende Landesschulbehörde - reduzieren würde. Entsprechend wäre der Entscheidungsspielraum der Klassenkonferenz der aufnehmenden Schule im Rahmen der Abschlussvergabe in gleicher Weise gebunden. Dass das Verhältnis zwischen abgebender und aufnehmender Schule bei dieser (zeitlichen) Konstellation durchaus nicht unproblematisch erscheint, erweist das Angebot der Antragsgegnerin zu weiteren Gesprächen zwischen den Lehrkräften der abgebenden und der aufnehmenden Schule, womit alles getan sei, damit der Antragsteller in der "Zielschule" möglichst gut zurechtkomme. Angesichts des faktisch abgeschlossenen Unterrichts des auslaufenden Schuljahres kann bei dem infragestehenden jetzigen Wechsel in eine neue Schule von einem "guten Zurechtkommen in der neuen Schule" seitens des Antragstellers nicht mehr die Rede sein. Nach Auffassung des Senats hat sich die infragestehende Ordnungsmaßnahme zwar nicht im Rechtssinne, aber faktisch durch Zeitablauf erledigt, was durch die Absicht der Antragsgegnerin, über die Vollziehung der Ordnungsmaßnahme nach einem Erfolg im Beschwerdeverfahren noch gesondert entscheiden zu wollen, zusätzlich bestätigt wird.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).