Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.04.2023, Az.: 1 MN 27/23
Abwägung; Alternative; Alternativenprüfung; Bebauungsplan; Eigentum; Enteignung; Erschließung; Straßenverkehrsfläche; Zumutbarkeit; Bebauungsplan zur Entwicklung eines Wohngebiets; Abwägungsgerechtigkeit einer die Nachbarn stärker belastenden Verkehrserschließung zur Vermeidung eines Enteignungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.2023
- Aktenzeichen
- 1 MN 27/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 23106
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0428.1MN27.23.00
Rechtsgrundlagen
- BauGB § 1 Abs. 7
- BauGB § 85 Abs. 1 Nr. 1
- BauGB § 87 Abs. 1
- VwGO § 47 Abs. 6
Fundstellen
- BauR 2023, 1912-1914
- DÖV 2023, 776
- NVwZ-RR 2023, 847
- NordÖR 2023, 443
- ZfBR 2023, 584-586
Amtlicher Leitsatz
Das Ziel der planenden Gemeinde, die Enteignung einer bereits festgesetzten und grundsätzlich vorteilhaften, aber vom Eigentümer nicht zur Verfügung gestellten Straßenverkehrsfläche und die mit einer Enteignung verbundenen rechtlichen Risiken zu vermeiden, kann es rechtfertigen, eine alternative Erschließung zu wählen, die mit stärkeren Belastungen der Nachbarschaft verbunden ist.
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 32 "Baugebiet Bockwindmühle" der Antragsgegnerin, weil sie Störungen durch die ihrem Wohngrundstück gegenüberliegende Zufahrt zum Baugebiet befürchten.
Die Antragsteller sind Eigentümer des im Aktivrubrum bezeichneten Grundstücks in der Ortschaft Hänigsen der Antragsgegnerin. Das westlich der Einmündung der X-Straße in die Y-Straße gelegene Grundstück ist mit einem selbst genutzten Einfamilienhaus bebaut.
Nordöstlich des Grundstücks der Antragsteller liegt - getrennt durch die Liegnitzer Straße - das im Eigentum des Beigeladenen stehende Plangebiet. Dabei handelt es sich um eine im Westen, Norden und Osten weit überwiegend von Wohnbebauung umgebene ehemalige landwirtschaftliche Nutzfläche innerhalb der Siedlungslage von Hänigsen mit einer Größe von etwa 2 ha. Im Süden wird die sich von Nord nach Süd verjüngende Fläche von der Liegnitzer Straße sowie von einem mit einem Seniorenheim bebauten Grundstück begrenzt. Das Grundstück des Seniorenheims liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 27 "Mühlenhof" aus dem Jahr 2007, der im Westen des Grundstücks unmittelbar gegenüber der Einmündung der Görlitzer Straße in die Liegnitzer Straße einen Straßenstutzen festsetzt. Dieser Straßenstutzen sollte nach dem damaligen Willen der Antragsgegnerin zur Erschließung des Plangebiets genutzt werden, dessen Entwicklung schon damals in Aussicht genommen war.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das im Flächennutzungsplan bereits als Wohnbaufläche dargestellte Plangebiet einer Wohnbebauung zuzuführen. Der angegriffene Bebauungsplan setzt zu diesem Zweck ein allgemeines Wohngebiet zur Errichtung von Einzel- und Doppelhäusern sowie auf einer kleineren Fläche auch Mehrfamilienhäusern fest. Ein städtebaulicher Entwurf sieht die Errichtung von etwa 35 Wohneinheiten sowie gegebenenfalls einer Kindertagesstätte mit 65 Plätzen vor. Die Erschließung erfolgt ausschließlich von Süden über die Liegnitzer Straße. Dabei sollte zunächst der im Bebauungsplan Nr. 27 "Mühlenhof" festgesetzte Straßenstutzen zur Anbindung an die Liegnitzer Straße genutzt werden. Der Eigentümer des Seniorenheims, dessen Grundstück mit der Festsetzung belastet ist, lehnte es jedoch mehrfach ab, die zurzeit ungenutzte Fläche zur Herstellung des Straßenstutzens zur Verfügung zu stellen. Daraufhin änderte die Antragsgegnerin ihren Plan insoweit, als sie die Zufahrt zum Plangebiet zur Meidung einer Inanspruchnahme des Grundstücks des Seniorenheims um etwa 20 m Meter nach Nordwesten verschob. Nunmehr liegt die Zufahrt unmittelbar gegenüber dem Grundstück der Antragsteller.
Im - vereinfachten - Planaufstellungsverfahren erhoben unter anderem die Antragsteller wiederholt Einwendungen gegen die vorgesehene Anbindung des Plangebiets an die Liegnitzer Straße und forderten eine Nutzung des planerisch festgesetzten Straßenstutzens. Dieses Anliegen wies die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung der Einwendungen mit folgender Argumentation zurück:
"Diese Möglichkeit [der Erschließung über den im Bebauungsplan Nr. 27 "Mühlenhof" festgesetzten Straßenstutzen] wurde deshalb im Rahmen des Planverfahrens geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass eine solche Planung eben nicht "ohne weiteres möglich" ist, da hierzu private Grundstücksflächen in Anspruch genommen werden müssten, die sich weder im Eigentum der Gemeinde Uetze noch des Investors befinden. Ein diesbezügliches Kaufangebot wurde vom Grundstückseigentümer abgelehnt.
Dass die Erschließung des neuen Baugebietes im öffentlichen Interesse liegt, ist unbestreitbar. Deshalb war also im Rahmen des Planverfahrens zu prüfen, ob zur Verwirklichung der städtebaulichen Planungsziele bzw. zur Umsetzung der planerischen Gesamtkonzeption andere Lösungsmöglichkeiten bestehen. Die einzige praktikable - wenn gleich aus Sicht der Mandantschaft des Anregungsgebers weniger befriedigende - Lösungsmöglichkeit wurde dem vorliegenden Bebauungsplanentwurf zu Grund gelegt.
Auf Grund der vergleichsweise überschaubaren Größe des Baugebietes (ca. 35 WE) sowie der zukünftigen Nutzungen (WA) sind keine (für ein Wohngebiet) untypischen Immissionen für die Anwohner durch das neue Wohnbaugebiet zu erwarten. [...]
Entsprechend der Rasterlärmkarten (vgl. Anlage 4 der Begründung) würde die "Verlagerung" des geplanten Einmündungsbereiches um ca. 20 m in südöstliche Richtung aus lärmtechnischer Sicht keinen signifikanten Unterschied ergeben. Insofern kann auch von "vermeidbaren" oder "unnötigen" Beeinträchtigungen nicht die Rede sein. Fest steht, dass die planungsbedingten, zusätzlichen Verkehre nicht von den Grundstücksflächen des Seniorenwohnheims ausgehen bzw. durch diese verursacht werden. Die Beantwortung der Frage, ob die befürchteten Störungen im Eingangsbereich des in Rede stehenden Wohngrundstücks ein (in früheren Schreiben angeregtes) Enteignungsverfahren rechtfertigen würden, ist insbesondere davon abhängig, ob zur vorgeschlagenen Planung Planungsalternativen bestehen, die nicht zu unzumutbaren Störungen führen. Der geplante Einmündungsbereich stellt bereits die Planungsalternative zum vorgeschlagenen "normalen Kreuzungsbereich" dar. Unzumutbare Beeinträchtigungen sind hierdurch nicht zu erwarten."
Am 19. Mai 2022 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 7. Juli 2022.
Die Antragsteller haben am 3. August 2022 einen Normenkontrollantrag und - nachdem die Erschließungsarbeiten begonnen haben - am 3. März 2023 einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie betonen, dass sie keine grundsätzlichen Einwände gegen das neue Baugebiet haben, halten jedoch die vorgesehene Verkehrsanbindung für abwägungsfehlerhaft. Der Bebauungsplan Nr. 27 "Mühlenhof" habe eine unter allen Gesichtspunkten günstigere Anbindung durch Herstellung einer Kreuzung gegenüber der Einmündung der Görlitzer Straße in die Liegnitzer Straße vorgesehen. Eine solche Anbindung vermeide es insbesondere, dass ihr Wohngrundstück störendem Lichteinfall und störenden Lichtreflexionen ausgesetzt werde. Die versetzte Anordnung der Kreuzung führe auch zu zusätzlichem Verkehrslärm und beeinträchtige die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Von der in jeder Hinsicht besseren Lösung sei die Antragsgegnerin nur deshalb abgewichen, weil sie auf den Eigentümer des Seniorenheimgrundstücks habe Rücksicht nehmen wollen. Dessen Eigentum sei indes bereits seit dem Jahr 2007 mit der Festsetzung einer Straßenverkehrsfläche belastet. Die Antragsgegnerin habe daher eine Enteignung mindestens ernstlich erwägen und im Ergebnis auch durchführen müssen.
Die Antragsteller beantragen,
durch geeignete einstweilige Anordnung sicherzustellen, dass der Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 32 "Baugebiet Bockwindmühle" vorerst nicht vollzogen wird.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt die gewählte Anbindung des Baugebiets und weist darauf hin, dass sich sowohl der Bauträger als auch sie selbst vergeblich um einen Erwerb des zur Anbindung ursprünglich vorgesehenen Grundstücksteils bemüht hätten. Nach anwaltlicher Beratung sei man daraufhin zu dem Ergebnis gelangt, auf einen Enteignungsversuch zu verzichten. Maßgeblich dafür sei gewesen, dass ohne wesentliche Nachteile die festgesetzte Anbindung gewählt werden konnte, mithin also eine Planungsalternative zur Verfügung gestanden habe. Die damit verbundenen Mehrbelastungen seien den Antragstellern zumutbar. Eine Enteignung sei vor diesem Hintergrund nicht erfolgversprechend gewesen.
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
II.
Der Normenkontrolleilantrag ist unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind regelmäßig zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 28.2.2020 - 1 MN 153/19 -, BauR 2020, 978 = juris Leitsätze 1 und 2 sowie Rn. 15 unter Anschluss an die stRspr des 4. Senats des BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12; v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4; v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4).
Gemessen daran bleibt der Normenkontrolleilantrag erfolglos, weil der angegriffene Bebauungsplan einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach standhalten wird. Er leidet insbesondere nicht unter dem von den Antragstellern geltend gemachten Abwägungsmangel.
Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen Mängel im Abwägungsvorgang nur, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).
Gemessen daran ist die Abwägung der Antragsgegnerin weder im Vorgang noch im Ergebnis fehlerhaft. Soweit die Antragsteller meinen, der Bebauungsplan sei deshalb abwägungsfehlerhaft, weil sich die Antragsgegnerin ohne tragfähigen Grund für die objektiv schlechtere Variante einer Anbindung des Plangebiets an die Liegnitzer Straße entschieden habe, überzeugt das nicht.
Richtig ist allerdings, dass nunmehr die Zufahrt zum Plangebiet dem Wohnhaus der Antragsteller direkt gegenüberliegt und demzufolge ihre Immissionsbelastung steigert, während die ursprünglich vorgesehene Anbindung derartige Belastungen weitergehend vermieden hätte. Die Nachteile der nunmehr gewählten Variante hat die Antragsgegnerin indes erkannt und mit dem gebotenen Gewicht in ihre Abwägung eingestellt. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass sie die damit verbundene Mehrbelastung der Antragsteller als zumutbar eingestuft hat.
Aus der Kurzstellungnahme der DEKRA zum Verkehrslärm vom 3. März 2022 ergibt sich, dass sich die Verkehrslärmbelastung des Antragstellergrundstücks von gegenwärtig 55,3 dB(A) tags und 47,7 dB(A) nachts bei Realisierung des insbesondere die Kindertagesstätte einschließenden städtebaulichen Entwurfs auf zukünftig 56,8 dB(A) tags und 48,6 dB(A) nachts erhöhen wird. Eine solche Erhöhung von weniger als 2 dB(A) liegt unterhalb der Wahrnehmungsgrenze und begegnet auch angesichts der vergleichsweise geringen Vorbelastung keinen Bedenken. Aus den Rasterlärmkarten ergibt sich zudem, dass eine Verschiebung der Zufahrt hinsichtlich der Lärmimmissionsbelastung keinen signifikanten Unterschied ergeben würde; auch diese Annahme der Antragsgegnerin ist sachlich zutreffend.
Hinsichtlich der Lichtimmissionen führt die Verschiebung zwar zu einer Mehrbelastung. Im Nachtzeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr ist ausweislich der Kurzstellungnahme indes nur mit 1,4 Fahrbewegungen/h aus dem Plangebiet zu rechnen. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Dunkelheit über weite Teile des Jahres bereits zur Tagzeit einsetzt und in den Tagesstunden die Verkehrsbelastung 8,1 Fahrzeuge/h beträgt, liegen die insgesamt auf das Plangebiet zurückzuführenden Lichtimmissionsbelastungen weit unter dem, was einer Wohnbebauung zumutbar ist. Erforderlichenfalls müssen die Antragsteller zu Mitteln der Selbsthilfe wie einer dichteren Bepflanzung oder Vorhängen vor den straßenseitigen Fenstern, sofern diese, was nicht dargelegt ist, überhaupt zu schutzbedürftigen Räumen gehören, greifen.
Die verkehrlichen Nachteile durch die gegeneinander versetzte Lage der Einmündungen der Görlitzer Straße und des Plangebietes sind schließlich bei objektiver Betrachtung gering. Verkehrsströme aus dem Plangebiet in die Görlitzer Straße und umgekehrt sind angesichts der Tatsache, dass beide Straßen nur der Binnenerschließung von Wohngebieten dienen, allenfalls in marginalem Umfang zu erwarten. Aufgrund der mit knapp 1.100 Fahrzeugen/24 h insgesamt geringen Verkehrsbelastung der Liegnitzer Straße und der schon heute vorhandenen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sind auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht ansatzweise gefährdet.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die danach zumutbaren Nachteile der gewählten Lösung zur Vermeidung eines Enteignungsverfahrens hinzunehmen, erweist sich auch in der Gesamtschau als frei von Rechtsfehlern. Sie schont das Grundeigentum des Eigentümers des Seniorenheims und damit dessen Rechtsposition aus Art. 14 Abs. 1 GG. Allein deshalb hat sie gute Gründe auf ihrer Seite. Soweit die Antragsteller meinen, das dem Eigentümer seitens der Antragsgegnerin unterbreitete Kaufangebot von 10 EUR/qm für die insgesamt benötigte Fläche von 65 qm sei "lächerlich"; diese habe es versäumt, sich durch Vorlage eines attraktiven Angebots ernsthaft um einen freihändigen Erwerb zu bemühen, übersehen sie, dass ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten E-Mail des Grundeigentümers vom 6. Oktober 2021 nicht finanzielle Motive, sondern der Ärger, bei der Entwicklung der Fläche nicht zum Zuge gekommen zu sein, für seine ablehnende Haltung maßgeblich war. Dies zu ändern lag nicht in der Macht der Antragsgegnerin.
Hinzu kommt, dass - was die Antragsgegnerin mit erheblichem Gewicht berücksichtigen durfte - fraglich ist, ob eine Enteignung der zur Anbindung erforderlichen Teilfläche des Seniorenheimgrundstücks gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 1, § 87 Abs. 1 BauGB oder gegebenenfalls auch nach Straßenrecht rechtlich zulässig gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es auf der Ebene der Enteignungsentscheidung nur insoweit keiner erneuten eigenständigen Alternativprüfung über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks des von der Enteignung Betroffenen, als sie von der Gemeinde im Rahmen ihrer bauplanerischen Abwägungsentscheidung bereits rechtsfehlerfrei vorgenommen wurde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.7.2009 - 1 BvR 2187/07 -, NVwZ 2009, 1706 = juris Rn. 22). Auf der Ebene des Bebauungsplans gilt wiederum der Grundsatz der Lastengleichheit, nach dem in der Abwägung zu prüfen ist, ob die planbedingten Nachteile nicht in zumutbarer Weise den Planbegünstigten - hier dem Beigeladenen - anstelle von unbeteiligten Dritten auferlegt werden können (vgl. Senatsurt. v. 13.8.2013 - 1 KN 238/10 -, juris Rn. 30). Ob vor diesem Hintergrund eine Enteignung des ursprünglich vorgesehenen Straßenstutzens möglich gewesen wäre, begegnet zumindest ernstlichen Zweifeln. Gute Gründe sprechen mit Blick auf Art. 14 Abs. 3 GG jedenfalls dafür, dass Nutzen und Lasten des Baugebiets gleichermaßen bei dem Beigeladenen liegen sollen. Dass die Antragsgegnerin vor diesem Hintergrund, angesichts der zumutbaren Mehrbelastung der Antragsteller und auch sonst nur geringer Nachteile der gewählten Lösung die Risiken eines Enteignungsverfahrens gescheut hat, hält sich im Rahmen ihrer gemäß § 1 Abs. 7 BauGB bestehenden planerischen Entscheidungsfreiheit.
Der Senat hat - trotz der Rüge der Antragsteller, die vorgelegten Akten seien insofern unvollständig, als die interne planaufstellungsbezogene Korrespondenz darin fehlt - davon abgesehen, die Antragsgegnerin vor einer Entscheidung zur Ergänzung der Akten aufzufordern, weil eine Entscheidungserheblichkeit nicht erkennbar ist. Für die von den Antragstellern bestrittene Abwägungsgerechtigkeit des Bebauungsplans kommt es nicht auf interne Einschätzungen, sondern auf die Erwägungen des Rats an, wie sie sich aus der von ihm beschlossenen Vorlage samt Anlagen ergeben. Diese maßgeblichen Dokumente lagen vollständig vor und lassen keinen Abwägungsfehler erkennen. Die interne Korrespondenz gehört demgegenüber nicht zu den Aktenbestandteilen, deren Vorlage der Senat regelmäßig verlangt; auch in diesem Fall besteht für eine weitergehende Vorlage kein Anlass.
Soweit die Antragsteller schließlich gerügt haben, sie könnten nicht prüfen, ob der Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden sei, hat sich diese Rüge mit Vorlage des Flächennutzungsplans, der eine Wohnbaufläche darstellt, erledigt. Im Übrigen stünde dem Einwand § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 7 a), 8 c), 17 b) der Streitwertannahmen des Senats (NdsVBl 2021, 247).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).