Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.02.2002, Az.: Not 1/02

Nichtförmliches Disziplinarverfahren; Aussetzung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.02.2002
Aktenzeichen
Not 1/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, in dem Fragen geklärt werden sollen, die auch für die Beurteilung der Frage, ob ein Disziplinarvergehen vorliegt, von Bedeutung sind, ist ein typischer Sachverhalt, bei dem das nichtförmliche Disziplinarverfahren zunächst auszusetzen ist.

Tenor:

Der Antrag des Notars auf gerichtliche Entscheidung über die Aussetzung des nichtförmlichen Disziplinarverfahrens durch das Landgericht ##### - mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 - Geschäfts-Nr. ##### - wird zurückgewiesen.

Der Notar trägt die Kosten des Verfahrens sowie die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen.

Wert des Verfahrens: 5.000 EUR

Gründe

. . . . .

Gegen diese Aussetzung des nichtförmlichen Disziplinarverfahrens wendet sich der Notar mit seinem form- und fristgerecht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er macht geltend, dass die Aussetzung des Disziplinarverfahrens schon deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil ihm vor dieser Aussetzung kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Seitens der Dienstaufsicht seien lediglich seine Nebenakten angefordert worden. In der Sache habe er sich kein Dienstvergehen zu schulden kommen lassen.

Auch nach Hinweis auf die eingeschränkte Möglichkeit zur Überprüfung der Aussetzungsverfügung auf Ermessensfehler hat der Notar an seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung festgehalten und in einem Schriftsatz vom 11. Februar 2002 umfangreich in der Sache selbst vortragen lassen. Der Notar sieht einen Ermessensfehler darin, dass die Aufsichtsbehörde ihm vor ihrer Aussetzungsentscheidung nicht die Möglichkeit gegeben habe, sich zur Sache zu äußern, ohne bereits die Staatsanwaltschaft zu informieren. Da auch die Staatsanwaltschaft noch nicht an ihn herangetreten sei, habe er nur die Möglichkeit, sich im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Aussetzungsentscheidung zur Sache zu äußern. Hierzu sei auszuführen, dass die finanzierende Bank über die Nebenabrede der Kaufpreisstundung informiert gewesen sei. Der Betrugsvorwurf werde deshalb zu Unrecht erhoben.

Der Antragsgegner ist dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit der Begründung entgegengetreten, dass es zweckmäßig erscheine, die erforderlichen Ermittlungen und die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens der Urkundsbeteiligten der Staatsanwaltschaft zu überlassen. Die Notaraufsichtsbehörde habe nicht die Mittel, um in adäquater Art und Weise die notwendige Aufklärung zu betreiben. Da eine plausible Erklärung für die Konstruktion der Finanzierung nicht zu erkennen sei, habe ein für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hinreichender Anfangsverdacht bestanden. Dies werde im Übrigen auch durch die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestätigt. Eine Beschleunigung sei durch die Durchführung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde selbst ohnehin nicht zu erreichen. Sofern sich der Verdacht strafbarer Handlungen bestätige, müsse zunächst abgewartet werden, welche Konsequenzen in strafrechtlicher Hinsicht sich hieraus ergäben. Erst anschließend habe die Verwaltungsbehörde das Verfahren unverzüglich weiter zu betreiben.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig aber nicht begründet.

Auf das Disziplinarverfahren gegen Notare finden gemäß § 96 BNotO die Vorschriften der niedersächsischen Disziplinarordnung Anwendung. Gemäß § 17 Abs. 2 NDO kann ein Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Die Aussetzung eines nichtförmlichen Disziplinarverfahrens, um die es hier geht, ist gemäß § 17 Abs. 4 NDO durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar. Mit diesem Antrag kann allerdings nur geltend gemacht werden, dass der Dienstvorgesetzte bei der Aussetzung des Verfahrens sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe (s. Bieler/Lukat, NDO, § 17 Rz. 13).

Ein Ermessensfehlgebrauch, der hier den Antrag auf gerichtliche Entscheidung rechtfertigen könnte, ist indessen nicht festzustellen. Die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, in dem Fragen geklärt werden sollen, die auch für die Beurteilung der Frage, ob ein Disziplinarvergehen vorliegt, von Bedeutung sind, ist ein typischer Sachverhalt, bei dem das nichtförmliche Disziplinarverfahren zunächst auszusetzen ist. Da eine eventuelle strafrechtliche Verurteilung bei der Ahndung eines Dienstvergehens zu berücksichtigen sein würde und die Staatsanwaltschaft erheblich bessere Ermittlungsmöglichkeiten hat, als die Verwaltungsbehörde in Disziplinarverfahren, wäre es unangemessen und unangebracht, das Disziplinarverfahren ohne Rücksicht auf das eingeleitete und strafrechtliche Ermittlungsverfahren fortzusetzen. Wie sich aus § 17 Abs. 3 NDO ergibt, ist vielmehr zunächst das strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchzuführen. Erst nach dessen Abschluss ist die Weiterführung des Disziplinarverfahrens, soweit dafür noch Anlass besteht, sinnvoll.

Ein Ermessensfehlgebrauch der Aufsichtsbehörde ist in den Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Notars auch sonst nicht festzustellen. Soweit gerügt wird, der Notar habe kein rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Aussetzung gehabt, ist nicht dargelegt, dass eine vorherige Anhörung des Notars zu einem anderen Ergebnis als der Aussetzung des Disziplinarverfahrens geführt hätte. Ein entscheidungsreifer Sachverhalt liegt offensichtlich nicht vor. Die Ausführungen zur Sache selbst gehen an der aktuell zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Aussetzung des nichtförmlichen Disziplinarverfahrens vorbei. Mit der Sache hat sich der Senat nicht zu befassen, insoweit ist zunächst das Ergebnis des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie eines sich evtl. anschließenden Disziplinarverfahrens abzuwarten. Entgegen den Ausführungen in der Antragsbegründung hat auch der Antragsgegner - abgesehen von der Bejahung eines "Anfangsverdachts" - in der Sache selbst keine Feststellungen getroffen, durch die der Antragsteller belastet wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 96 BNotO i. V. m. §§ 114, 115 NDO. Danach muss der Notar die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen tragen, da sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben ist.