Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.02.2002, Az.: 22 W 81/01
Selbstständiges Beweisverfahren; Kostenentscheidung; Mängelbeseitigung; Gesamtwirkende Tatsache ; Erfüllung ; Planungsfehler; Ausführungsfehler; Gesamtschuldner ; Klagfrist
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.02.2002
- Aktenzeichen
- 22 W 81/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 20185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:0222.22W81.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 4 OH 19/00
Rechtsgrundlage
- § 494a Abs. 2 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2002, 129-130
Amtlicher Leitsatz
Eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren zu Lasten des Antragstellers kommt nicht in Betracht, wenn der Bauunternehmer als Gesamtschuldner mit dem Antragsgegner des Verfahrens die Mängel vor Ablauf der Klagfrist beseitigt, auch wenn dieses auf Veranlassung des Antragstellers geschieht.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 1. 250 EUR.
Gründe
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss mit zutreffenden Gründen festgestellt, dass eine Kostenentscheidung gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO zu Lasten der Antragsteller nicht in Betracht kommt. Zunächst wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 494 a ZPO ist es, die Lücke zu schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller eines selbstständigen Beweisverfahrens auf Grund der für ihn ungünstigen Ergebnisse der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Der Kostentragungspflicht liegt demnach der Gedanke zugrunde, dass der Antragsteller nicht durch Unterlassen der Hauptsacheklage der Kostenpflicht entgehen soll, die sich bei Abweisung einer solchen Klage ergeben würde. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Antragsgegner nur dann einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten haben kann, wenn das selbstständige Beweisverfahren für den Antragsteller tatsächlich ungünstig verlaufen ist.
Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Falle ersichtlich nicht erfüllt. Tatsächlich ist das selbstständige Beweisverfahren für die Antragsteller günstig verlaufen. Der Sachverständige ....... ist nämlich in seinem Gutachten vom 12. April 2001 zu dem Ergebnis gekommen, dass die an dem Wohnhaus der Antragsteller festgestellten Baumängel sowohl auf Planungsfehlern als auch auf Ausführungsfehlern beruhen.
In diesem Falle ist es nur deswegen nicht zu einer Klage in der Hauptsache gekommen, weil die festgestellten Mängel von dem Bauunternehmen ....... in ....... vor Ablauf der den Antragstellern gesetzten Frist zur Klagerhebung beseitigt worden sind. Unter Berücksichtigung des oben genannten Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 494 a ZPO fällt dieser Fall nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift, weil die Hauptsacheklage gerade nicht deshalb unterblieben ist, weil das Beweisergebnis für die Antragsteller ungünstig ausgefallen ist, sondern aus anderen Gründen.
Dabei ist es unerheblich, dass die Mängelbeseitigung nicht auf Veranlassung des Antragsgegners zu 1, sondern auf Veranlassung der Antragsteller selbst erfolgt ist. In jedem Fall haftet der Antragsgegner zu 1 wegen der von ihm fehlerhaft erbrachten Planungsleistungen als Gesamtschuldner neben dem bauausführenden Unternehmer, wenn dieser - wie hier - bei der Ausführung des Bauvorhabens ebenfalls fehlerhaft gearbeitet hat. Da das Bauunternehmen ....... die Mängelbeseitigung vollständig ausgeführt und damit den Nachbesserungsanspruch der Antragsteller erfüllt hat, ist auch im Verhältnis der Antragsteller zu dem Antragsgegner zu 1 der für den Schadensersatzanspruch erforderliche Schaden entfallen. Die Erfüllung ist gemäß § 422 Abs. 1 BGB eine gesamtwirkende Tatsache, sodass der Antragsgegner zu 1 den Antragstellern gegenüber von seiner Verpflichtung frei geworden ist. Ebenso ist es unerheblich, dass das Bauunternehmen ....... formell nicht Antragsgegner dieses selbstständigen Beweisverfahrens ist.
Soweit der Antragsgegner zu 1 meint, wegen der von ihm erhobenen Einrede der Verjährung sei seine Inanspruchnahme von vornherein nicht gerechtfertigt gewesen, ändert dies ebenfalls nichts. Eine über den oben genannten Sinn und Zweck der Vorschrift des § 494 a ZPO hinausgehende Auslegung kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
Zum einen ist die Frage der Verjährung - mit Ausnahme von krassen Fällen des Rechtsmissbrauchs, die zur Unzulässigkeit des Antrags führen können - im selbstständigen Beweisverfahren nicht zu prüfen. Vielmehr prüft das Gericht insoweit lediglich, ob aus den zu erhebenden Tatsachen überhaupt ein Rechtsstreit zwischen den Parteien möglich und eine Beweisaufnahme zulässig ist. Zum anderen stellt es eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, wenn ein Schuldner von einem (vermeintlichen) Gläubiger mit einer nichtberechtigten Forderung überzogen wird. Die Kosten, die dem Schuldner auf Grund der Verteidigung gegen seine Inanspruchnahme entstehen, kann dieser mangels Vorliegens einer speziellen Erstattungsregelung nur unter den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, z. B. aus positiver Vertragsverletzung oder § 826 BGB, gegen den Gläubiger geltend machen.
Schließlich war die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner zu 1 auch nicht erforderlich. Der Antragsgegner zu 1 hätte zu den von den Antragstellern im Einzelnen behaupteten und unter Beweis gestellten Mängeln in Anbetracht seiner Fachkenntnisse als Architekt auch selbst ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts Stellung nehmen können. Gemäß § 486 Abs. 4 i. V. m. § 78 Abs. 3 ZPO besteht für ein selbstständiges Beweisverfahren - auch wenn es beim Landgericht durchgeführt wird - kein Anwaltszwang.
Im Ergebnis erscheint es nach alledem nicht unbillig, wenn der Antragsgegner zu 1 die ihm entstandenen Kosten selbst trägt.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.