Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 13.02.2002, Az.: 7 U 62/01

Auslegung einer Kostentragungsregelung in einem notariellen Grundstückskaufvertrag; Berücksichtigungsfähigkeit außerhalb der Vertragsurkunde liegender Umstände bei Auslegung formbedürftiger Erklärungen; Begriff der Erschließungskosten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.02.2002
Aktenzeichen
7 U 62/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30451
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:0213.7U62.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 20.02.2001 - AZ: 3 O 194/99

Fundstelle

  • BauR 2003, 390-391 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2002
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht .....
des Richters am Oberlandesgericht ..... und
der Richterin am Oberlandesgericht .....
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 20. Februar 2001 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels mit der Maßgabe geändert, dass die Beklagten verurteilt werden, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 2.751,32 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 21. März 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen in Abänderung des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 20. Februar 2001 der Kläger zu 85% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 15%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 80% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 20%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für den Kläger und die Beklagten: jeweils unter 20.000 EUR.

Gründe

1

Die Berufung des Klägers hat nur zum geringen Teil Erfolg.

2

1.

Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner gemäß § 4 des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 16. Oktober 1997 lediglich die Erstattung verauslagter Erschließungskosten in Höhe von 2.751,32 EUR (5.381,12 DM) verlangen.

3

Bei den zu ersetzenden Erschließungskosten handelt sich um den hälftigen Abwasserbeitrag gemäß Bescheid der Stadt ..... vom 30. November 1997 in Höhe von 814,00 DM, den hälftigen Erschließungsbeitrag gemäß Rechung der Stadt ..... vom 29. Oktober 1998 in Höhe von 7.300,00 DM und die anteiligen Grundstücksanschlusskosten aus der Rechnung der Stadt vom 30. Oktober 1998 in Höhe von 6.837,12 DM. Nach Abzug des unstreitig in dem Kaufpreis bereits enthaltenen Kostenanteils von 9.570,00 DM (30,00 DM/qm bei 319 qm) verbleibt ein von den Beklagten zu zahlender Betrag von 5.381,12 DM. Soweit die Beklagten hierzu behaupten, dass sie den Abwasserbeitrag von 814,00 DM bereits an den Kläger gezahlt hätten, haben sie für ihre bestrittene Behauptung keinen Beweis angetreten.

4

2.

Dagegen steht dem Kläger der ferner geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 20.740,08 DM nicht zu. Denn die Beklagten haben sich in § 4 des Grundstückskaufvertrages entgegen der Ansicht des Klägers nicht verpflichtet, sich an sämtlichen Erschließungsmaßnahmen im weitesten Sinne zu beteiligen.

5

Gegen die Auffassung des Klägers spricht an sich bereits § 9 des notariellen Grundstückskaufvertrages, in dem bestimmt ist, dass der Kaufpreis die Erschließungsbeiträge und sonstigen Anliegerbeiträge einschließlich der Kosten für die Be- und Entwässerungsanlagen sowie Strom- und Gasversorgungsanlagen umfasst. Von den Beklagten ist hierzu aber schon in erster Instanz eingeräumt worden, dass diese in § 9 enthaltene Regelung nicht maßgeblich ist, sondern § 4 des Vertrages, der seine Grundlage in der Preisliste des Klägers hat. In der Preisliste des Klägers heißt es, dass im Endpreis alle Erschließungskosten (30,-/qm), Hausanschlusskosten sowie Grundstückskosten enthalten sind. Auch wenn diese Preisliste nicht Bestandteil des notariellen Vertrages geworden ist, stellt sie zumindest ein Indiz für die Auslegung der zwischen den Parteien strittigen Kostentragungsregelung in § 4 des Kaufvertrages in dem Sinne dar, dass sich die Käufer nur an den Erschließungskosten im engeren Sinne zu beteiligen haben. Denn auch bei der Auslegung formbedürftiger Erklärungen sind Umstände außerhalb der Urkunde mit zu berücksichtigen (Palandt, BGB, 60. Auflage, zu § 133 Rdnr. 19 m.w.N.).

6

Tatsächlich bedarf es vorliegend aber für die Auslegung der umstrittenen Kostentragungsregelung kein Zurückgreifen auf die Preisliste des Klägers. Denn unmittelbar aus dem Wortlaut des § 4 des notariellen Vertrages folgt, dass die Beklagten als Käufer zusätzlich zu dem Kaufpreis nur die Erschließungskosten im engeren Sinne, soweit sie über einen Betrag von 30 DM/qm hinausgehen, zu übernehmen haben und nicht auch die Hausanschlusskosten und sonstigen Grundstückskosten. In Satz 2 erster Halbsatz des maßgeblichen Absatzes des § 4 des Vertrages wird zwischen Erschließungskosten einerseits und Aufschließungskosten andererseits unterschieden, und dabei der Grundsatz aufgestellt, dass diese. Kosten dem Verkäufer obliegen; im zweiten Halbsatz erfolgt dann die Einschränkung, dass dies für die Erschließungskosten nur bis zu einem Betrag von 30 DM pro qm Grundstücksfläche gilt. Dieser Zusatz macht hinreichend deutlich, dass die Beklagten nicht auch die Aufschließungskosten (Hausanschlusskosten) zu tragen haben. Zudem ergibt sich aus dem Wortlaut des § 4 des Vertrages weiter, was nach dem Vertrag unter "Erschließungskosten" zu verstehen ist. Ausweislich der Sätze 1 und 3 des hier in Rede stehenden Absatzes des § 4 des Vertrages sind dies die Erschließungskosten im Sinne des Baugesetzbuches und die Beiträge für Investitionsaufwand im Sinne des Kommunalabgabengesetzes, soweit sie von der Stadt ..... beansprucht werden. Dies sind vorliegend nur die oben genannten drei Beitragsbescheide und Kostenrechnungen der Stadt ..... vom 30. November 1997, 29. Oktober 1998 und 30. Oktober 1998 (Bl. 69 bis 73 GA).

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Die notarielle Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich, und der Kläger hat auch in der Berufungsinstanz keine außerhalb der Urkunde liegenden Umstände vorgebracht, die den Schluss zulassen, dass die Parteien in § 4 des Vertrages eine vom Wortlaut abweichende Kostentragungsregelung zu Lasten der Käufer gewollt haben.

8

Wie das Landgericht bereits in seinem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Vernehmung des als Zeugen vernommenen Notars ..... als unergiebig erwiesen, nachdem sich der Zeuge an den Verlauf der Beurkundungsverhandlung nicht mehr erinnern konnte. Dass der Zeuge ..... die Formulierung in § 4 des Vertrages im Sinne des Klägers versteht, wonach sämtliche in dieser Bestimmung genannten Kosten, soweit sie über 30 DM je qm Grundstücksfläche hinausgehen, von den Käufern zu übernehmen seien, ist unerheblich, da es sich um seine persönliche Einschätzung handelt, die er ohne Bezug zu den Vertragsverhandlungen, an die er keine Erinnerung mehr hat, wiedergegeben hat.

9

Für die Richtigkeit der von dem Kläger vertretenen weiten Auslegung des § 4 des Vertrages spricht auch nicht sein Hinweis, dass die Hausanschlusskosten regelmäßig bei schlüsselfertig errichteten Häusern nicht im Festpreis enthalten seien. Es hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab, welche Regelung die Vertragsparteien in Bezug auf die Hausanschlusskosten treffen. Vorliegend haben die Parteien nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 es Vertrages vereinbart, dass diese Kosten vom Festpreis mit abgegolten sind.

10

Unerheblich ist schließlich der Einwand des Klägers, dass es sich bei der in § 4 des Vertrages aufgenommenen Formulierung "Stadt ....." um eine bloße Ungenauigkeit handele; tatsächlich gehe es um die Kosten, die von der Stadt ..... und den Versorgungsbetrieben, die der Stadt ..... gehören würden oder an denen sie maßgebend beteiligt sei, geltend gemacht würden. Denn diese Deutung widerspricht bereits dem eindeutigen Wortlaut des dritten Satzes des maßgeblichen Absatzes des § 4 des Vertrages. Zudem folgt schon aus dem zweiten Satz, dass die Beklagten sich nur an den Erschließungskosten im engeren Sinne zu beteiligen haben und damit nicht die von den Stadtwerken ..... und dem Wasserversorgungsverband ..... beanspruchten Kosten für den Strom- und Gasanschluss sowie für den Frischwasseranschluss zu übernehmen haben.

11

3.

Nach alledem haben die Beklagten dem Kläger lediglich Erschließungskosten in Höhe von 5.381,12 DM zu erstatten, wobei sie hier die Zahlung nicht von der Beseitigung der im erstinstanzlichen Urteil aufgelisteten Mängel abhängig machen können. Die von ihnen erstinstanzlich erhobene Einrede des nichterfüllten Vertrages greift insoweit nicht durch, weil der Nachbesserungsanspruch der Beklagten und der Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S.d. § 320 BGB stehen. Auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB besteht vorliegend nicht. Da der Anspruch des Klägers die Erstattung verauslagter Kosten zum Gegenstand hat, schließt die Natur dieses Anspruchs hier ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines bestehenden Mängelbeseitigungsanspruchs aus (vgl. auch Palandt, a.a.O., zu § 273 BGB, Rdnr. 16, 17).

12

4.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284, 286, 288 Abs. 1 BGB a.F. Die Beklagten befinden sich aufgrund des Anwaltsschreibens vom 8. März 1999 seit dem 21. März 1999 in Zahlungsverzug. Da der Kläger die angekündigte Bankbescheinigung nicht vorgelegt hat, konnte ihm lediglich der gesetzliche Zinssatz gesprochen werden.

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5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708. Nr. 10, 713, 543 ZPO n.F. i.V.m. § 26 EGZPO n.F. Bei der Verteilung der Kostenlast für die erste Instanz ist zugunsten der Beklagten berücksichtigt, dass sie in Höhe von 15.048,82 DM nur bedingte Klagabweisung beantragt haben.