Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 19.05.2017, Az.: L 11 AS 247/17 B ER

Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Ausländers; Aufenthaltsrecht eines Ausländers hinsichtlich Leistungsbezugs; Freizügigkeitsberechtigung von nicht erwerbstätigen Unionsbürgern; SGB II; Leistungen; EU-Ausländer; Leistungsausschluss; Keine Ermessensreduzierung auf Null; Europarechtskonformität; Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche; Ermessensausübung bei der Prüfung eines Anspruchs auf Gewährung vorläufiger Leistungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
19.05.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 247/17 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 17252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.02.2017 - AZ: S 46 AS 215/17 ER

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Senat folgt der Rechtsprechung des 13. und 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl schon Beschluss vom 9. Mai 2017 - L 11 AS 169/17 B), dass nicht schon aufgrund einer etwaig drohenden Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch den Ausschluss von unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII eine Ermessensreduzierung auf Null folgt und nicht allein aufgrund des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGG II das Ermessen stets auf Null reduziert ist.

2. Der Gesetzgeber hat § 41a Abs 7 SGB II unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um das Existenzminimum sichernde Leistungen handelt, als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

3. Deshalb müssen neben den Umstand der Existenzsicherung weitere Punkte hinzutreten, um eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen.

4. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 2 Nr 2 SGB II ist mit Europarecht vereinbar, wie der EuGH entschieden hat.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 22. Februar 2017 (S 46 AS 215/17 ER) wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 22. Februar 2017 (S 46 AS 215/17 ER), der in den beglaubigten Abschriften offensichtlich versehentlich das Datum 21. Februar 2017 trägt und mit dem das SG den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über den 31. Januar 2017 hinaus abgelehnt hat.

Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige und sind im Dezember 2013 in die Bundesrepublik eingereist. In der Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2014 war die Antragstellerin für vier Stunden täglich als Reinigungskraft versicherungspflichtig, anschließend vom 1. Oktober 2014 bis 15. Februar 2015 bei derselben Firma als Reinigungskraft geringfügig (zwei Stunden täglich) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen fehlender Aufträge gekündigt. Auf ihren Antrag hin erhielten die Antragsteller zunächst bis 15. August 2015 Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsteller, die nach eigenen Angaben zunächst bei einem Neffen, unter der Anschrift H. 43 in I. und danach bei verschiedenen Bekannten gewohnt hatten, zogen mit Zusicherung des Antragsgegners am 16. Juli 2015 in die Zwei-Zimmer-Wohnung im J. 3 in I. ein. Gegen die Leistungsablehnung für die Zeit ab 15. August 2015 legten sie Widerspruch ein und erstritten im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung von Leistungen bis 31. Januar 2016 (Beschluss des SG Hannover vom 12. August 2015 - S 46 AS 2627/15 ER). In der Folgezeit bewilligte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 25. Januar 2016 und 1. Juli 2016 Leistungen für die Zeit von Februar 2016 bis einschließlich Januar 2017, wobei diese Leistungsbewilligungen möglicherweise "versehentlich" erfolgten (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 10. Februar 2017).

Den am 27. Dezember 2016 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 unter Bezugnahme auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ab. Am 10. Januar 2017 legten die anwaltlich vertretenen Antragsteller Widerspruch ein. Der Prozessbevollmächtigte wies darauf hin, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Antrag auch als Antrag nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu verstehen und weiterzuleiten. Der Antragsgegner wies am 17. Januar 2017 darauf hin, Anträge nach dem SGB XII seien bei der Region I. zu stellen. Der Widerspruch wurde inzwischen mit Bescheid vom 17. März 2017 zurückgewiesen. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid wurde Klage vor dem SG Hannover erhoben (S 46 AS 1227/17).

Am 20. Januar 2017 beantragten die Antragsteller bei dem SG Hannover im einstweiligen Rechtsschutzwege, den Antragsgegner zu verpflichten, die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen zu bewilligen und über den 31. Januar 2016 (gemeint wohl: 2017) hinaus auszuzahlen. Sie seien vermögenslos. Ein Leistungsausschluss sei nicht erkennbar. Sie seien nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten und auch wegen des gemeinsamen Sohnes und dessen Frau und deren zwei Kinder, die auch in I. lebten und alle Bulgaren seien. Seit Januar 2016 hätten die Antragsteller nicht mehr gearbeitet. Sollte aus diesem Grund kein Anspruch nach dem SGB II bestehen, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch nach dem SGB XII in Frage kommen. Es ergebe sich dann ein Leistungsanspruch aus § 23 SGB XII. Das SG hat darauf hingewiesen, dass eine Beiladung nicht in Betracht komme. Bei dem Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II handele es sich um ein Aliud, bei dem zudem eine Ermessensentscheidung erforderlich sei.

Das SG hat mit Beschluss vom 22. Februar 2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Als bulgarische Staatsangehörige unterfielen sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2b SGB II in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung (n.F.). Ein anderes Aufenthaltsrecht als eines zum Zwecke der Arbeitsuche sei nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere bestehe kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer. Auch hielten sie sich nicht bereits seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Da die Antragsteller über keine deutschen Sprachkenntnisse verfügten und der Antragsteller seit Einreise im Dezember 2013 gar keine, die Antragstellerin seit längerem keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe, sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller weiterhin Arbeit suchten und begründete Aussicht hätten, eingestellt zu werden. Ein Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt im Sinne des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) ergebe sich auch nicht aus den zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner geschlossenen Eingliederungsvereinbarungen. Grundsätzlich sei der Antragsgegner gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 SGB II verpflichtet, mit jeder erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Zuletzt hätten sich die Antragsteller verpflichtet, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Dies belege gerade noch keine begründete Aussicht auf Integration in den Arbeitsmarkt. Ein Antrag auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs 3 Satz 3 und Abs 3a SGB XII in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung (n.F.) sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Zu einer Weiterleitung des Antrags sei der Antragsgegner nicht verpflichtet gewesen und eine Beiladung komme nicht in Betracht, da es sich bei der Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB II und den Überbrückungsleistungen nach dem SGB XII um ein Aliud und kein Minus handele. Die Rechtsprechung des BSG betreffe die alte Fassung des § 23 SGB XII und könne hier nicht übertragen werden. Die vom Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teile die Kammer nicht.

Gegen diesen ihnen am 23. Februar 2017 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragsteller mit der am 23. März 2017 eingelegten Beschwerde. SGB II-Leistungen seien zumindest vorläufig zu bewilligen. Am 3. April 2017 wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass ein weiteres Verfahren der Antragsteller zum Az. L 8 SO 92/17 B ER anhängig sei, in dem die Antragsteller für den gleichen Zeitraum um SGB XII-Leistungen stritten. Zur Begründung seiner Auffassung, dass hier SGB II-Leistungen zu gewähren seien, verwies er auf die Entscheidung des 8. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 16. Februar 2017 (L 8 SO 344/16 B ER). Am 2. Mai 2017 überreichten die Antragsteller das Kündigungsschreiben der Vermieterin vom 20. April 2017 (fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit den Mieten für Februar, März und April und Räumungsfristsetzung bis zum 15. Mai 2017). Auf Nachfrage zur Vorrangigkeit der Verfahren teilte der Prozessbevollmächtigte am 4. Mai 2017 mit, dass nun die Beschwerde im Verfahren L 8 SO 92/17 B ER zurückgenommen worden sei. Die Antragsteller hielten an den bisherigen Anträgen fest. Hilfsweise würden Leistungen nach dem SGB XII erstrebt, wobei mitgeteilt werde, dass keine Ausreise geplant sei und auch keine Aufforderung zur Ausreise durch die zuständige Ausländerbehörde vorliege. Die angekündigte eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin ist beim erkennenden Senat nicht eingegangen.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und bezieht sich auf seine Schriftsätze als Beigeladener zum Verfahren L 8 SO 92/17 B ER. Es bestehe auch kein Anspruch auf Leistungen gem § 41a Abs 7 SGB II.

Außer den Gerichtsakten des SG Hannover haben die vom Antragsgegner vorgelegten zwei Bände Verwaltungsvorgänge vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde gegen den die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des SG Hannover vom 22. Februar 2017 ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.

Soweit die Antragsteller nun hilfsweise Leistungen nach dem SGB XII begehren, ist die Beschwerde nicht zulässig. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss über diesen Streitgegenstand nicht entschieden. Die gegen den SGB XII-Leistungen ablehnenden Beschluss vom 1. März 2017 (S 81 SO 87/17 ER) des SG Hannover eingelegte Beschwerde (L 8 SO 92/17 B ER) haben die Antragsteller nach eigenen Angaben zurückgenommen. Somit ist im vorliegenden Verfahren weder Raum für die Beiladung der Region I. als dem zuständigen Sozialhilfeträger noch für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII, wobei dahingestellt bleiben kann, welche Leistungen unter Berücksichtigung des ausdrücklichen Hinweises, eine Ausreise sei nicht beabsichtigt, überhaupt in Betracht kommen könnten.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Hannover vom 22. Februar 2017 ist unbegründet.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 86b Abs 2 Satz 4 SGG).

Dies zugrunde gelegt kommt vorliegend die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht in Betracht, da die Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs für die Zeit ab 1. Februar 2017 nicht glaubhaft gemacht haben.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Antragsteller die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 4, § 8, § 9 SGB II) erfüllen. Denn die Antragsteller sind als Ausländer bereits nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2a bzw. nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2b SGB II in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2a SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer vom Leistungsbezug ausgenommen, die kein Aufenthaltsrecht haben. Ein Aufenthaltsrecht haben vorliegend die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Ein Aufenthaltsrecht aus einem etwaigen Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU kommt nicht in Betracht. Der Antragsteller hat seit seiner Einreise in die Bundesrepublik im Dezember 2013 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Die Antragstellerin war zuletzt bis zum 15. Februar 2015 als Reinigungskraft tätig. Danach hat sie keine Beschäftigung mehr ausgeübt. Somit ist ihr Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU seither nicht mehr gegeben. Auch der nachwirkende Status des § 2 Abs 3 FreizügG/EU, der vom Antragsgegner im Jahre 2015 berücksichtigt wurde, ist mittlerweile erloschen.

Auch ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Danach sind freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten für bis zu 6 Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Die Antragsteller halten sich seit Dezember 2013 und damit länger als 6 Monate in I. auf. Aus den Akten lässt sich Arbeitsuche der Antragsteller nicht belegen. Sie haben im einstweiligen Rechtsschutzverfahren trotz des Hinweises auf das Erfordernis der Glaubhaftmachung hierzu auch nicht vorgetragen. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss weist der Senat darauf hin, dass auch allein der Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen nicht geeignet ist, Arbeitsuche und begründete Einstellungsaussicht nachzuweisen bzw. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft zu machen. Nachdem zunächst die Abklärung der gesundheitlichen Situation der Antragsteller, die geltend gemacht hatten, zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage zu sein, Gegenstand der Eingliederungsvereinbarungen war, wird mit der am 13. Dezember 2016 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung nun die Teilnahme an einem Deutschkurs in Aussicht genommen. Dies dürfte keine aktive Arbeitsuche und begründete Aussicht auf Einstellung (z.B. mit Förderung durch Einstellungszuschuss) darstellen und wahrscheinlich machen. Letztlich kann der Senat dies aber dahingestellt sein lassen. Denn selbst wenn Arbeitssuche vorläge, würde ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2b SGB II führen.

Die Antragsteller sind auch nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs 2 Nr 5 i.V.m. § 4 des FreizügG/EU. Danach haben nicht erwerbstätige Unionsbürger und die sie begleitenden Familienangehörigen eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 1 FreizügG/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Daran mangelt es hier gerade, da die Antragsteller geltend machen, mittellos zu sein.

Auch ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 6 i.V.m. § 3 FreizügG/EU als Familienangehörige haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Zwar haben die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgetragen, sie seien auch wegen des gemeinsamen Sohnes und seiner Familie nach I. gezogen. Jedoch erhalten sie von diesem keinen Unterhalt, so dass der Senat dahingestellt sein lassen kann, ob der Sohn oder seine Ehefrau ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU haben und auch den Widerspruch zu der Erklärung 2015 gegenüber dem Antragsgegner, sie wohnten beim Neffen bzw bei Bekannten, nicht aufklären muss.

Dasselbe gilt für ein Aufenthaltsrecht gemäß bzw. abgeleitet aus Art 10 VO(EG) Nr 492/2011, ungeachtet des Umstandes, dass in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2c SGB II in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung auch für diese Personengruppe ein Leistungsausschluss enthalten ist.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 41a Abs 7 Satz 1 SGB II in der seit 1. August 2016 geltenden Fassung glaubhaft gemacht. Hiernach kann über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn 1. die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist oder 2. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim BSG ist. Es handelt sich bei der Entscheidung über die Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 41a Abs 7 SGB II um eine Ermessensentscheidung des Antragsgegners. Dessen Verpflichtung zur Leistungsgewährung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. April 2017 - L 13 AS 113/17 B ER m.w.N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. April 2017 - L 9 AS 165/17 B ER m.w.N.; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2017 - L 8 SO 344/16 B ER).

Der Senat folgt der Rechtsprechung des 13. und 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl schon Beschluss vom 9. Mai 2017 - L 11 AS 169/17 B), dass nicht schon aufgrund einer etwaig drohenden Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch den Ausschluss von unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII eine Ermessensreduzierung auf Null folgt und nicht allein aufgrund des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGG II das Ermessen stets auf Null reduziert ist. Der Gesetzgeber hat § 41a Abs 7 SGB II unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um das Existenzminimum sichernde Leistungen handelt, als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Deshalb müssen neben den Umstand der Existenzsicherung weitere Punkte hinzutreten, um eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen (vgl. dazu im Einzelnen: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. April 2017 - L 13 AS 113/17 B ER).

Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 2 Nr 2 SGB II ist mit Europarecht vereinbar, wie der EuGH entschieden hat (EuGH, Urteil vom 15. September 2015 - Rs. C-67/14 - Alimanovic -). Die Vereinbarkeit des § 7 Abs 2 SGB II in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung ist nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union und auch nicht Gegenstand eines Verfahrens beim BSG.

Entgegen dem 8. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 16. Februar 2017 (L 8 SO 344/16 B ER) kommt auch eine entsprechende Anwendung des § 41a Abs 7 Satz 1 Nr 1 SGB II nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat sich gerade unter Berücksichtigung der seinen Intentionen entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG veranlasst gesehen, die Neuregelung zu schaffen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 18/10211 S. 1, 2). Er hat neben den weiterhin bestehenden Möglichkeiten des Leistungsbezugs für bestimmte Gruppen von Ausländerinnen und Ausländern nach § 7 SGB II in § 23 SGB XII einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen und hierzu auch eine Härtefallregelung vorgesehen, die jedoch hier schon aufgrund der entgegenstehenden bestandskräftigen Entscheidung des SG Hannover im Verfahren betreffend die Gewährung von SGB XII-Leistungen nicht zu erörtern sind. Durch diese Regelungen ist aber hinreichend dem grundgesetzlich garantierten menschenwürdigen Existenzminimum Rechnung getragen. Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Senat nicht und bezieht sich insoweit auf die überzeugende Begründung des Beschlusses des 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2017, a.a.O.

Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, es liege keine Aufforderung zur Ausreise durch die zuständige Ausländerbehörde vor, reicht dies nicht aus, einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II glaubhaft zu machen. Wie der 9. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen in der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt hat, kann die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Leistungen nach dem SGB II und XII nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Ausländerbehörden ein Verwaltungsverfahren einleiten und die Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 FreizügG/EU feststellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) kam schon mangels Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Betracht (§ 73 SGG i.V.m. § 117 Abs 2, 118 Abs 2 Satz 4 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Antragstellerin hat zwar eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, jedoch trotz Aufforderung und Fristsetzung keine Kontoauszüge. Darüber hinaus hatte die Rechtsverfolgung - wie oben dargelegt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.