Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.05.2017, Az.: L 2 R 65/17

Sozialversicherungspflicht von Ehegatten; Anforderungen an die Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses; Kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei Scheingeschäften; Begründung von rechtswirksamen Arbeitsverträgen durch Schwangere

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
17.05.2017
Aktenzeichen
L 2 R 65/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 43614
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 05.01.2017 - AZ: S 4 R 273/14

Amtlicher Leitsatz

Die Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit dem Ehegatten erfordert dessen Eingliederung in den Betrieb und dessen jedenfalls eingeschränkte Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung; hingegen zählen weder eine "Unumgänglichkeit" seiner Heranziehung noch der "Ersatz" einer anderweitigen Arbeitskraft zu den maßgeblichen Voraussetzungen.

Redaktioneller Leitsatz

Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Versicherungspflicht tritt ferner nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Diese Rechtsprechung beinhaltet aber keineswegs, dass Schwangere keine rechtswirksamen Arbeitsverträge begründen können.

Tenor:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2014 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht erstattungsfähig. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die bei der Beigeladenen zu 2. krankenversicherte Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung eines ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen ihr und ihrem zu 1. beigeladenen Ehemann feststellenden Bescheides der Beklagten.

Der aus Polen stammende Beigeladene zu 1. bestritt 2012 seinen Lebensunterhalt im niedersächsischen J. als selbständiger Anbieter von sog. Hausmeisterdienstleistungen. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes K. beliefen sich seine Einkünfte aus Gewerbetrieb im Jahr 2012 auf 8.764 EUR.

Am 16. Juli 2012 schloss er mit seiner Ehefrau, der ebenfalls aus Polen stammenden Klägerin, einen "Arbeitsvertrag in der Gleitzone" ab, wonach die Klägerin ab dem 1. August 2012 in seinem Betrieb an fünf Tagen in der Woche jeweils von 10 bis 12 Uhr zu einem Monatsgehalt von 440 EUR arbeiten sollte. Die Klägerin war seinerzeit hochschwanger; als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde seinerzeit der 13. September 2012 angenommen.

Tatsächlich wurde der Sohn der Klägerin am 10. September 2012 geboren. Elf Tage später, am 21. September 2012, ging bei der Beklagten ein Feststellungsbogen der Klägerin zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses ein. In diesem Fragebogen hatte die Klägerin insbesondere die Fragen bejaht, dass sie die Tätigkeit tatsächlich ausübe, dass ohne ihre Mitarbeiter eine andere Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen und dass das Arbeitsentgelt regelmäßig gezahlt werde.

Daraufhin richtete die Beklagte am 27. September 2012 - in Unkenntnis der kürzlich erfolgten Entbindung - jeweils einen Bescheid an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1., mit sie feststellte, dass die angemeldete Tätigkeit im Rahmen eines versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

In welchem tatsächlichen Umfang die Klägerin vor der Geburt im Betrieb ihres Mannes mitgearbeitet hat, ist streitig. Am 6. August 2012 zahlte der Beigeladene zu 1. an die Klägerin eine Gehaltsvorauszahlung in Höhe von 100 EUR, am 20. August 2012 erfolgte die Zahlung eines restlichen Gehalts für August 2012 in Höhe von 242,52 EUR. Diese Zahlungen korrespondieren mit einer ersten Gehaltsabrechnung für den Monat August 2012, die das von dem Beigeladenen zu 1. beauftragte Steuerberaterbüro am 15. August 2012 erstellt hat, und in der ausgehend von einem Bruttogehalt der Klägerin in Höhe von 440 EUR ein Nettogehalt in Höhe von 342,52 EUR ermittelt worden ist.

Allerdings erfolgte unter dem Datum vom 19. September 2012 eine Neuberechnung des der Klägerin für August 2012 zustehenden Gehalts unter der Annahme einer Unterbrechung ihrer Tätigkeit ab dem 2. August 2012 aufgrund des Beginns der Mutterschutzfrist. Nunmehr war nur noch ein Gehaltsanspruch (für den 1. August 2012) in Höhe von 14,67 EUR brutto und 12,86 EUR netto ausgewiesen. Es wurde eine Überzahlung in Höhe von 329,66 EUR errechnet. Diese ist allerdings tatsächlich von der Klägerin nicht erstattet worden. Für September 2012 erfolgte von vornherein keine Gehaltszahlung. Gegenüber der Finanzverwaltung hat die Klägerin für das gesamte Jahr 2012 lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit in einer Gesamthöhe von 14 EUR deklariert (vgl. ebenfalls den o.g. Steuerbescheid).

Jedenfalls hat die Klägerin im ersten Jahr nach der Geburt des Sohnes unstreitig nicht im Betrieb ihres Mannes mitgearbeitet. Erst ab September 2013 nahm der Beigeladene zu 1. (korrespondierend nach seinen Angaben mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit seiner Ehefrau in seinem Betrieb) wieder die monatlichen Gehaltszahlungen (nunmehr in Höhe von 520 EUR brutto) auf.

Nachdem die Klägerin dort um die Gewährung von Mutterschaftsgeld nachgesucht hatte, wandte sich die Beigeladene zu 2. an die Beklagte mit einem am 23. Oktober 2012 eingegangenen Schreiben und beantragte die Aufhebung des o.g. Statusfeststellungsbescheides mit der Begründung, dass es "völlig abwegig, unplausibel und unüblich" sei, dass ein Arbeitgeber eine hochschwangere Mitarbeiterin zur Abdeckung eines Arbeitsbedarfs einstelle, die mit Gewissheit aufgrund des Schutzfristbeginns kurzfristig und nahezu von Anfang an ausfallen werde.

Der Klägerin teilte die Beigeladene zu 2. (die ihrerseits in dem o.g. Schreiben an die Beklagte auf einen voraussichtlichen Entbindungstermin am 13. September 2012 abgestellt hatte), mit Schreiben vom 19. Oktober 2012, dass "die Schutzfrist" (gemeint offenbar nach § 3 Abs. 2 MuSchG) bereits am 30. Juli 2012 begonnen habe (rechnerisch richtig wäre der 3. August 2012 gewesen).

Mit Schreiben vom 31. Mai 2013 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer in Betracht kommenden Aufhebung des Statusfeststellungsbescheides an. Nach weiterem Schriftverkehr nahm die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 17. Januar 2014 den Bescheid vom 27. September 2012 "vollumfänglich" mit Wirkung ab dem 1. August 2012 gestützt auf § 45 SGB X zurück. Im Tenor dieses Bescheides hieß es weiter: Es wird nunmehr festgestellt, dass ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht durchgeführt werde, da die Tätigkeit gegen Entgelt nicht zum 1. August 2012 aufgenommen worden sei.

In den Gründen des Bescheides führte die Beklagte u.a. aus: "Das nunmehr nach der Schwangerschaft und nach Ablauf des Erziehungsjahres die Tätigkeit ab September 2013 gegebenenfalls wieder aufgenommen sein könnte, ist für die Beurteilung ab 1. August 2012 ohne Bedeutung. Der Bescheid wird vollumfänglich für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen. Sofern von den Beteiligten gewünscht, kann ein optionales Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV für den Zeitraum ab September 2013 durchgeführt werden. Hierzu bitten wir um gesonderte Antragstellung."

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2014 zurück. Die vorgelegten Unterlagen würden nicht ausreichen, um ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis, welches ggfs. über den Rahmen einer versicherungsfreien familienhaften Mithilfe hinausgehe, zu belegen. Die Mitarbeit der Klägerin sei für die Erfüllung der betrieblichen Zielsetzung nicht unumgänglich notwendig gewesen. Sie habe keine fremde Arbeitskraft ersetzt.

Mit der am 10. Juli 2014 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie in einem ganz normalen Arbeitsverhältnis zu ihrem Ehemann stehe. Ihre Einstellung als Bürohilfe sei eine Investition gewesen. Sie verfüge über einen Hochschulabschluss und über deutlich bessere Kenntnisse der deutschen Sprache als ihr Ehemann, so dass es für diesen von großem Vorteil sei, wenn sie die Büro- und Verwaltungstätigkeiten erledige. Da beide Eheleute aus Polen stammen, seien diesen die deutsche Mutterschutzvorschriften ohnehin nicht bekannt gewesen. Tatsächlich habe sie vor der Geburt ihres ersten Kindes bis zum 7. September 2012 in Betrieb ihres Ehemanns im vereinbarten Rahmen mitgearbeitet.

Nach einem einjährigen Erziehungsurlaub habe sie die Arbeit zum 1. September 2013 wieder aufgenommen und bis zum 30. April 2014 (d.h. bis zu dem Beginn der Mutterschutzfrist anlässlich der Geburt ihrer Tochter L.) fortgesetzt.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2017, der Klägerin zugestellt am 11. Januar 2017, hat das Sozialgericht Stade die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe im Betrieb ihres Ehemanns allenfalls eine versicherungsfreie familienhafte Mithilfe erbracht. Sie habe im Ergebnis lediglich einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 14,67 EUR erhalten. In der allgemeinen betrieblichen Praxis sei es allein aus ökonomischen Gründen nicht üblich, eine Hochschwangere einzustellen. Die Tätigkeit ab September 2013 sei nicht streitgegenständlich.

Mit ihrer am 13. Februar 2017 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf Nachfrage des Senats hat sie mitgeteilt, dass eine Vorlage von Arbeitsergebnissen nicht möglich sei.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt insbesondere aus, dass das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Statusfeststellungsbescheides überwogen habe.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Mangels einer Ermessensreduzierung ist die zur Überprüfung gestellte Entscheidung der Beklagten bereits aufgrund durchgreifender Ermessensfehler aufzuheben.

Als die Klägerin jedenfalls auch begünstigender Verwaltungsakt durfte der im Verfahren nach § 7a SGB IV ergangene Bescheid der Beklagten vom 27. September 2012 über die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. nachfolgend nach den Vorgaben des § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Dabei darf insbesondere nach Abs. 2 ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (Nr. 1) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (Nr. 2) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Auch soweit nach diesen Vorgaben eine Aufhebung von rechtswidrigen begünstigen Verwaltungsakten in Betracht kommt, hat darüber die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsachengerichte in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (BSG, U.v. 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R - Breithaupt 2011, 630).

Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) muss die Begründung eines schriftlichen Verwaltungsaktes, der eine Ermessensentscheidung zum Inhalt hat, "auch" die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Erforderlich ist eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist. Formelhafte Wendungen, etwa dass "keine Besonderheiten gegeben" seien oder "hinsichtlich der Umstände nichts Besonderes ersichtlich" sei, reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und ggfs. in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BSG, U.v. 18. April 2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr 2).

Aus den vorstehend erläuterten Vorgaben ergibt sich, dass im Streitfall die Sozialgerichte nicht ihrerseits eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der in Betracht kommenden Rehabilitationsmaßnahme zu treffen haben, sie haben vielmehr lediglich die von der Beklagten getroffene Entscheidung nach Maßgabe der Begründung des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) daraufhin zu überprüfen, ob sie fehlerfrei getroffen worden ist.

Im vorliegenden Zusammenhang hat die Beklagte bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass ihr Bescheid vom 27. September 2012 eine Dauerwirkung aufwies. Das jedenfalls formal mit dem Arbeitsvertrag vom 16. Juli 2012 begründete Beschäftigungsverhältnis bestand noch bei Erlass des Widerspruchsbescheides (und nach Aktenlage auch in der Folgezeit) fort. Zwischenzeitliche Zeiten des Mutterschutzes und der Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 15 BEEG waren als solche von vornherein nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis zu beenden (vgl. auch § 18 BEEG).

Die mit Statusfeststellungsbescheid vom 27. September 2012 getroffene Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses galt damit bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Aufhebungsentscheidung im der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2014 fort. Zu einer "vollumfänglichen" Aufhebung dieser Entscheidung, wie sie die Beklagte ausdrücklich vorgenommen hat, wäre sie schon im Ausgangspunkt nur berechtigt gewesen, wenn sie sich bezüglich des gesamten Zeitraums bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Überzeugung gebildet hätte, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Hätte die Beklagte hingegen nur für Teilzeiträume das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung feststellen können, dann hätte sie auch nur eine damit korrespondierende Teilaufhebung des Statusfeststellungsbescheides vornehmen dürfen. Die materielle Beweislast trägt bei Aufhebungsentscheidungen im Ausgangspunkt ohnehin die Behörde (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 41/15 R -, SozR 4-4200 § 9 Nr 14).

Das dauerhafte Fehlen einer abhängigen Beschäftigung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. für den gesamten Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides wollte die Beklagte aber gar nicht treffen. Sie hat vielmehr in dem angefochtenen Bescheid - rechtsirrtümlich - ausdrücklich darauf abgestellt, dass es aus ihrer Sicht gar nicht darauf ankomme, ob die Tätigkeit ab September 2013 gegebenenfalls wieder aufgenommen sein könnte.

Schon vor diesem Hintergrund liegt der von der Beklagten getroffenen Ermessensentscheidung ein nur unvollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde. Sie hat augenscheinlich nicht alle maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte berücksichtigt.

Darüber hinaus zeigen sich auch weitere durchgreifende Ermessensfehler: Der Sachverhalt ist auch insofern unvollständig aufgeklärt, als die Gründe der angefochtenen Entscheidungen nicht konkret erkennen lassen, in welchem Umfang aus Sicht der Beklagten die streitbetroffene Tätigkeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemanns in den in Betracht kommenden Teilzeiträumen tatsächlich ausgeübt wurde. So findet sich im Widerspruchsbescheid (vgl. dort S. 3) schon der - sprachlich letztlich unverständliche - Hinweis: "Die Angaben im hier geführten Verfahren, sowohl im Formvordruck, als auch durch den Arbeitsvertrag, waren nicht geeignet zu erkennen, dass die Tätigkeit tatsächlich nicht ausgeübt wurde."

Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt hat, dass die Unterlagen Gehaltsabrechnungen und Kontoauszüge erst für den Zeitraum ab September 2013 ausweisen würden (vgl. ebenfalls S. 3 des Widerspruchsbescheides), ist die Beurteilung aktenwidrig. Auch für August 2012 waren seinerzeit - wie im Tatbestand näher erläutert - bereits Gehaltsabrechnungen und Gehaltszahlungen aktenkundig.

Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid (vgl. dort S. 2) ausgeführt hat, dass die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichen würden, "um ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis, welches ggf. über den Rahmen einer versicherungsfreien familienhafte Mithilfe hinausgeht, zu belegen", hat sie bereits verkannt, dass im Aufhebungsverfahren nach § 45 SGB X im Ausgangspunkt die Behörde die Beweislast für die ggfs. die Rechtswidrigkeit des maßgeblichen Ausgangsbescheides begründenden Tatsachen trägt; es genügt schon im Ausgangspunkt gerade nicht, sich auf die Feststellung zurückzuziehen, dass die Rechtmäßigkeit bestätigende Tatsachen nicht hinreicht "belegt" seien. Im Übrigen macht die Formulierung "ggf." deutlich, dass sich die Beklagte überhaupt keinen konkreten Überblick über den tatsächlichen Sachverhalt verschafft hat.

Soweit die Beklagte darauf abgestellt hat, dass die Mitarbeit der Klägerin für die "Erfüllung der betrieblichen Zielsetzung" nicht "unumgänglich" gewesen sei und dass die Klägerin auch keine fremde Arbeitskraft "ersetzt" habe, hat sie auf Kriterien abgestellt, denen im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang keine rechtliche Relevanz in dem offenbar von der Beklagten angenommenen Sinne zukommt.

Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit auf Grund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, mwN). Weder eine "Unumgänglichkeit" der Heranziehung eines Mitarbeiters noch der "Ersatz" einer anderweitigen Arbeitskraft gehören damit zu den maßgeblichen Voraussetzungen.

Soweit die Beklagte in der Ermessensbegründung darauf abgestellt hat, dass ihre Entscheidung keine "unzumutbaren Nachteile" für die Klägerin mit sich bringe, hat sie bereits im Ausgangspunkt versäumt, näher aufzuzeigen, welche Nach- und ggfs. auch Vorteile mit der angefochtenen Aufhebungsentscheidung für die Beteiligten verbunden waren. Damit hat sie sich zugleich der Möglichkeit einer nachvollziehbaren Beurteilung des Ausmaßes dieser Nachteile und ihrer Zumutbarkeit entzogen.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts gehört auch die genaue Erfassung und Gewichtung der Umstände, die einen Verschuldensvorwurf im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zu begründen vermögen. Die im Widerspruchsbescheid erfolgte Wiedergabe des Gesetzeswortlauts dieser Vorschrift mit dem formelhaften Zusatz "Diese Voraussetzungen liegen vor" vermag dafür von vornherein nicht zu genügen.

Anknüpfend an die Ausführungen der zu 2. beigeladenen Krankenkasse im Schreiben vom 29. August 2011, wonach die Einstellung einer hochschwangeren Arbeitnehmerin als unüblich und sogar als "völlig abwegig" eingeschätzt wird, ist im Übrigen nachdrücklich auf das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 4 GG hinzuweisen. Es wäre ein von Verfassungs wegen zu missbilligender Missstand, wenn schwangere Frauen auf dem Arbeitsmarkt keine Einstellungschancen hätten, einem solchen Missstand müssten Gesetzgeber und Verwaltung im Rahmen ihrer Möglichkeiten entgegenwirken.

Der Schutz des ungeborenen Lebens, der Schutzauftrag für Ehe und Familie (Art. 6 GG) und die Gleichstellung von Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. Art. 3 Abs. 2 GG) verpflichten den Staat und insbesondere den Gesetzgeber, Grundlagen dafür zu schaffen, dass Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können und die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt (BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 -, BVerfGE 88, 203, Rn. 183). Dieses Gebot erfasst selbstverständlich auch bereits den Zeitraum der Schwangerschaft, solange kein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG wirksam wird. Auf den Schutz nach § 3 Abs. 2 MuSchG können Schwangere ohnehin verzichten.

Dabei berechtigt natürlich auch eine Schwangerschaft nicht zur Begründung von Scheinarbeitsverhältnissen. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Versicherungspflicht tritt ferner nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben (BSG, Urteil vom 29. September 1998 - B 1 KR 10/96 R -, SozR 3-2500 § 5 Nr 40). Diese Rechtsprechung beinhaltet aber keineswegs, dass Schwangere keine rechtswirksamen Arbeitsverträge begründen können. Auch Hochschwangere haben selbstverständlich dieses Recht. Soweit Besonderheiten des Einzelfalls gleichwohl Anhaltspunkte für die Prüfung eines Scheinarbeitsverhältnisses geben sollten, bedarf es jedenfalls einer sorgfältigen Gesamtprüfung der bei Vertragsschluss für die in Aussicht genommene Gesamtdauer zu erwartenden wechselseitigen Leistungen in dem Arbeitsverhältnis, die sich schon im Ausgangspunkt nicht auf einzelne Abschnitte - etwa bis zum Eintritt einer Mutterschutzfrist - beschränken darf. Nur wenn die maßgebliche Gesamtprüfung ergibt, dass das Arbeitsverhältnis in wesentlichen Teilen "lediglich vorgetäuscht werden soll", bleibt Raum für seine Einstufung als Scheingeschäft.

Nachvollziehbare Feststellungen in diesem Sinne hat die Beklagte jedoch, wie dargelegt, nicht einmal ansatzweise zu treffen vermocht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.