Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.05.2017, Az.: L 4 KR 86/14

Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die gastspielverpflichteten Künstler

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
17.05.2017
Aktenzeichen
L 4 KR 86/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 16484
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 02.02.2011 - AZ: S 31 KR 372/07

Fundstellen

  • AuUR 2017, 318
  • DStR 2017, 11
  • NZG 2017, 7
  • NZS 2017, 6-7

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 2. Februar 2011 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Instanzen zu zahlen.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht wird auf 9.202,92 Euro und für das Berufungsverfahren auf 7.153,40 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Berufungsverfahren noch gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 7153,40 Euro für die beigeladenen gastspielverpflichtete Künstler durch die Beklagte nach einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin betreibt ein Staatstheater als selbständigen Betrieb. Sie schloss durch den Generalintendanten und den Verwaltungsdirektor mit mehreren Künstlern, so auch mit den Beigeladenen zu 1. bis 4., Verträge über ihre Gastspielverpflichtungen.

Die Beklagte führte in der Zeit vom 11. bis zum 14. Juni 2007 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Dabei prüfte sie die ihr vorgelegten Gastspielverpflichtungen der Beigeladenen zu 1. bis 4. Die Gastspielverpflichtungen sind in einem Mustervertrag geregelt, der für alle 4 Beigeladenen annähernd gleich geregelt ist.

In dem Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. vom 9. Oktober 2006 heißt es wie folgt:

§ 1

Herr N. wird als Sänger für die Partie des O. in der Produktion

"O." (in italienischer Sprache)

verpflichtet.

§ 2

"Der Gast steht dem P. wie folgt zur Verfügung:

Beginn der Proben: 09.10.2006

WA-Premiere: 12.10.2006

Vorstellungstermine:12.10.2006

19.10.2006

22.10.2006

Der Gast ist verpflichtet;

sich über Beginn und Ort von Proben und Aufführungen beim P. rechtzeitig zu unterrichten,

allen Weisungen des P. nachzukommen, auch hinsichtlich Regie, Kostüm u. Maske,

mit gelernter Rolle/Partie zu den Proben zu erscheinen,

an allen Proben teilzunehmen, die seine Anwesenheit erfordern, einschließlich Sonn- Feiertags- und Umbesetzungsproben sowie Wiederaufnahmeproben,

die vom P. festgesetzte Applausordnung zu beachten,

sich bei allen Aufführungen mindestens eine halbe Stunde vor Beginn des Aktes, in dem er aufzutreten hat, in seinem Ankleideraum einzufinden.

§ 3

Der Gast erhält für die vereinbarte Leistung:

Pro wahrgenommenem Probentag ein Honorar i.H.v. brutto Q. (i.W.: R.) zzgl. Fahrtkosten S. 2. Kl. BC 25 (plus nachgewiesene Zuschläge/Aufpreise IC/ICE).

Für die wahrgenommene Vorstellung ein Honorar i.H.v. brutto T. (i.W.: U.) zzgl. Fahrtkosten S. 2.Kl. BC 25 (plus nachgewiesene Zuschläge/Aufpreis IC/ICE und notwendiger Übernachtungskosten (V. o.ä.).

Erholungsurlaub kann während der Vertragszeit nicht gewährt werden. Von dem vereinbarten Bruttohonorar dient 1/13 der Abgeltung eines ggf. bestehenden Anspruchs auf Erholungsurlaub.

Die Zahlung erfolgt nach der Vorstellung auf ein anzugebendes Konto."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt I60 der Verwaltungsakte verwiesen.

Am selben Tag bereits schloss der Beigeladene zu 1. mit der Klägerin noch weitere, im Wesentlichen gleichlautende Verträge für weitere Vorstellungen am 12. November 2006, 30. November 2006, 2. Dezember 2006 und 21. Dezember 2006 ab.

Die Vertragsgestaltung der anderen Beigeladenen war ähnlich. Auch für diese Beigeladenen wurden jeweils weitere Termine für Aufführungen im Jahr 2005 bzw 2006 schon am Tag des ersten Vertragsschlusses vereinbart. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt I38 ff der Verwaltungsakte verwiesen.

Die Beklagte forderte nach der Betriebsprüfung von der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juni 2007 Gesamtsozialversicherungsbeiträge i. H. v. 9202,92 Euro nach. Grundlage war die Ansicht der Beklagten, dass für die Beigeladenen zu 1. bis 4. ein Dauerbeschäftigungsverhältnis bis zur letzten Vorstellung bestehe und nicht ein jeweils eintägiges Beschäftigungsverhältnis für die jeweilige Aufführung, wie von der Klägerin angenommen. Dabei hat die Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur bis zur kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze entrichtet. Neben der Nachforderung für die hier im Streit befindliche Nachforderung für die Beigeladenen von 1. bis 4. waren u. a. kurzfristige Beschäftigungen im Streit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom November 2007, abgesandt am 7. November 2007).

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, die am 20. November 2007 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig eingegangen ist. Ausweislich der Klagebegründung im Schriftsatz vom 8. Januar 2008 (Blatt 46 GA) hat sie sich gegen die Beitragsnacherhebung insgesamt und nicht nur betreffend die Beigeladenen zu 1. bis 4. gewandt. Eine Auseinandersetzung mit den anderen Personen, für die Beiträge nacherhoben werden, hat nicht stattgefunden. Sie ist der Ansicht, dass vorliegend kein Dauerbeschäftigungsverhältnis bestehe. Nach dem geschlossenen Vertrag kämen die Beigeladenen ihrer Vertragsverpflichtung mit der wahrgenommenen Vorstellung nach. Nur hierfür bezögen sie eine Gage. An den anderen Tagen könnten sie für andere Häuser Verpflichtungen übernehmen. Eine Einflussnahme auf die Beigeladenen durch die Klägerin zwischen den vereinbarten Terminen sei naturgemäß ausgeschlossen. Mit der Premiere sei der erhöhte Aufwand für Proben abgeschlossen. Eine Einordnung in den Betrieb des Schauspielhauses bestehe dann nicht mehr. Für keinen gastspielverpflichteten Künstler bestehe nach der Premiere eine Weisungsgebundenheit. Diese Regelung gebe ihnen die Möglichkeit, in der Zwischenzeit für andere Häuser tätig zu sein, was die gastspielverpflichteten Künstler auch regelmäßig wahrnehmen würden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage dergestalt konkretisiert, dass nur die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1 bis 4. im Streit sein sollen.

Mit Urteil vom 2. Februar 2011 hat das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es sich der Ansicht der Klägerin angeschlossen. Nach § 7 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer sei danach, wer unselbständige Arbeit leiste, das heißt von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Persönliche Abhängigkeit erfordere Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht könne zwar, insbesondere bei Diensten höherer Art, erheblich eingeschränkt sein, vollständig entfallen dürfe es jedoch nicht. Die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung sei nicht stets notwendige Voraussetzung für den Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses, solange das Arbeitsverhältnis fortbestehe und Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen hätten, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Für die Frage eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses komme es darauf an, ob eine ausdrückliche Vereinbarung über das Bestehen eines unbefristeten Rechtsverhältnisses vorliege oder ob es sonstige - auf Stillschweigen beruhende - Abreden gebe, aus denen sich ergebe, dass die Rechtsbeziehung auf Dauer angelegt sein solle. Eine derartige Abrede liege für die Zeit nach der Premiere gerade nicht vor. Von der Klägerin hätten ohne Vereinbarung mit den Beigeladenen keine weiteren Termine einseitig angesetzt werden können.

Gegen das am 11. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, die am 3. März 2011 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist.

Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 8. April 2011 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Verfahren B 12 R 13/10 R angeordnet.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 hat die Beklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Das BSG habe mit Urteil vom 20. März 2013 zum Aktenzeichen B 12 R 13/10 R entschieden, dass die Rechtsauffassung der Beklagten zutreffend sei. Danach seien gastspielverpflichtete Bühnenkünstler, die in einem Ensemble mitwirkten und in den "Betrieb" des Theaters eingegliedert seien, nicht nur für den Probezeitraum und an den einzelnen Vorstellungstagen in einem abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, sondern auch für die Zeit zwischen den einzelnen Aufführungen, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der Tätigkeit vom ersten Probentag bis zum letzten Vorstellungstag das Bild einer durchgehenden Beschäftigung ergebe und in den Zwischenzeiträumen eine Arbeitsverpflichtung nach Art einer Dienstbereitschaft bestehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Braunschweig vom 2. Februar 2011 aufzuheben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom November 2007 aufgehoben wurde und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der im Urteil des BSG beschriebene Sachverhalt liege anders als im vorliegenden Fall. In den Verträgen mit den gastspielverpflichteten Künstlern sei klar geregelt, dass kein Dauerbeschäftigungsverhältnis bestehen solle. In der Praxis spiele/singe der Gast nicht unbedingt alle Vorstellungen, sondern Partien seien durchaus doppelt besetzt. Darüber hinaus gebe es Gastspieler, die ohne den gesamten Probenzeitraum absolviert zu haben, für Vorstellungen zur Verfügung stünden. Der Gastspieler stehe gerade nicht in einer Art Dienstbereitschaft. Sie müssten eine Erreichbarkeit nicht zusichern. Die Klägerin hat sog. "Musterverträge" für gastspielverpflichtete Künstler vorgelegt. So wie in diesen Verträgen geregelt werde auch tatsächlich verfahren. Unter § 1 Abs. 4 des Vertrages heißt es u. a.:

"Nach der Premiere steht der Gast der Bühne nur an den einzelnen Vorstellungstagen für die einzelne Vorstellung zur Verfügung. Für diese Tage wird mithin jeweils ein Arbeitsverhältnis begründet."

Wegen des weiteren Inhalts wird auf Blatt 196 ff der Gerichtsakte verwiesen. Sie hat weiterhin vorgetragen, dass von Seiten der Klägerin für Aufführungstermine nach der Premiere Kontakt zu den Künstlern aufgenommen werde und einvernehmlich Termine festgesetzt würden an denen alle teilnehmenden Künstler verfügbar seien. Daran zeige sich, dass kein Weisungsrecht der Klägerin bestanden habe.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Urteil des SG Braunschweig überzeugt den Senat nicht und ist deshalb aufzuheben. Die Beigeladenen von 1. bis 4. haben in den einzelnen Zeiträumen in einem (Dauer-) Beschäftigungsverhältnis gem. § 7 SGB IV zur Klägerin gestanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist daher zutreffend. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage folglich abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1. bis 4. waren im Rahmen der mit ihnen jeweils als Gast abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen vom Tag der Aufnahme ihrer Tätigkeit (erster Probentag) bis zu deren Ende (letzter Vorstellungstermin) in einem dauernden entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin, so dass grundsätzlich Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung und zur Umlage U2 bestand. Bei den Beigeladenen zu 1. und 3. kommt allerdings nur eine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit sowie zur Umlage U2 in Betracht. Bei der Beigeladenen zu 2. und dem Beigeladenen zu 4. liegt Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung und zur Umlage U2 vor.

Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 20. März 2013, Az.: B 12 R 13/10 R (abgedruckt in SozR 4-2400 § 7 Nr. 19) ausgeführt hat, waren die Künstler nicht nur vom Tag der ersten Probe bis zur Premiere, sondern auch im Anschluss daran bis zur letzten Vorstellung in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis. Eine unständige Beschäftigung für die Aufführungen nach der Premiere lag gerade nicht vor. In den Jahren 2005 und 2006 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGV IV) in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige der Versicherungspflicht. Für die Rentenversicherung regelte § 1 S. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und im Arbeitsförderungsrecht § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Versicherungspflicht übereinstimmend mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV. In der Kranken- und Pflegeversicherung waren Arbeiter und Angestellte versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - bzw. § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Halbs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Damit setzten alle Versicherungstatbestände eine Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV voraus.

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unveränderten Fassung ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 20. März 2013, aaO).

Diese Grundsätze sind auch auf Künstler anzuwenden. Eine Abweichung hiervon wegen des Tarifvertrags "Normalvertrag (NV) Bühne" kommt auch nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 20.März 2013 (aaO) nicht in Betracht.

Nach den zuvor genannten Grundsätzen waren die Beigeladenen zu 1. bis. 4. auch in der Zeit nach der Premiere bis zur letzten Vorstellung in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin. Denn sie unterlagen bei den jeweiligen Aufführungen einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Theaters, welches zwar im Hinblick auf die Erfordernisse der künstlerischen Tätigkeit "verfeinert" war, jedoch wegen der Notwendigkeit des Zusammenwirkens im Ensemble über die Festlegung gewisser "Eckpunkte" der Aufführungen wie deren Beginn und Ende sowie den "groben" Inhalt der künstlerischen Tätigkeit als Künstler hinausging. Die Beigeladenen waren an den Aufführungstagen auch vollumfänglich an den "Betrieb" des Theaters eingegliedert.

Diese Weisungsgebundenheit bestand jedoch nicht nur während der Vorstellungen, sondern auch dazwischen.

Nach Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen auch nach der Premiere bis hin zur letzten Vorstellung in einer "Arbeitsverpflichtung" zur Klägerin standen. Sowohl nach dem tatsächlich geschlossenen Vertrag mit den Beigeladenen als auch nach dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren sowie dem vorgelegten Gastspielvertragsmuster bestand eine Dienstbereitschaft der Beigeladenen.

Es liegt auf der Hand, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladenen an weiteren Vorstellungen nach der Premiere interessiert waren. Aus diesem Grund hat die Klägerin bereits bei Vertragsabschluss für die Zeit der Aufnahme der Proben bis hin zur Premiere am selben Tag weitere Termine mit den Beigeladenen vereinbart. Damit bestand eine Art der Dienstbereitschaft der Beigeladenen auch für die Zeit nach der Premiere. Diese Dienstbereitschaft wurde von der Klägerin im Berufungsverfahren insofern eindeutig bestätigt, als weitere Termine für Aufführungen zwischen der Klägerin und dem Künstler auch tatsächlich vereinbart wurden. Diese Termine wurden in beiderseitigem Einvernehmen festgelegt. Daraus wird aber deutlich, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladenen von einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung für weitere Vorstellungen von Anfang an ausgingen. Eine Verweigerung von weiteren Vorstellungen war von beiden Seiten gerade nicht vorgesehen. Aus diesem Grund hat die Klägerin in dem im Berufungsverfahren vorgelegten Mustervertrag folgende Klausel in § 1 Nr. 5 des Mustervertrages eingearbeitet:

"Nach der Premiere steht der Gast der Bühne nur an den einzelnen Vorstellungstagen für die jeweilige Vorstellung zur Verfügung."

Diese Formulierung beinhaltet nicht nur das Recht der Klägerin, weitere Termine für Vorstellungen von den Künstlern einzufordern, sondern auch die Verpflichtung der Künstler, weitere Vorstellungen mit der Klägerin zu vereinbaren. Damit hat aber eine Abrede zwischen der Klägerin und den Beigeladenen auch für die Zeit nach der Premiere bestanden, eine Arbeitsleistung zu erbringen. Allein die von der Klägerin behauptete einvernehmliche Absprache der Termine zwischen Klägerin und den Künstlern kann über die letztlich permanente Bereitschaft zur Arbeitsleistung nicht hinwegtäuschen. Es hat daher sowohl nach dem vorgelegten Vertrag als auch nach der von der Klägerin vorgetragenen betrieblichen Übung genau wie im vom BSG im Urteil vom 20. März 2013 (aaO) entschiedenen Fall eine Art "Bereitschaftsdienst" bestanden. Die Beigeladenen waren verpflichtet, weitere Vorstellungen zu leisten, je nach Bedarf durch die Klägerin, die sich naturgemäß an der Nachfrage durch die Zuschauer ausrichtet. Die Beigeladenen waren daher dem Grunde nach verpflichtet, sich zur Verfügung zu halten für weitere Aufführungen, auch wenn diese einvernehmlich terminiert wurden.

Die Beigeladenen zu 1. bis 4. unterlagen damit der Verfügungsmacht der Klägerin auch zwischen den Vorstellungen, aber auch in Bezug auf die Verschiebung von Vorstellungen oder bei der Anberaumung von Vorstellungen, die für die Medien zur Verfügung gestellt werden sollten, oder auch für jene, die an anderen Spielstätten aufgeführt werden sollten. So heißt es unter § 4 Abs. 2 des Vertrages mit den Beigeladenen, dass die vom Staatstheater nicht erfüllten Vorstellungen in die darauffolgende Spielzeit übertragen werden können. Damit besteht für die Beigeladenen eine Verpflichtung, über die Premiere hinaus und jede weitere Vorstellung, sogar bis in die darauffolgende Spielzeit, der Klägerin zur Verfügung zu stehen und eine Dienstbereitschaft zu erbringen. In diesem Sinne ist auch die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des vorgelegten Mustervertrages zu sehen. Darin heißt es wie folgt:

"Die Mitwirkung des Gastes erstreckt sich über § 1 Nr. 1 hinaus auch auf Aufführungen des in § 1 genannten Werks durch die Bühne an anderen Spielorten im In- und Ausland sowie auf die Mitwirkung bei der Übertragung der Darbietung durch Funk ."

Aus dieser Regelung wird deutlich, dass die Klägerin nicht nur über die Zeit und Art und Weise der Arbeitsleistung der Beigeladenen bestimmen konnte, sondern auch über den Ort der Arbeitsleistung.

Bei Betrachtung dieser Vereinbarungen im Gesamtzusammenhang, die zusätzlich von den Beteiligten auch entsprechend "gelebt" wurden, besteht eine Verpflichtung der Beigeladenen zur kurzfristigen Dienstbereitschaft als Teil der geschuldeten Arbeitsleistung. Diese begründet eine Verfügungsbefugnis für die Klägerin auch für die Zeiten zwischen den Vorstellungen, wie sie typisch für ein Beschäftigungsverhältnis gem. § 7 SGB IV ist. Damit besteht eine Dauerbeschäftigung der Beigeladenen vom ersten Probentag bis zur letzten Vorstellung, wie sie auch die Beklagte im angefochtenen Bescheid festgestellt hat. Dementsprechend hat die Beklagte die nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge incl. der Umlage 2 zutreffend berechnet. Die Klägerin hat gegen die Berechnung auch keine Einwände erhoben. Mithin ist das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

In Anbetracht dieser eindeutigen Regelungen in den Verträgen und der entsprechend gelebten Praxis vermochten die Argumente der Klägerin zu den Einzelverträgen für die Folgevorstellungen nach der Premiere den Senat nicht zu überzeugen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin vor dem SG zunächst den vollständigen Bescheid angefochten hat und erst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die Klage auf die Nachforderung für die Beigeladenen zu 1. bis 4. begrenzt hat. Aus diesem Grund ist der Streitwert für das Verfahren vor dem SG mit der vollen Nachforderungssumme aus dem angefochtenen Bescheid festzusetzen und für das Berufungsverfahren nur mit der Nachforderung für die Beigeladenen zu 1. bis 4.

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG), denn der Senat weicht nicht vom Urteil des BSG vom 20. März 2013 ab.