Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.05.2017, Az.: L 13 AS 224/16

Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.05.2017
Aktenzeichen
L 13 AS 224/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 16220
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 25.04.2018 - AZ: B 14 AS 14/17 R

Fundstelle

  • NZS 2017, 675

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die am 4. Oktober 1965 geborene Klägerin bewohnte im Jahr 2012 gemeinsam mit ihrer Tochter, J., geboren am 26. Dezember 1996, eine 80 m2 große 3-Zimmer-Wohnung in der Hauptstraße 6a in 27729 Axstedt. Die zu zahlende Bruttowarmmiete i.H.v. insgesamt 505,00 EUR setzte sich aus 350,00 EUR Grundmiete zzgl. 80,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung und 75,00 EUR Heizkostenvorauszahlung zusammen.

Mit Bescheid vom 22. März 2012 bewilligte die für den Beklagten handelnde Samtgemeinde K. der Klägerin Arbeitslosengeld II für die Monate Mai bis September 2012. Ihrer Tochter bewilligte sie keine Leistungen, da diese ihren Bedarf mit Kindergeld (184,00 EUR), Unterhaltszahlungen (362,00 EUR) und Wohngeld (102,00 EUR) decken konnte. Das den Bedarf der Tochter übersteigende Einkommen i.H.v. 136,16 EUR (April 2012) und je 95,88 EUR (Mai bis September 2012) rechnete der Beklagte auf den Bedarf der Klägerin an. Der Bedarfsberechnung legte er anerkannte Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 462,20 EUR monatlich zugrunde, wobei der Beklagte im April 2012 ein Guthaben aus der Heizkostenabrechnung der EWE i.H.v. 80,55 EUR von den Bedarfen für Unterkunft und Heizung abzog.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 2. April 2012 Widerspruch ein. Zu dessen Begründung führte sie an, dass die Heizkostenerstattung der EWE i.H.v. 80,55 EUR rechtswidriger Weise vollständig bei der Klägerin angerechnet worden sei. Tatsächlich hätte nur die Hälfte bei ihr berücksichtigt werden dürfen, weil die andere Hälfte der Heizkosten auf die Tochter entfalle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass das Heizkostenguthaben jeweils hälftig bei der Klägerin und ihrer Tochter korrekt berücksichtigt worden sei. Der Ausgangsbescheid sei daher nicht zu beanstanden.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung vom 22. März 2012 ab dem 1. Juni 2012 dahingehend ab, dass nunmehr nur noch 334,00 EUR monatlich an Unterhalt bei der Tochter der Klägerin angerechnet und lediglich ein überschießendes Einkommen i.H.v. 67,88 EUR monatlich auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen war.

Am 18. Juni 2012 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid Klage bei dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Ihrer Auffassung nach sei zwar seitens der Samtgemeinde Hambergen zutreffend berücksichtigt worden, dass die Tochter der Klägerin mit dieser keine Bedarfsgemeinschaft bilde, da sie ihren Bedarf aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Allerdings habe sie dies bei der Berücksichtigung der Unterkunftskosten nicht konsequent umgesetzt. Nach Auffassung der Klägerin sei bei der Bemessung der Unterkunftskosten von einem Ein-Personen-Haushalt auszugehen. Mangels schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten seien die Werte von § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent in Ansatz zu bringen. Die Samtgemeinde K. liege in der Mietstufe I. Für die Klägerin allein sei danach eine Bruttokaltmiete i.H.v. 321,20 EUR zu gewähren. Der Beklagte übernehme jedoch lediglich einen Betrag i.H.v. 193,60 EUR. Des Weiteren sei auch die Kindergeldanrechnung nicht korrekt. Die auf die Tochter entfallende Kaltmiete betrage nicht wie von dem Beklagten berechnet 153,60 EUR sondern 175,00 EUR, so dass diese einen um 21,40 EUR höheren Bedarf habe. In dieser Höhe hätte das Kindergeld nach der Berechnung der Samtgemeinde nicht als Einkommen der Klägerin Berücksichtigung finden dürfen.

Mit Urteil vom 24. Juni 2016, welches im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das SG die Klage abgewiesen. In dem Urteil hat es ausgeführt, dass der Beklagte zu Recht im Falle der Klägerin die angemessenen Bedarfe für Unterkunft nach § 12 WoGG unter Zugrundelegung eines Zwei-Personen-Haushaltes bewilligt habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar für den Fall des Zusammenlebens in einer Wohngemeinschaft entschieden, dass für beide Bewohner einer solchen die Werte eines Ein-Personen-Haushalts als Vergleichsmaßstab gelten (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R). Es habe des Weiteren ausgeführt, dass dies auch für den Fall des Zusammenlebens eines volljährigen Mannes mit seiner Mutter gelten dürfte (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 14/08 R). Diese Rechtsprechung sei jedoch nicht auf den vorliegenden Fall des Zusammenlebens eines Elternteils mit einem minderjährigen, leiblichen Kind übertragbar, weil dieser sowohl von demjenigen des Zusammenlebens nicht verwandter Mitglieder einer Wohngemeinschaft als auch von dem Fall des Zusammenlebens eines volljährigen Kindes mit seinen Eltern erheblich abweiche. Denn anders als in den vom BSG genannten Fällen bestehe hier, obwohl es aufgrund des Einkommens des minderjährigen Kindes an einer Bedarfsgemeinschaft fehle, weiterhin gemäß § 1626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Verpflichtung der Eltern, die elterliche Sorge über das minderjährige Kind auszuüben. Trotz des Einkommens ändere sich nichts an der engen familiären Beziehung, die den eigentlichen Grund für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und Kind bilde. Es sei daher nicht ersichtlich, warum Eltern und ihr minderjähriges, leibliches Kind dann als zwei getrennte Haushalte zu behandeln sein sollten.

Gegen das ihr am 4. Juli 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. August 2016 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie sei insbesondere weiterhin der Auffassung, dass bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunft der Anteil der Klägerin an den Grenzen für einen Ein-Personen-Haushalt zu messen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stade vom 24. Juni 2016 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2012 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 unter Berücksichtigung von angemessenen Unterkunftskosten in Höhe des für einen Ein-Personen-Haushalt nach § 12 Wohngeldgesetz geltenden Wertes zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus seiner Sicht begegnet das Urteil des SG Stade keinen Bedenken. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe werde Bezug genommen. Die dort vertretene Auffassung werde in vollem Umfang geteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Berufung ist zunächst insbesondere deshalb zulässig, weil das SG sie in dem angegriffenen Urteil gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden.

Klagegegenstand ist gemäß § 95 SGG der Bewilligungsbescheid vom 22. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2012 betreffend den Zeitraum 1. April bis 30. September 2012. Der Änderungsbescheid vom 23. Mai 2012 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2012 bekanntgegeben worden ist und den Bewilligungsbescheid vom 22. März 2012 für den Zeitraum 1. Juni bis 30. September 2012 abgeändert bzw. ersetzt. Weitere Bescheide, die nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sein könnten, sind weder ersichtlich noch seitens des Beklagten entsprechend § 96 Abs. 2 SGG mitgeteilt worden.

Streitgegenstand ist, ob und inwieweit die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für den Zeitraum 1. April bis 30. September 2012 hat.

Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 SGB II: Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), ist erwerbsfähig (Nr. 2) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Darüber hinaus ist sie auch hilfebedürftig (Nr. 3).

Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Streitig ist diesbezüglich zwischen den Beteiligten allein, in welcher Höhe Bedarfe für Unterkunft bei der Klägerin und ihrer Tochter der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen sind.

Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind die Bedarfe für Unterkunft der Höhe nach auf die Werte nach § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlages i.H.v. 10 Prozent beschränkt, soweit die Angemessenheitsgrenze - wie hier - nicht aufgrund eines schlüssigen Konzepts ermittelt worden ist (vgl. u.a. Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R und Urteil vom 22. März 2012, - B 4 AS 16/11 R -) und für den konkret bestimmten Vergleichsraum ein solches auch nicht, z.B. weil der entscheidungserhebliche Zeitraum weit zurückliegt, mangels entsprechender Erkenntnis- und Datengrundlagen ermittelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R und Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R). Dies erfordert nachvollziehbare Darlegungen des Tatsachengerichts dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 41 AS 44/12 R -, Rn. 18 - ). Unabhängig davon, ob auf die Samtgemeinde Hambergen oder das gesamte Gebiet des Beklagten als Vergleichsraum abzustellen wäre, fehlt es zunächst an Datengrundlagen, aufgrund derer ein schlüssiges Konzept ermittelt werden könnte. Es ist gerichtsbekannt, dass der Beklagte keine Datenerhebungen oder sonstige Ermittlungen zwecks Erstellung eines schlüssigen Konzepts vorgenommen hat. Angesichts des Umstandes, dass der hier streitige Bewilligungszeitraum mehr als vier Jahre in der Vergangenheit liegt, scheiden eigene Ermittlungen des Senates aus. Durch sie würde ein unverhältnismäßiger Aufwand betrieben werden, dessen Erfolg wegen des eingetretenen Zeitablaufes zweifelhaft ist. Daher ist vorliegend auf die Werte von § 12 WoGG in der Fassung vom 9. Dezember 2010, gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2015 zurückzugreifen. Für die Samtgemeinde K., in der die Klägerin ihren Wohnsitz hat, ist insoweit die Mietstufe I des Landkreises Osterholz zugrunde zu legen (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 3 WoGG: Mietstufen nach Ländern ab dem 1. Januar 2011). Anhaltspunkte, dass aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten eine höhere Mietstufe einer Nachbargemeinde in dem Vergleichsraum zugrunde zu legen sein könnte (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R), sind nicht ersichtlich. Umstritten zwischen den Beteiligten ist, ob die Werte von § 12 WoGG (zzgl. des Sicherheitszuschlages) für einen Ein-Personen-Haushalt (321,20 EUR) jeweils hinsichtlich der Klägerin und ihrer Tochter oder für einen Zwei-Personen-Haushalt (387,20 EUR) für sie gemeinsam der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen sind.

Zutreffend sind der Beklagte und das SG davon ausgegangen, dass, obwohl die Tochter der Klägerin aufgrund ihres bedarfsdeckenden Einkommens nicht mehr gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter ist (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 39/08 R und Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R), weiterhin von einem Zwei-Personen-Haushalt auszugehen und dementsprechend für beide zusammen die Werte nach § 12 WoGG für einen Zwei-Personen-Haushalt der Leistungsgewährung zugrunde zu legen sind.

Der Senat hält dies in der vorliegenden Fallkonstellation, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen einem Elternteil und Kind nur deshalb nicht gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II vorliegt, weil letzteres über bedarfsdeckenden Einkommens verfügt, für sachgerecht.

Zwar hat das BSG für den Fall des Zusammenlebens in Wohngemeinschaften bereits entschieden, dass für beide Bewohner einer Wohngemeinschaft die Werte eines Ein-Personen-Haushaltes als Vergleichsmaßstab gelten (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R) und dies auch gelte, wenn Verwandte, die keine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II bilden, eine Wohnung gemeinsam nutzen (vgl. Urteil vom 7. Mai 2008 - B 14 AS 14/08 R), Rn 27 für eine Wohngemeinschaft zwischen einem 33 Jahre alten Mann und seiner Mutter). Wie das SG hält der Senat diese Rechtsprechung jedoch nicht auf den vorliegenden Fall für übertragbar (so auch: SG Gießen, Beschluss vom 4. November 2015 - S 25 AS 496/15 ER, Rn. 44; a.A.: Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 14. November 2012 - L 16 AS 90/12, Rn. 26 ff ; SG Karlsruhe, Urteil vom 6. Februar 2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 58 ff).

Dieser lag die Erwägung zugrunde, dass die Frage der Angemessenheit stets nur im Hinblick auf den Hilfebedürftigen nach dem SGB II und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen beantwortet werden könne und dass rechtlich relevant eine Personenmehrheit nur dann sei, wenn sie eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II bilde. Die in dieser Vorschrift genannten Konstellationen zeichneten sich sämtlich durch eine besondere Verbundenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit der einbezogenen Personen aus. Dies finde auch in den Wohnverhältnissen und -bedürfnissen seinen Niederschlag. Bei einer Bedarfsgemeinschaft könne typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Wohnraum insgesamt gemeinsam genutzt werde. Die Überlassung eines Raumes an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zur ausschließlichen Nutzung, etwa ein Kinderzimmer, erfolge regelmäßig nicht aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung und vermittele dementsprechend auch keine Rechtsposition (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11 b AS 61/06 R - Rn. 21f. - ).

Die Besonderheit in dem vorliegenden Fall ist, dass die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nur deshalb nicht besteht, weil die Tochter der Klägerin über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt und nicht, weil sie das 25. Lebensjahr vollendet hat. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Bedarfsgemeinschaft hängt daher nicht von einem unumkehrbaren Erreichen einer Altersgrenze ab, sondern lediglich von der Einkommenssituation der Tochter der Klägerin, die sich grundsätzlich jederzeit ändern könnte, z.B. wenn kein Unterhalt mehr für sie gezahlt wird. Insoweit besteht in dieser Fallkonstellation auch kein Raum dafür generalisierend davon auszugehen, dass die der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zugrunde liegende besondere Verbundenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit (BSG, a.a.O.) nicht mehr gegeben ist und dass die Wohnverhältnisse daher den Charakter einer Wohngemeinschaft annehmen, so dass die Annahme zweier Ein-Personen-Haushalte angezeigt wäre. Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, dass gerade in der vorliegenden Situation, dass das Kind mit bedarfsdeckendem Einkommen noch minderjährig ist, weiterhin eine besondere Verbundenheit mit ihrer Mutter, der Klägerin, fortbesteht. Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, dass ein Kind, welches seinen Unterhalt selbst decken kann, aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, dient allein dazu, die nicht hilfebedürftigen Kinder von Leistungen nach dem SGB II auszuschließen. An den oben aufgeführten Gründen für die gemeinsame Heranziehung zur Berechnung der Angemessenheitsgrenzen ändert dies nichts (so auch: SG Gießen, a.a.O.). Das SG hat insoweit zu Recht auf die Vorschrift des § 1626 Abs. 1 SGG hingewiesen, wonach in dem vorliegenden Fall die Verpflichtung der Klägerin, die elterliche Sorge über ihre minderjährige Tochter auszuüben, fortbesteht.

Dass in dem vorliegenden Fall von einem Zwei-Personen-Haushalt auszugehen ist, folgt nach Auffassung des Senats ebenso aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Danach gehören zu der Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber Eltern und ihre in ihrem Haushalt lebenden, unter 25jährigen Kinder grundsätzlich zu einer Bedarfsgemeinschaft verklammert. Diese Kinder scheiden nur für den Fall, dass sie über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen verfügen, aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Insoweit besteht ein grundlegender Unterschied etwa zu einer Haushaltsgemeinschaft von Eltern mit über 25jährigen Kindern oder mit Pflegekindern, da diese Personenmehrheit von vornherein keine Bedarfsgemeinschaft bildet. Diese unterschiedliche Ausgangslage rechtfertigt es, bei der Prüfung der Angemessenheit von Unterkunftskosten auch dann auf einen Zwei-Personen-Haushalt abzustellen, wenn ein grundsätzlich zur Bedarfsgemeinschaft gehörendes unter 25jähriges Kind seinen Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann.

Die Annahme zweier Ein-Personen-Haushalte bei Nichtbestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II wegen bedarfsdeckenden Einkommens des Kindes könnte zudem zu Zirkelschlüssen führen. Denn in dem Moment, in dem die höheren Werte zweier Ein-Personen-Haushalte der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen wären, stiege der Bedarf, so dass das Einkommen ggf. nicht mehr zur Bedarfsdeckung ausreichte. Dies hätte wiederum zur Folge, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind bestünde und wieder bei der Bemessung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft der Bedarfsgemeinschaft von einem Zwei-Personen-Haushalt auszugehen wäre, wodurch der Bedarf wieder niedriger und das Einkommen ggf. erneut bedarfsdeckend wäre, so dass das Kind aus der Bedarfsgemeinschaft ausschiede. Gerade im Hinblick auf die Aufforderung zur Kostensenkung nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II könnte es zudem zu schwerwiegenden praktischen Problemen für die SGB II-Leistungsträger kommen, wenn die Angemessenheitswerte monatlich nicht konstant bleiben, sondern von dem Einkommen des Kindes abhängen (so auch: SG Karlsruhe, Urteil vom 6. Februar 2014, a.a.O.). Diese Situation dürfte nur dadurch zu lösen sein, dass von vornherein nur von einem Zwei-Personen-Haushalt auszugehen ist, unabhängig davon, ob das minderjährige Kind über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt und daher nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist.

Letztlich hat der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Annahme eines Zwei-Personen-Haushalts in der hier streitigen Fallkonstellation. Der Hinweis der Klägerin auf eine Ungleichbehandlung ihrer Person mit einem Leistungsempfänger, der in einer Wohngemeinschaft lebt, greift bereits deshalb nicht, weil vergleichbare Personengruppen nicht vorliegen. Insbesondere fehlt es bei einer Wohngemeinschaft regelmäßig an einem gemeinsamen Haushalt, der bei der Klägerin und ihrer Tochter, mangels anderweitiger Anhaltspunkte und entsprechenden Vortrages der Beteiligten, vorliegt. Auf eine etwaige nachteilige Ungleichbehandlung der Tochter kommt es nicht an, da diese nicht Klägerin in dem vorliegenden Verfahren ist.

Nach Auffassung des Senats folgt aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vielmehr sogar das Erfordernis einer Gleichbehandlung von Haushalten von Eltern mit Kindern, die ihren Bedarf nicht decken können, mit Haushalten von Eltern mit Kindern, die ihren Bedarf decken können. Bei ersteren werden unstreitig die Werte eines Haushaltes der Unterkunftsbedarfsberechnung zugrunde gelegt. Es sind keine erheblichen Gründe ersichtlich, die Gruppe der Eltern, deren Kinder nicht hilfebedürftig sind, durch Zugrundelegung höherer Angemessenheitsgrenzen besser zu stellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Elternteil, der mit einem Kind zusammenlebt, welches seinen Bedarf aus eigenen finanziellen Mitteln decken kann, sich in einer günstigeren finanziellen Situation befindet als derjenige, dessen Kind auch bedürftig ist und daher über § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Leistungen nach dem SGB II erhält.

Ausgehend von einem Zwei-Personen-Haushalt ist die seitens des Beklagten zu übernehmende Bruttokaltmiete daher auf 387,20 EUR begrenzt. Dieser Wert ist nach dem sog. Kopfteilsprinzip auf die Haushaltsmitglieder, hier die Klägerin und ihre Tochter, gleichmäßig aufzuteilen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 7/07 R und Urteil vom 23. November 2006 - B 14/11b AS 1/06 R). Einschließlich der zu zahlenden Heizkostenabschlagszahlungen i.H.v. insgesamt 75,00 EUR monatlich betrug der Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II daher insgesamt 462,20 EUR bzw. für die Klägerin und ihre Tochter je 231,10 EUR. Diese Werte hat der Beklagte seiner Bedarfsberechnung zugrunde gelegt, so dass die angegriffenen Bescheide insoweit nicht zu beanstanden sind. Des Weiteren hat er, wie in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 dargelegt und aus der Bedarfsberechnung des Ausgangsbescheides ersichtlich, im Monat April 2012 das Heizkostenguthaben i.H.v. 80,55 EUR gleichmäßig auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Klägerin und ihrer Tochter verteilt, so dass diese nur noch 190,83 EUR bzw. 190,82 EUR, mithin insgesamt 381,65 EUR (462,20 EUR abzgl. 80,55 EUR) betrugen. Auch insofern sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig.

Eine vollständige Übernahme der unangemessen hohen Bedarfe für Unterkunft i.H.v. 430 EUR monatlich nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II scheidet aus. Soweit ersichtlich hat die Klägerin gemeinsam mit ihrer Tochter die Wohnung in der Hauptstraße 6a ab dem 1. Dezember 2006 bewohnt. Erstmalig mit Bescheid vom 10. Januar 2007 wurden die Bedarfe für Unterkunft auf die nach Auffassung des Beklagten damals angemessenen Aufwendungen i.H.v. 341 EUR begrenzt. Insoweit war der Klägerin bekannt, dass die angemietete Wohnung unangemessen teuer war. Eines formellen Kostensenkungsverfahrens bedurfte es daher nicht (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 22 Rn. 133f.). Für eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung ist nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen worden.

Die angegriffenen Bescheide sind im Übrigen ebenfalls rechtmäßig. Der Beklagte hat der Bedarfsberechnung für die Klägerin korrekt den damals geltenden Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II (374,00 EUR), den Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II (44,88 EUR) und denjenigen für dezentrale Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 7 Nr. 1 SGB II (8,60 EUR) sowie für deren Tochter den damals geltenden Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB II (287,00 EUR) und den Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 7 Nr. 2 SGB II (4,02 EUR) zugrunde gelegt. Weitere oder höhere Mehrbedarfe hat die Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend gemacht. Zudem hat der Beklagte, allerdings ohne dass es in den angegriffenen Bescheiden gesondert ausgewiesen worden ist, von dem überschießenden Einkommen der Tochter der Klägerin, welches auf deren Bedarf angerechnet worden ist, die Versicherungspauschale i.H.v. 30 EUR abgezogen (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R sowie insbesondere Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 39/08 R, Rn. 25 - ). Die Berechnung des jeweils in Ansatz zu bringenden Einkommens und die Anrechnung des den Bedarf der Tochter übersteigenden Betrages bei der Klägerin begegnet darüber hinaus ebenfalls keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die hier streitige Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob bei einem Entfallen der Voraussetzungen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft eines Elternteils mit einem minderjährigen Kind nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aufgrund übersteigenden Einkommens des Kindes bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für die Bedarfe für Unterkunft auf einen Ein- oder einen Zwei-Personen-Haushalt abzustellen ist, berührt nach Auffassung des Senates das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 Rn. 7a).