Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.05.2017, Az.: L 1 KR 282/15

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.05.2017
Aktenzeichen
L 1 KR 282/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 19553
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 28.05.2015 - AZ: S 3 KR 288/13

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Mai 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus der ausgezahlten Kapitallebensversicherung - Nr. XXX auf der Basis von 230.610,11 Euro neu zu berechnen.

Die Beklagte erstattet dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der Kapitalzahlung einer Lebensversicherung.

Der am 9. Juli 1947 geborene Kläger ist als Rentenbezieher versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Entsprechend der Höhe seiner Rente werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe ab 1. April 2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer erhaltenen Abfindung für seinen Versorgungsbezug aus einer kapitalisierten Direktversicherung bei der I. Lebensversicherung AG zu entrichten. Nach Mitteilung der Zahlstelle für Versorgungsbezüge habe der Kläger eine Zahlung in Höhe von 343.681,24 Euro erhalten. Davon sei ein Betrag von 1/120 beitragspflichtig. Mithin habe der Kläger Beiträge in Höhe von monatlich 342,06 Euro zur Krankenversicherung und 43,03 Euro zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid der Beklagten am 11. Juni 2012 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, dass entgegen der Annahme der Beklagten es sich weder um einen Versorgungsbezug noch um eine Betriebsrente handele. Der Kläger berief sich auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) - AZ: 1 BvR 1660/08, das sich mit der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung befasse. Hiernach seien Versicherungsverträge, die mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und der Übertragung sämtlicher Rechte aus diesen Versicherungsverträgen durch den Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer ohne betrieblichen Bezug und mithin als private Versicherungen anzusehen. Infolge dieser Entscheidung bedeute dies, dass Lebensversicherungsverträge bei Vorliegen dieser Fakten vollkommen aus dem betrieblichen Bezug gelöst und mit allen anderen privaten Lebensversicherungen gleichzusetzen seien. Bei ihm lägen diese Voraussetzungen bzw. Bedingungen für eine Beitragsfreistellung mindestens seit dem 1. April 1997 vor.

Die Beklagte holte eine Auskunft bei der I. Lebensversicherung AG ein. Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte diese der Beklagten mit, die Lebensversicherung sei ab dem 1. April 1973 als betriebliche Altersversorgung abgeschlossen worden. Der Arbeitgeber habe den Vertrag zum 1. Januar 1998 zugunsten des Klägers freigegeben. Der Vertrag sei ab diesem Zeitpunkt auf den Kläger als Versicherungsnehmer übertragen worden. Seit dem 1. November 1996 seien Leistungen aus der in dem Vertrag abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gezahlt worden. Seit der Übertragung der Versicherung auf den Kläger als Versicherungsnehmer habe dieser keine Beiträge gezahlt.

Die Beklagte entschied mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013, dass dem Widerspruch des Klägers in Bezug auf die Höhe der Beitragsberechnung für die Zeit vom 1. April 2012 bis 31. August 2012 teilweise abgeholfen werde. Denn es sei im Zuge der Beurteilung der Beitragspflicht aufgefallen, dass die Daten des Rentenversicherungsträgers (Bruttozahlung der Rente) nicht korrekt hinterlegt worden seien. Dadurch sei es zu einer zu hohen Berechnung der Beiträge aus der kapitalisierten Direktversicherung für den Zeitraum 1. April bis 31. August 2012 gekommen. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verminderten sich für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012 von monatlich 342,06 Euro auf 326,44 Euro (Krankenversicherung) und von 43,03 Euro auf 41,07 Euro (Pflegeversicherung). Vom 1. Juli 2012 bis 31. August 2012 verminderten sie sich von monatlich 342,06 Euro auf 320,63 Euro (Krankenversicherung) und von 43,03 Euro auf 40,34 Euro (Pflegeversicherung). Im Übrigen sei der Widerspruch zurückzuweisen. Die Beklagte verwies hierzu auf die gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - SGB V.

Der Kläger hat hiergegen am 11. Juni 2013 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Er hat vorgetragen, sein damaliger Arbeitgeber habe für ihn am 11. August 1987 eine Kapital- und Rentenversicherung bei der I. Lebensversicherung AG abgeschlossen. Die Beiträge seien vom Arbeitgeber in Höhe von 75% und von ihm selbst in Höhe von 25% aufgebracht worden. Ende 1997 sei er berufsunfähig geworden und habe aus einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Berufsunfähigkeitsrente erhalten. Mit der Anerkennung der Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sei er bezüglich der Direktversicherung beitragsfrei gestellt worden, und zwar seit Umstellung der Verträge auf ihn als Privatperson.

Der Kläger hat den Versicherungsschein der I. Lebensversicherung AG vom 24. April 1998 mit den Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, den Übernahmevertrag bezüglich der Versicherungsnehmereigenschaft vom 2. Februar 1998 und die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der I. Lebensversicherung AG vom 26. September 1997 vorgelegt.

Das SG hat eine Auskunft bei der I. Lebensversicherung AG zur Höhe des Prämienaufkommens durch den früheren Arbeitgeber des Klägers sowie des Prämienaufkommens durch den Kläger vom 14. November 2013 eingeholt.

Danach ergibt sich im Hinblick auf die hier streitgegenständliche "Lebensversicherung" Nr. 70062204850 folgendes: Bis zur Vertragsübertragung auf den Kläger (1. Januar 1998) wurden von dem Arbeitgeber insgesamt 81.046,03 EUR an Beiträgen gezahlt. Dabei entfiel auf die Beteiligung des Klägers ein Anteil von 25 %.

Nach Übertragung der Versicherung auf den Kläger wurden ab 1. Januar 1998 bis 1. April 2012 fiktive Beiträge im Rahmen der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Höhe von 39.670,29 EUR geleistet. Bezogen auf die Summe der gezahlten und geleisteten Beiträge (=120.716,32 EUR) ergibt sich daraus ein Anteil von 67,1 % des Arbeitgebers und von 32,9 % aus der Zusatzversicherung. Entsprechend dieser Anteile ergibt sich bezogen auf die Versicherungssumme (= 343.681,24 EUR) ein Betrag in Höhe von 230.610,11 EUR als Arbeitgeberanteil und 113.071,13 EUR als Anteil aus der Zusatzversicherung.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2015 abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei der Einmalzahlung an den Kläger handele es sich um einen sog. Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V, der der Beitragspflicht unterliege. Die gesetzliche Regelung (§ 229 Abs. 1 SGB V) sehe vor, dass ein 1/120 dieser Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge gelte, und zwar längstens für einhundertzwanzig Monate. In dieser Weise sei von der Beklagten derjenige Betrag ermittelt worden, der als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge zu gelten habe und aus dem dann die Beiträge zu entrichten seien. Da es sich bei der Lebensversicherung um eine solche gehandelt habe, die ursprünglich vom früheren Arbeitgeber des Klägers zu seinen Gunsten abgeschlossen und auch überwiegend finanziert worden sei, handele es sich um einen Versorgungsbezug, der der Beitragspflicht unterfalle. Der Umstand, dass der Kläger laut Erklärung vom 2. Februar 1998 den Versicherungsvertrag übernommen und selbst fortgeführt habe, führe hier nicht dazu, dass ein Teil der Kapitalleistung, der ab diesem Zeitpunkt "entstanden" sei, bei der Beitragsberechnung außen vor zu bleiben habe. Zwar sei es so, dass hinsichtlich der Abrechnung dieses Vertrages so verfahren worden sei, als ob die Beiträge tatsächlich weiter entrichtet worden seien; tatsächlich jedoch sei keinerlei Beitragszahlung erfolgt. Dieser Umstand aber, die fehlende eigene Belastung mit Beiträgen, könne nicht unberücksichtigt bleiben. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08) wirke sich nicht zugunsten des Klägers aus. Denn der Kläger habe nach der Vertragsübernahme keine Beiträge mehr zu leisten gehabt. Er habe sich deshalb viel besser gestanden, als derjenige, der zwar weiterhin Beiträge entrichtet habe, aber nicht den Versicherungsvertrag geändert habe. Vor allem habe der Kläger zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme gewusst, dass er tatsächlich mit keinerlei Beiträgen belastet werde. Denn die Berufsunfähigkeit sei zuvor eingetreten gewesen. Nach Auffassung des SG würde es daher zu einem Wertungswiderspruch führen, im Falle des Klägers eine Aufteilung der Kapitalleistung vorzunehmen und nur denjenigen Teil der Kapitalleistung der Beitragspflicht zu unterwerfen, der auf Beiträgen bis zum 31. Dezember 1997 beruht habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 3. Juli 2015 zugestellte Urteil am 29. Juli 2015 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Nach Auffassung des Klägers sei nur der Zahlbetrag aus der Kapitallebensversicherung beitragspflichtig, der auf die Beiträge bis zum 31. Dezember 1997 zurückzuführen sei. Zum 1. Januar 1998 sei die Versicherungsnehmereigenschaft auf ihn übertragen worden. Er sei zu dieser Zeit bereits berufsunfähig gewesen, sodass nach den Bedingungen der Kapitallebensversicherung Beitragsfreiheit bestanden habe. Die im Jahr 2012 ausgezahlte Kapitalleistung habe damit ab dem 1. Januar 1998 auf - wenn auch fiktiven - Beiträgen beruht, die ihm zuzurechnen seien. Der Kläger rügt im Weiteren die verkürzte Anwendung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts durch das erstinstanzliche Gericht. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG sei die Unterscheidung danach zu treffen, ob der Betroffene in die Stellung des Versicherungsnehmers eingerückt sei und der Lebensversicherungsvertrag nicht mehr innerhalb der Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortgeführt werde. Für die Kapitalleistungen, die daher auf den (fiktiven) Prämien nach dem 1. Januar 1998 beruhten, seien daher keine Beiträge zu leisten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Mai 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus der ausgezahlten Kapitallebensversicherung Nr. 70062204850 auf der Basis von 230.610,11 Euro neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sowie auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil, die sie für zutreffend hält.

Der Senat hat bei der I. Lebensversicherung AG den "Gruppenversicherungsvertrag Nr. 622" und eine Auskunft zu den gezahlten Versicherungsleistungen eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig.

Die Berufung ist auch begründet.

Nach § 237 S. 1 SGB V wird der Bemessung der Beiträge bei der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherungspflichtigen Rentnern - also auch bei dem Kläger - neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung u. a. auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbarer Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V auch die "Renten der betrieblichen Altersversorgung" soweit sie - entsprechend der Formulierung in der Einleitung des § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V - "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Diese Heranziehung von Versorgungsbezügen einschließlich der Bezüge aus betrieblicher Altersversorgung bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge versicherungspflichtiger Rentner begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 - B 12 KR 28/12 R, Rdnr. 10 m. w. H. zu der Rechtsprechung des BVerfG). Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der GKV ist nach der Rechtsprechung des BSG als eigenständiger Begriff zu verstehen und ohne Bindung an die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) ausgelegt. Dies begründet das BSG u. a. damit, dass Beitragsrecht und Betriebsrentenrecht unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen (vgl. BSG, a. a. O. Rdnr. 11 u. H. a. die frühere Rechtsprechung des BSG).

Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten nach § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - SGB XI - für die Beitragsbemessung die §§ 226 bis 238 und § 244 des Fünften Buches sowie die §§ 23 a und 23 b Abs. 2 bis 4 des Vierten Buches. Dies bedeutet, dass für den Kläger neben den Beiträgen zur GKV - bei festgestellter Beitragspflicht - auch Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung für die im Streit stehende Leistung aus der betrieblichen Altersversorgung zu entrichten sind.

§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 237 S. 1 Nr. 2 S. 2 SGB V knüpft nach seinem Wortlaut die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen allein daran, dass eine Rente der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt wurde. Das ist hier der Fall, denn es ist auf der Grundlage der Mitteilungen der I. Lebensversicherung AG unstreitig, dass der Kläger entsprechende Einmalzahlungen aus einer Kapitallebensversicherung erhalten hat und es sich hiermit grundsätzlich um Versorgungsbezüge handelt. Dabei spielt die Form der Auszahlung hinsichtlich der Beitragspflicht keine Rolle. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V gilt bei einer als Einmalbezug gewährten Versorgungsleistung, dass 1/120 dieser Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge gilt und dementsprechend für längstens 120 Monate Beiträge zu entrichten sind.

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 = SozR 4-2500 § 229 Nr. 11 unterliegen Leistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei Pflichtversicherten in der GKV nur insoweit der Beitragspflicht, als die Leistungen auf Prämien beruhen, die auf den Versicherungsvertrag für Zeiträume eingezahlt wurden, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war. Ein Lebensversicherungsvertrag, zu dem ein Arbeitnehmer nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oder seiner Erwerbstätigkeit unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers Prämien entrichtet, wird nämlich nicht mehr innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortgeführt, weil die Bestimmungen des Betriebsrentenrechts auf den Kapitallebensversicherungsvertrag hinsichtlich der nach Vertragsübernahme eingezahlten Prämien keine Anwendung mehr finden. Würden auch Auszahlungen aus solchen Versicherungsverträgen der Beitragspflicht in der GKV unterworfen, läge darin eine gleichheitswidrige Benachteiligung der aus diesen Verträgen Begünstigten gegenüber solchen Pflichtversicherten, die beitragsfreie Leistungen aus privaten Lebensversicherungsverträgen oder anderen privaten Anlageformen erhalten. Eine Ungleichbehandlung, die hinsichtlich der Beitragspflicht allein daran anknüpft, dass die Lebensversicherungsverträge ursprünglich vom früheren Arbeitgeber abgeschlossen wurden und damit (nur) seinerzeit dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts unterlagen, überschreitet die Grenzen zulässiger Typisierung. Wenn ein solcher Lebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen bzw. beruflichen Bezug gelöst worden ist, unterscheidet er sich in keiner Weise mehr von einem privaten Kapitallebensversicherungsvertrag (vgl. BVerfG, a. a. O. Rdnr. 14 f).

Der Senat kommt in Anlehnung an diese Rechtsprechung des BVerfG zu dem Ergebnis, dass der Kläger vorliegend nach Einrücken in den Versicherungsvertrag als Versicherungsnehmer zum 1. Januar 1998 die übertragende Kapitallebensversicherung der I. Lebensversicherung AG nicht mehr im Rahmen der Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortführte. Der Kläger war seither eigenständig Versicherungsnehmer, wenn auch mit der Besonderheit, dass die zu entrichtenden Beiträge von der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geleistet wurden. Nach den Versicherungsbedingungen war die Kapital- Lebensversicherung mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit des Klägers nicht "beitragsfrei" gestellt worden. Vielmehr wurde der Kläger selbst lediglich von Zahlung der Beiträge befreit. Diese wurden an seiner Stelle durch die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geleistet. Somit wurde auch nach dem 1. Januar 1998 Kapital angesammelt, das wesentlich zu dem Auszahlungsbetrag beigetragen hat.

Zwar war die Berufsunfähigkeit bereits vor dem 1. Januar 1998 eingetreten und die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung hatte die Zahlung der Beiträge für die Lebensversicherung schon ab dem früheren Zeitpunkt übernommen. Da der Kläger in der Zeit vor dem 1. Januar 1998 jedoch noch nicht selbst Versicherungsnehmer war, sind, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, alle bis dahin (von wem auch immer) geleisteten Beitragszahlungen dem Arbeitgeber zuzurechnen und damit beitragspflichtig.

Der fortgeführte Vertrag war ab erst ab dem 1. Januar 1998 nicht mehr der betrieblichen Altersversorgung bzw. dem Arbeitgeber zuzurechnen. Nach Auffassung des Senats folgt daraus, dass die Anteile an Zahlungen aus der Zusatzversicherung und der daraus resultierenden Vermögenszuwächse nicht dem Arbeitgeber sondern dem Kläger wie selbst gezahlte Versicherungsleistungen zuzurechnen sind. Das erscheint, entgegen der Auffassung des SG auch deswegen angemessen, weil durch den Abschluss der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zusätzliche Beiträge angefallen sind, die nicht zur Kapitalbildung beigetragen haben.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit des Klägers bereits vor dem 1. Januar 1998 eingetreten und daher alle Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung dem Arbeitgeber zuzurechnen seien, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Abzustellen ist nicht auf den Eintritt des Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit, sondern auf die Fälligkeit der einzelnen monatlichen Beiträge für die Kapitallebensversicherung. Lag die Fälligkeit der Beiträge vor dem 1. Januar 1998 sind sie dem Arbeitgeber zuzurechnen, lag sie nach diesem Zeitpunkt dem Kläger. Nichts anderes gilt im Übrigen bei der Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die aus der Lebensversicherung des Klägers zu zahlen sind. Auch diese werden nicht zu Beginn vollständig fällig und werden quasi nur monatsweise "abbezahlt", sondern sie werden nur für den einzelnen Monat und in dem Maße fällig, für den die Versicherungspflicht des Klägers in dem gesetzlichen Umfang besteht.

Unter Berücksichtigung all dessen unterliegt daher der dem Kläger zuzurechnende Anteil aus der Zahlungssumme der Kapitallebensversicherung von 113.071,13 EUR nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Die Bescheide der Beklagten waren deshalb aufzuheben und sie war zu verurteilen, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus der ausgezahlten Kapitallebensversicherung auf der Basis von 230.610,11 EUR neu zu berechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).