Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.04.2006, Az.: 2 NB 348/05
Erheblichkeit der Bekanntgabe einer eingetretenen wesentlichen Änderung von Daten erst nach dem Beginn des Berechnungszeitraums für die Aktualisierung der Schwundberechnung nach § 5 Kapazitätsverordnung (KapVO); Ermittlung der Kapazität vorhandener Teilstudienplätze; Streitwertfestsetzungspraxis
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.04.2006
- Aktenzeichen
- 2 NB 348/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 15284
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0421.2NB348.05.0A
Rechtsgrundlage
- § 5 KapVO
Fundstelle
- NordÖR 2006, 420 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Es ist für die Aktualisierung der Schwundberechnung nach § 5 KapVO unerheblich, dass die vor dem Beginn des Berechnungszeitraums eingetretene wesentliche Änderung von Daten erst nach dem Beginn des Berechnungszeitraums dem Verwaltungsgericht bekannt gegeben wird.
Gründe
Durch Beschluss vom 24. Mai 2005, auf den wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung u. a. verpflichtet, innerhalb einer Woche nach Zustellung des Beschlusses unter den Antragstellern des erstinstanzlichen Verfahrens eine Rangfolge auszulosen und neben den 180 Vollstudienplätzen über die bereits vergebenen 27 Teilstudienplätze weitere 51 Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2005 vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester auf einen Teilstudienplatz zuzulassen. Gegen diese Entscheidung richten sich die hier nur von den Antragstellern, die bei der Auslosung vom 31. Mai 2005 einen zur Zulassung führenden Rangplatz nicht erhalten haben, erhobenen Beschwerden.
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller bleiben ohne Erfolg. Denn die von den Antragstellern innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, die gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bestimmen, geben dem Senat keinen Anlass, den Beschluss vom 24. Mai 2005 abzuändern und den Anträgen der Antragsteller stattzugeben, mit denen diese ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin bei der Antragsgegnerin- auf einen Teilstudienplatz, ggf. erst im Nachrückverfahren - erstreben.
Die Antragsteller machen zur Begründung ihrer jeweiligen Beschwerde geltend, die von dem Verwaltungsgericht im Rahmen der Schwundberechnung angestellten Erwägungen zu der Ermittlung der bei den Teilstudienplätzen im Sommersemester 2005 vorhandenen Kapazität seien fehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht seinen Berechnungen nicht die von der Antragsgegnerin ursprünglich für das Studienjahr 2004/2005 angegebenen Zahlen (Zeitraum Sommersemester 2001 bis Wintersemester 2003/2004) mit dem Schwundfaktor 1,2221, sondern eine "aktualisierte Schwundberechnung" (Zeitraum Wintersemester 2001/2002 bis Sommersemester 2004) mit dem Schwundfaktor 1,1516 zugrunde gelegt habe, die die Antragsgegnerin erst mit einem Schriftsatz vom 30. November 2004 dem Verwaltungsgericht vorgelegt habe. Die Einbeziehung der aktualisierten Zahlen, die auch das Sommersemester 2004 umfassten, stehe aber mit § 5 Abs. 1 der Kapazitätsverordnung nicht im Einklang; denn die Neuberechnung des Schwundfaktors hätte allenfalls dann Berücksichtigung finden dürfen, wenn diese wesentliche Änderung der Daten noch vor Beginn des Berechnungszeitraumes, der hier am 1. Oktober 2004 begonnen habe, bekannt geworden wären. Dies sei aber nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin die aktualisierten Zahlen erst Ende November 2004 vorgelegt habe. Hätte das Verwaltungsgericht aber mit dem nur berücksichtigungsfähigen Schwundfaktor 1,2221 die Kapazität bei den Teilstudienplätzen ermittelt, so hätte sich die Ausbildungskapazität bei diesen Studienplätzen um drei Teilstudienplätze erhöht.
Dieses Vorbringen der Antragsteller ist nicht geeignet, die Schwundberechnung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss in Zweifel zu ziehen, so dass eine Erhöhung der von dem Verwaltungsgericht mit 51 zusätzlichen Teilstudienplätzen angenommenen Ausbildungskapazität entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht in Betracht kommt. Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Senats (s. z. B. den Beschl. v. 10.11.2003 - 2 NB 155/03 u. a. -), dass nach § 5 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen (v. 23.6.2003, Nds.GVBl. S. 222 - KapVO -) in die Kapazitätsberechnung nur solche Datenänderungen eingestellt werden dürfen, die spätestens vor Beginn des Berechnungszeitraumes - dies war hier für das Sommersemester 2005 der 1. Oktober 2004 - eingetreten oder zumindest erkennbar gewesen sind (§ 5 Abs. 2 und Abs. 3 KapVO). Da das Sommersemester 2004 bereits am 30. September 2004 und damit vor dem Beginn des Berechnungszeitraumes geendet hatte, wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hervorgehoben hat, waren aber wesentliche Datenänderungen, und zwar der im Sommersemester 2004 eingetretene Schwund, noch vor dem 1. Oktober 2004 eingetreten. Dass diese Daten erst nach dem 1. Oktober 2004 von der Antragsgegnerin dem Verwaltungsgericht mit dem Schriftsatz vom 30. November 2004 zugänglich gemacht worden sind, ist für deren Berücksichtigung nach § 5 KapVO unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die (wesentliche) Änderung der Daten noch vor oder erst nach dem Beginn des Berechungszeitraumes eingetreten ist. Denn es entspricht der Tendenz der Bestimmungen des § 5 Abs. 2 und des § 5 Abs. 3 KapVO, im Interesse einer gebotenen Aktualisierung tatsächlicheÄnderungen in der Datenbasis der Berechnung auch dann noch berücksichtigungsfähig zu machen, wenn sie sich als wesentlich auswirken, mögen sie auch erst nach dem im Ermessen der Hochschule liegenden Stichtag - hier dem 1. Februar 2004 - , aber noch vor dem Beginn des Berechnungszeitraumes eingetreten sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 - BVerwG 7 C 99/81 u. a. -, Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 9 = DVBl. 1983, 842(844)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes für den zweiten Rechtszug, der nur noch die Vergabe von Teilstudienplätzen betrifft, ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass nach seiner Streitwertfestsetzungspraxis (s. z. B. den Beschl. v. 25.8.2004 - 2 NB 653/03 -) zwischen Voll- und Teilstudienplätzen zu differenzieren ist und dass im Falle der vorläufigen Zulassung eines Studienbewerbers auf einen Teilstudienplatz - wie hier nur im Streit - unter Beachtung des Differenzierungsgebots des § 52 Abs. 1 GKG der für die vorläufige Zulassung zu einem Vollstudium festzusetzende Streitwert von 5.000,00 EUR auf 2.500,00 EUR zu ermäßigen ist (Senat, Beschl. v. 17.5.2005 - 2 NB 42/05 - ). Bei einer Festsetzung des Streitwertes auf 2.500,00 EUR würde aber vernachlässigt, dass die Antragsteller nicht die weitere Vergabe von ursprünglich dreizehn, jetzt neun Studienplätzen begehren, sondern nur die vorläufige Zulassung von insgesamt drei Antragstellern im Wege des Losverfahrens beantragt haben. In vergleichbaren Fällen, in denen sich die Hochschule im Beschwerdewege dagegen gewandt hat, eine von dem Verwaltungsgericht bestimmte Zahl von Studienplätzen zu vergeben, aber gleichwohl nicht zuletzt wegen der Nachrückproblematik in weiteren Fällen Rechtsmittel eingelegt hat, hat es der Senat für gerechtfertigt angesehen, die maßgebliche Bedeutung der Rechtssache für den Rechtsmittelführer durch einen Anteil am Gesamtstreitweg zu verdeutlichen, wobei sich der jeweilige Anteil aus dem Verhältnis der in dem erstinstanzlichen Beschluss angeordneten Zulassung zu der Bewerberzahl ergeben hat (Senat, Beschl. v. 25.8.2004 - 2 NB 658/03 -; s. auch Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, RdNr. 1016). Entsprechend ist in Fällen wie den vorliegenden zu verfahren, in denen die Studienbewerber mehrere Rechtsmittelverfahren anstrengen, gleichwohl aber anhand ihrer eigenen Beschwerdebegründung zu erkennen geben, dass sie nicht in allen Beschwerdeverfahren, sondern allenfalls begrenzt Erfolg haben wollen (Senat, Beschl. v. 1.11.2005 - 2 NB 111/05 u. a. -). Mithin ergibt sich für jedes der ursprünglich dreizehn angestrengten Verfahren ein Streitwert von 576,92 EUR (= 2.500,00 EUR x 3 : 13), so dass dieser Streitwert hier für die neun noch im Beschwerdeverfahren verbliebenen Antragsteller festzusetzen ist.