Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2019, Az.: 9 LB 147/19
Wahrscheinlichkeit einer Gruppenverfolgung von Yeziden in der autonomen Region Kurdistan-Irak
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.08.2019
- Aktenzeichen
- 9 LB 147/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 35023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 23.04.2018
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG
- § 3a AsylG
- § 77 Abs. 1 AsylG
Amtlicher Leitsatz
Eine Gruppenverfolgung von Yeziden in der autonomen Region Kurdistan-Irak gab es weder im Zusammenhang mit dem Eroberungsfeldzug des IS noch ist eine solche derzeit beachtlich wahrscheinlich.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer (Einzelrichterin) - vom 23. April 2018 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Sie ist am G. geboren, irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit und Angehörige der Kaste der Muriden. Sie reiste am 11. August 2015 aus dem Irak aus, etwa sechs Wochen später in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. November 2015 einen Asylantrag.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am 20. September 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab die Klägerin im Wesentlichen folgendes an:
Sie habe bis zu ihrer Ausreise zusammen mit ihrer Familie, ihren Eltern sowie fünf Geschwistern, in ihrem Heimatdorf gelebt. Dieses heiße H., I. und gehöre zu Mossul. Der nächste größere Ort sei J., die Stadt Mossul etwa 30 km entfernt. Nach den Übergriffen des Islamischen Staates (IS) auf Yeziden im Sindjar hätten sie nicht mehr im Irak leben können. Sie hätten auch Angst vor den arabischen Nachbarn in den umliegenden Dörfern gehabt und bereits ihre Sachen gepackt, um im Fall eines Angriffs jederzeit fliehen zu können. Sie sei dann mit ihrer Familie in die Türkei ausgereist und in das Flüchtlingscamp Media in der Nähe von Urfa gelangt. Von dort aus sei sie mit einem ihrer Brüder nach Deutschland weitergereist. Sie habe auf dem Weg yezidische Familien getroffen, die sie mitgenommen hätten. Ihre Eltern hätten keinen Schlepper gehabt und seien in ihr Heimatdorf zurückgekehrt, wo sie weiter mit vier ihrer Geschwister lebten. Sie habe telefonischen Kontakt zu ihren Eltern und von diesen gehört, dass die Lage in ihrem Heimatdorf sehr schlecht sei, da die muslimischen Nachbarn immer mehr Hass entwickelt hätten und die Lage unsicherer geworden sei. Als jemand nach ihrer Ankunft in Deutschland eine IS-Flagge auf ihr Elternhaus im Irak gemalt habe, hätten ihre Eltern Angst bekommen und vorübergehend das Haus verlassen.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 erkannte das Bundesamt der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab (Ziffer 2).
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, es ergäbe sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht, dass sie einer Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a AsylG tatsächlich ausgesetzt gewesen sei bzw. ihr eine solche konkret drohen würde. Ihr Herkunftsort H. bei Mossul stehe nicht mehr unter der Kontrolle des IS. Von einer Gruppenverfolgung aufgrund der yezidischen Religionszugehörigkeit sei nicht mehr auszugehen. Dafür spreche auch, dass die Familie der Klägerin weiterhin in ihrem Heimatort lebe.
Die Klägerin hat am 18. Oktober 2017 Klage erhoben und schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer zu 2 des Bescheides vom 10. Oktober 2017 zu verpflichten, zu ihren Gunsten die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG festzustellen.
Die Beklagte hat ebenfalls schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsätzen vom 1. November 2017 und 29. Januar 2018 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verzichtet.
Mit am 23. April 2018 ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft habe. Sie sei vorverfolgt aus ihrem Heimatland, der Republik Irak, ausgereist, ihre Furcht vor Verfolgung sei weiterhin begründet und ihr stünde kein interner Schutz vor der drohenden Verfolgung zur Verfügung. Yeziden seien im August 2014 in der Provinz Ninive einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt gewesen, der nach Auffassung des United Nations Human Rights Councils (UNHRC) einen Völkermord an den Yeziden in Anknüpfung an deren Religionszugehörigkeit begangen habe. Von dieser Gruppenverfolgung sei die Klägerin unmittelbar betroffen gewesen, da sie Anfang August 2014 in der Provinz Ninive gelebt habe und yezidischen Glaubens sei. Die damit einhergehende Vermutung einer künftigen Verfolgungsgefahr sei nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt. Zwar gehe das Bundesamt davon aus, dass die Region um Sindjar nicht mehr unter der Kontrolle des IS stehe, dies genüge aber nicht für eine Widerlegung der Verfolgungsvermutung, da sich die Verhältnisse in der Provinz Ninive dafür noch nicht ausreichend stabilisiert hätten. So würden in einem großen Wüstengebiet noch Kämpfer des IS vermutet. Zudem sei damit zu rechnen, dass die Organisation wieder verstärkt auf Terroranschläge und eine Guerilla-Taktik aus dem Untergrund setze. Eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen des Irak sei für Yeziden aus der Provinz Ninive nicht gegeben. So bestünde für diesen Personenkreis aufgrund strenger Einreise- und Niederlassungsbeschränkungen nur eingeschränkter Zugang zu sicheren Gebieten in anderen Landesteilen. Zudem seien die Flüchtlingslager im Nordirak überfüllt und die humanitären Bedingungen sehr schlecht. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin über Familienangehörige in nicht umkämpften Teilen des Irak verfüge, die sie aufnehmen könnten. Die Eltern der Klägerin seien wieder nach Mossul zurückgekehrt, weiter Familienmitglieder lebten in Deutschland.
Am 18. Mai 2018 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragt.
Mit Beschluss vom 4. Februar 2019 (- 9 LA 41/19 -) hat der Senat die Berufung gegen das angefochtene Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, um die Frage zu klären, ob Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft im Irak in der Provinz Ninive aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.
Auf den am 6. Februar 2019 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 7. Februar 2019 die Berufung begründet und hierzu auf die Begründung ihres Bescheides, ihres Zulassungsantrags und auf den Zulassungsbeschluss des Senats Bezug genommen. In der Zulassungsantragsschrift vom 18. Mai 2018 hat sie - auch unter Bezugnahme auf verschiedene erstinstanzliche Entscheidungen - vorgetragen, dass derzeit nicht mehr von einer Gruppenverfolgung von Yeziden aus Ninive durch den IS ausgegangen werden könne. Es bestünden stichhaltige Gründe, die dagegen sprächen, dass die Klägerin im Fall ihrer Rückkehr erneut einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt wäre. Zwar sei die Region, aus der die Klägerin stamme, im Jahr 2014 durch den IS erobert worden, habe jedoch im Sommer 2017 wieder befreit werden können und stünde nun unter der Kontrolle der irakischen Regierungstruppen, so dass die Lage in der gesamten Provinz Ninive jetzt stabil sei. Die Stadt "K.", in der die Klägerin gelebt habe, liege in der Provinz Ninive, wo die Lage stabil und mit dem Wiederaufbau begonnen worden sei, an dem sich auch die Bundesrepublik Deutschland finanziell beteilige. Es fehle daher derzeit an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 23. April 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bei ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung des Senats führte die Klägerin aus, dass ihr Heimatdorf L. sei, bei M. liege und zu Kurdistan-Irak gehöre. Sie sei im Jahr 2015 vor dem IS geflohen, nachdem dieser in den Sindjar eingefallen sei und sie Angst gehabt hätte, dass er auch nach M. kommen könne. Sie sei zusammen mit ihrer Familie in einem LKW mitgefahren und in die Türkei eingereist. Dort seien sehr viele Flüchtlinge gewesen, wodurch sie und ihr Bruder von ihrer Familie getrennt worden seien. Daraufhin seien sie mit einer anderen Familie nach Deutschland gereist. Erst hier habe sie über eine bereits in Deutschland lebende Schwester Kontakt zu ihren Eltern aufnehmen können und erfahren, dass diese zusammen mit ihren übrigen Geschwistern in ihr Heimatdorf L. zurückgekehrt seien. Diese lebten wieder in ihrem Elternhaus, das nach ihrem Kenntnisstand nicht zerstört sei. Ihr Vater arbeite derzeit auf einer N. -Farm bei einem muslimischen Arbeitgeber. Ob der IS in ihrem Heimatdorf gewesen sei, wisse sie nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Senat, anders als das Verwaltungsgericht, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Klägerin im für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) auf Grundlage der in diesem Zeitpunkt vorliegenden aktuellen Erkenntnismittel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.4.2018 - 2 BvR 2435/17 - juris Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 9) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG; vgl. auch Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9), im Folgenden: Richtlinie 2011/95/EU, sowie EuGH, Urteil vom 25.1.2018 - C-473/16 - juris Rn. 31).
Als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die nach Nr. 2 zu berücksichtigenden Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1 entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 34). Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG unter anderem gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2) und unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3).
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, i. S. d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. innerstaatliche Fluchtalternative). Zu berücksichtigen sind insoweit die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (§ 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG). Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen (§ 3e Abs. 2 Satz 2 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, a. a. O., Rn. 19). Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des zugrunde liegenden Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung von Verletzungen des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, a. a. O., Rn. 32; dazu näher VGH BW, Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 - juris Rn. 31 ff.).
Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37).
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise verfolgt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 22). Bei einer Vorverfolgung gilt kein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Vorverfolgten kommt jedoch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15.8.2017 - 1 B 123.17 u. a. - juris Rn. 8; vom 11.7.2017 - 1 B 116.17 u. a. - juris Rn. 8). Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von einer solchen Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend zum früheren herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 - juris Rn. 52; dem folgend BVerwG, Urteil vom 31.3.1981 - 9 C 237.80 - juris Rn. 13). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - juris Rn. 17) beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1997, a. a. O., Rn. 14). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.1982 - 9 C 308.81 - juris Rn. 9). Die Vorschrift privilegiert daher den Vorverfolgten bzw. Geschädigten: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten mithin nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind.
Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 23 zu Art. 4 Abs. 4 der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12), im Folgenden: Richtlinie 2004/83/EG). Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU kann durch stichhaltige Gründe selbst dann widerlegt sein, wenn im Herkunftsland keine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht früher verwendeten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a.a.O., Rn. 23). Zur Entkräftung der Beweiserleichterung ist daher nicht erforderlich, dass die Wiederholung einer Verfolgungsmaßnahme mit der nach diesem Maßstab geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011 - 10 B 32.11 - juris Rn. 7).
Bei der gebotenen Prognose, ob die Furcht des Ausländers vor Verfolgung im Rechtssinne begründet ist, ihm also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, ist es Aufgabe des Gerichts, die Prognosetatsachen zu ermitteln, diese im Rahmen einer Gesamtschau zu bewerten und sich auf dieser Grundlage gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Überzeugung zu bilden. Diese Überzeugungsbildung ist aufgrund der Tatsache, dass unabhängige und gesicherte Informationen vielfach fehlen und die verschiedenen Akteure, auf deren Informationen die Gerichte angewiesen sind, sehr unterschiedliche Interessen verfolgen, erheblich erschwert (vgl. NdsOVG, Urteil vom 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - juris Rn. 37 ff.; VGH BW, Urteil vom 2.5.2017 - A 11 S 562/17 - juris Rn. 33 ff.). Deshalb bedarf es in besonderem Maße einer umfassenden Auswertung aller Erkenntnisquellen auch zur allgemeinen Lage im Irak. Besonderes Gewicht ist den Berichten des United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) beizumessen, der gemäß Art. 35 Nr. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und Art. 2 Nr. 1 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II S. 1293) die Durchführung der Genfer Flüchtlingskonvention überwacht (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU und Art. 10 Abs. 3 Satz 2 b) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60); vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C-528/11 [Zuheyr Frayeh Halaf] - juris Rn. 44). Gewisse Prognoseunsicherheiten sind dabei als unvermeidlich hinzunehmen und stehen der Überzeugungsbildung nicht grundsätzlich entgegen, wenn eine weitere Sachaufklärung keinen Erfolg verspricht. Auf die Feststellung objektivierbarer Prognosetatsachen kann trotz alledem aber nicht verzichtet werden. Die Annahme einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit kann nicht auf bloße Hypothesen und ungesicherte Annahmen gestützt werden.
Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz kommt nicht schon dann in Betracht, wenn eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, sondern in der Gesamtsicht der vorliegenden Erkenntnisse lediglich ausreichende Anhaltpunkte für eine Prognose sowohl in die eine wie die andere Richtung vorliegen, also eine Situation besteht, die einem non-liquet vergleichbar ist (so aber OVG MV, Urteil vom 21.3.2018 - 2 L 238/13 - juris Rn. 41). Die beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ist tatbestandliche Voraussetzung für eine Entscheidung zugunsten des Ausländers. Kann nicht festgestellt werden, dass einem Ausländer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, scheidet eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.8.2017, a. a. O., juris Rn. 8; OVG SH, Urteil vom 10.10.2018 - 2 LB 67/18 - juris Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 3.9.2018 - 14 A 837/18.A - juris Rn. 63 ff.).
Nach diesen Maßgaben besteht für die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) bei einer - hypothetischen - Rückkehr in den Irak keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen. Die Klägerin hat keine anlassgeprägte Einzelverfolgung geltend gemacht (dazu unter I.). Sie kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Gruppenverfolgung von Yeziden in Kurdistan-Irak (dazu unter II.) oder eine individuelle Verfolgung wegen ihrer yezidischen Gruppenzugehörigkeit (dazu unter III.) berufen.
I. Eine ausschließlich an individuelle, in der Person der Klägerin liegende Umstände anknüpfende Verfolgungsgefahr (sogenannte anlassgeprägte Einzelverfolgung) lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. So hat sie zu ihrem Verfolgungsschicksal angegeben, am 11. August 2015 aus ihrem in Kurdistan-Irak liegenden Heimatdorf L. bei M. aus dem Irak ausgereist zu sein, weil sie Angst gehabt habe, dass der IS auch in ihr Heimatdorf vorrücken könnte. Dass der Klägerin eine persönliche Verfolgung aufgrund ihres Vortrages, nach ihrer Ausreise aus dem Irak sei eine IS-Flagge auf ihr Elternhaus gemalt worden, droht, ist nicht ersichtlich, zumal ihre Eltern sowie Geschwister nach einem vorübergehenden Auszug wieder in dem Haus leben.
II. Allein die Zugehörigkeit der Klägerin zu der Glaubensgemeinschaft der Yeziden lässt ihre Verfolgung in Anknüpfung an ein Merkmal i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG bei ihrer Rückkehr in den Irak derzeit nicht als beachtlich wahrscheinlich erscheinen.
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Feststellung einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13 ff.; Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 - juris Rn. 18).
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsland die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - juris Rn. 24).
Dabei ist es nicht erforderlich, die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit feststellen. Vielmehr reicht es aus, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet darf auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe vorgenommen werden. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden. Diese Maßstäbe zur Feststellung einer Gruppenverfolgung gelten auch dann, wenn den Betroffenen schwere Gefahren, insbesondere Gefahren für Leib und Leben drohen. Das Ausmaß der drohenden Gefahr ist in die Bewertung einzubeziehen, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist. Diese Bewertung setzt als Grundlage jedoch Feststellungen zu den Merkmalen der Gruppenverfolgung voraus, die alle Möglichkeiten der Tatsachenermittlung ausschöpfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, a. a. O., Rn. 19).
Einen Verzicht auf eine weitere Quantifizierung der Verfolgungsschläge hat das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen nur bei besonders kleinen Gruppen zugelassen, bei denen auch die Feststellung ausreichen kann, dass derartige Übergriffe "an der Tagesordnung" sind (etwa bei den syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.5.1996 - 9 B 136.96 - juris Rn. 2). Hierbei handelt es sich indes nicht um einen anderen rechtlichen Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte, sondern um eine erleichterte Tatsachenfeststellung im Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 - juris Rn. 5 und Beschluss vom 11.11.1999 - 9 B 563.99 - juris Rn. 3 f.).
Die vorgenannten Grundsätze zur Gruppenverfolgung gelten nicht nur für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung, sondern sind auch auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie durch das Asylgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, a. a. O., Rn. 14; Urteil vom 18.7.2006, a. a. O., Rn. 21).
Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Asyl- und Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche/inländische Fluchtalternative besteht, die im Falle einer drohenden Rückkehrverfolgung vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - juris Rn. 20).
An den in Bezug auf das Asylgrundrecht für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 als auch der Richtlinie 2011/95/EU in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU und die flüchtlingserheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (- C-465/07 [Elgafaji] - juris Rn. 43) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, a. a. O., Rn. 16 zu der insoweit nahezu wortgleichen Richtlinie 2004/83/EG; offen gelassen im Beschluss vom 24.2.2015 - 1 B 31.14 - juris Rn. 5).
Der Senat ist unter Berücksichtigung dieses Maßstabes aufgrund der im für die Bewertung entscheidenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verfügbaren Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangt, dass eine Gruppenverfolgung von Yeziden in Kurdistan-Irak sowohl durch den irakischen Zentralstaat bzw. die kurdische Regionalregierung (dazu unter 1.) als auch den IS (dazu unter 2.) oder die kurdische sowie arabische Bevölkerung (dazu unter 3.) nicht beachtlich wahrscheinlich ist.
1. Eine Gruppenverfolgung von Yeziden in der autonomen Region Kurdistan-Irak durch den irakischen Zentralstaat ist schon deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil die kurdische Regionalregierung eigene Sicherheitskräfte besitzt und keine Erkenntnisse dazu vorliegen, dass zentralstaatliche Einheiten auf diesem Gebiet eingreifen. Darüber hinaus gelten jedenfalls die gleichen Erwägungen, mit denen der Senat eine Verfolgung von Yeziden durch den zentralirakischen Staat in dem Distrikt Sindjar verneint hat (vgl. dazu Urteil des Senats vom 30.7.2019 - 9 LB 133/19 - juris Rn. 61 - 67), auch hier.
In Bezug auf Sicherheitskräfte des Autonomiegebietes Kurdistan-Irak wird in den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln überwiegend lediglich allgemein von Diskriminierung gesprochen, wobei sich den Ausführungen eine für die Annahme einer Verfolgungshandlung i. S. v. § 3a AsylG erforderliche Intensität nicht entnehmen lässt. So werden in einem Bericht des United States Department of State (USDOS, 2017 Report on International Religious Freedom - Iraq, 29.5.2018, S. 5 des Ausdrucks) einige Yeziden, christliche Führer sowie Nichtregierungsorganisation zitiert, die von Schikanen und Diskriminierungen durch die kurdische Regionalregierung (KRG), Peschmerga und den kurdischen Sicherheits- und Geheimdienst Asayish sprechen. Soweit davon berichtet wird, dass Yeziden aufgrund der Bildung eigener yezidischer Milizen, die der PKK bzw. den Volksmobilisierungseinheiten PMU nahestehen, Vergeltungshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte ausgesetzt sind (vgl. French Office for the Protection of Refugees and Stateless Persons, The Security situation of religious and ethnic minorities, 14.11.2017, S. 6 - 7), ist nicht erkennbar, dass diese in Anknüpfung an die yezidische Glaubenszugehörigkeit erfolgen. Vielmehr wird es sich dabei um Maßnahmen machtpolitischer Natur handeln, die nicht die Yeziden als Gruppe betreffen, sondern einzelne Personen, die sich selbst oder deren Angehörige sich entsprechenden, mit den kurdischen Sicherheitskräften konkurrierenden Gruppierungen angeschlossen haben (vgl. USDOS, 2017 Report on International Religious Freedom - Iraq, 29.5.2018, S. 8 des Ausdrucks).
2. Eine Gruppenverfolgung von Yeziden in Kurdistan-Irak i. S. v. § 3 AsylG durch die Terrormiliz IS ist ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.
a) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, wonach eine Vorverfolgung oder eine frühere unmittelbare Bedrohung durch Verfolgung ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, berufen, da sie nicht bereits vor ihrer Ausreise aus dem Irak von einer Gruppenverfolgung durch den IS bedroht gewesen ist.
In der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass die Klägerin nicht - wovon das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Urteil vom 23. April 2014 (- 12 A 11633/17 -) noch ausgegangen ist - aus der Provinz Ninive stammt, sondern aus der autonomen Region Kurdistan-Irak. So gab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats auf wiederholte Nachfrage an, in dem nahe der Stadt M. liegenden Dorf L. in Kurdistan-Irak gelebt zu haben.
Aus den Erkenntnismitteln ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass es vor der Ausreise der Klägerin in Kurdistan-Irak eine Gruppenverfolgung von Yeziden gegeben hat.
Ganz im Gegenteil: Der Heimatort der Klägerin war gerade Zufluchtsort für viele Yeziden aus der Provinz Ninive, die ihre Heimat wegen des Eroberungsfeldzuges des IS verlassen hatten und dort Schutz vor dem IS suchten (vgl. International Organization for Migration [IOM], Iraq, Displacement Crisis 2014 - 2017, Oktober 2018, S. 6, 10, 15, 50). Aus der in der mündlichen Verhandlung eingeführten irakischen Karte mit eingezeichneten Flüchtlingscamps ergibt sich, dass sich ein Flüchtlingscamp in Khanke und damit in unmittelbarer Nähe ihres Heimatdorfes befindet. Dabei handelt es sich zudem um ein großes Flüchtlingscamp, das gerade für yezidische Binnenflüchtlinge errichtet worden ist. Daneben gibt es in der näheren Umgebung ihres Heimatortes weitere Camps (z. B. Kabarto, Domiz, Shariya).
Die Flüchtlingscamps dürften unter anderem deshalb dort errichtet worden sein, weil die Situation in Kurdistan-Irak in keiner Weise mit der in dem Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive vergleichbar war. Während es im Sindjar ab August 2014 eine flächendeckende Verfolgung der dort lebenden Yeziden gab, die erst durch den Eroberungsfeldzug des IS und der damit einhergehenden Ausübung der territorialen Herrschaftsgewalt in dem Distrikt ermöglich wurde, hat der IS zu keinem Zeitpunkt Gebiete in der autonome Region Kurdistan-Irak kontrolliert. Selbst Städte in den Grenzregionen, wie z. B. Scheikhan oder Alqosh, sind von ihm nicht eingenommen worden (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien [EZKS], Gutachten vom 7.9.2015, S. 2).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Vorrücken des IS in die Heimatregion der Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt unmittelbar bevorstand. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sie ihr Heimatland erst zu einem Zeitpunkt verließ, in dem sich der IS im Nordirak schon wieder auf dem Rückzug befand. So musste er bei ihrer Ausreise am 11. August 2015 bereits Gebietsverluste hinnehmen. Gerade die Dörfer nördlich des Sindjar-Gebirges, wie z. B. Khanasor, Ghobal oder Borik, waren bereits nicht mehr unter seiner Kontrolle (vgl. EZKS, Gutachten vom 7.9.2015, S. 3).
b) Auch aktuell ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung von Yeziden in Kurdistan-Irak durch den IS. Dies gilt gerade auch für die Provinz Dohuk, in die die meisten Yeziden geflüchtet sind (vgl. IOM, Iraq, Displacement Crisis 2014 - 2017, Oktober 2018, S. 6, 10, 15, 50) und aus der die Klägerin stammt.
aa) Den dem Senat bekannten Erkenntnismitteln lässt sich bereits nicht entnehmen, dass es derzeit zu gezielten Übergriffen von Mitgliedern des IS gegenüber Yeziden in Anknüpfung an deren Religionszugehörigkeit in der Region Kurdistan-Irak kommt oder der IS Yeziden in ihrer Religionsausübung in einer den Anforderungen des § 3a AsylG erfüllenden Weise beeinträchtigt.
(1) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Sicherheitslage in Kurdistan-Irak vergleichsweise besser ist, als in anderen Landesteilen des Irak (vgl. Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation [ACCORD], Anfragebeantwortung zum Irak, Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 1 des Ausdrucks; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 25 und Sicherheitslage 2011 und 2018, insbesondere in der Region Kurdistan bzw. Kirkuk, 11.10.2018, S. 10 m. w. N.). Der UNHCR gelangt in seinem Bericht aus Mai 2019 (International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, S. 22) zu der Einschätzung, dass die Sicherheitssituation in Kurdistan-Irak relativ stabil geblieben ist.
Dies wird auch darauf zurückzuführen sein, dass der Sicherheitsapparat Kurdistan-Iraks nach Einschätzung verschiedener Quellen als schlagkräftig gilt und bis zu einem gewissen Grad in der Lage ist, für ein sicheres Umfeld in der Region Kurdistan-Irak zu sorgen (vgl. The Danish Immigration Service [DIS], The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 38 f. m. w. N.).
Auch aus den statistischen Erfassungen zu der Anzahl der zivilen Opfer in Kurdistan-Irak ergibt sich, dass sich die Sicherheitslage in der Region gegenüber der in den übrigen Landesteilen des Irak allgemein als deutlich besser darstellt und nur eine vergleichsweise geringe Zahl von zivilen Opfern zu beklagen ist.
Nach den Erhebungen des Iraq Body Count-Projektes (vgl. European Asylum Support Office [EASO], Country of Origin Information, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S.12, 14) hat es im Jahr 2018 im gesamten Irak 3.319 zivile Todesopfer durch Gewalt gegeben, davon mit 99 Todesopfern (28 in der Provinz Dohuk, 26 in der Provinz Erbil und 45 in der Provinz Sulaymaniya) nur knapp 3 % in Kurdistan-Irak, obwohl dort über 13 % der irakischen Einwohner leben (Gesamtbevölkerung des Irak 35.766.705 Einwohner, davon in Kurdistan-Irak 4.823.894 Einwohner [898.021 in Dohuk, 1.948.014 in Erbil und 1.977.859 in Sulaymaniya]; vgl. EASO, Country of Origin Information, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S.14). Im Vorjahr lag die Anzahl der registrierten zivilen Todesopfer in Kurdistan-Irak mit 57 sogar noch deutlich darunter.
In der statistischen Erfassung United Nations Casuality Figures for Iraq der United Nations Assistance Mission for Iraq (UNAMI) liegen die Fallzahlen für das Jahr 2018 für den gesamten Irak mit 935 zivilen Todesopfern und 1.654 verletzten Zivilisten infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen sowie Terroranschlägen und sonstiger Gewalt deutlich niedriger. Eine weitere Aufgliederung auf die einzelnen Provinzen erfolgt in den Berichten lediglich für die drei im jeweiligen Monat am stärksten betroffenen, wobei die drei Provinzen in Kurdistan-Irak in keinem Monat aufgeführt sind. Geht man angesichts dessen von einem ähnlichen Anteil wie bei den statistischen Erfassungen der zivilen Opfer durch das Iraq Body Count-Projekt von knapp 3 % aus, lägen die Fallzahlen für die Region Kurdistan-Irak hier bei etwa 28 zivilen Todesopfer und 49 verletzten Zivilisten im Kalenderjahr 2018.
(2) Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nur ein geringer Anteil der zivilen Todesopfer und verletzten Zivilisten überhaupt durch zielgerichtete Handlungen gegen Zivilisten herbeigeführt worden sein dürfte.
Bei einem nicht unwesentlichen Teil der statistisch erhobenen Fälle handelt es sich um Opfer jahrzehntealter Minen in Kurdistan-Irak. So gehört die Region aufgrund der noch aus den Konflikten der früheren Jahrzehnte stammenden Minen zu den fünf am stärksten kontaminierten Regionen der Welt. Das verminte Gebiet umfasst 226 Quadratkilometer, davon mehr als die Hälfte in Sulaymaniya. Die Regierung berichtete, dass im Jahr 2018 insgesamt 35 Menschen in Kurdistan-Irak Opfer von Minen geworden sind, von denen 21 starben und 14 schwer verletzt wurden (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 158 m. w. N.; Übersichtskarte über Landminen und sonstige Sprengkörper im Irak bei U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, 16.11.2018, S. 28).
Darüber hinaus wird ein großer Anteil der statistisch erfassten zivilen Opfer auf Angriffe der türkischen Armee gegen PKK-Ziele zurückzuführen sein, bei denen es auch immer wieder zu zivilen Opfern kommt.
Die türkische Armee führt regelmäßig, teilweise im Abstand von wenigen Tagen, Luftangriffe auf PKK-Ziele in Kurdistan-Irak durch (vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 22; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 m. w. N.; vgl. zu einzelnen Vorfällen zusammenfassende Darstellung ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Sicherheitslage; Kampfhandlungen, Anschlagskriminalität, 21.2.2019, S. 1 - 2 des Ausdrucks). Zwischenzeitlich hatte es auch eine Bodenoffensive der türkischen Armee in der Region Kurdistan-Irak gegeben (vgl. umfassend dazu EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 153 - 154). Beide Seiten geben nur wenige Informationen über Opfer preis, es handelt sich dabei aber in Einzelfällen immer wieder um Zivilisten (vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 22; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 m. w. N.).
Die den statistischen Erfassungen zugrunde liegenden Angaben zu den registrierten Einzelfällen machen deutlich, dass ein großer Anteil der für Kurdistan-Irak erfassten sicherheitsrelevanten Vorfälle diesem Konflikt geschuldet ist.
Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) der University of Sussex stellt einen kontinuierlich aktualisierten Datensatz zu aufgezeichneten sicherheitsrelevanten Vorfällen im gesamten Irak zur Verfügung, die auf Basis verschiedener Nachrichtenquellen registriert werden. Nach der dortigen Erhebung handelt es sich in 89 von 111 der für das Kalenderjahr 2018 erfassten sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Dohuk, aus der die Klägerin stammt, um Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und Kämpfern der PKK (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 1 des Ausdrucks). Auch in der Nachbarprovinz Erbil sind nach den Angaben von ACLED 117 der 200 für das Jahr 2018 erfassten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf diese Auseinandersetzungen zurückzuführen (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 3 des Ausdrucks).
Nach den Wochenübersichten des US-amerikanischen Irakanalysten Joel Wing in seinem Blog Musings on Iraq über die Sicherheitslage im Irak beruhen die (im landesweiten Vergleich wenigen) für Dohuk und Erbil dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle ebenfalls meistens auf Luftangriffen der Türkei (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 2 des Ausdrucks).
Dass ein großer Anteil der zivilen Opfer auf den Konflikt zwischen der türkischen Armee und der PKK zurückzuführen ist, zeigt auch der Umstand, dass von den für Dohuk durch das Iraq Body Count-Projekt erfassten 28 getöteten Zivilisten die Hälfte durch Luftangriffe gestorben sind (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 2 des Ausdrucks).
Ein weiterer Anteil der erfassten getöteten Zivilisten dürfte auf iranische Angriffe gegen eine in Kurdistan-Irak befindliche iranische Oppositionsgruppe zurückzuführen sein.
Seitdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 in Kurdistan-Irak wieder aufgenommen hat, gab es 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren auch wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Region Kurdistan-Irak (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 m. w. N.). Dabei führen iranische Kräfte gezielte Tötungen Oppositioneller durch, bei denen aber auch zivile Opfer zu verzeichnen sind (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 154 - 155).
Damit wird der Anteil der Zivilisten, die Opfer zielgerichteter Handlungen geworden sind, nur sehr gering sein. Nach den statistischen Erfassungen von ACLED sind in der Provinz Dohuk für das Jahr 2018 nur in 11 der 111 registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle Zivilisten involviert gewesen, bei denen 11 Zivilisten getötet worden sind. Für die Nachbarprovinz Erbil sind 10 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 9 getöteten Zivilisten erfasst (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 1, 3 des Ausdrucks).
(3) Ob bei der ohnehin nur sehr geringen Anzahl ziviler Opfer infolge gezielter Übergriffe auf Zivilisten in Kurdistan-Irak Yeziden betroffen sind und die Übergriffe durch Mitglieder oder Sympathisanten des IS in Anknüpfung an die yezidische Religionszugehörigkeit erfolgten, lässt sich den statistischen Erfassungen nicht entnehmen.
Dem Senat sind aber keine Berichte bekannt, dass es in Kurdistan-Irak, speziell in Dohuk, der Heimatprovinz der Klägerin, zu gezielten Übergriffen auf Yeziden seitens des IS in der näheren Vergangenheit gekommen ist oder aktuell kommt.
Dagegen spricht bereits der Umstand, dass die Provinz Dohuk gerade Zufluchtsort für hunderttausende Yeziden war, die dort vor dem IS Schutz suchten. Die Region Kurdistan-Irak hat infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen einen großen Anteil der syrischen Flüchtlinge sowie der irakischen Binnenflüchtlinge aufgenommen. Im Juni 2015 lebten etwa 2 Millionen Flüchtlinge in Kurdistan-Irak (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 10). Allein die Provinz Dohuk hat in der Vergangenheit eine Millionen Flüchtlinge aufgenommen (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 6, 12), von denen viele Yeziden waren (vgl. IOM, Iraq, Displacement Crisis 2014 - 2017, Oktober 2018, S. 6, 10, 15, 50).
Hinzu kommt, dass der vom IS ausgehende Gefährdungsgrad in Kurdistan-Irak im Landesvergleich als moderat einzustufen ist. Seit 2014 ist Kurdistan-Irak weitgehend von der Gewalt der IS-Terroristen verschont geblieben. Es wird lediglich von einer sich vergrößernden Unterstützungszone rund um das Halabja-Gebirge in der Nähe der iranischen Grenze, in der IS-loyale Gruppen wie die Ansar al-Islam operieren, berichtet (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 149, 155). Im vergangenen Jahr haben kurdische Sicherheitsbehörden aber auch IS-Zellen aufgedeckt und deren Mitglieder verhaftet, die Angriffe in Erbil und dem übrigen Gebiet von Kurdistan-Irak geplant haben. Die Sicherheitskräfte sind angesichts der IS-Zellen sowie anhaltender IS-Aktivitäten im benachbarten Kirkuk und Diyala wachsam. Somit besteht in Kurdistan-Irak zwar weiterhin das Risiko von IS-Angriffen, Terroranschläge sind in der Region aber relativ selten (vgl. dazu im Einzelnen UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 22).
Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der IS derzeit Yeziden in Kurdistan-Irak als primäres Angriffsziel ansieht. Das BFA (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 25 f.) geht vielmehr davon aus, dass Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein können (so auch DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 34). Damit dürften die vorgenannten Ziele im Fokus des IS stehen, nicht hingegen yezidische Zivilisten.
Es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass sich Yeziden in Kurdistan-Irak nicht mehr ausreichend vor dem IS geschützt fühlen. So waren im Mai 2018 noch insgesamt 726.990 Binnenflüchtlinge in dem autonomen Gebiet Kurdistan-Irak (Dohuk 350.232, Erbil 222.738, Sulaymaniya 154.020; vgl. IOM, Iraq, Displacement Tracking Matrix, DTM Round 96, Mai 2018, S. 4), die im Wesentlichen aufgrund des Eroberungsfeldzuges des IS in die autonome Region Kurdistan-Irak geflohen waren.
Dies stimmt mit dem Bericht der IOM (Understanding ethnoreligious groups in Iraq: Displacement and Return, Februar 2019, S. 17 f., 23) überein, nach dem binnenvertriebene Yeziden als Hauptgrund für den Verbleib am Zufluchtsort angaben, dass die Sicherheitslage dort besser ist als in ihrem Heimatort. Für eine Rückkehr yezidischer Binnenvertriebener waren nach dem Ergebnis der Befragung vor allem wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend.
Zudem deckt sich dies mit den Erkenntnissen des Senats aus anderen den Irak betreffenden Asylverfahren von Yeziden, die oftmals angaben, aufgrund der wirtschaftlichen bzw. humanitären Situation (insbesondere in den Flüchtlingscamps) aus Kurdistan-Irak ausgereist zu sein.
Auch die Klägerin hat nicht substantiiert geltend gemacht, dass es in Kurdistan-Irak zu Übergriffen auf Yeziden durch den IS gekommen ist oder aktuell kommt. So hat sie in der mündlichen Verhandlung vielmehr vorgetragen, dass ihre Eltern mit sieben ihrer Geschwister wieder in ihrem Heimatort L. in Kurdistan-Irak leben und es eigentlich wie immer sei. Sie hätten zwar Angst, aber von konkreten Vorfällen nichts erzählt.
Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass sich die Gefährdungslage für Yeziden im Jahr 2019 erhöht hätte (vgl. zu den berichteten Vorfällen im Jahr 2019 in Kurdistan-Irak von Joel Wing ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak, Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 2 f. des Ausdrucks).
Soweit von der Klägerin die Befürchtung geäußert wurde, der IS könne auch in die Region Kurdistan-Irak vorrücken, ist diese gerade zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr berechtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass der IS in absehbarer Zeit in der Lage wäre, die Herrschaftsgewalt in Teilen von Kurdistan-Irak auszuüben und eine flächendeckende Verfolgung von Yeziden vorzunehmen, wie er es ab August 2014 während seines Eroberungsfeldzuges im Sindjar betrieben hat. So ist der Einflussbereich des IS seit der Ausreise der Klägerin weiter zurückgegangen. Die Machtverhältnisse im Irak haben sich grundlegend geändert, der IS hat sein Herrschaftsgebiet dort nahezu vollständig verloren (aktuelle Karte zu den Machtverhältnissen im Irak unter https://isis.liveuamap.com/) und hält in dem Heimatland der Klägerin kein Territorium mehr (vgl. BFA, Kakai, Verfolgung und Diskriminierung, staatlicher Schutz, Religionsfreiheit, Niederlassung im Nordirak, 13.12.2018, S. 2 m. w. N.). Damit fehlen derzeit bereits ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der IS in absehbarer Zeit in Teilen seiner während seines Eroberungsfeldzuges besetzten Gebieten im Irak die Herrschaftsgewalt ausüben könnte (vgl. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 71 - 79). Dies gilt erst Recht für die Herkunftsregion der Klägerin, da der IS auch während seiner territorial größten Ausdehnung nicht in die autonome Region Kurdistan-Irak vordringen konnte. Den beiden in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Berichten von Spiegel Online (Terrorgruppe, Pentagon warnt vor IS-Comeback in Syrien und im Irak) und Zeit Online (USA, Pentagon warnt vor Wiedererstarken des "Islamischen Staates") vom 7. August 2019, in denen lediglich allgemein vor einem Wiedererstarken des IS gewarnt wird, lassen sich keine Erkenntnisse entnehmen, die eine andere Einschätzung der Lage rechtfertigen.
bb) Selbst wenn es vereinzelt Übergriffe auf Yeziden i. S. v. § 3a AsylG durch den IS wegen deren yezidischer Religionszugehörigkeit in Kurdistan-Irak geben sollte, wäre angesichts der Anzahl der dort lebenden Yeziden in keiner Weise ersichtlich, dass es für jeden Yeziden aus der Herkunftsregion der Klägerin beachtlich wahrscheinlich ist, davon betroffen zu sein.
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22, 23) hat selbst bei einer Gefahrendichte von 1:800 im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf subsidiären Schutz, bei dem es den gleichen Prognosemaßstab wie beim Flüchtlingsschutz ansetzt, festgestellt, dass das Risiko so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich der Mangel einer fehlenden wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.
Die damit für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte wäre in der Region Kurdistan-Irak bei Weitem nicht erreicht:
Vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisse zu zivilen Opfern in Kurdistan-Irak hält es der Senat allenfalls für denkbar, dass sich die zu berücksichtigenden Referenzfälle in Kurdistan-Irak für das Jahr 2018 im niedrigen zweistelligen Bereich bewegen.
Demgegenüber hält sich noch eine erhebliche Zahl von Yeziden, die sich im sechsstelligen Bereich bewegen dürfte, in Kurdistan-Irak auf. So lebten Yeziden bereits vor dem Eroberungsfeldzug des IS in der heutigen autonomen Region Kurdistan-Irak (vgl. Konrad Adenauer Stiftung, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven, 14.6.2017, S. 93). Infolge des Vorrückens des IS sind dann allein aus dem Distrikt Sindjar etwa 200.000 Yeziden geflohen (vgl. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 87), davon die meisten nach Kurdistan-Irak (vgl. IOM, Iraq, Displacement Crisis 2014 - 2017, Oktober 2018, S. 6, 10, 15, 50; Konrad Adenauer Stiftung, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven, 14.6.2017, S. 94; EZKS, Gutachten zum Erhebungsersuchen Nord-Irak, 14.1.2015, S. 4). Nur ein geringer Anteil der binnenvertriebenen Yeziden von etwa 45.500 Personen ist zwischenzeitlich wieder in den Sindjar zurückgekehrt (vgl. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 88 - 91), ein weiterer Anteil aus dem Irak ausgereist. Dass die Anzahl der sich in Kurdistan-Irak aufhaltenden Yeziden weiterhin hoch ist, entspricht auch dem Eindruck, den der Senat in einer Vielzahl anderer den Irak betreffenden Asylverfahren gewonnen hat, in denen immer wieder von den yezidischen Klägern berichtet worden ist, dass viele ihrer Verwandten in Kurdistan-Irak leben.
3. Auch eine Gruppenverfolgung durch andere nichtstaatliche Akteure oder die kurdische Bevölkerung in Kurdistan-Irak, die überwiegend muslimischen Glaubens ist, ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Zwar wird davon berichtet, dass Yeziden nach dem kampflosen Rückzug der Peschmerga aus dem Sindjar das Vertrauen in die Kurden verloren hätten und Yeziden von Kurden nach anfänglich freundlicher Aufnahme in der Region Kurdistan-Irak zunehmend angefeindet würden und es nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen komme (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Targeting of Individuals, März 2019, S. 140 f.). Dass diese hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität die erforderliche Erheblichkeit i. S. v. § 3a AsylG erreichen und über Einzelfälle hinausgehen, lässt sich den Erkenntnismitteln hingegen nicht entnehmen. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angab, dass ihr Vater derzeit für einen muslimischen Arbeitgeber tätig sei, und sie dies nicht im Ansatz als problematisch empfunden hat.
Ihre Furcht vor arabischen Nachbarn in ihrer Heimatregion hat die Klägerin lediglich allgemein vorgetragen, ohne konkrete Angaben zu machen, worauf ihre Angst beruht. Auch den Erkenntnismitteln lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass es vermehrt zu gezielten Übergriffen der arabischen Bevölkerung oder - wie die Klägerin geltend macht - durch arabische oder schiitische Milizen bzw. fundamentalistische Organisationen in Kurdistan-Irak auf Yeziden wegen deren Glaubenszugehörigkeit gekommen ist.
III. Der Klägerin droht auch keine individuelle Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden aus der autonomen Region Kurdistan-Irak. Ist eine Verfolgung aller Gruppenangehöriger nicht beachtlich wahrscheinlich, kann sich dies aber aus dem Vorliegen besonderer Gefährdungsmerkmale ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, a. a. O., Rn. 24; Urteil vom 30.10.1984 - 9 C 24.84 - juris Rn. 12).
In der Vergangenheit waren yezidische Intellektuelle mit öffentlich sichtbarem Erfolg bzw. Einfluss oder yezidische Würdenträger, wenn sie regelmäßig yezidische Einrichtungen besuchen, Yeziden im Alkoholgeschäft oder im Gaststätten- und Hotelgewerbe sowie in der Vergnügungsindustrie, in Schönheits- oder Frisiersalons oder Yeziden, die - etwa als Polizisten oder Taxifahrer - in häufigen Kontakt zur moslemischen Bevölkerung traten oder aufgrund typischer Kleidungsstücke oder anderer Merkmale als Yeziden auffielen, besonders gefährdet (vgl. EZKS, Gutachten vom 26.10.2005, S. 8 - 9). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Januar 2019 (S. 17) sowie des USDOS (Country Report On Human Rights Practices 2017 - Iraq, 20.4.2018, S. 15 des Ausdrucks) sind vor allem Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Künstler, Dichter, Schriftsteller, Musiker, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats, Mitarbeiter der Ministerien oder von Provinzregierungen, Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Yeziden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, sowie medizinisches Personal besonders gefährdet. Ob bei diesen Personengruppen letztlich die Gefahr einer Verfolgung besteht, lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht allgemein und grundsätzlich beantworten, sondern ist eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls. Zu prüfen ist bei Übergriffen jeweils auch, ob wirklich ein Bezug zum yezidischen Glauben besteht, also nicht unabhängig davon auch bei anderen Personen eine entsprechende Gefährdung vorhanden ist (vgl. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O, Rn. 130). Im vorliegenden Fall erübrigt sich eine solche Einzelfallprüfung, weil die Klägerin nicht zu einer der genannten Personengruppen gehört.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.