Sozialgericht Stade
Urt. v. 11.02.2016, Az.: S 19 SO 198/13
Möglichkeit der teilstationären Erbringung von Leistungen für betreutes Wohnen nach dem SGB XII
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 11.02.2016
- Aktenzeichen
- S 19 SO 198/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 12618
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2016:0211.S19SO198.13.0A
Rechtsgrundlagen
- § 98 Abs. 1 SGB XII
- § 98 Abs. 2 SGB XII
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erstattungsbegehrens betreffend Eingliederungshilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Frage, ob Leistungen für Betreutes Wohnen auch teilstationär erbracht werden können.
Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe in Niedersachsen, der Beklagte in Schleswig-Holstein. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung erbrachter Eingliederungshilfeleistungen im Fall der Frau R. Die R, geboren 1981, ist aufgrund von Persönlichkeitsstörungen und Neurosen seelisch behindert. Sie lebte ursprünglich in Stade im Zuständigkeitsbereich des Klägers und erhielt von diesem ab September 2005 Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen. Daneben bezog sie seinerzeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom örtlichen Jobcenter. Am 18. März 2008 beantragte die R beim Kläger die Übernahme der Kosten für die beabsichtigte Betreuung in einer Wohngruppe in F., betrieben von der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH. Ausweislich des zugrundeliegenden sozialtherapeutischen Konzepts seien die Wohngruppen eine teilstationäre Einrichtung, die wohl als vorübergehende Maßnahme zur Wiedereingliederung als auch längerfristig als beschützte Wohnmöglichkeit genutzt werden könne. Die Bewohner mieten jeweils ein Zimmer an und teilen sich Bad und Küche mit anderen Bewohnern. Zielgruppe seien hilfebedürftige Personen, für die ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht oder nicht erforderlich ist, aber ambulante Leistungen nicht ausreichen. Mit Bescheiden vom 23. April 2008 und 18. Juli 2008 erklärte der Kläger die Kostenübernahme bis zum 30. Juni 2009, wobei aus dem Kostenübernahmebescheid kein erkennbarer Hinweis auf eine Vorläufigkeit der Übernahme ergibt. Die Hilfeempfängerin zog daraufhin zum 01. Juli 2008 in die Wohngruppe in F. und meldete sich auch polizeilich nach Husum um. Das dort zuständige Jobcenter gewährte ihr Leistungen nach dem SGB II. Zum 05. Januar 2010 zog die R. dann in den Luisenhof, eine stationäre Einrichtung der Diakonie in Kiel, und bezog parallel Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, nach der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab November 2010 dann Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel. Der Kläger trug die anfallenden Kosten durchgehend ausdrücklich vorläufig (Bescheide vom 23.12.2009, 28.10.2009 und 04.01.2011). Im März 2013 zog die R. schließlich in eine privat angemietete Wohnung in Kiel und erhielt weiter Grundsicherungsleistungen sowie Eingliederungshilfe in einer ambulant betreuten Wohnform.
Bereits mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten eine Erstattung der an die R. erbrachten Leistungen gemäß § 102 Abs 1 SGB X geltend. Die Leistungen würden nur vorläufig gemäß § 43 SGB I erbracht, örtlich zuständig sei der Beklagte. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 ab. Nach dem Umzug der R. in den Louisenhof in Kiel machte der Kläger mit Schreiben vom 21. Mai 2010 gegenüber dem Beklagten auch eine Erstattung der Kosten der stationären Betreuung geltend, was der Beklagte wiederum mit Schreiben vom 23. 2010 ablehnte. Weiterer Schriftverkehr der Beteiligten führte zu keiner Einigung. Mit Schreiben vom 01. März 2013 verlangte der Kläger auch bezüglich der seit März 2013 auflaufenden Kosten der ambulanten Betreuung der R. Kostenerstattung vom Beklagten. Am 31. Dezember 2013 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Erstattungsbegehren weiter verfolgt.
Der Kläger trägt vor, bei teilstationären Maßnahmen richte sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs 1 SGB XII, denn trotz der bekannten Unterscheidung gemäß § 13 SGB XII in ambulante, teilstationäre und stationäre Maßnahmen habe er keine gesonderte Regelung für teilstationäre Maßnahmen getroffen, so dass es beim Auffangtatbestand des § 98 Abs 1 SGB XII verbleibe. Bereits zu BSHG-Zeiten sei der Träger vor Ort für teilstationäre Leistungen zuständig gewesen. Ein teilstationäres Betreutes Wohnen sei auch möglich. In der Wohngruppe der Brücke in F., in der die R. gelebt habe, könnten die Bewohner wirtschaftlich autark leben und sich in ihr Zimmer zurückziehen, so dass die Betreuung in zeitlicher Hinsicht nicht umfassend sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die von ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 für die teilstationäre bzw stationäre Betreuung der Hilfeempfängerin Frau G. aufgewendeten Kosten der Eingliederungshilfe in Höhe von insgesamt 93,549,52 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, er teile die Bedenken des Bundessozialgerichts im Urteil vom 23. Juli 2015 - B 8 SO 7/14 R -, ob eine zeitliche Abgrenzbarkeit überhaupt sein könne, wenn das Wohnen in demselben Gebäude stattfinde wie die Betreuung. Wesentlich sei doch die Anknüpfung an den Ort des Wohnens, bei teilstationären Maßnahmen gebe es gerade einen Unterschied zwischen dem Wohnort und dem Ort der teilstationären Betreuung.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegenden Verwaltungsvorgänge der Beteiligten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2016 waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und als echte Leistungsklage iSd § 54 Abs 5 SGG statthafte Klage hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm bislang vorläufig erbrachten Leistungen an die Hilfeempfängerin R., denn er war selbst gemäß § 98 Abs 2 SGB XII örtlich zuständig. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X und des § 105 Abs 1 SGB X sind nicht erfüllt.
Gemäß § 102 Abs 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Gemäß § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger, soweit er nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat, erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs 1 SGB X vorliegen.
Soweit es um die Erstattung der vom 01. Juli 2008 bis 30. Juni 2009 erbrachten Leistungen geht, ist nach Auffassung des Gerichts § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X die richtige Anspruchsgrundlage, da aus dem Kostenübernahmebescheid vom 23. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Juli 2008 nicht von außen erkennbar war, dass die Leistung vorläufig erfolgte (vgl Grube in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 102, Rn 28.1). Bezüglich der weiteren hier klagegegenständlichen Zeiträume wurde die Vorläufigkeit hingegen eindeutig und ausdrücklich in den Bewilligungsbescheiden mitgeteilt, so dass § 102 Abs 1 SGB X einschlägig ist. Beiden Erstattungsnormen ist tatbestandlich gemeinsam, dass ein erfolgreiches Erstattungsbegehren voraussetzt, dass ein unzuständiger Leistungsträger, hier nach eigener Auffassung der Kläger, geleistet hat und der andere, hier der Beklagte, eigentlich zuständig war und zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte hat nicht bereits selbst geleistet.
Der Beklagte wäre als örtlicher Sozialhilfeträger gemäß § 97 Abs 1 SGB XII i.V.m. §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 AG-SGB XII SH sachlich zuständig für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beklagte jedoch nicht örtlich zuständig.
Gemäß § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. In Satz 2 ist geregelt, dass, wenn bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten waren oder nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall eintritt, der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend ist. Gemäß § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII ist für die Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.
Die Frage der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 98 SGB XII hängt davon ab, wie die Leistungserbringung in der Wohngruppe der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH in F. ab Juli 2008 einzuordnen ist. Gemäß § 13 Abs 1 SGB XII können die Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vor dem Einzug der R. in die Wohngruppe der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH in F., dh vor Eintritt in die Wohnform, lebte die R. im Zuständigkeitsbereich des Klägers, dieser war unstreitig örtlich zuständig. Wenn die Leistungserbringung in Husum als Eingliederungshilfe in einer ambulant Betreuten Wohnform eingeordnet wird, war der Kläger gemäß § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII selbst örtlich zuständig. Wenn es sich um eine stationäre Leistungserbringung handelte, war der Kläger gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII zuständig. Nur wenn die Leistungserbringung als teilstationär qualifiziert werden könnte, ergäbe sich mangels andersartiger Sonderregelung eine Zuständigkeit des Beklagten aus der allgemeinen Regelung in § 98 Abs 1 SGB XII.
Nach Überzeugung des Gerichts erhielt die R. mit dem Umzug in die Wohngruppe der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH in F. stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe. Zwar bezeichnet der Einrichtungsträger seine Betreuungsmaßnahmen im zugrundeliegenden Konzept als teilstationär. Auch die Vertragspartner der Leistungsvereinbarung der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH mit dem zuständigen Landesministerium über die sozialpsychiatrischen Wohngruppen vom 28. Januar 2004 gingen von einem teilstationären Charakter aus. Maßgebend ist jedoch nicht, wie sich eine Einrichtung bezeichnet, sondern welche Hilfe Leistungsempfänger dort tatsächlich erhalten (Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 98, Rn 33).
Nach Auffassung des Gerichts kann es eine teilstationäre Form der Leistungen des Betreuten Wohnens per definitionem grundsätzlich nicht geben, weil Wohnen nicht gleichzeitig in und außerhalb einer Einrichtung erfolgen kann. Seinem Charakter nach handelt es sich bei einer teilstationären Leistung praktisch um eine stationäre Leistung, aber auf Zeit, dh die Abgrenzung zwischen stationär und teilstationär erfolgt allein anhand zeitlicher Kriterien (vgl BSG, Urteil vom 23.07.2015 - B 8 SO 7/14 R -, Rn 19). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insoweit dem Bundesverwaltungsgericht folgend, zeichnet sich eine stationäre Leistungserbringung dadurch aus, dass eine Bindung an ein Gebäude gegeben sein muss, die Leistungen also in einer Einrichtung erbracht werden, und der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt. Unter einer Einrichtung wird ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft verstanden, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl BVerwG, Urt v 24.02.1994 - 5 C 24/92 - und - 5 C 42/91 -; BSG, Urt v 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R -, Rn 13; BSG, Urt v 23.07.2015 - B 8 SO 7/14 R -, Rn 18). Bei teilstationärer Leistungserbringung werden die Leistungen in einer Einrichtung erbracht, aber zeitlich begrenzt auf die Zeit der Anwesenheit des Leistungsberechtigten. Der Einrichtungsträger übernimmt die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten, aber zeitlich begrenzt nur für die Zeit des Aufenthalts des Leistungsberechtigten in der Einrichtung. Charakteristische Beispiele für teilstationäre Leistungserbringung sind Tagesstätten oder auch Werkstätten für Behinderte, wenn der Behinderte privat wohnt. Teilstationär wird die Leistung dadurch, dass der Leistungsberechtigte sich nur teilweise im Sinne von zeitweise in der Einrichtung aufhält. Die Leistungserbringung in einer Betreuten Wohnform knüpft daran an, dass der Leistungsempfänger ohne organisatorische Anbindung an eine Einrichtung wohnt und in seiner Wohnung die erforderliche Betreuung erhält. Bei den Betreuen Wohnmöglichkeiten geht es um die wohnbezogene Betreuung des Menschen, der so weit wie möglich befähigt werden soll, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter erreichen zu können (vgl Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 98, Rn 52, unter Verweis auf BSG, Urt v. 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -). Im Vergleich zu stationären und teilstationären Formen der Leistungserbringung unterscheiden die ambulanten Leistungen durch ihre fehlende organisatorische Anbindung an eine Einrichtung, in ihrer zeitlichen Intensität und in der fehlenden umfassenden Betreuung, wie sie in einer stationären Einrichtung - auch bei zeitweisem Aufenthalt - erfolgt (vgl zur Abgrenzung auch Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 98 Rn 36). Mit Blick auf diese Abgrenzungen wird deutlich, dass es eine teilstationäre Leistung des Betreuten Wohnens nicht geben kann, denn man kann schlechterdings nicht gleichzeitig und zeitlich abgrenzbar mit und ohne organisatorische Anbindung an eine Einrichtung wohnen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es für die Erbringung von Leistungen unter Anknüpfung an die Wohnform nur die Alternativen stationär oder ambulant geben kann und kein teilstationär im Sinne eines "dazwischen". In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit bei der Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen in Form der Betreuung bei der Bewältigung des Alltags gibt es damit nur eine Abgrenzung zwischen § 98 Abs 2 und Abs 5 SGB XII.
Weil aus diesen Gründen teilstationäre Leistungen des betreuten Wohnens ausscheiden, war die Form der Betreuung der R. in der Wohngruppe in F. unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall in das System von stationärer und ambulanter Betreuung einzuordnen, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch in Einrichtungen, die nicht insgesamt als stationäre Einrichtung im Sinne des XII anzusehen sind, im Einzelfall umfassende Betreuungsleistungen gewährt werden können, die dann als stationäre Leistungen anzusehen sind (vgl Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 13, Rn 13). Nach Auswertung des sozialtherapeutischen Konzepts bewertet das Gericht die Form der Leistungserbringung an die R., während diese in einer der Wohngruppen der Brücke Schleswig-Holstein gGmbH in F. lebte, als stationäre Leistung in einer Einrichtung.
Für diese Einschätzung ist maßgeblich, dass die Anmietung einzelner Zimmer innerhalb der Wohngruppen nicht vergleichbar ist mit einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt, sondern eine organisatorische Anbindung in die Einrichtung vorhanden ist, und dass trotz der Möglichkeit weitgehender Selbstversorgung und freier Tagesgestaltung bei geringem Betreuungsbedarf dennoch eine durchgehende Einbindung in ein geschütztes Umfeld besteht, eine eindeutige zeitliche Begrenzung der Hilfe mithin nicht möglich ist. Die Vermietung der Unterkunft durch die Brücke Schleswig-Holstein gGmbH als Einrichtungsträger und die verantwortliche Betreuung der Wohngruppen durch den Einrichtungsträger nach dem einheitlichen Therapiekonzept spricht für die Annahme stationärer Hilfe (vgl Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 98, Rn 36). Im Einzelnen: Ausweislich des sozialtherapeutischen Konzepts wird den psychisch kranken und behinderten Menschen in den Wohngruppen durch die Verbindung von Hilfen und Anregungen im Bereich Wohnen, Freizeitgestaltung und Tagesstruktur ein Lebensraum geboten, der sie in die Lage versetzt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Die Einrichtung kann sowohl als vorübergehende Maßnahme zur Wiedereingliederung als auch längerfristig als beschützte Wohnmöglichkeit genutzt werden. Aus dieser Eigencharakterisierung leitet das Gericht ab, dass es um das Angebot eines geschützten Lebensraumes geht, der nicht mit den Herausforderungen des selbständigen Wohnens auf dem freien Wohnungsmarkt vergleichbar ist. Die Bewohner sind für die Dauer der Betreuungsmaßnahmen Mieter eines Zimmers. Es werden Einzelzimmer zur Verfügung gestellt, die nach eigenen Wünschen eingerichtet werden können. In der Regel teilen die Bewohner sich ein Bad und eine Küche zur Selbstversorgung. Zielgruppe sind psychisch behinderte Personen oder von Behinderung bedrohte Personen, bei denen ein stationärer psychiatrischer Krankenhausaufenthalt nicht mehr erforderlich ist, ambulante Betreuungsformen aber nicht ausreichen. Die Hilfe wird nach den Wünschen und Bedürfnissen des Einzelnen individuell ausgestaltet und koordiniert. Mit einem umfangreichen individuell abgestimmten Angebot an Hilfen und Maßnahmen soll die Fähigkeit zur eigenständigen Lebensführung in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Freizeit erreicht werden. Durch eine feste Bezugsperson und ein Betreuungssystem soll den behinderungsbedingten Einschränkungen fachgerecht begegnet werden. Trotz der Möglichkeit der Selbstversorgung ist die Wohnform nach Lesart des Gerichts nicht mit einer Wohnform außerhalb einer Einrichtung, zB einer Wohngemeinschaft, vergleichbar. Denn der Einzelne bleibt eingebunden in die Wohngruppe und die Gemeinschaft der Mitbewohner mit Hilfebedarf. Die Bewohner können sich gegenseitig helfen, jederzeit ist die Bezugsperson erreichbar. Es findet zu keinem Zeitpunkt ein Wohnen außerhalb des Betreuungszusammenhangs statt, selbst wenn der Hilfebedarf zurückgeht und Fortschritte bei der Verselbständigung und Selbstorganisation erreicht werden, dh die Intensität der Betreuung abnimmt. Auch bei relativ geringem Betreuungsbedarf liegt die Gesamtverantwortung für den einzelnen Hilfeempfänger deshalb weiterhin beim Einrichtungsträger. Durch einen Rückzug in das eigene Zimmer in der Wohngruppe erfolgt somit keine vollständige Unterbrechung der Betreuung in dem Sinne, dass die Hilfe zeitlich genau abgegrenzt werden könnte. Letztere Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass nach dem Inhalt des Konzepts ein Krisentelefon vorgehalten wird und jederzeit ein hausinterner Krisendienst intervenieren kann. All dies spricht für die untrennbare Verknüpfung der Unterkunft bzw des Wohnens mit der Einrichtung und damit der organisatorischen Anbindung der Unterkunft an die Einrichtung. Die Abgrenzbarkeit von Betreuungszeiten und Zeiten des Wohnens ohne Betreuung, wie sie für eine ambulante Leistungserbringung charakteristisch wäre, ist nicht gegeben. Damit erhielt die R. als Bewohnerin eines Zimmers innerhalb einer der Wohngruppen stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe.
Die örtliche Zuständigkeit des Klägers ergibt sich deshalb nach Einzug der R. in die Wohngruppe in Husum zum 01. Juli 2008 aus § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII, weil die R. vor Eintritt in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers hatte.
Als die R. dann zum Januar 2010 in den Louisenhof in Kiel in eine (andere) stationäre Einrichtung übertrat, blieb die Zuständigkeit des Klägers wegen § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII erhalten.
Der Beklagte wurde nicht über § 98 Abs 1 SGB XII zuständig. Das Erstattungsbegehren gegenüber dem Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.