Sozialgericht Stade
Urt. v. 01.11.2016, Az.: S 19 SO 7/14
Anspruch eines Sozialhilfeempfängers auf höhere Leistungen für die Kosten einer Unterkunft im Rahmen der Ausübung eines Wohnrechts
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 01.11.2016
- Aktenzeichen
- S 19 SO 7/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 27985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2016:1101.S19SO7.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1093 BGB
- § 35 Abs 1 S. 1 SGB XII
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen für die Kosten seiner Unterkunft. Der 1939 geborene Kläger und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau die Zeugin Sieglinde A. waren Eigentümer eines Einfamilienhauses. 2007 ist es durch notariellen Vertrag an seine Tochter, der Zeugin A. übertragen worden. Dem Kläger und seine Ehefrau ist ein lebenslanges Wohnrecht nach § 1093 BGB eingeräumt worden. Dieses Wohnrecht ist auch im Grundbuch eingetragen worden. In dem Vertrag hat sich seine Ehefrau dazu verpflichtet, das Wohnrecht nicht zu Lebzeiten des Klägers auszuüben. In dem Mietvertrag wurde vereinbart, dass an die Zeugin A. ein Mietzins von 400,00 EUR und Nebenkosten von 200,00 EUR monatlich zu zahlen sind. Die Nebenkosten umfassen auch die Kosten für Heizung und Strom. Im Jahr 2009 erhielt der Kläger Leistungen nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 stellte der Beklagte die Leistungen ein, da er der Auffassung war, dass der Kläger einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt gegenüber seiner Tochter, der Zeugin A., habe. Nachdem der Widerspruch dagegen erfolglos war, klagte der Kläger vor dem Sozialgericht Stade (S 33 SO 21/10). Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 4. Mai 2011 ab. Hiergegen erhob der Kläger Berufung vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 8 SO 209/11). Das Verfahren wurde am 8. Oktober 2015 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass für die Zeit ab Mai 2013 Grundsicherungsleistungen dem Grunde nach gewährt werden ohne dass wegen des Grundstücks eine Schenkungsrückforderung geltend gemacht wird. Während dieses Verfahrens richtete die Zeugin A. das Dachgeschoss im Wohnhaus des Klägers her. In dieses Dachgeschoss zog die Ehefrau des Klägers ein. Die Zeuginnen vereinbarten miteinander eine Pauschalmiete von 300,00 EUR monatlich. In Ausführung des Vergleichs bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 2013 für die Zeit von Mai 2013 bis April 2014 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Als Kosten der Unterkunft wurden Mietkosten in Höhe von 250,00 EUR und Heizkosten in Höhe von weiteren 50,00 EUR anerkannt. Vom Regelbedarf wurde ein Betrag von 28,30 EUR abgezogen, weil die Stromkosten bereits in der vereinbarten Mietpauschale enthalten seien. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er war mit der berechneten Leistungshöhe nicht einverstanden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2013 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 15. Januar 2014 Klage vor dem Sozialgericht Stade erhoben. Der Kläger trägt vor, dass die Kosten seiner Unterkunft 600,00 EUR betragen würden. Dies ergebe sich aus dem notariellen Vertrag. Seine Exfrau habe damit nichts zu tun. Diese habe einen eigenen Mietvertrag über 300,00 EUR mit seiner Tochter geschlossen. Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 11. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 in Fassung des Änderungsbescheides vom 20. Januar 2014, den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere 3.600,00 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger und seine Ehefrau insgesamt nur 600,00 EUR monatlich an die Tochter zahlen müssen. Aufgrund des Kopfteilprinzips entfalle davon ein Betrag von 300,00 EUR auf den Kläger. Diese Kosten würden übernommen. Da es sich um eine Pauschalmiete handele, sei der im Regelbedarf enthaltene Anteil für Strom abzuziehen. Mit Änderungsbescheid vom 20. Januar 2014 hat der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 01. Januar14 bis 30. April 2014 abgeändert. Es ist der neue Regelbedarf gewährt worden. Hiervon wird der darin enthaltene Anteil für Strom in Höhe von 30,38 EUR abgezogen. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen Sieglinde und A ... Bezüglich des Ergebnisses der Anhörung und Vernehmung wird auf das Protokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme von höheren Kosten der Unterkunft nach § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Danach werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Bewohnen mehrere Personen gemeinsam eine Unterkunft, sind die tatsächlichen Aufwendungen nach Kopfteilen aufzuteilen. Das Wohnhaus in dem der Kläger wohnt, wird tatsächlich von zwei Personen bewohnt. Er selbst und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau leben in dem Haus. Die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft betragen für beide zusammen 600,00 EUR. Dies ergibt sich aus dem im Notarvertrag vom 28. Juni 2007. Danach muss der Kläger einen Mietzins von 400,00 EUR und Nebenkosten von 200,00 EUR zahlen. Bei dem Mietvertrag seiner Ehefrau handelt es sich dagegen nicht um die notwendigen Kosten für die Unterkunft. Die Zeugin Sieglinde A. muss darauf nicht zahlen, um in der Unterkunft wohnen zu können. Ihr Recht, in der Wohnung zu wohnen, ergibt sich bereits auch aus dem eingeräumten Wohnrecht nach § 1093 BGB, welches im Grundbuch eingetragen worden ist. Auch ohne Zahlung auf den Mietvertrag hat sie das Recht, in der Wohnung zu leben. Zwar hat sie in dem Notarvertrag auf die Ausübung ihres Wohnrechts zu Lebzeiten des Klägers verzichtet. Diese vertragliche Vereinbarung zwischen ihr und dem Kläger ist jedoch durch das gemeinsame konkludente Verhalten abgeändert worden. Dadurch, dass sich der Kläger damit einverstanden erklärt hat, dass seine Ehefrau in sein Haus einzieht, hat er zugestimmt, dass diese nun doch ihr Wohnrecht ausübt. Bei dem Dachgeschoss des Wohnhauses handelt es sich auch um einen Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Wohnrecht eingeräumt worden ist. Der Notarvertrag sowie der Grundbucheintrag räumen das Wohnrecht im gesamten Haus ein. Davon ist auch das Dachgeschoss umfasst. Die Herrichtung des Dachgeschosses hat auch nicht zu einer neuen Wohneinheit geführt, die vom Notarvertrag noch nicht umfasst gewesen ist. Das Dachgeschoss hat bereits bei Abschluss des Notarvertrages existiert. Es sind große Fenster eingebaut, es ist mit Zwischenwänden und einer Nasszelle versehen und zudem ist eine Loggia vorhanden. Dass die Räume in einem schlechten Zustand gewesen, jahrelang als Lagerräume benutzt wurden und erst umfassend wieder hergerichtet wurden sind, führt nicht dazu, dass neue Räume geschaffen werden. Für dieses Wohnrecht muss insgesamt ein Betrag von 600,00 EUR mtl. gezahlt werden. Diese Kosten sind auf die Kopfteile des Klägers und seine Ehefrau aufzuteilen. Somit hat er tatsächlich 300,00 EUR der Kosten zu tragen. Soweit der Beklagte den Regelbetrag um 28,30 EUR und im Abänderungsbescheid vom 20. Januar 2014 um 30,38 EUR mindert, ist dies ebenfalls rechtmäßig. Nach § 27 Abs 4 Satz 1 SGB XII wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Der im Regelbedarf enthaltene Bedarf für Stromkosten wird bereits durch die übernommene Pauschalmiete gedeckt. Laut notariellem Vertrag gehören zu den Nebenkosten auch die Stromkosten. Der Beklagte übernimmt bereits die Nebenkosten aus dem Vertrag in Höhe des Kopfteils. Daher ist er dazu berechtigt, den Regelbedarf entsprechend abzusenken. Würde dem Kläger der volle Regelbedarf zugesprochen werden, würde der Kläger sonst unzulässig doppelt Leistungen erhalten. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.