Sozialgericht Stade
Urt. v. 13.04.2016, Az.: S 16 AL 6/12

Gewährung von Insolvenzgeld eines Arbeitnehmers i.R.d. vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ohne Stellung eines Insolvenzgeldantrags wegen Vermögenslosigkeit als Insolvenzereignis

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
13.04.2016
Aktenzeichen
S 16 AL 6/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 40817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - AZ: L 7/12 AL 34/16

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 31. Oktober 2009 bis zum 30. Januar 2010, hilfsweise für den Zeitraum vom 28. Februar 2010 bis zum 30. Mai 2010. Die im Dezember 1948 geborene Klägerin nahm am 1. Dezember 2008 eine Beschäftigung als Assistentin der Geschäftsleitung bei der Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. auf. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, den für den Arbeitgeber die Herren H. und - soweit ersichtlich - dessen Bruder I. unterzeichnet hatten. In dem Arbeitsvertrag war vereinbart ein Gehalt in Höhe von 1.550,00 EUR brutto monatlich. Nach den Angaben der Klägerin war darüber hinaus vereinbart ein Fahrkostenzuschuss in Höhe von 39,00 EUR monatlich. H. hatte als Einzelgewerbetreibender am 29. April 2008 das Gewerbe mit dem Gegenstand "Versicherungen und Finanzen, Tätigkeiten nach 34 c GewO (Versicherungen, Kapitalmanagement, Finanzierung)" angemeldet. Der Betriebssitz befand sich zunächst in J., K., wurde verlegt am 26. Juni 2008 nach J., L. und am 1. Juni 2009 nach J., M ... Am 31. Mai 2010 wurde das Gewerbe von Amts wegen abgemeldet. Aus der Auskunft der Hansestadt J. - Sachgebiet Gewerbe - vom 23. September 2010 geht hervor, nach Vornahme einer Ortsbesichtigung sei festgestellt worden, dass der Betrieb dort nicht mehr ansässig sei. Auf Antrag der Klägerin wurde am 13. April 2010 ein Vollstreckungsbescheid gegen H. und N. erlassen. Mit diesem Vollstreckungsbescheid machte die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 8.626,18 EUR geltend. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 teilte der Gerichtsvollzieher O. der Klägerin mit, H. habe bei ihm die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 teilte der Obergerichtsvollzieher P. der Klägerin mit, N. habe die eidesstattliche Versicherung bereits abgegeben am 1. Juli 2009. Die Klägerin bezog in der Zeit vom 8. April 2010 bis zum 12. Juli 2010 Arbeitslosengeld, in der Zeit vom 13. Juli 2010 bis zum 20. August 2010 Krankengeld und in der Zeit vom 21. August 2010 bis zum 14. Oktober 2010 Arbeitslosengeld. Am 15. Oktober 2010 nahm sie eine neue Beschäftigung auf, welche sie bis zum 4. Dezember 2011 ausübte. Anschließend bezog sie wieder Krankengeld. Mit Schreiben vom 14. September 2010 hatte sie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit H. und N. "wegen Nichtzahlung des Gehaltes seit Juli 2009 und wegen faktischer Einstellung der Geschäftstätigkeit" erklärt. Bereits am 15. April 2010 hatte die Q. Krankenkasse beim Amtsgericht J. - Insolvenzgericht - einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des H. als Inhaber der Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. gestellt. Zur Begründung hatte die Q. Krankenkasse mitgeteilt, die Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. habe bisher die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. März 2010 in Höhe von 14.328,95 EUR einschließlich Säumniszuschlägen und Nebenkosten nicht beglichen und damit ihre Zahlungspflichten bei Fälligkeit nicht erfüllt. Aus einer Aufstellung (Kontoauszug) geht hervor, dass es sich bei den bezeichneten Beiträgen um die für die Klägerin zu entrichtenden Beiträge handelte. Mit Schreiben vom 2. Juli 2010 wandte sich H. an das Insolvenzgericht und erklärte, es sei richtig, dass im letzten Jahr diverse Diskrepanzen in seinem Geschäftsbetrieb dazu geführt hätten, diesen letztendlich aufzugeben. Nun stünden bei einem überschaubaren Kreis von Gläubigern noch Zahlungen aus. Unter anderem bei der Q. Krankenkasse, welche auch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe. Aus seinem weiteren Vorbringen geht hervor, dass er die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Gefährdung seiner Aussicht auf ein Beschäftigungsverhältnis ansah. Er bat um eine "Aufschubzeit" und um Gelegenheit, Gespräche mit der Q. Krankenkasse zu führen. Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 wies das Amtsgericht J. - Insolvenzgericht - den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, die Antragstellerin habe die Person des Antragsgegners nicht vollständig bezeichnet. Dieser sei mit ladungsfähiger Anschrift anzugeben. Eine solche liege bislang nicht vor. Ohne Kontakt zum Antragsgegner sei es dem Sachverständigen nicht möglich, die für die Frage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderlichen Feststellungen zu treffen. Hierauf sei die Antragstellerin auch hingewiesen und aufgefordert worden, eine aktuelle Anschrift einzureichen. Dies sei innerhalb der gesetzten Frist nicht geschehen (Amtsgericht J. - Insolvenzgericht - Beschluss vom 6. Juni 2011 - 73 IN 43/10). Mit Schreiben vom 11. Juni 2011 teilte die Q. Krankenkasse dem Amtsgericht J. die Adresse des H. mit und bat, das Verfahren fortzuführen. Die Klägerin stellte am 20. September 2010 bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld. Sie gab an, das Arbeitsverhältnis mit der Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. sei zum 14. September 2010 beendet worden. In der Anlage zum Antrag auf Insolvenzgeld bezifferte sie das nicht gezahlte Netto-Arbeitsentgelt mit 1.270,87 EUR monatlich für die Monate April 2010 bis August 2010 und mit 577,67 EUR für den Monat September 2010. Mit Bescheid vom 19. August 2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Insolvenzgeld ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma des H. sei nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch einen Dritten gestellt worden. Dieser Antrag sei vom Insolvenzgericht jedoch zurückgewiesen worden. Ein Insolvenzereignis aufgrund eines Insolvenzeröffnungsantrages gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) scheide daher aus. Die Voraussetzungen der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit bzw. Masselosigkeit (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III) würden ebenfalls nicht erfüllt. Eine Gewerbeabmeldung der Stadt J. liege zwar vor, diese sei jedoch nicht durch den Arbeitgeber, sondern von Amts wegen durch die Stadt J. selbst erfolgt. Insoweit stehe nicht fest, ob die Betriebstätigkeit wie gefordert auf Dauer eingestellt worden ist oder der Arbeitgeber nicht weiterhin eine selbständige Tätigkeit ausübt. Der Arbeitgeber habe zwar laut vorliegenden Unterlagen die eidesstattliche Versicherung abgegeben, auf Grund derer von Zahlungsunfähigkeit bzw. Masselosigkeit ausgegangen werden könne. Zur Feststellung dieses Insolvenzereignisses reiche die nachgewiesene Zahlungsunfähigkeit jedoch nicht aus. Es sei zudem der letzte Tag zu ermitteln, an dem die betrieblichen Tätigkeiten auf Dauer eingestellt worden sind. Dies sei erforderlich, um den dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraum konkret feststellen zu können. Eine willkürliche Festlegung dieses Tages sei nicht zulässig. Die Ermittlungen der Beklagten hierüber hätten wegen fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers zu keinem Ergebnis führen können. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011 zurück. Es könne einzig ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehen, wenn ein Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläge. Dies lasse sich jedoch nicht feststellen. Denn wann eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland vorlag und ob im Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, lasse sich nicht ermitteln. H. und N. hätten den Fragebogen zur Feststellung des Insolvenzereignisses nicht beantwortet. Damit seien alle zielführenden Ermittlungsmöglichkeiten über den Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit und über die finanziellen Verhältnisse des Inhabers ausgeschöpft. Die Klägerin hat am 13. Januar 2012 Klage erhoben. Die Klägerin trägt vor, sie habe das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt anfangs regelmäßig bezogen, bereits nach einigen Monaten jedoch nur noch mit Verzögerung und auf mehrmalige Nachfrage erhalten. Das Arbeitsentgelt für Juni 2009 habe sie nicht mehr in voller Höhe erhalten, ihr Arbeitgeber habe ihr statt der vereinbarten 1.270,87 EUR netto lediglich noch 433,39 EUR netto gezahlt. Danach habe die Klägerin gar kein Arbeitsentgelt mehr erhalten. Der Arbeitgeber habe seinerzeit erklärt, sie bekomme ihr Geld noch. Ab 1. Dezember 2009 sei sie freigestellt worden, das Büro sei geschlossen worden. Obwohl Lohnfortzahlung vereinbart worden sei, habe sie kein Geld mehr von ihrem Arbeitgeber erhalten. Auch sei ihr Arbeitgeber nicht mehr in den Büroräumen erschienen. Am 6. Januar 2010 hätten sich die Klägerin und ihr Arbeitgeber noch einmal in den Büroräumen der Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. verabredet, diesen Termin habe ihr Arbeitgeber jedoch abgesagt. Das Treffen habe stattdessen bei der Klägerin zu Hause stattfinden sollen. Auch hier sei ihr Arbeitgeber nicht erschienen. Seitdem habe die Klägerin keinen Kontakt mehr zu ihrem Arbeitgeber gehabt. Die Klägerin meint, es sei von einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit spätestens ab dem 1. Dezember 2010 (gemeint ist offenbar 2009) auszugehen, wenn nicht gar ab dem 31. Mai 2010, dem Tag der von Amts wegen erfolgten Gewerbeabmeldung durch die Hansestadt J ... Ab diesem Zeitpunkt sei Insolvenzgeld an die Klägerin zu zahlen. Die Büroräume seien im Januar 2010 durch die Reinigungsfachkraft auf Anweisung des Arbeitgebers besenrein für die Büroaufgabe bzw. -übergabe gereinigt worden. Dies habe ihr die Reinigungsfachkraft Ende Januar 2010 erzählt. Der Auszug des Arbeitgebers aus den Büroräumen sei etwa Mitte Januar 2010 erfolgt. Der Arbeitgeber der Klägerin habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben, auf Grund derer von Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden könne. Er übe keine dem Betriebszweck dienende Tätigkeit mehr aus. Die Gewerbeabmeldung sei von Amts wegen durch die Hansestadt J. erfolgt. Dass der Arbeitgeber auf die Schreiben der Beklagten trotz Erinnerung nicht reagiert habe und angeblich nicht auffindbar sei, könne nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden. Vielmehr sei durch die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts an die Klägerin, durch die Gewerbeabmeldung durch die Hansestadt J. sowie durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Masselosigkeit auszugehen. Die Ortsabwesenheit und die nicht erfolgte erneute Gewerbeanmeldung zeigten, dass die Betriebstätigkeit auch auf Dauer eingestellt worden sei und der Arbeitgeber dementsprechend nicht weiterhin seine selbständige Tätigkeit ausübe. Die Klägerin weist darauf hin, Indizien für die Masselosigkeit seien vorliegend, dass das gegen den Arbeitgeber eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren erfolglos geblieben sei und dass der Arbeitgeber auch keine Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 31. Oktober 2009 bis zum 30. Januar 2010, hilfsweise für den Zeitraum vom 28. Februar 2010 bis zum 30. Mai 2010 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide mit den Gründen des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt sie vor, die vorgebrachten Tatsachen sprächen lediglich für eine Zahlungsunwilligkeit und auch für Zahlungsschwierigkeiten. Ein Insolvenzereignis i.S.d. § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGG III dürfte sich auch weiterhin nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen lassen. Das Gericht hat die Akte des Amtsgerichts J. - Insolvenzgericht - zum Aktenzeichen 73 IN 43/10 beigezogen und Auszüge in Kopie zur Prozessakte genommen. Ferner hat das Gericht H. um schriftliche Auskunft u.a. zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit der Firma G. Finanz- und Vermögensberatung e.K. gebeten. H. ist dem Auskunftsgesuch nicht nachgekommen. Das Gericht hat H. als Zeugen zum Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 13. April 2016 geladen. H. ist im Termin nicht erschienen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 19. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Es fehlt in jedem Fall an einer rechtzeitigen Stellung des Antrags. Anspruchsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Insolvenzgeld ist § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 2. Dezember 2006 (a.F.): Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 24. April 2006 (a.F.) ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Die Zweimonatsfrist zur Stellung des Insolvenzgeldantrags ist eine materielle Ausschlussfrist, so dass der Anspruch mit der Fristversäumnis erlischt. Normzweck ist die Verfahrensbeschleunigung, um den Gesamtumfang der Insolvenzgeldansprüche zügig festzustellen und abzuwickeln. Die Frist beginnt am Tag nach dem Insolvenzereignis zu laufen (Hassel in Brand: SGB III, 6. Auflage 2012, § 324 Rdnr. 18, 19). Einzig in Betracht kommendes Insolvenzereignis ist vorliegend die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit ohne Stellung eines Insolvenzgeldantrags wegen Vermögenslosigkeit (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F.). Denn es liegt weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers der Klägerin noch die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse vor; der Antrag der Techniker Krankenkasse auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist als unzulässig zurückgewiesen worden. § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. regelt drei Voraussetzungen: Die Beendigung der Betriebstätigkeit muss vollständig sein, bis dahin darf kein Insolvenzantrag gestellt worden sein und ein Insolvenzverfahren darf offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommen (Krodel in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 183 Rdnr. 41). Eine vollständige Einstellung der betrieblichen Tätigkeit liegt zunächst in den Fällen der Betriebsstilllegung vor. Ein Betrieb ist stillgelegt, wenn in ihm auf Dauer keine den ehemaligen betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit mehr ausgeübt wird. Dauerhaft in diesem Sinne ist ein Zeitraum von mehr als drei Monaten. Indessen muss dieser Zeitraum nicht regelmäßig abgewartet werden. Sobald ein Betrieb seine Tätigkeit einstellt, liegt der Tatbestand der Beendigung vor. Der Drei-Monats-Zeitraum hat nur die Funktion, eine Betriebseinstellung rückwirkend wieder entfallen zu lassen, wenn die betriebliche Tätigkeit innerhalb dieser Frist wieder aufgenommen wird. Indizien für die vollständige Beendigung der betrieblichen Tätigkeit sind die Aufgabe bzw. der Verkauf der den betrieblichen Zwecken dienenden Räumlichkeiten, die Veräußerung aller früher betrieblich genutzten Gegenstände und die Entlassung aller Mitarbeiter. Ein Indiz ist auch die Abmeldung des Gewerbes und die Löschung aus dem Handelsregister. Zu beachten ist allerdings, dass diese formalen Rechtsakte nicht immer zeitnah mit der tatsächlichen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit erfolgen, so dass sie eher einen Endpunkt markieren, zu dem jedenfalls keine betriebliche Tätigkeit mehr ausgeübt wurde, als der konkrete Zeitpunkt der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit (E. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 165 SGB III Rdnr. 43 f.). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist von einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit spätestens am 31. Mai 2010 auszugehen. An diesem Tag erfolgte die Abmeldung des Gewerbebetriebes von Amts wegen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Gewerbeordnung kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen, wenn die Aufgabe des Betriebes eindeutig feststeht und die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt ist. Aus der Auskunft der Hansestadt J. vom 23. September 2010 geht hervor, dass nach Vornahme einer Ortsbesichtigung festgestellt worden sei, dass der Betrieb des H. dort nicht mehr ansässig ist. Diese Feststellung wird bestätigt durch den Vortrag der Klägerin, demzufolge ihr die Reinigungsfachkraft Ende Januar 2010 berichtet habe, dass die Büroräume im Januar 2010 auf Anweisung des Arbeitgebers besenrein für die Büroaufgabe bzw. -übergabe gereinigt worden seien. H. hatte in einem Schreiben vom 2. Juli 2010 an das Insolvenzgericht erklärt, es sei richtig, dass im letzten Jahr diverse Diskrepanzen in seinem Geschäftsbetrieb dazu geführt hätte, diesen letztendlich aufzugeben. Dass die Eintragung des Erlöschens der Firma G. Finanz und Vermögensberatung e.K. in das Handelsregister (Amtsgericht R., HRA 201074) von Amts wegen am 15. September 2010 erfolgte, begründet nicht die Annahme eines späteren Zeitpunktes der Betriebseinstellung. Stellt man für den Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit (spätestens) auf den Zeitpunkt der Abmeldung des Gewerbebetriebes ab, liegt auch die Voraussetzung des fehlenden Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor. Zwar hatte die Q. Krankenkasse am 15. April 2010 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers der Klägerin gestellt. Dieser Antrag wurde jedoch durch Beschluss des Amtsgerichts J. - Insolvenzgericht - vom 6. Juni 2011 als unzulässig zurückgewiesen. Unzulässige Anträge sind im Rahmen des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. unmaßgeblich (Krodel, a.a.O., Rdnr. 46). § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F., regelt als letzte Voraussetzung, dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Die Masselosigkeit muss vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten, so dass spätere Masselosigkeit nicht genügt. Es muss nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ("offensichtlich") nicht letzte Klarheit darüber bestehen, ob eine den Kosten des Insolvenzverfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden ist. Es genügt, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen. Maßgeblich für den Eintritt des Sperrwirkung entfaltenden Insolvenzereignisses ist, ob sich im Zeitpunkt der Betriebseinstellung aus äußeren Tatsachen für einen unvoreingenommenen Betrachter objektiv der Eindruck ergibt, dass ein Insolvenzverfahren nicht in Betracht kommt. Hierbei genügt die Zahlungsunfähigkeit allein nicht. Denn auch Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung bedeuten noch nicht, dass deshalb die Kosten zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären. Indiz für die Masselosigkeit können zahlreiche arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile, erfolglos gebliebene Zwangsvollstreckungen, eidesstattliche Versicherungen oder die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über sechs Monate sein. Die Beweislast für die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung liegt beim Antragsteller. Kann nicht festgestellt werden, ob Zahlungsunfähigkeit oder lediglich Zahlungsunfähigkeit vorliegt, geht die Ungewissheit zu dessen Lasten (Kühl in Brand: SGB III, 6. Auflage 2012, § 165 [n.F.] Rdnr. 39 m.w.N.). Anhaltspunkte, die für Masseunzulänglichkeit sprechen, sind vorliegend die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge für die Klägerin für die Zeit ab Dezember 2008, die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts an die Klägerin seit Juli 2009, die erfolglose Bemühungen der Klägerin, offene Arbeitsentgeltansprüche aus dem Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2009 gegenüber ihren Arbeitgeber durchzusetzen sowie der Umstand, dass der Arbeitgeber nach Mitteilung des Gerichtsvollziehers O. vom 12. Mai 2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Ob diese Aspekte vorliegend ausreichen, um von einer Masselosigkeit im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit auszugehen, bedarf keiner weiteren Sachaufklärung und keiner abschließenden Feststellung. Denn selbst wenn man davon ausginge, dass der Anschein für die Masseunzulänglichkeit spricht, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Denn sie hat innerhalb der maßglichen Ausschluss Frist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. keinen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Ausgehend vom Tag des Insolvenzereignisses (spätestens) am 31. Mai 2010 endete die Frist am 31. Juli 2010. Die Klägerin stellte erst am 20. September 2010 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist einen Antrag auf Insolvenzgeld. Die in § 324 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB III a.F. geregelten Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachfrist liegen nicht vor: Nach dieser Norm wird Insolvenzgeld geleistet, sofern der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt hat, die er nicht zu vertreten hat, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Die Klägerin hat die Versäumung der Frist zu vertreten. Sie hat sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht. Die Klägerin erhielt nach eigenen Angaben bereits seit Juli 2009 kein Arbeitsentgelt mehr. Zwar erwirkte sie den Erlass eines Vollstreckungsbescheides gegen H. und N. wegen offener Vergütungsansprüche für den Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 8.626,18 EUR. Arbeitsentgeltansprüche für die Zeit ab Januar 2010 machte sie jedoch gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend. Der Klägerin war seit Januar 2010 von der Arbeit freigestellt. Ihr war nach eigenen Angaben bereits seit Januar 2010 bekannt, dass ihr Arbeitgeber die Büroräume geräumt hatte. Es lagen keine Anhaltspunkte vor, auf Grund derer die Klägerin hätte annehmen können, dass die betriebliche Tätigkeit wieder aufgenommen würde. Auf Antrag der Klägerin wurde am 13. April 2010 ein Vollstreckungsbescheid gegen H. erlassen. Es lagen für sie erkennbare Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers vor. Im Mai 2010 erhielt sie Kenntnis davon, dass ihr Arbeitgeber die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Die Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. ist auch nicht durch die Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld, auf Grund dessen ihr Arbeitslosengeld ab 8. April 2010 bewilligt wurde, gewahrt worden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat Kriterien dafür aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen im allgemeinen der Antrag auf eine bestimmte Sozialleistung als Antrag auf eine andere Sozialleistung angesehen werden kann, und erst auf dieser Grundlage erörtert, ob ein im konkreten Fall bei der Agentur für Arbeit gestellter Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III auch als Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) angesehen werden kann. Deshalb kann auch die Frage, ob ein Antrag auf Arbeitslosengeld als Antrag auf Insolvenzgeld angesehen werden kann, nicht generell beantwortet werden, sondern nur unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung erarbeiteten abstrakten Kriterien. In diesem Rahmen hat das BSG nicht allein die unterschiedliche Trägerschaft als Umstand benannt, der zu berücksichtigen ist, sondern darüber hinaus auch den Anspruchsvoraussetzungen, dem Leistungssystem und der Leistungsverantwortung besondere Bedeutung beigemessen (BSG, Beschluss vom 16. November 2015 - B 11 AL 68/15 B unter Verweis auf BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 29/13). Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin bei Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld zum Ausdruck brachte, neben Arbeitslosengeld auch Insolvenzgeld zu begehren. Die Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen unterscheiden sich grundlegend. Auf Grund dieser Umstände ist nicht davon auszugehen, dass der Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld auch einen Antrag auf Insolvenzgeld umfasste. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.