Sozialgericht Stade
Urt. v. 04.04.2016, Az.: S 22 U 107/13

Notwendigkeit der versicherten Tätigkeit als rechtlich wesentliche Ursache eines Unfalls für die Anerkennung als Arbeitsunfall

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
04.04.2016
Aktenzeichen
S 22 U 107/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 18143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2016:0404.S22U107.13.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Die im Jahr 1969 geborene Klägerin arbeitete seit dem 1. Januar 2012 als Assistentin der Geschäftsleitung bei der zwischenzeitlich insolventen und abgewickelten deutschen Regionalfluggesellschaft J. GmbH.

Am Samstag, dem 10. August 2012, hatte die Klägerin ihren Dienst um 9.00 Uhr in der Betriebsstätte C-Stadt angetreten. Gegen 17.30 Uhr befand sich die Klägerin auf dem Weg von der Arbeitsstätte in C-Stadt nach Hause. Sie geriet dabei mit ihrem Auto nach links in die Gegenfahrbahn und stieß dort frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Dabei wurde die Klägerin in ihrem Fahrzeug eingeklemmt und schwer verletzt. Sie zog sich eine Traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) zu, mehrfache Brüche des Oberschenkels links, des linken Armes, der linken Rippen, eine Zwerchfellruptur links mit Prolaps, eine Schambeinfraktur, Kreuzbandfraktur, Wadenbeinfraktur, Würfelbein- und Fußwurzelknochenfraktur, Fersenbeinfraktur, Kahnbeinfraktur, Sprungbeinfraktur, Frakturen der Fußmittelknochen II bis V beidseits, offene Wunden mehrerer Zehen, eine akute Blutungsanämie, Lungenkontusion beidseits sowie einen beidseitigen Pleuraerguss. Nach Eintreffen des Notarztes erhielt die Klägerin von diesem gegen die starken Schmerzen Ketanest und Midazolam verabreicht und wurde mit dem Rettungshubschrauber in das Klinikum C-Stadt-Mitte transportiert. Der Durchgangsarztbericht (DAB) des Prof. Dr. K. vom 10. August 2012 beinhaltet, dass die Klägerin verschiedene Medikamentenschachteln in der Handtasche bei sich geführt hätte mit den Medikamenten Zopiclon, Lorazepam, Doxylaminsuccinat, Dolormin Migräne sowie Naratriptanhydrochlorid. Nach Angaben des Ehemannes der Klägerin habe die Klägerin die Beruhigungsmittel und Antidepressiva seit dem Tod ihres Vaters vor einigen Wochen genommen.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes forderte die Beklagte die Akte der Staatsanwaltschaft L. (Az: NZS 22 Cs 139 Js 36612/12) an. Die Staatsanwaltschaft L. ermittelte gegen die Klägerin wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil des Unfallgegners M ... Nach dem Verkehrsunfallbericht herrschten zum Unfallzeitpunkt Tageslicht, lebhafter, aber störungsfreier Verkehr, trockene Straßenverhältnisse sowie eine erlaubte Geschwindigkeit von 70 km/h. Die Klägerin habe mit ihrem PKW die K8 in N. in Richtung B-Stadt befahren. Hinter ihr sei der Zeuge O. gefahren. Der Zeuge habe beobachten können, dass die Klägerin vor dem Unfall mehrere Male nach links auf die Gegenfahrbahn geraten wäre. In Höhe des km 13,03 sei die Klägerin dann auf die Gegenfahrbahn geraten und ungebremst mit dem entgegenkommenden PKW zusammengestoßen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft L. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts P. vom 10. August 2012 die Blutentnahme bei der Klägerin angeordnet, die am 11. August 2012 um 0:50 Uhr durch die diensthabende Stationsärztin Dr. Q. durchgeführt wurde (Kontroll-Nr.: 03541). Von dem Krankenhauspersonal wurden in der Handtasche der Klägerin folgenden Medikamente gefunden: Formigran (ein Migränemittel), Hoggar Night (ein Schlafmittel), Zopidodura (Mittel gegen Schlafstörungen), Lorazepam-neuraxpharm sowie Dolormin Migräne. Nach dem toxikologischen Vorabbefund vom 22. August 2012 ließen die vorläufigen Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung einen Gehalt an berauschend wirkenden Substanzen erkennen und zwar Benzodiazepine sowie Opiate. Der Blutalkoholbefundbericht vom 14. August 2012 wies eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,08 Promille aus. Prof. Dr. R. führte in seinem Bericht vom 2. Oktober 2012 aus, dass im Begleitprotokoll dokumentiert worden wäre, dass die Mittel Midazolam und Ketamin durch den Notarzt verabreicht worden sein sollen. Auf eine gezielte Analyse zur Quantifizierung von Ketamin sei daher verzichtet worden. Im Blut sei Oxycodon, ein Betäubungsmittel, gefunden worden. Die maximale Plasmakonzentration nach Gabe von 10 mg-Tabletten liege zwischen 10 und 20 ng/ml; die bei der Klägerin festgestellte Wirkstoffkonzentration habe in diesem Bereich gelegen, in dem eine relevante pharmakologische Wirkung vorhanden sei. Gefunden worden wären ebenfalls Zoplicon und Doxylamin. Zoplicon aus dem Wirkungsbereich der Benzodiazepine werde zur Behandlung von schweren Schlafstörungen eingesetzt. Nach Anwendung von 3,75 mg oder 7,5 mg seien maximale Plasmakonzentrationen zwischen 30 und 60 ng/ml zu erreichen. Bei der Klägerin sei der Wirkstoff in einer derartigen Konzentration gemessen worden. Doxylamin, eingesetzt für die Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen, habe eine Wirkungsdauer von 3 bis 6 Stunden. Bei Anwendung der üblichen Dosis von 25 mg würden nach 2,4 Stunden maximale Wirkstoffkonzentrationen von ca 100 ng/ml erreicht. Der bei der Klägerin gemessene Wert habe im Wirkbereich gelegen. Nachgewiesen werden konnte zudem Venlafaxin, ein Antidepressivum, ebenfalls im Wirkbereich, Ephidrin, ein Mittel zur Kreislaufstabilisierung im Rahmen einer notärztlichen Behandlung, sowie Metronidazol, ein Antibiotikum. Prof. Dr. R. gelangte zu der Einschätzung, dass es wegen der sedierenden und der die Konzentrationsfähigkeit und die Muskelfunktion beeinträchtigenden Eigenschaften der nachgewiesenen Mittel möglich sei, dass die Fahrsicherheit der Klägerin zum Unfallzeitpunkt beeinträchtigt gewesen wäre.

Der Zeuge O., hatte am 27. August 2012 eine Aussage gegenüber der Polizei getätigt. Danach sei er mit seinem Auto direkt hinter der Klägerin gefahren. Kurz vor der Abzweigung S. straße sei die Klägerin schon vollständig auf die Gegenfahrbahn gekommen. Es wäre kein abruptes Hinüberlenken gewesen, sondern es sah so aus, als wenn die Fahrerin langsam einschlafen würde. Als beide Autos die Einmündung S. straße passiert hatten und auf der Kx weitergefahren seien, sei die Klägerin dann nach Meinung des Zeugen zu dicht auf ein vorausfahrendes Fahrzeug aufgefahren. Die Geschwindigkeit sei nicht sehr hoch gewesen, weil vor dem Vorausfahrenden von der Klägerin noch ein LKW gefahren wäre. Die maximale Geschwindigkeit schätzte der Zeuge O. auf 70 km/h. Als die Autos den Parkplatz an der Kx passiert hatten, sei die Klägerin mit ihrem Fahrzeug ganz nach rechts von der Fahrbahn abgekommen, dh beide rechten Reifen waren schon im Gras; es habe nur noch wenig Platz bis zu den Bäumen bestanden. Danach sei eine langgezogene Rechtskurve gekommen, die die Klägerin noch gut gemeistert hätte. Die ersten 200m nach der Rechtskurve sei die Klägerin noch relativ normal gefahren und dann sei sie kontinuierlich nach links rübergekommen. Sie sei dann frontal mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen, ohne dass der Zeuge ein Bremsen oder Bremslichter gesehen hätte. Beim Zusammenstoß habe sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug fast komplett auf der Gegenfahrbahn befunden.

Das Amtsgericht T. erließ am 21. November 2012 einen Strafbefehl gegenüber der Klägerin wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil von drei Personen, nämlich dem Unfallgegner und die mit ihm in dessen Auto befindlichen zwei Enkelkinder, weil die Klägerin alkoholisiert gewesen wäre und infolge der Einnahme zentral dämpfender Medikamente unter dem Einfluss berauschend wirkender Substanzen gestanden habe. Die Klägerin wurde zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt. Gegen den Strafbefehl hatte die Klägerin am 3. Dezember 2012 Einspruch erhoben. Die Klägerin habe keine fahrlässige Körperverletzung unter Alkoholeinfluss begangen. Sie sei trockene Alkoholikerin und bei der Aufnahme der Klägerin im Klinikum C-Stadt-Mitte habe bei einer um 18.56 Uhr entnommenen Blutprobe kein Alkohol nachgewiesen werden können. Auf den Einspruch der Klägerin wurde der Strafbefehl vom 21. November 2012 durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 11. Januar 2013 insoweit abgeändert, als der Klägerin eingeräumt wurde, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu zahlen. Im Übrigen blieb der Strafbefehl vom Beschluss vom 11. Januar 2013 nicht berührt.

Durch Bescheid vom 12. März 2013 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei dem Ereignis vom 10. August 2012 nicht um einen Arbeitsunfall handele. Die im Blut der Klägerin festgestellten Medikamentenspuren ließen auf eine Fahruntüchtigkeit schließen. Die Fahruntauglichkeit könne durch die Aussage des Zeugen O., der direkt hinter der Klägerin gefahren sei, belegt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) werde beim Gebrauch von Medikamenten und einer infolgedessen eintretenden Fahruntüchtigkeit darauf abgestellt, ob sich die betroffene Person über die Auswirkungen der Einnahme der Medikamente und deren Auswirkungen auf die Sicherheit im Straßenverkehr bewusst gewesen sei. Dies sei im Fall der Klägerin anzunehmen, da sämtliche Medikamente verschreibungspflichtig gewesen wären und die Ärzte und Apotheker die Klägerin auf die Gefahren im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs hingewiesen hätten. Ohne Einfluss der Medikamente bei gleicher Sachlage, nämlich dass trockene Straßenverhältnisse normale Sichtverhältnisse und ein solider Verkehr herrschten, wäre die Klägerin wahrscheinlich nicht verunfallt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Medikamenteneinfluss die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei. Andere aus der Versichertentätigkeit, nämlich in Form des Zurücklegens des Weges, bestehende Unfallursachen lägen nicht vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 19. März 2013 Widerspruch. Der Unfall hätte sich nicht infolge des Medikamentenkonsums ereignet. Die Klägerin habe bei der zwischenzeitlich insolventen Firma J. GmbH am Vortag noch bis 22.00 Uhr gearbeitet. Sie sei erst gegen 24.00 Uhr ins Bett gegangen und am Unfalltag bereits um 5.00 Uhr morgens wieder aufgestanden. Sie habe den ganzen Tag pflichtbewusst gearbeitet. Am Ende der Arbeitswoche sei die Klägerin jedoch erschöpft gewesen. Bei Fahrtantritt habe sich die Klägerin allerdings uneingeschränkt fahrfähig gefühlt. Die Medikamente habe sie bei sich geführt, weil sie diese erst am Vortag aus der Apotheke geholt habe; sie hätte sie aber nicht zwischenzeitlich aus ihrer Tasche genommen. Sowohl bei der notärztlichen Versorgung als auch unter der weiteren operativen Versorgung im Klinikum C-Stadt-Mitte seien der Klägerin in erheblichem Umfange Medikamente, insbesondere Beruhigungsmittel, zur Schmerzstillung bzw für die Narkose verabreicht worden. Die Klägerin habe auch eine subarachnoidale Hirnblutung erlitten. Es sei gar nicht geklärt, ob diese Hirnblutung durch den Unfall verursacht worden wäre; vielmehr sei es wahrscheinlich, dass die Hirnblutung zu dem den Unfall verursachenden Fahrfehler geführt habe. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Bescheid vom 4. Juli 2013 zurück.

Die Klägerin hat am 25. Juli 2013 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Im Wesentlichen trägt sie zur Begründung der Klage die gleichen Argumente vor, wie in der Widerspruchsbegründung zuvor.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 aufzuheben und

  2. 2.

    festzustellen, dass es sich bei dem Verkehrsunfall vom 10. August 2012 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihres Antrags auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Bescheide, die durch das Gutachten sowie die ergänzenden Stellungnahmen des Prof. Dr. D. bestätigt würden.

Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes den Rechtsmediziner Prof. Dr. D. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt, der das Gutachten am 07. Januar 2014 vorgelegt hat. Am 24. April 2014 sowie 23. November 2015 hat der Sachverständige jeweils ergänzende Stellungnahmen abgegeben. Im Wesentlichen hat Prof. Dr. D. ausgeführt, dass im Serum der Klägerin Zopiclon, Doxylamin und Venlafaxin nachweisbar gewesen wären, die nicht durch den Notarzt oder die behandelnden Ärzte im Krankenhaus verabreicht worden seien. Es müsse berücksichtigt werden, dass zwischen dem Unfall und dem Zeitpunkt der Blutentnahme 7 Stunden und 20 Minuten gelegen hätten. Bei Blutentnahme am 11. August 2012 um 0.50 Uhr sei Zopiclon in einer Wirkkonzentration von 14 ng/ml nachgewiesen worden. Unter Berücksichtigung, dass Zopiclon mit einer Halbwertszeit von ca 3,5 bis 8 Stunden abgebaut werde, sei davon auszugehen, dass die zum Unfallzeitpunkt vorliegende Konzentration des Schlafmittels höher gewesen wäre (27 bis 56 ng/ml), womit eine wirksame Konzentration zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Doxylamin wäre zum Zeitpunkt der Blutentnahme mit 97 ng/ml und damit im therapeutischen Wirkbereich nachgewiesen worden, weshalb von einer schlafanstoßenden Wirkung auszugehen wäre. Doxylamin werde langsamer abgebaut als Zopiclon, dennoch sei davon auszugehen, dass die Konzentration im Blut zum Unfallzeitpunkt höher gewesen wäre als zum Blutentnahmezeitpunkt (bei ca 160 bis 175 ng/ml). Nach dem Eindruck des Zeugen O. sei die Klägerin am Steuer eingeknickt; die von der Klägerseite geltend gemachte SAB als mögliche Unfallursache werde vom Arzt eindeutig als Unfallfolge klassifiziert ("traumatische Subarachnoidalblutung"). Das Vorbringen der Klägerin, sie habe zuletzt am Abend des 9. August 2012 ein Medikament zur Beruhigung eingenommen und hätte die Medikamente am Unfalltag nur mitgeführt und nicht eingenommen, hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Behauptung durch den serologischen Nachweis des Schlafmittels Doxylamin und Zopiclon in wirksamer Dosis widerlegt wäre. Eine klinischerseits erfolgte Verabreichung von Arzneimitteln mit den Inhaltsstoffen Doxylamin und Zopiclon sei der Krankenakte nicht zu entnehmen gewesen; eine solche Verabreichung wäre in der Klinik im Rahmen der Behandlung der Klägerin unüblich und ungewöhnlich und hätte darüber hinaus keinen therapeutischen Sinn bei der Behandlung eines Polytraumas. Die in der Klinik verabreichten Medikamente bildeten auch nicht im Körper die Wirkstoffe Zopiclon und/oder Doxylamin und im Übrigen verzögerten die in der Klinik verabreichten Medikamente den Abbau von Zopiclon und/oder Doxylamin nicht. Für Doxylamin seien keine Interaktionen mit anderen Medikamenten bzw Arzneistoffen in der Fachinformation bzw Fachliteratur angegeben. Für Zopiclon seien mögliche Interaktionen mit bestimmten Medikamenten angegeben. Diese Medikamente seien in der Klinik allerdings nicht verabreicht worden. Mögliche Wechselwirkungen beständen mit Midazolam und Sufentanil und Venlafaxin, was die Klägerin ebenfalls eingenommen bzw was der Klägerin verabreicht worden war. Eine relevante Wechselwirkung sah der Sachverständige Prof. Dr. D. als eher unwahrscheinlich an. Damit stehe für den Sachverständigen fest, dass die Klägerin die Medikamente aufgenommen habe. Sollte Zopiclon ärztlicherseits verordnet gewesen sein und die Aufnahme - wie von der Klägerin behauptet - zuletzt am Vorabend des Unfalls erfolgt sein, sei von einer Aufnahme sehr hoher Dosen des Schlafmittels auszugehen, was bei arzneimittelabhängigen Personen auftreten könne. Dann aber hätte die Klägerin während des gesamten Arbeitstages am 10. August 2012 unter dem Einfluss des Schlafmittels gestanden, dessen Wirkung durch das zusätzlich aufgenommene Schlafmittel Doxylamin verstärkt worden wäre. Eine zusätzliche Überbeanspruchung im Sinne einer Erschöpfung könne die dämpfende Wirkung beider Schlafmittel noch zusätzlich verstärken. Bei Würdigung der ganzen Anknüpfungspunkte mit dem Ergebnis der Blutuntersuchung sei die Klägerin nach Einschätzung des Sachverständigen medikamentenbedingt fahruntüchtig gewesen. Auch bei ärztlicher Verordnung des Schlafmittels müsse der Klägerin klar gewesen sein, dass dies nicht vor einer Autofahrt eingenommen werden könne, insbesondere nicht in Kombination mit einem rezeptfrei erhältlichen Schlafmittel. Dass übermüdete, angestrengte Menschen am Steuer einschlafen, komme durchaus vor. Wenn sie jedoch zusätzlich unter dem Einfluss zweier verschiedener Schlafmittel stehen, die sich gegenseitig potenzieren, komme diesem Umstand die größere Bedeutung für den Eintritt des Unfalles zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage iSd § 54 Abs 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs 1 Nr 1 SGG statthafte Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis vom 10. August 2012 einen Arbeitsunfall darstellt. Ein Arbeitsunfall liegt nicht vor.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung des Unfalls der Klägerin vom 10. August 2012 als Arbeitsunfall ist § 8 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle, die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - Az: B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196, 198 mwN; Urteil vom 18. November 2008 - Az: B 2 U 27/07 R mwN - zit nach ; BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - Az: B 2 U 10/12 R - zit nach ).

Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für den Unfall der Klägerin am 10. August 2012 nicht erfüllt. Zwar befand sich die Klägerin an diesem Tag gegen 17.30 Uhr auf dem Heimweg von ihrer Arbeit bei J. GmbH, als sie mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h in den Gegenverkehr fuhr und frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstieß. Dabei zog sich die Klägerin erhebliche Verletzungen (Polytrauma) zu. Dieser Weg zur Zeit des Unfalls stand nach § 8 Abs. 2 Nummer 1 SGB VII im sachlichen Zusammenhang mit der bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Assistentin in der Geschäftsleitung beim vorgenannten Unternehmen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.

Gleichwohl besteht ein zu entschädigender Arbeitsunfall nicht. Außer einem Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis setzt das Vorliegen eines Arbeitsunfall nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung voraus, dass die versicherte Tätigkeit eine rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist (vgl BSG, Urteil vom 27. November 1985 - Az.: 2 RU 75/84 - zit nach = BSGE 59, 193 ff [BSG 27.11.1985 - 2 RU 75/84]) Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind die Fälle einer möglichen inneren Ursache, einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr, in denen neben die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende Ursache hinzutritt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - Az.: B 2 U 23/05 R - zit nach mwN aus der Rspr).

Wie schon den Fallgestaltungen zu entnehmen ist, wird die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, zum Beispiel bei einem versicherten Weg und dem bekannten "Stolpern über die eigenen Füße". Deshalb hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt betont, dass die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben ist, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus.

Jede andere Betrachtung würde dem Versicherten die objektive Beweislast dafür auferlegen, warum es gerade zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Ursachen, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind, zu dem Unfall gekommen ist, und damit den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung und die mit ihm verfolgten Ziele des sozialen Schutzes und des Betriebsfriedens (vgl nur Gitter/von Nunius, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 2, Unfallversicherung, 1996, § 5 RdNr 28 ff) in vielen Fällen leerlaufen lassen. Auch die in § 7 Abs 2 SGB VII getroffene Regelung, dass verbotswidriges Verhalten den Versicherungsschutz nicht ausschließt, will eine Ursachenforschung in der Regel vermeiden und würde sonst keinen Sinn ergeben. Letztlich steht einer anderen Auslegung der seit Jahrzehnten angewandte und vom Gesetzgeber in § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII übernommene (BT-Drucks 13/2204 S 77) Begriff des Unfalls entgegen, weil für das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis nach völlig einhelliger Auffassung gerade kein besonderes Geschehen gefordert wird, sondern alltägliche Vorgänge genügen und dieser Begriff vor allem der Abgrenzung zur inneren Ursache dienen soll (vgl schon RVA, AN 1914, 411: "Unfälle des täglichen Lebens"; BSGE 9, 222, 224 [BSG 13.03.1959 - 2 RU 167/57]; BSG SozR 2200 § 550 Nr 35; BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 7; zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59, 61 f; Bereiter-K. /Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2006, § 8 SGB VII RdNr 11.2; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand der EL: 2/16, § 8 RdNr 11; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand September 2006, § 8 RdNr 9; Ricke, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2006, § 8 SGB VII RdNr 24). Erfordert ein Unfallereignis aber kein besonderes Geschehen, so würde es die Anforderungen an die Feststellung der Unfallkausalität überspannen, wenn jeweils eine besondere Feststellung der versicherten Ursachen für das Unfallereignis notwendig wäre.

Vielmehr muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie zB eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil bei einer gemischten Tätigkeit feststellbar. Erst wenn eine solche konkurrierende Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 22, BSGE 98, 79-89, Rn 15 ff).

Für die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der versicherten Ursache erforderliche Abwägung zwischen der versicherten Ursache und der nichtversicherten Ursache ist zu beachten, dass "wesentlich" nicht gleichzusetzen ist mit "gleichwertig" oder "annähend gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat und als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen ist und damit keine Ursache iS der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 22, BSGE 98, 79 ff, Rn. 18).

Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich auch bei dem Zurücklegen eines versicherten Weges unter einem der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnenden Medikamenteneinfluss, wie vorliegend. Denn als konkurrierende Ursache für den Unfall der Klägerin am 10. August 2012 sind neben dem Zurücklegen des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Weges die Folgen der vorherigen Medikamenteneinnahme durch die Klägerin anzusehen. Dem Medikamenteneinfluss ist im hiesigen Fall derart überragende Bedeutung für den Unfall beizumessen, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache das Zurücklegen des versicherten Weges zur Gelegenheitsursache werden lassen.

Für die Beurteilung der Fahruntüchtigkeit infolge Medikamenteneinflusses sind die zur Frage des Unfallversicherungsschutzes eines alkoholbedingt fahruntüchtigen Kraftfahrers entwickelten Grundsätze heranzuziehen (BSG, Urteil vom 24. November 1985 - Az.: 2 RU 74/85). Maßgeblich für das Bestehen oder Nichtbestehen des Unfallversicherungsschutzes ist, wie sich die auf Alkohol oder andere berauschend wirkende Mittel beruhende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers im zu entscheidenden Einzelfall ausgewirkt hat, dh ob diese die allein wesentliche Bedingung des Unfalls gewesen ist. Allerdings gibt es rein wissenschaftlich keinen allgemein anerkannten Grenzwert, ab wann von einer absoluten Fahruntüchtigkeit infolge Medikamenteneinflusses (analog dem Alkoholeinfluss von 1,1 Promille und mehr) ausgegangen werden kann (Bereiter-Hahn/Mehrtens: Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand der EL: 2/16, § 8 Rn 12.46).

Ebenso wie die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung zur Zeit des Unfalls müssen die BAK und die weiteren für eine Fahruntüchtigkeit sprechenden Beweisanzeichen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer naturwissenschaftlichen Mitverursachung des Unfallereignisses auszugehen sein. Darauf aufbauend hat in einem weiteren Schritt die wertende Beurteilung zu erfolgen, ob die versicherte Ursache wesentlich für das Unfallereignis war oder ob die konkurrierenden Ursachen von überragender Bedeutung waren. Diese Beurteilung kann angesichts der anzustellenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der verschiedenen Beweisanzeichen, der Gründe für sie usw nur in einem Schritt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erfolgen (BSGE 45, 285, 289 [BSG 02.02.1978 - 8 RU 66/77] = SozR 2200 § 548 Nr 38; Keller, aaO, RdNr 353 und Ricke, aaO, RdNr 117: Summationsbeweis). Eine Zerlegung in zwei Stufen - wie anscheinend die Beklagte meint - zunächst Feststellung der Fahruntüchtigkeit und dann deren Abwägung mit der versicherten Ursache - ist aufgrund des Miteinanderverwobenseins der verschiedenen Gesichtspunkte praktisch nicht möglich (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 22, BSGE 98, 79 ff, Rn. 24).

Grundsätzlich trägt die sogenannte objektive Beweis- und Feststellungslast für das Vorliegen einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit, die als konkurrierende Ursache die versicherte Tätigkeit verdrängt, und für die sie ggf. begründende Blutalkoholkonzentration sowie Beweisanzeichen die Beklagte, weil es für diese günstig ist, wenn die nicht versicherte Ursache gegenüber der versicherten Ursache von überragender Bedeutung ist und kein Arbeitsunfall vorliegt (so schon BSGE 43, 110, 112 [BSG 20.01.1977 - 8 RU 52/76]).

Für die Kammer steht zur Überzeugung fest, dass die Klägerin infolge der nicht betriebsbedingten Einnahme von Medikamenten mit den Wirkstoffen Zopiclon und Doxylamin fahruntüchtig war. Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer in Kenntnis des Gutachtens des Prof. Dr. D. vom 7. Januar 2014, seiner ergänzenden Stellungnahmen vom 24. April 2014 und 23. November 2015 sowie unter Berücksichtigung den der Verwaltungsakte der Beklagten zu entnehmenden Zeugenaussagen und wertender Betrachtung weiterer den Versicherungsfall nicht ausschließender Umstände. Diese konkurrierende Ursache hat nach wertender Betrachtung der Kammer überragende Bedeutung für den Eintritt des Unfalls am 10. August 2012.

Die Klägerin hat Medikamente mit den Wirkstoffen Zopiclon und Doxylamin zeitlich gesehen vor dem Unfall, der sich am 10. August 2012 gegen 17.30 Uhr ereignete, eingenommen. Diese Überzeugung gewinnt das Gericht aus dem rechtsmedizinischen Gutachten des Prof. Dr. D. vom 7. Januar 2014 sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen. Die Klägerin bestreitet nach wie vor, die Schlafmittel eingenommen zu haben. Das Bestreiten verhilft der Klägerin und ihrer Klage nicht zum Erfolg, da die Wirkstoffe - im therapeutischen Wirkbereich - unstreitig im Serum der Klägerin nachgewiesen wurden und feststeht, dass diese Medikamente der Klägerin nach dem Unfall weder durch den Notarzt noch durch die Klinikärzte verabreicht wurden; im Übrigen wäre die Verabreichung von Doxylamin oder / und Zopiclon in der Klinik im Rahmen der Behandlung der Klägerin unüblich und ungewöhnlich und hätte darüber hinaus keinen therapeutischen Sinn, worauf Prof. Dr. D. nachvollziehbar hinweist. Zudem enthielten die vom Notarzt bzw. den Klinikärzten verabreichten Medikamente nicht die Wirkstoffe Zopiclon oder Doxylamin; die im Krankenhaus verabreichten Medikamente bilden im Körper auch nicht die vorgenannten Wirkstoffe als Nebenprodukt und es ist nicht mit der hierfür notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die in der Klinik verabreichten Medikamente den Abbau von Zopiclon und Doxylamin verzögern bzw. eine relevante Wechselwirkung hervorrufen.

Im Serum der Klägerin, welches durch die Blutentnahme am 11. August 2012 um 0.50 Uhr gewonnen wurde, wurde das verschreibungspflichtige Schlafmittel Zopiclon im therapeutischen Wirkbereich mit 14 ng/mL und das rezeptfrei erhältliche Doxylamin ebenfalls im therapeutischen Bereich von 97 ng/mL nachgewiesen. Zwischen dem Unfall und dem Zeitpunkt der Blutabnahme waren 7 Stunden und 20 Minuten vergangen. Zopiclon wird mit einer Halbwertszeit von ca. 3,5 bis 8 Stunden abgebaut, weshalb nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. D. im Gutachten vom 7. Januar 2014 davon auszugehen ist, dass die zum Unfallzeitpunkt vorliegende Konzentration des Schlafmittels Zopiclon höher gewesen ist (zwischen 27 bis 56 ng/mL), womit eine wirksame Konzentration zum Unfallzeitpunkt vorgelegen hat. Doxylamin wird langsamer abgebaut als Zopiclon, dennoch ist davon auszugehen, dass die Konzentration im Blut der Klägerin zum Unfallzeitpunkt höher gelegen war als zum Blutentnahmezeitpunkt (zwischen 160 bis 175 ng/mL). Das Schlafmittel Doxylamin lag ebenfalls im therapeutischen Wirkbereich vor. Der Vortrag der Klägerin, sie hätte die Schlafmittel zuletzt am Vorabend des Unfalls eingenommen, ist für das Gericht nicht glaubhaft. Wenn mehr als 24 Stunden nach behaupteter letztmaliger Einnahme des Schlafmittel selbiges serologisch noch nachgewiesen werden kann, dann hätte die Klägerin eine derart hohe Dosis am Vorabend des Unfalls eingenommen haben müssen, was zwar bei arzneimittelabhängigen Person auftreten kann. Dann aber hätte die Klägerin während des gesamten Arbeitstages am 10. August 2012 unter dem Einfluss des Schlafmittels gestanden, dessen Wirkung durch das zusätzlich aufgenommene Schlafmittel Doxylamin verstärkt worden wäre. Unter diesen Umständen erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass die Klägerin um 5.00 Uhr des Unfalltages das Bett bereits wieder verlassen konnte, weil sie unter einer derart hohen Schlafmittelkonzentrationen hätte leiden müssen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie sie den Tag über arbeitsfähig gewesen wäre, was unter Einfluss derart hoher Dosen des Wirkstoffs Zopiclon nicht möglich gewesen wäre.

Für das Gericht stehen medikamententypische Ausfallerscheinungen in Form von gravierenden Schlangenlinien ebenfalls im Vollbeweis fest. Unmittelbar vor dem Unfall geriet die Klägerin vor der Abzweigung S. straße vollständig mit ihrem Auto auf die Gegenfahrbahn. Hierbei handelte es sich nicht um ein abruptes Hinüberlenken auf die Gegenfahrbahn, sondern bereits hier bestanden ernsthafte Anzeichen dafür, dass die Klägerin langsam einschlafen würde. Im weiteren Verlauf fuhr die Klägerin dann zu dicht auf das ihr vorausfahrende Fahrzeug auf. Wenig später geriet die Klägerin mit ihrem Fahrzeug ganz nach rechts von der Fahrbahn ab, sodass sich beide rechte Reifen ihres Autos schon im Gras befanden und nur noch wenig Platz bis zu den am Straßenrand stehenden Bäumen bestand. Und noch später fuhr die Klägerin dann kontinuierlich nach links hinüber auf die Gegenfahrbahn und stieß dort ungebremst frontal mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Dies steht für das Gericht nach der glaubhaften Zeugenaussage des Herrn O., der unmittelbar vor dem Unfall mit seinem Auto direkt hinter der Klägerin die Straße befuhr, fest. Die von der Klägerin unmittelbar vor dem Unfall dargebotene unkontrollierte Fahrweise ist bei nicht von Schlafmitteln beeinflussten Fahrern bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h regelmäßig nicht zu beobachten und wenn, dann vielleicht einmalig, wenn der Fahrer unaufmerksam war und sich durch irgendeine Handlung ablenken ließ. Die Klägerin zeigte damit nach Auffassung des Gerichts müdigkeitsbedingte Ausfallerscheinungen in Form von gefahrenen großen Schlangenlinien und zudem fehlender Bremsreaktion, weil nach den glaubhaften Aussagen des Zeugen O. die Bremslichter unmittelbar vor dem Unfall nicht aufleuchteten. Diese Ausfallerscheinungen sind wesentlich auf die nachgewiesenen und von der Klägerin eingenommenen Schlafmittel zurückzuführen, weil ohne die Wirkung der Medikamente Zopiclon und Doxylamin der Unfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Die Klägerin selbst hatte sich dahingehend eingelassen, sich noch vor Fahrtantritt fahrfähig geführt zu haben; vielleicht wäre sie aber vermutlich auch dadurch übermüdet gewesen, weil sie in der Nacht vor dem Unfalltag erst gegen Mitternacht ins Bett und bereits um 5.00 Uhr morgens wieder aufgestanden sei. Die Wirkung der im Blut der Klägerin nachgewiesenen Schlafmittel Zopiclon und Doxylamin potenziert sich jedoch umso mehr, wenn die Schlafmittel auf eine übermüdet Person einwirken, was sich aus dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. D. ergibt. Das übermüdete, angestrengte Menschen am Steuer einschlafen, kommt durchaus vor. Wenn sie jedoch zusätzlich unter dem Einfluss von zwei verschiedenen Schlafmitteln stehen, die sich gegenseitig potenzieren, kommt diesem Umstand die größere Bedeutung zu.

Die Klägerin musste erkennen, dass die ihr verordneten und von ihr nach Überzeugung des Gerichts auch eingenommene Medikamente mit den Wirkstoffen Zopiclon und Doxylamin Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs haben. Die gegenüber Unfällen aus innerer Ursache abweichende Wertentscheidung - besondere Gefährlichkeit des Mittels in Bezug auf die Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern und dessen möglichen Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs - greift bei Medikamenten aufgrund medizinischer Indikation nur, wenn es sich für den Betroffenen aufdrängen musste, dass diese mit einer ganz erheblichen Gefahr der Verursachung eines Unfalls verbunden ist. Ist dies nicht der Fall, so sind bei medizinischer Indikation von nicht berauschenden und berauschenden Medikamenten die Grundsätze des Unfalls aus innerer Ursache anzuwenden. Bei Unfällen im Straßenverkehr für die Anwendung der Regeln zu Unfällen aus innerer Ursache regelmäßig dazu, dass der Zurechnungszusammenhang zu bejahen ist, weil der besonderen Wege Gefahr gegenüber der inneren Ursache eine wesentliche Bedeutung für das Zustandekommen des Unfalls beizumessen ist (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO). Insbesondere Zopiclon ist verschreibungspflichtig und Doxylamin apothekenpflichtig. Es drängt sich jedem gewissenhaften Menschen auf, dass er ärztlich verordnete Schlafmittel und zudem weitere freiverkäufliche Schlafmittel und dies erst recht nicht in Kombination einnehmen darf, wenn die Führung eines Kraftfahrzeugs in absehbarer Zeit bevorsteht. Im Übrigen weisen sowohl Apotheker bei Ausgabe der Medikamente, die Ärzte bei der Verschreibung und zuletzt der Beipackzettel auf die bestehenden Gefahren im Straßenverkehr nach vorheriger Einnahme der Schlafmittel hin.

Für das Gericht sind keine Umstände erkennbar, die doch dazu führen könnten das ein Versicherungsfall anzunehmen wäre. Insbesondere liegen keine in der Person der Klägerin (inneren) Umstände vor, die ursächlich für das Unfallgeschehen vom 10. August 2012 sein könnten. Die Klägerin war nicht erkennbar krank. Im DAB des Prof. Dr. K. vom 10. August 2012 wurde eindeutig eine traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) beschrieben, d.h. sie ist durch den Unfall erst ausgelöst worden. Eine unmittelbar vor dem Unfall aus innerer Ursache heraus eingetretene SAB ist für das Gericht nicht nachgewiesen. Zwar hat die Klägerin mit ihrem - insoweit wechselhaften - Vortrag vorgetragen, vor Fahrtantritt müde gewesen zu sein. Dass diese Müdigkeit auf Gründen beruht, die auf betriebliche (dem Beschäftigungsunternehmen zuzurechnende) Umstände zurückzuführen sein soll, ist für das Gericht nicht nach gewesen. Hierfür hat die Klägerin nicht ansatzweise glaubhaften Vortrag geleistet. Vielmehr ist eine von der Klägerin beschriebene Übermüdung auf unternehmensfremde Umstände zurückzuführen, die rechtlich als allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen sind. Denn - wie bereits zuvor ausgeführt - die unstreitig im Serum der Klägerin nachgewiesenen Schlafmittel verstärken sich gegenseitig und potenzieren sich umso mehr, wenn die Schlafmittel auf eine übermüdete Person einwirken. Die Klägerin hat die Schlafmittel nicht betriebsbedingt eingenommen; der Einfluss der Medikamente ist wesentliche Ursache für das Unfallgeschehen am 10. August 2012.

Auch äußere Umstände, die den Versicherungsfall nicht ausschließen würden, sind für das Gericht nicht erkennbar. Es herrschten gute Straßenverhältnisse in Form eines normalen bis mäßigen Verkehrs mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h. Zudem war ein beschleunigtes Verfahren ohnehin nicht möglich, da ein Lkw vorausfuhr, der erfahrungsgemäß die Geschwindigkeit des nachfolgenden Verkehrs drosselt. Es war ein Sommertag mit trockenen Witterungsverhältnissen und zum Unfallzeitpunkt gegen 17.30 Uhr war es noch hell.

Bei wertender Betrachtung der Faktoren, die einen Unfall begünstigen könnten, war die Heimfahrt der Klägerin, also die versicherte Verrichtung, und die damit allgemeinen Gefahren allein nicht wesentliche Ursache für den Unfall am 10. August 2012. Der Einfluss der Schlafmittel, die sich gegenseitig noch verstärkten, hat im hiesigen Fall wesentliche Bedeutung, weil er zur Fahruntüchtigkeit der Klägerin geführt hat, weshalb die Unfallkausalität zu verneinen ist und es folglich zum Verlust des Versicherungsschutzes kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.