Sozialgericht Stade
Beschl. v. 13.07.2016, Az.: S 6 AS 86/16 ER
Minderung des Auszahlungsanspruchs von Arbeitslosengeld II um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 13.07.2016
- Aktenzeichen
- S 6 AS 86/16 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 20851
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2016:0713.S6AS86.16ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 1 SGB II
- § 39 Nr. 1 SGB II
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 10. Juni 2016 wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016, mit welchem dieser für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 31. Juli 2016 eine Minderung des Auszahlungsanspruchs des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II um 30 % des nach § 20 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) maßgebenden Regelbedarfs festgestellt und insoweit die Änderung der vorangegangenen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2016 verfügt hat, und begehrt die Auszahlung von Leistungen unter Wegfall der Minderung.
Der im August 1975 geborene, ledige Antragsteller bezieht laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom 6. Juli 2015 in der Fassung des Bescheides vom 30. November 2015 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 in Höhe von 263,68 EUR für Juli 2015, 322,77 EUR für August 2015 und 817,00 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 30. Juni 2016.
Am 24. März 2016 erklärte der Antragsteller anlässlich einer Vorsprache beim Antragsgegner, nicht schwer heben zu können. An diesem Tag schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine bis zum 30. November 2016 gültige Eingliederungsvereinbarung. Hierin wurde u.a. vereinbart: "1. Unterstützung durch Jobcenter Stade Das Jobcenter bietet Ihnen die Teilnahme an der Maßnahme: Förderzentrum A-Stadt nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III in der Zeit vom 31.03.16 bis 30.09.16 beim Träger SBB A-Stadt an. [ ]" "2. Bemühungen von Herrn A. Sie nehmen an der Maßnahme: Förderzentrum A-Stadt gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III zur beruflichen Eingliederung teil. Die Maßnahme soll Ihre berufliche Eingliederung durch eine Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Inhalt der Maßnahme ist: Heranführung an den Arbeitsmarkt; Zweck der Maßnahme ist: Eingliederung in den Arbeitsmarkt; bei SBB A-Stadt in A-Stadt vom 31.03.16 bis 30.09.16. [ ] Sie sprechen am 31.03.16 um 10.00 Uhr beim genannten Seminargeber [ ] zum Antritt des Seminares vor. [ ]"
Mit Anhörungsschreiben vom 31. März 2016 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer beabsichtigten Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs wegen Verletzung der in der Eingliederungsvereinbarung vom 24. März 2016 festgelegten Pflichten an. Der Antragsgegner teilte mit, nach bisherigem Kenntnisstand sei davon auszugehen, dass der Antragsteller trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis der Vereinbarung nicht nachgekommen sei, da er sich nicht wie vereinbart am 31. März 2016 um 10.00 Uhr beim Seminargeber [ ] zum Antritt des Seminares gemeldet habe.
Wegen Nichterscheinens zu Meldeterminen am 11. Februar 2016, 29. Februar 2016 und 14. März 2016 erließ der Antragsgegner am 31. März 2016 drei (Sanktions-)Bescheide, mit denen er die Arbeitslosengeld II-Leistungen des Antragstellers für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 31. Juli 2016 jeweils monatlich um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs minderte (Minderung in Höhe von jeweils 40,40 EUR monatlich, insgesamt 121,20 EUR monatlich). Die Bescheide vom 31. März 2016 wurden - soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich - nicht mit Widerspruch angefochten.
Mit Bescheid vom 15. April 2016 stellte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 31. Juli 2016 eine Minderung des Anspruchs des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II monatlich um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs fest. Das Arbeitslosengeld II des Antragstellers mindere sich um 121,20 EUR monatlich. Die vorangegangenen Bewilligungsbescheide vom 6. Juli 2016 und 29. November 2016 [gemeint ist offenbar 2015] würden insoweit für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2016 in Höhe der genannten Minderung aufgehoben. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, in der Eingliederungsvereinbarung vom 24. März 2016 sei vereinbart worden, dass der Antragsteller seine selbständigen Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit nachweisen müsse. Als Eigenbemühungen sei die Teilnahme am Seminar Förderzentrum vereinbart worden. Der Antragsteller sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen der Vereinbarung nicht nachgekommen, da er nicht teilgenommen habe am Seminar Förderzentrum. Der Antragsteller habe keinen wichtigen Grund für sein Verhalten mitgeteilt. Die Leistungen des Antragstellers seien bereits aufgrund mehrerer Meldeversäumnisse gemindert. Für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 31. Juli 2016 würden die Minderungsbeträge aus den Meldeversäumnissen mit dem Minderungsbetrag aus dieser Sanktion addiert.
Am 25. Mai 2016 ging bei dem Antragsgegner eine Erklärung des Antragstellers zum Anhörungsschreiben vom 31. März 2016 ein. Der Antragsteller trug sinngemäß vor, unter Krankheitsbeschwerden im Bereich der rechten Hüfte zu leiden. Er habe starke Schmerzen. Die Behandlung erfolge gegenwärtig mit Hilfe medikamentöser Therapie. Die Notwendigkeit einer Behandlung mittels Operation sei vom Ergebnis der konservativen Behandlung abhängig. Diesen Sachverhalt habe der Antragsteller dem Sachbearbeiter des Antragsgegners mitgeteilt. Dieser sei der Bitte des Antragstellers, den Verlauf der Krankenbehandlung abzuwarten, nicht nachgekommen.
Der Antragsgegner legte die Erklärung des Antragstellers als Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. April 2016 aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch sei erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist bei dem Antragsgegner eingegangen. Ferner legte der Antragsgegner die Erklärung des Antragstellers als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. April 2016 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus. Diesen Antrag lehnte der Antragsteller mit Bescheid vom 10. Juni 2016 ab. Soweit ersichtlich, hat der Antragsteller gegen diesen Bescheid bisher keinen Widerspruch erhoben.
Bereits am 12. Mai 2016 hatten der Antragsteller und der Antragsgegner eine neue bis zum 30. November 2016 gültige Eingliederungsvereinbarung geschlossen. In dieser Eingliederungsvereinbarung verpflichtete sich der Antragsteller zur Teilnahme an einem betrieblichen Praktikum in der Zeit vom 17. Mai 2016 bis zum 3. Juni 2016 bei der Firma D. GmbH. Der Antragsteller trat die Maßnahme nicht an. Mit Bescheid vom 7. Juni 2016 stellte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2016 eine Minderung des Anspruchs des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II monatlich um 60 % des maßgebenden Regelbedarfs fest. Das Arbeitslosengeld II des Antragstellers mindere sich um 242,40 EUR monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 7. Juni 2016 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 in Höhe von 458,40 EUR für den Monat Juli 2016 (hierin enthaltene Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs: 40,40 EUR), 579,60 EUR für August 2016 und September 2016 (hierin enthaltene Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs: 161,60 EUR monatlich) und 822,00 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. Juni 2017. Die Bescheide vom 7. Juni 2016 wurden - soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich - bisher nicht mit Widerspruch angefochten.
Im Mai 2016 und im Juni 2016 hatte der Antragsgegner Sachleistungen in Form von Gutscheinen für Lebensmittel über insgesamt 61,00 EUR monatlich erbracht.
Der Antragsteller hat am 10. Juni 2016 Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 erhoben (Aktenzeichen S 6 AS 304/16) und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er könne zurzeit die Zuzahlungen für seine Medikamente aus dem verbliebenen Regelbedarf nicht bezahlen. An der von ihm vorgetragenen Begründung für die Nichtteilnahme am Seminar Förderzentrum halte er fest. Er verfüge weder über weiteres Einkommen noch über weiteres Vermögen.
Der Antragsteller beantragt nach seinem Vorbringen im schriftlichen Verfahren,
den Bescheid des Antragsgegners vom 15. April 2016 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 aufzuheben,
die 30 prozentige Kürzung des Regelbedarfes zurückzunehmen und
festzustellen, dass die vorgetragene Begründung einen wichtigen Grund darstellt.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem Vorbringen im schriftlichen Verfahren,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt vor, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. April 2016 sei nicht fristgerecht gewesen, so dass die Entscheidung bestandskräftig sei. Einstweiliger Rechtsschutz scheide nach Auffassung des Antragsgegners bereits aus dem Grunde aus. Höchst vorsorglich werde vorgetragen, dass die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers unbelegt gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
Gemäß § 86b Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird gerichtlicher einstweiliger Rechtsschutz sowohl in Anfechtungssachen als auch in Vornahmesachen nur auf Antrag gewährt. Das Gericht entscheidet nach dem vom Antragsteller gewollten Ziel, das ggf. durch Auslegung herauszufinden ist (BeckOK SozR/Krodel SGG § 86b Rdnr. 3).
Aus dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geht hervor, dass das Begehren des Antragstellers auf die Gewährung des Arbeitslosengeldes II ohne Berücksichtigung der mit Bescheid vom 15. April 2016 festgestellten Minderung um 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs gerichtet ist.
Sanktionsbescheide und in dessen Umsetzung ergangene (Änderungs-)Bescheide stellen eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheids zur Höhe der Leistung in dem von der Absenkung betroffenen Zeitraum dar, so dass jeweils nur einer der beiden Bescheide der Anfechtung bedarf und nur ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist (Fügemann in Harich: Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Seite 851, Rdnr. 25 m.w.N.). Durch den (Sanktions-)Bescheid vom 15. April 2016 von der Absenkung betroffen ist der Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 31. Juli 2016. Dieser Zeitraum ist zum einen durch die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2016 im Rahmen des Bescheides vom 15. April 2016 und zum anderen durch Berücksichtigung der Minderung im neuen Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2016 über die Leistungsbewilligung ab 1. Juli 2016 geregelt.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die Feststellung der Minderung der Arbeitslosengeld II-Leistungen um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs und die damit verbundene Teilaufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Mai 2016 und Juni 2016 wendet, ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwar statthaft, jedoch unzulässig.
Bei dem Bescheid des Antragsgegners vom 15. April 2016, welcher eine Pflichtverletzung und eine Minderung des Auszahlungsanspruchs um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs feststellt und die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Mai 2016 und Juni 2016 regelt, handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, der in der Hauptsache mit Widerspruch bzw. Anfechtungsklage anfechtbar ist.
Die hiergegen am 10. Juni 2016 erhobene Klage entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben keine aufschiebende Wirkung Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt. Ein derartiger Regelungsgehalt liegt hier vor.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 15. April 2016 bestandskräftig und damit bindend ist. Die Bindungswirkung des Verwaltungsakts ist in § 77 SGG geregelt: Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Zwar ist der Antragsgegner auf Grund des Schreibens des Antragstellers vom 26. Mai 2016 von einer Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15. April 2016 ausgegangen. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand war zu diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs (§ 84 SGG) bereits abgelaufen, mit der Folge, dass der Bescheid vom 15. April 2016 bestandskräftig geworden ist. Der Antragsgegner hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 als unzulässig verworfen.
2. Soweit der Antragsteller für den Monat Juli 2016 die vorläufige Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehrt, ist der Eilantrag als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig.
Soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Juli 2016 liegt ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vor. Dieser Minderungszeitraum reicht über den zunächst geregelten Bewilligungszeitraum - bis 30. Juni 2016 - hinaus. Bei Erlass des Bescheides vom 15. April 2016 lag eine Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2016 noch nicht vor. Erst mit Bescheid vom 7. Juni 2016 hat der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017, für den Monat Juli 2016 unter Berücksichtigung einer um insgesamt 363,60 EUR gekürzten Regelleistung, bewilligt. Mit der bloßen Anfechtung des Sanktionsbescheides kann der Antragsteller sein Antragsziel insoweit nicht erreichen. Dementsprechend könnte vorläufiger Rechtsschutz insoweit nur durch Erlass einer Regelungsanordnung erreicht werden.
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG das Bestehen eines streitigen Rechtsverhältnisses voraus (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. April 2016 - L 15 AS 38/16 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. Mai 2015 - L 9 AS 315/15 B ER). Hieran fehlt es vorliegend. Denn nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist der Bescheid vom 15. April 2016 bestandskräftig. Insoweit liegt eine verbindliche Regelung vor, fehlt es an einem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Zwar hat der Antragsgegner die Erklärung des Antragstellers vom 25. Mai 2016 (auch) als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. April 2016 nach § 44 SGB X ausgelegt, diesen Antrag jedoch mit Bescheid vom 10. Juni 2016 abgelehnt. Ein Antrag nach § 44 SGB X ändert die Bestandskraft (§ 77 SGG) des Ursprungsbescheides solange nicht, wie ihm nicht ganz oder teilweise entsprochen worden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. April 2016 - L 15 AS 38/16 B ER unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. März 2011 - L 13 AS 32/11 B ER; so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Juli 2011 - L 5 AS 226/11 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. Mai 2015 - L 9 AS 315/15 B ER).
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 7. Juni 2016 für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2016 eine Minderung des Anspruchs des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II monatlich um 60 % des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt hat. Die Minderung infolge der wiederholten Pflichtverletzung "konsumiert" die noch wirksame Minderung infolge der vorangegangenen ersten Pflichtverletzung, so dass die Minderung im Überlappungszeitraum bei einer festgestellten wiederholten Pflichtverletzung nicht mehr als 60 % beträgt (Lauterbach in Gagel, SGB II § 31a Rdnr. 11; Hahn in Harich: Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Seite 659, Rdnr. 15, Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R). Der Bescheid, mit welchem die Minderung des Arbeitslosengeldes II in einer ersten Stufe um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt wurde - vorliegend der Bescheid vom 15. April 2016 -, bleibt jedoch wirksam.
Nur ergänzend ist auszuführen, dass - soweit ersichtlich - der Antragsteller den Sanktionsbescheid vom 7. Juni 2016 bisher nicht mit Widerspruch angefochten hat. Im Falle eines Widerspruchs dürfte es geboten sein, sich mit den vom Antragsteller im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründen auseinanderzusetzen, diesen zur Vorlage ggf. vorhandener Arztberichte aufzufordern bzw. aktuelle Untersuchungsbefunde einzuholen.
4. Das Gericht verkennt nicht, dass insbesondere hinsichtlich des Monats Juli 2016 ein erheblicher Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vorliegt. Im Juli 2016 beträgt die Kürzung insgesamt 363,60 EUR; mit Bescheid vom 7. Juni 2016 hat der Antragsgegner dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Juli 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 458,40 EUR bewilligt. Soweit dem Antragsteller die Deckung seines Lebensunterhaltes im Juli 2016 nicht möglich ist, bestünde die Möglichkeit, Sachleistungen zu beantragen. Gemäß § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II kann bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Damit wird sichergestellt, dass unterhalb der Grundsicherung des Arbeitslosengeldes II eine letzte Grundversorgung ("angemessener Umfang") erhalten bleibt, die zwar den Effekt der Minderung spürbar werden lässt, ohne aber dadurch zuzulassen, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte in seiner Existenz gefährdet wird (BeckOK SozR/Burkiczak SGB II § 31a Rdnr. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht anfechtbar. Nach dieser Norm ist die Beschwerde ist ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies ist der Fall, wenn die Beschwer den Schwellenwert für eine zulassungsfreie Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG - dieser Wert beträgt 750,00 EUR - nicht erreicht. Dieses ist vorliegend der Fall. Der Wert der Beschwer beträgt 363,60 EUR (=3 Monate x 121,20 EUR/Monat).