Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.12.2023, Az.: 10 LB 91/23

Ablehnung der Asylanträge irakischer Staatsangehöriger; Abschiebungsverbot nach Kroatien wegen vermeitlicher systemischer Mängel im Asylsystem

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.12.2023
Aktenzeichen
10 LB 91/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 53022
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1204.10LB91.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 08.05.2023 - AZ: 2 A 269/22

Fundstelle

  • AUAS 2024, 24

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichterin der 2. Kammer - vom 8. Mai 2023 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und begehren die Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Kroatien.

Die Kläger sind irakische Staatsangehörige, arabischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Sie reisten am 21. August 2022 nach Deutschland ein und stellten einen Asylantrag.

Ein EURODAC-Abgleich hatte einen Treffer für Kroatien ergeben, wo die Kläger bereits am 2. August 2022 einen Asylantrag gestellt hatten.

In ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages am 8. September 2022 berichtete die Klägerin zu 2., sie seien in Kroatien zur Abgabe von Fingerabdrücken gezwungen worden. Die Polizei sei sehr grob mit ihnen umgegangen. Sie seien in ein Camp voller Geflüchteter gebracht worden. In den Nächten seien Polizisten gekommen, vor denen sie Angst gehabt hätten. Auch ihre Kinder hätten sich unterdrückt gefühlt. Man habe sie nach ihren persönlichen Daten befragt. Die Frage, ob sie in Kroatien Asylanträge stellen wollten, hätten sie verneint. Nach ein bis zwei Tagen hätten alle Geflüchteten das Camp verlassen. Sie seien nach Slowenien weitergereist. In Griechenland seien ihr im Krankenhaus die Gebärmutter sowie Gallensteine entfernt worden. Zudem habe sie Probleme mit der Lunge und in geschlossenen Räumen Atembeschwerden. Der Kläger zu 1. berichtete, in Kroatien habe er kein Asyl beantragen wollen. Er habe nur einen Zettel unterschrieben, weil der Dolmetscher ihm dazu geraten habe und er Angst gehabt habe, zurückgeschickt zu werden, wenn er sich geweigert hätte. Sie seien zu ihren Asylgründen nicht angehört, sondern nur registriert worden.

Am 9. September 2022 stellte die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Kroatien. Daraufhin erklärte die zuständige kroatische Behörde mit Schreiben vom 23. September 2022 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 20 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) und die Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Kläger.

Mit Bescheid vom 26. September 2022 lehnte die Beklagte die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Nr. 1), stellte das Fehlen von Abschiebungsverboten fest (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Kroatien an (Nr. 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 19 Monate (Nr. 4).

Die Kläger haben gegen diesen Bescheid am 11. Oktober 2022 Klage erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, dass das Asylsystem in Kroatien systemische Schwachstellen aufweise, da es zu gewaltsamen Push-Backs komme und Kroatien sich auch an Kettenabschiebungen beteilige.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26.9.2022 aufzuheben,

hilfsweise, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 7. November 2022 (2 B 273/22) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid der Beklagten vom 26. September 2022 angeordnet.

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 8. Mai 2023 der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2022 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass systemische Schwachstellen im kroatischen Asylsystem darin bestünden, dass es in Kroatien seit langem und in erheblichem Umfang zu gewaltsamen Push-Backs komme, und die nachgewiesenen Kettenabschiebungen von Österreich über Slowenien nach Kroatien und weiter nach Bosnien-Herzegowina ein deutlicher Beleg dafür seien, dass eine solche Verfahrensweise auch Dublin-Rückkehrern drohen könne und ihnen damit ihr Recht auf ein Asylverfahren in rechtswidriger Weise vorenthalten werde.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6. Juli 2023 (10 LA 83/23) die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, weil das Verwaltungsgericht keine konkreten Erkenntnisse dafür angeführt habe, dass Dublin-Rückkehrern eine Verletzung ihrer Rechte drohe. Allein aus dem Umstand, dass es zu sogenannten Push-Backs an der kroatischen Grenze und zu Kettenabschiebungen gekommen sei, könne nicht gefolgert werden, dass eine solche Verfahrensweise auch Dublin-Rückkehrern drohe.

Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung auf ihren Bescheid vom 26. September 2022, ihren Zulassungsantrag und den Senatsbeschluss vom 6. Juli 2023 Bezug genommen und beantragt,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

und führen zur Begründung an, dass in Kroatien losgelöst vom Dublin-System ein Parallelregime implementiert worden sei, dass tatbestandsmäßig Dublin-Rückkehrer in seinem Anwendungsbereich gerade nicht ausdrücklich ausschließe. Es bestehe die Gefahr, dass die kroatischen Behörden Dublin-Rückkehrer von vornherein nicht nach der Dublin III-VO behandelten, sondern sie wie sonstige Asylsuchende dem Parallelregime völkerrechtlicher Abkommen mit Bosnien-Herzegowina unterwerfen würden. Deshalb seien - wie das Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 28.6.2023) und der belgische Rat für Ausländerstreitigkeiten (Urteil vom 20.4.2023) zutreffend erkannt hätten - Dublin-Überstellungen nach Kroatien unzulässig. Das Risiko sei für Dublin-Rückkehrer sehr real und könne vernünftigerweise nicht abgewendet werden. Die kroatischen Behörden sei nicht einmal bereit, eine Zusage abzugeben hinsichtlich der Einhaltung des Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO. Es bestünde daher die Gefahr, dass die Asylanträge von Dublin-Rückkehrern in unzulässiger Weise als Folgeanträge eingeordnet würden. Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer sei auf einen Bericht des Centre for Peace Studies vom 22. September 2023 zu verweisen, nach dem Asylsuchende unter völlig unzureichenden Bedingungen untergebracht würden. Tausende von Menschen lägen in den Aufnahmezentren auf Matratzen auf dem Boden und in den Fluren, nicht getrennt voneinander, also auch nicht nach Geschlechtern getrennt, und unter völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen. Nach diesem Bericht hätten das kroatische Rote Kreuz und Medecins du Monde ferner keinen Zugang zu den Zentren und zurückgeschickte Asylsuchende erhielten ihre Einladung zu einem 2. Gespräch maximal einen Tag im Voraus, obwohl nach dem Gesetz die Einladung zu einem weiteren Gespräch 8 Tage vorher schriftlich zugestellt werden müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des die Beklagte vertretenden Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. September 2022 zu Unrecht aufgehoben. Denn der angefochtene Bescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt. Auch ist seine Feststellung, dass im Fall der Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Kroatien nicht vorliegen, in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtmäßig. Folglich ist die Klage der Kläger sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag abzuweisen.

Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt.

Der Asylantrag ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG unzulässig, weil Kroatien gemäß der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Die Frist für die Überstellung der Kläger nach Kroatien von sechs Monaten hat gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 27 Abs. 3 c) Dublin III-VO noch nicht zu laufen begonnen, weil die Kläger im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung erwirkt haben. Deshalb ist die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen.

Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin III-VO zum sogenannten Selbsteintritt verpflichtet, weil in Kroatien keine systemischen Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer, wie die Kläger, bestehen, welche die Zuständigkeit der Beklagten begründen könnten. Denn es sind im Entscheidungszeitpunkt keine hinreichenden Gründe für die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der Kläger im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK bei einer Rücküberstellung nach Kroatien feststellbar.

Art. 4 GRC verbietet ebenso wie der ihm entsprechende Art. 3 EMRK ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und hat mit seiner fundamentalen Bedeutung allgemeinen und absoluten Charakter (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 78). Daher ist hinsichtlich in einem Mitgliedsstaat schutzsuchender Personen für die Anwendung von Art. 4 GRC irrelevant, wann diese bei ihrer Rücküberstellung in den für ihr Asylverfahren zuständigen Mitgliedsstaat einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. Die Gewährleistung von Art. 4 GRC gilt auch nach dem Abschluss des Asylverfahrens, insbesondere auch im Fall der Zuerkennung internationalen Schutzes (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 88 f.; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 7.10.2019 - 2 BvR 721/19 -, juris Rn. 19 f.). Hat ein Schutzsuchender hinreichend dargelegt, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihm nach einer Rücküberstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist das mit der Rechtssache befasste Gericht - wie auch zuvor die mit der Sache befassten Behörden - verpflichtet, die aktuelle Sachlage aufzuklären, und die deutschen Behörden haben gegebenenfalls Zusicherungen der Behörden des zuständigen Mitgliedsstaates einzuholen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 -, juris 15 f. und 18 f.). Das Gericht hat auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 90). Solche Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 91 f.). Dies ist im Allgemeinen insbesondere der Fall, wenn die zurück zu überstellende Person in dem zuständigen Mitgliedsstaat ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basis- bzw. Notbehandlung erhalten würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.7.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 24.10.2023 - 1 B 22.23 -, juris Rn. 10). Die Mindestbedürfnisse werden auch schlagwortartig mit "Brot, Bett und Seife" zusammengefasst. Bei Familien mit Kindern kann sich eine Gefährdung der durch Art. 4 GRC geschützten Rechte auch daraus ergeben, dass der bzw. die Betroffene(n) nicht zugleich die eigene Existenz und die seiner bzw. ihrer Familie sichern können (BVerwG, Urteil vom 4.7.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 25 bis 28; zu allem Vorstehenden vgl. bereits Senatsbeschluss vom 20.12.2019 - 10 LA 192/19 -, juris Rn. 21, und Senatsurteil vom 19.4.2021 - 10 LB 244/20 -, juris Rn. 24).

Ohne Bedeutung ist demnach für sich genommen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Schwachstellen aufweisen und/oder Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Anerkennungsrichtlinie) vorliegen (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 85 und 92), anerkannte Schutzberechtigte auf familiäre Solidarität zurückgreifen können (EuGH, a.a.O., juris Rn. 94), Integrationsprogramme mangelhaft sind (EuGH, a.a.O., juris Rn. 96) oder die betreffende Person sich in einer durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse gekennzeichneten Situation befindet, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, weil die genannten Mindestbedürfnisse in dem Mitgliedstaat nicht tatsächlich gedeckt werden können, und sie sich damit nicht in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass diese einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, a.a.O., juris Rn. 93; BVerwG, Beschluss vom 24.10.2023 - 1 B 22.23 -, juris Rn. 10).

Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dem in sogenannten Dublin-Verfahren zu beachtenden rechtlichen Maßstab und zu den erforderlichen Tatsachenfeststellungen weiter ausgeführt (Beschluss vom 7.3.2022 - 1 B 21.22 -, juris Rn. 13):

"Im Zusammenhang mit der Beurteilung eines ernsthaften Risikos einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK ist stets von dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten auszugehen, der im Unionsrecht fundamentale Bedeutung hat, da er die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglicht, und der von jedem Mitgliedstaat verlangt, dass dieser, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo - Rn. 81 m.w.N. und - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim u.a. - Rn. 84). Damit gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die widerlegliche Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 82 m.w.N. und - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - Rn. 85). Diese Vermutung beansprucht nur dann keine Geltung, wenn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass die betreffende Person im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 85 und 88 m.w.N. und - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - Rn. 86 f.). Verfügt das Gericht über Angaben, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem betreffenden Mitgliedstaat nachzuweisen, so ist es verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 90 m.w.N. und - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - Rn. 88). Hierbei fallen nur solche Schwachstellen ins Gewicht, die eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen."

Von diesen Maßstäben ausgehend, wird die erforderliche hohe Schwelle der Erheblichkeit systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Kläger im Zeitpunkt ihrer Rücküberstellung nach Kroatien, während ihres Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK zu erfahren, nach Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel zur Rückkehr von Asylsuchenden nach Kroatien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens nicht erreicht.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat hierzu im seinem Urteil vom 11. Mai 2023 (- A 4 S 2666/22 -, juris Rn. 23-96) ausgeführt:

"Dem Senat ist durchaus bewusst, dass es in einigen Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen nach zahlreichen Berichten immer wieder zu Push-Backs kommen soll, gerade auch in Kroatien

(vgl. nur den Bericht des Antifolterkomitees des Europarats vom 30.03.2023 - https://search.coe.int/directorate_of_communications/Pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680aac007),

und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Praxis bereits als menschenrechtswidrig beanstandet hat

(vgl. EGMR, Urteil vom 20.07.2021 - 29447/17 - <Bulgarien>, und vom 18.11.2021 - 15670/18 - <Kroatien>),

wenngleich nicht in allen Fällen

(vgl. EGMR, Urteil vom 05.04.2022 - 55798/16 - <Nord-Mazedonien>).

Bezüglich Kroatien berichten Menschenrechtsaktivisten, dass seit 2022 deutlich weniger Push-Backs an den Außengrenzen stattfänden. Illegal Eingereisten, die kein Asyl im "Transitstaat" Kroatien beantragen wollten, würde nunmehr stattdessen häufig ein sogenanntes "7-Tage-Papier" (wohl Ausreiseaufforderung mit vorübergehendem Aufenthaltsrecht) ausgestellt, mit dem dann in andere Dublin-Staaten weitergereist werde

(Common-Report, CPS/ProAsyl 2022 S. 17 - https://www.cms.hr/system/publication/pdf/182/CommonReport_2022.pdf).

Die Problematik von Push-Backs an den EU-Außengrenzen ist allerdings als solche nicht entscheidungserheblich. Vielmehr steht im vorliegenden Verfahren im Zentrum die Frage, ob rechtswidrige Push-Backs oder Kettenabschiebungen bzw. Verstöße gegen den Non-Refoulement-Grundsatz auch von Dublin-Rückkehrern nach Rückführung oder freiwilliger Rückkehr nach Kroatien zu erwarten sind. Hierfür fehlen nach Überzeugung des Senats tragfähige Erkenntnismittel, weshalb entsprechende Unzuständigkeitsentscheidungen bzw. Abschiebungsanordnungen auch nicht an Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO scheitern.

3. Nach Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO ist ein Dublin-Staat dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen, wenn sich diese als rechtlich unmöglich erweist, weil wesentliche Gründe für die Annahme bestehen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen.

Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder aber dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -; beide Juris). Von ihrem Vorliegen ist dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. EuGH, Urteile vom 19.03.2019, Rs. C-163/17 <Jawo>, Juris Rn. 85; BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, Juris Rn. 9).

Wegen der korrespondierenden Gewährleistungsgehalte ist zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Art. 4 GRCh auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Dessen Verletzung droht nicht nur in Fällen der Verelendung (Fehlen von "Bett, Brot, Seife", vgl. Senatsurteil vom 29.07.2019 - A 4 S 749/19 -, Juris), sondern auch in allen Fällen, in denen ein Vertragsstaat die Abschiebung eines Asylbewerbers in ein zwischengeschaltetes Drittland anordnet, in dem der Zugang zu einem angemessenen Asylverfahren, das den Betroffenen vor willkürlicher Zurückweisung insbesondere in seinen Herkunftsstaat ("Refoulement") schützt, verweigert wird (so EGMR, Urteil vom 21.11.2019 - 47287/15 - <Ilias u. Ahmed/Ungarn>, Hudoc Rn. 134).

Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh/Art. 3 EMRK muss dabei gemäß Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO auf "wesentliche Gründe" gestützt werden. Dies bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen "ernsthaft", also hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, von einer Widerlegung des "gegenseitigen Vertrauens" der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen (Mutual-Trust-Grundsatz). Die Tatsachen müssen mithin verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu solchen Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2013, Rs. C-4/11 <Puid>, Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A -, Juris Rn. 97; BVerwG, Urteil vom 08.01.2019 - 1 C 16.18 -, Juris Rn. 37).

4. Solche systemischen Schwachstellen vermag der Senat hinsichtlich Kroatiens, das im Übrigen nach EU-Evaluierung zum 01.01.2023 auch in den Schengen-Raum aufgenommen wurde, d.h. unionsrechtliche Standards bei Grenzkontrollen einhalten muss, im Rahmen des Dublin-III-Systems derzeit nicht zu erkennen, auch nicht im Hinblick auf Push-Backs und Kettenabschiebungen in Drittstaaten. Insbesondere die vom Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24.05.2022 - 2 A 26/22 - (Juris) und im Anschluss daran vom Verwaltungsgericht Freiburg aufgeführten Erkenntnismittel widerlegen die aus dem unionsrechtlichen Mutual-Trust-Grundsatz folgende Vermutung einer ordnungsgemäßen Behandlung von Asylantragstellern nicht.

a. Es ist davon auszugehen, dass Personen, die auf der Grundlage der Dublin III-Verordnung nach Kroatien zurückkehren, nach der kroatischen Rechtslage ungehinderten Zugang zum Asylsystem haben, d.h. zunächst wieder in das nationale Asylverfahren integriert werden (vgl. zu einem etwaigen Verweis auf ein Folgeverfahren 5.), und hierbei keine Push-Backs oder Kettenabschiebungen erleiden müssen. Anhaltspunkte dafür, dass etwa nach Zagreb Abgeschobene durch Sicherheitskräfte vom Flughafen aus an die EU-Außengrenze und dort weiter in Drittstaaten gebracht werden, gibt es keine

(vgl. Aida, Country Report Croatia, 2021/Update 22.04.2022, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, S. 52; UNHCR, Croatia Fact Sheet, 9/2021, https://www.unhcr.org/publications/operations/6172aed32/bi-annual-fact-sheet-2021-09-croatia.html, S. 2).

aa. Dementsprechend beziehen sich im Wesentlichen alle der im Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig in Bezug genommenen Erkenntnismittel nicht auf Dublin-Rückkehrer, sondern auf Personen, die unmittelbar nach Einreise aus einem Drittstaat direkt an der Außengrenze unter erheblicher Gewaltanwendung in diesen zurückgedrängt oder die zuvor im Landesinneren als illegal Eingereiste aufgegriffen und anschließend zurück an die Außengrenze gefahren wurden.

Dies gilt insbesondere für die Berichte des European Council of Refugees and Exiles

(Balkan Route: Route Shifts but Pushbacks Continue, 17.12.2021, https://ecre.org/balkan-route-route-shifts-but-pushbacks-continue-croatian-schengen-accession-approved-amid-mounting-reports-of-violations-and-confusion-over-independent-border-monitoring-report/; Balkan Route: Tens of Thousands pushed Back from Croatia, 22.10.2021, https://ecre.org/balkan-route-tens-of-thousands-pushed-back-from-croatia-evidence-of-pushbacks-and-border-violence-in-romania-presented-to-un-rights-body-stonewalling-of-asylum-seekers-in-serbia-a/)

sowie die Beschwerde eines kroatischen Polizeibeamten über die gewaltsamen Praktiken an der kroatischen Grenze

(Border Violence Monitoring Network, 17.07.2019, https://www.borderviolence.eu/complaint-by-croatian-police-officers-who-are-being-urged-to-act-unlawfully/)

und den Bericht in The Guardian vom 16.07.2019 über Push-Backs von illegal Eingereisten aus dem Landesinneren

(Croatian Police uses violence to push back migrants, presidents admits, 16.07.2019, https://www.theguardian.com/world/2019/jul/16/croatian-police-use-violence-to-push-back-migrants-says-president).

Auch die Arbeitsversion des vom Verwaltungsgericht Braunschweig zitierten "1st Half-Year-Report June-December 2021" betrifft ausdrücklich nur Push-Backs außerhalb des Dublin-Asylsystems

(vgl. Report S. 14, https://www.cms.hr/system/article_document/doc/763/Working_version_of_the_1st_IBMM_report.pdf).

bb. Auch den Erkenntnismitteln über Kettenabschiebungen aus Österreich oder Italien über Slowenien und schließlich Kroatien nach Bosnien-Herzegowina

(Der Standard, Berichte über illegale Pushbacks von Migranten an österreichischer Grenze, 16.11.2020, https://www.derstandard.at/story/2000121752241/berichte-ueber-illegale-pushbacks-von-migranten-an-oesterreichischer-grenze; Aida, Country Report Croatia, 2021/Update 22.04.2022, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, S. 24; Border Violence Monitoring Network, Illegal Push-Backs and Border Violence Reports, 9/2021 Balkan Region, 25.09.2020, https://www.borderviolence.eu/balkan-region-report-september-2021/, S. 6 und 15; Europarat, CPT Report to the Croatian Government on the visit to Croatia August 2020, 03.12.2021, https://rm.coe.int/1680a4c199, S. 9-10, 14-15)

lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass von diesen mehrfach belegten Rechtsverletzungen auch Dublin-Rückkehrer betroffen waren.

Vielmehr deuten alle Quellen darauf hin, dass es sich bei den Kettenabschiebungen um informelle Rückübernahmen zwischen diesen Ländern und insbesondere solche auf Grundlage eines bilateralen "readmission agreements" zwischen Slowenien und Kroatien von 2006 handelt

(vgl. Child Rights Resource Centre, Pushbacks and Rights Violations at Europe's Borders: The state of play in 2020, https://resourcecentre.savethechildren.net/pdf/pushbacks-and-rights-violations-at-europes-borders.pdf/, S. 25 f.).

Jenes Rückübernahmeabkommen kam offenbar in der Vergangenheit zur Anwendung, wenn die Eingereisten gerade keinen Asylantrag stellten und daher von den slowenischen Behörden als illegal eingestuft wurden. Unabhängig davon, ob eine Registrierung im Asylsystem ausbleibt, weil die Behörden vor Ort, um eine Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung zu umgehen, Asylanträge schlicht ignorieren

(vgl. Infokolpa Submission for the LIBE committee mission to Slovenia, 01.11.2021, https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/242553/LIBE%20committee%20Contribution_%20InfoKolpa.pdf, S. 1)

oder Eingereiste das Stellen eines Asylantrags vermeiden, um eine Rücküberstellung zu verhindern

(vgl. Explanatory Memorandum, Bst. C im Bericht der Parlamentary Assembly des Council of Europe, Pushback policies and practice in Council of Europe member States, Doc. 14909, 08.06.2019, https://pace.coe.int/en/files/27728#trace-2, S. 17 Rn. 61),

gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei diesen zunächst offiziell anmutenden Wiederaufnahmen um solche im Rahmen des Dublin-III-Systems handelt.

cc. Insbesondere auch diejenigen Erkenntnismittel, die ausdrücklich Kettenabschiebungen nach Rückübernahmen aus Slowenien und anderen EU-Mitgliedstaaten beschreiben

("Furthermore, the Commissioner is concerned that, even for those who are readmitted by Croatia from other EU countries, notably Slovenia, there are significant barriers to accessing a fair and efficient asylum procedure.", vgl. Third party intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - 18810/19 u.a. -, S.B. u.a./Kroation, 22.12.2020, https://rm.coe.int/third-party-intervention-before-the-european-court-of-human-rights-in-/1680a0ee5e, Rn. 16),

beziehen sich mit Blick auf die von diesen ihrerseits zitierten Quellen ebenfalls auf Rückübernahmen im Rahmen dieses "readmission agreement" und also gerade nicht auf Dublin-Rückkehrer.

dd. Nichts Anderes gilt für die als Beleg aufgeführten Urteile internationaler Gerichte. Auch diese befassen sich, bis auf zwei Entscheidungen, mit gewaltsamen Push-Backs direkt nach Einreise an der Grenze oder den oben beschriebenen informellen Kettenabschiebungen und können daher ebenfalls keine Überzeugungsgewissheit dafür begründen, dass Push-Backs auch im Rahmen des Dublin-III-Systems stattfinden

(hiergegen ausdrücklich z.B. Tribunale Ordinaria di Roma, Beschluss vom 18.01.2021 - N.R.G. 56420/2020, S. 9 -, https://www.questionegiustizia.it/data/doc/2794/2021-700-senza-dati-sensibili.pdf; vgl. auch EGMR, Urteil vom 18.11.2021 - 15670/18 und 43115/18 - <M.H. u.a./Kroatien>, https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-213213; LVG Steiermark, Urteil vom 01.07.2021 - 20.3-2725/2020 -, https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Lvwg&Dokumentnummer=LVWGT_ST_20210701_LVwG_20_3_2725_2020_00; Slowenischer VGH, Urteil vom 17.07.2020, Pressemitteilung unter https://www.borderviolence.eu/wp-content/uploads/PRESS-KIT-FOR-INTERNATIONAL-MEDIA.pdf).

Nur zwei der vom Verwaltungsgericht Braunschweig zitierten Urteile beziehen sich auf Fälle von Rücküberstellungen im Rahmen des Dublin-Asylsystems, ohne dabei jedoch Push-Backs von Dublin-Rückkehrern zu belegen.

In seinem Urteil vom 12.07.2019 verwies das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz die Entscheidung über die Rücküberstellung eines Asylbewerbers nach Kroatien im Rahmen der Dublin III-Verordnung an die Vorinstanz zurück, weil sich diese in ihrem Bescheid mit aktuellen Berichten zur Situation Asylsuchender in Kroatien in keiner Weise beschäftigt und den Asylantrag mit standardisierten Begründungen abgelehnt hatte

(Schweizer BVerwG, Urteil vom 12.07.2019 - E-3078/2019 -, https://jurispub.admin.ch/publiws/download?decisionId=a7c0bc27-5103-4ac6-9a45-9dd1b0f272fa).

Einer Prüfung, ob Asylbewerber, die im Rahmen der Dublin IIII-Verordnung nach Kroatien rücküberstellt werden, dort tatsächlich gravierenden systemischen Mängeln begegnen, enthielt es sich ausdrücklich (vgl. Rn. 5.7). Zwischenzeitlich lehnen Schweizer Asylgerichte im Übrigen systemische Mängel bei Rücküberstellungen von Asylbewerbern nach Kroatien im Rahmen des Dublin-Asylsystems ab, nachdem weitere Untersuchungen vorgenommen wurden

("Die Vorinstanz hat in Beachtung des Referenzurteils des Bundesverwaltungsgerichts E-3078/2019 vom 12.07.2019 eine Einzelfallprüfung vorgenommen und ist unter Verweis auf Abklärungen durch die Schweizer Botschaft in Kroatien zum Schluss gekommen, dass Personen, welche im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Kroatien zurückgeführt werden, nicht von der problematischen Push-back-Praxis betroffen sind", Rn. 4.3.: Schweizer BVerwG, Urteil vom 02.08.2022 - E-3217/2022 -, https://www.bvger.ch/bvger/de/home/rechtsprechung/entscheiddatenbank-bvger.html; bestätigt durch das zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Referenzurteil vom 22.03.2023 - E-1488/2020 -, https://www.bvger.ch/bvger/de/home/medien/medienmitteilungen-2023/dublin-kroatien.html).

Soweit sich das Verwaltungsgericht Braunschweig schließlich auf eine Entscheidung des niederländischen Raad van State

(Urteil vom 13.04.2022 - Az. 202104072/1/V3 -, https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:RVS:2022:1042)

beruft, übersieht es, dass das Gericht zum einen wohl mit einem im deutschen Asylrecht grundsätzlich nicht anwendbaren Maßstab judizierte (vgl. Rn. 7: "Angesichts der Art, des Ausmaßes und der Dauer des grundlegenden Systemfehlers ... kann der Ausländer nicht für fehlende Informationen über die Situation von Dublin-Antragstellern nach der Überstellung nach Kroatien verantwortlich gemacht werden."). Zum anderen wertete das niederländische Gericht allein jene zitierten Erkenntnismittel aus, die sich, wie aufgezeigt, gerade nicht auf Dublin-Rückkehrer beziehen.

b. Push-Backs bzw. Kettenabschiebungen von Dublin-Rückkehrern lassen sich auch nicht mit der Bewegungsfreiheit von Antragstellern in Kroatien bzw. den "7-day-expulsion-papers" nach Antragsablehnung

(vgl. Border Violence Monitoring Network: Black Book of Pushbacks, 09.12.2022, S. 243, https://left.eu/issues/publications/black-book-of-pushbacks-2022/),

der geringen Präsenz von NGO bzw. den wenigen Dublin-Rücküberstellungen oder den wenigen Aufnahmeplätzen für Dublin-Rückkehrer begründen. Hieraus ein "real risk" für Menschenrechtsverletzungen zu konstruieren erscheint spekulativ (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 22.02.2023 - 10 LA 12/23 -, Juris Rn. 8).

Zwar führte der niederländische Raad van State aus, in Anbetracht der Tatsache, dass sich Dublin-Rücküberstellte als Asylbewerber frei im Hoheitsgebiet Kroatiens bewegen könnten, sei das Risiko einer Abschiebung während des laufenden Asylverfahrens groß

(Urteil vom 13.04.2022- 202104072/1/V3 -, https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:RVS:2022:1042, Rn. 8).

Ergänzend verweist das Verwaltungsgericht Braunschweig auf bekannt gewordene Fälle von Push-Backs von Asylsuchenden aus dem Landesinneren.

Weiter hebt es hervor, dass Fälle von Push-Backs von Dublin-Rückkehrern "angesichts der niedrigen Zahlen von den im Grenzgebiet tätigen Nichtregierungsorganisationen nicht separat erfasst" würden. Aufgezeigt werden auch die geringe Zahl an bisher erfolgen Rücküberstellungen aus Deutschland nach Kroatien ("Im Jahr 2020 kam es zu 16.425 ,Push-backs' durch die kroatischen Behörden [...] bei lediglich 28 Dublin-Rücküberstellungen aus Deutschland im selben Zeitraum") und Berichte darüber, "dass Journalisten, die kritisch über ,Push-backs' an der kroatischen Grenze berichten, diskriminiert und eingeschüchtert werden" (VG Braunschweig, Urteil vom 24.05.2022 - 2 A 26/22 -, Juris Rn. 53)

Zudem wird die Aufnahmebereitschaft Kroatiens infrage gestellt, "weil landesweit nur zwei Aufnahmeeinrichtungen (Hotel Porin und Kutina) mit insgesamt 700 Aufnahmeplätzen zur Verfügung" stünden. Schließlich gäbe es "keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass Dublin-Rückkehrern aus Deutschland gegenüber anderen Asylbewerbern eine Vorzugsbehandlung zuteil wird" (VG Braunschweig, Urteil vom 24.05.2022 - 2 A 26/22 -, Juris Rn. 54).

Solche und ähnliche Argumente können jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass positive Belege für die Betroffenheit von Dublin-Rückkehrern von Push-Backs bzw. Kettenabschiebungen derzeit vollständig fehlen. Fänden sie statt, wären entsprechende Berichte erst recht bei Dublin-Rückkehrern zu erwarten, weil diese zumindest in Deutschland regelmäßig bereits anwaltlich vertreten und mitunter auch anderweitig integriert waren und daher Kontaktpersonen hatten, die sie hätten informieren können, falls sie Opfer eines Push-Backs geworden wären. Aus diesem Grund muss insoweit der fundamentale Grundsatz des unionsrechtlichen "Mutual Trust" eingreifen, auf dem nicht nur das Gemeinsame Europäische Asylsystem aufbaut, sondern letztlich die gesamte europäische Integration im Rahmen der Europäischen Union

(vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, Rs. C-411/10 und C-493/10- <N.S.>, Rn. 78 ff.).

Mithin gilt die nicht widerlegte Vermutung, dass Kroatien im Rahmen des Dublin-Systems rückkehrende Asylbewerber in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt. In diesem Sinne verbietet es sich, von bestimmten Schwachstellen in einem Bereich des Asylsystems eines Mitgliedstaats auf solche in einem anderen bzw. eine insgesamt defizitäre Ausgestaltung zu schließen.

Dies gilt hier im Besonderen, weil sich die Situation von Rücküberstellten im Rahmen des Dublin-Systems maßgeblich von derjenigen anderer Asylbewerber unterscheidet, welche unmittelbar aus Drittstaaten oder im Wege informeller Rücküberstellungen nach Kroatien gelangen. Denn Dublin-Rückkehrer sind bereits im kroatischen Asylsystem registriert und die dortigen Behörden haben sich regelmäßig ausdrücklich zu deren Wiederaufnahme bereit erklärt. Aktuellen Berichten zufolge werden sie nach ihrer Rücküberstellung vom Ministerium des Inneren am Flughafen in Zagreb in Empfang genommen und in ein Asylzentrum gebracht, wo sie einen Asylantrag stellen bzw. ihr unterbrochenes Asylverfahren fortsetzen können

(vgl. SFH, Situation of asylum seekers ... in Croatia, 21.12.2021, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Dublinlaenderberichte/211220_Croatia_final.pdf, S. 9 Rn. 3.1).

5. Systemische Schwachstellen, die im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO zu rechtserheblichen Menschenrechtsverletzungen führen, lassen sich schließlich auch nicht damit begründen, dass im kroatischen Asylsystem ein explizit zurückgenommener Asylantrag, soweit eine solche Konstellation gegeben ist, nach Rücküberstellung entgegen Art. 18 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO als Folgeantrag behandelt wird und deshalb die Gefahr bestehen könnte, dass ein Antragsteller keine Anhörung mehr erhält bzw. wesentliche Verfahrensgarantien, die ihn vor einem "Refoulement" schützen sollen, für ihn nicht greifen (so aber etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 02.09.2022 - A 16 K 3603/22 -, Juris Rn. 23 f.).

Eine eventuell unionsrechtswidrige Behandlung eines Asylantrags als Folgeantrag kann auch in Kroatien mit effektivem (Eil-)Rechtsschutz abgewehrt werden. Denn Kroatien verfügt ebenfalls über eine funktionierende Verwaltungsgerichtsbarkeit mit mehreren Instanzen, in der fehlerhafte behördliche Entscheidungen mit Erfolg angegriffen werden können

(vgl. Aida, Country Report Croatia, 2021/Update 22.04.2022, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, S. 42 ff.).

Es ist nicht Aufgabe deutscher Verwaltungsgerichte, im Rahmen des Dublin-Systems Verwaltungsakte kroatischer Behörden auf ihre Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Prüfungsmaßstab im hiesigen Verfahren ist insoweit vielmehr Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin lll-VO i.V.m. Art. 4 GRCh/Art. 3 EMRK. Eventuell drohende Menschenrechtsverstöße in einem Mitgliedstaat müssen von einem Betroffenen dort abgewehrt werden, wenn dort effektiver Rechtsschutz hiergegen besteht.

II. Nach alledem können weder die allgemeinen Gefahren von Push-Backs oder Kettenabschiebungen noch die eventuell unionsrechtwidrige Behandlung eines Asylantrags als Folgeantrag in Kroatien systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO begründen. Auch sonstige systemische Schwachstellen im kroatischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen sind weder hinreichend vorgetragen noch für den Senat sonst wie ersichtlich.

So gibt es zwar Berichte, dass der kroatische Geheimdienst bisweilen versucht, Asylsuchende aus bestimmten Ländern zu rekrutieren, und ihnen bei Erfolglosigkeit einen Schutzstatus "aus Sicherheitsgründen" entzieht. Hinsichtlich Dublin-Rückkehrern ist dies nach aktueller Erkenntnislage jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich

(vgl. AIDA: Country Report: Access to the territory and push backs. 22.04.2022 - https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/).

Auch ist bekannt, dass die Anerkennungsquote im kroatischen Asylsystem vergleichsweise gering ist. Allerdings können statistische Schutzquoten, die auf vielerlei Ursachen beruhen, grundsätzlich keine systemischen Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO begründen. Insoweit kann im Übrigen nicht übersehen werden, dass wohl über 75% der in Kroatien Registrierten in andere Dublin-Staaten weiterreisen und also ihr Asylbegehren dort nicht weiterverfolgen, was Auswirkungen auf die statistische Schutzquote haben dürfte (vgl. Aida, Country Report Croatia, 2021/Update 22.04.2022, S. 7 ff./38 ff.)

Dublin-Rückkehrer werden laut verlässlicher Erkenntnismittel in Kroatien grundsätzlich mit "Bett, Brot, Seife" sowie medizinischer Hilfe versorgt

(vgl. Aida, Country Report Croatia, 2021/Update 22.04.2022; Situation of asylum seekers and beneficiaries of protection with mental health problems in Croatia, 21.12.2021; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, 18.05.2020; Kommission, Annual Report On Migration and Asylum in Croatia, 01.05.2020; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Kroatien, 14.04.2023 [in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt]).

Die vorgetragenen, aber nicht durch Atteste substantiierten Leiden der Klägerin zu 3 und des Klägers zu 4 könnten mithin auch dort behandelt werden.

Selbst vulnerablen Antragstellern droht danach in Kroatien derzeit weder während des Asylverfahrens noch im Falle einer Anerkennung als international Schutzberechtigte eine gegen Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung (vgl. hierzu auch: VG Ansbach, Beschluss vom 21.12.2022 - AN 14 S 22.50376 -; VG Leipzig, Beschluss vom 06.12.2022 - 6 L 678/22.A -; VG Chemnitz, Beschluss vom 10.12.2021 - 4 L 519/21.A -; alle Juris und m.w.N.).

Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG (vgl. Ziff. 2 des Bescheids) können vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden. Auch sind die Abschiebungsanordnung nach Kroatien (Ziff. 3 des Bescheids) sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziff. 4 des Bescheids) rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen und mangels diesbezüglicher Einwände der Kläger wird insoweit ergänzend auf die zutreffenden Begründungen des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG)."

Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat.

Auch nach den neuesten Erkenntnismitteln liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass es im Falle von sogenannten Dublin-Rückkehrern, von denen es im Jahr 2022 in Kroatien 167 und davon 89 aus Deutschland gegeben hat (Asylum Information Data Base = AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seiten 47 und 48), zu Ketten-Abschiebungen oder anderen Verletzungen ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gekommen ist.

Auch aus den neueren Berichten über von Kroatien zu verantwortende sogenannte Push-Backs und Kettenabschiebungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass derartige Verfahrensweisen auch Dublin-Rückkehrer betreffen könnten.

Nach dem Country Report Croatia (Stand: Juni 2023) von AIDA wurden im Jahr 2022 nach den Daten des Dänischen Flüchtlingsrats 3.461 Personen aus Kroatien nach Bosnien und Herzegowina zurückgeschoben, verglichen mit 9.114 im Jahr 2021, und geht aus den Daten des UNHCR hervor, dass im Jahr 2022 289 Personen von Kroatien nach Serbien zurückgeschoben wurden, verglichen mit 928 im Jahr 2021 (Seite 26 des Reports). Auch aus diesem ausführlichen Report (Seiten 25-35) über die Push-Backs und anderen Verfahrensweisen der kroatischen Polizei gegenüber Ausländern nach unerlaubten Grenzübertritten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass derartige Verfahrensweisen auch Dublin-Rückkehrern drohen könnten.

In Abweichung von anderen Erkenntnismitteln, wonach es seit dem Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum am 1. Januar 2023 kaum noch Berichte über Push-Backs gegeben haben soll (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl = BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 8), soll die kroatische Polizei nach dem Balkan Regional Report - March 2023 - vom 8. Mai 2023 des Border Violence Monitoring Network (BVMN) im Rahmen eines formellen bilateralen Rückübernahmeverfahrens zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina Personen, die in Kroatien noch keinen Asylantrag gestellt haben und denen dies dort auch nicht ermöglicht worden ist, im gesamten kroatischen Staatsgebiet "abgefangen" und nach Bosnien-Herzegowina zurückgeschoben haben. Nach dem Bericht von Human Rights Watch (HRW) "Like we were just animals" vom 3. Mai 2023 (Seite 24) sollen zwischen dem 23. März und dem 6. April 2023 im Rahmen dieses Rückübernahmeabkommens 559 Personen nach Bosnien-Herzegowina zurückgeschoben worden sein. Dies betraf aber offenbar ausschließlich Personen, die unerlaubt die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien überschritten haben und dorthin zurückgeschoben wurden. Ähnlich wie in den vom VGH Baden-Württemberg in dem oben wiedergegebenen Urteil vom 11. Mai 2023 genannten Fällen von Kettenabschiebungen aus Österreich oder Italien über Slowenien, Kroatien nach Bosnien-Herzegowina (juris Rn. 48-57) beruht demnach auch die in den genannten Berichten beschriebene Praxis auf einem Rückübernahmeabkommen. Insoweit besteht aber von vornherein kein erkennbarer Zusammenhang mit der Rücküberstellung von Dublin-Rückkehrern, die bereits als Asylbewerber in Kroatien registriert sind, deren Wiederaufnahme Kroatien ausdrücklich zugestimmt hat, die sodann im Rahmen eines förmlichen Verfahrens von Deutschland nach Kroatien rücküberstellt und - wie noch im Folgenden gezeigt wird - in einem der Aufnahmezentren in Kroatien untergebracht werden.

Anhaltspunkte dafür, dass eine möglicherweise gegen Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC verstoßende Verfahrensweise auch Dublin-Rückkehrern drohen könnte, ergeben sich auch nicht aus anderen Berichten, etwa dem Bericht "Beaten, punished and pushed back" der Protecting Rights at Borders (PRAB) - Initiative von Januar 2023 sowie den anderen vom Verwaltungsgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 8. Mai 2023 (- -, juris Rn. 40-54) angeführten Berichten.

Soweit in Die Wochenzeitung (WOZ) vom 22. Dezember 2022 in dem Artikel "Eine Kette der Verachtung" die Aussage einer Aktivistin wiedergegeben wird, wonach es auch in Zagreb vorkomme, dass Personen willkürlich von der Polizei aufgegriffen und dann nach Bosnien-Herzegowina verschleppt würden, auch solche, die sich in einem Asylverfahren befänden, und solche Kettenabschiebungen nicht ausgeschlossen werden könnten, ist dies zum einen lediglich eine nicht durch konkrete und nachprüfbare Tatsachen bzw. Sachverhalte belegte Behauptung und zum anderen ergeben sich daraus jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Dublin-Rückkehrer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von gegen Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC verstoßenden Kettenabschiebungen bis in ihr Heimatland als möglichen Verfolgerstaat betroffen sein könnten.

Diese durchlaufen vielmehr ein normales Aufnahmeverfahren (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seiten 47-53). Sie werden zum Flughafen Zagreb transferiert, wo normalerweise ein Mitarbeiter des Innenministeriums ankommende Flüchtlinge abholt, und von dort in ein Aufnahmelager für Antragsteller, die internationalen Schutz suchen, gebracht (Swiss Refugee Council = Schweizerische Flüchtlingshilfe = SFH, Situation of asylum seekers and beneficiaries of protrection with mental health problems in Croatia, December 2021, im Folgenden: SFH, Croatia, December 2021, Seite 9; AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 53).

Es ist ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit vorhanden (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 51; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 1). Personen, die im Rahmen der Dublin III-Verordnung nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem (BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 3). Es bestehen für Dublin-Rückkehrer keine Hindernisse im Hinblick auf das Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 53). Allerdings müssen Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben und deren Verfahren daher ausgesetzt wurde, nach ihrer Rückkehr nach Kroatien die Schutzgewährung erneut beantragen und damit das ursprüngliche Verfahren wiederaufnehmen; Personen, deren Anträge ausdrücklich zurückgezogen oder abgelehnt wurden bevor sie Kroatien verlassen haben, gelten als Folgeantragsteller (BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 3; AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 53). Aus diesem auch von den Klägern im Berufungsverfahren hervorgehobenen Umstand ergibt sich jedoch unter keinem Gesichtspunkt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC (siehe hierzu im Einzelnen das oben wiedergegebene Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 11.5.2023 - A 4 S 2666/22 -, juris Rn. 84-87).

Dublin-Rückkehrer haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Asyl- und Aufnahmesystem sowie zu den materiellen Aufnahmebedingungen (BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 3), die angemessen sind und Flüchtlingen Unterstützung bei der Integration bieten (UNHCR, Croatia Fact Sheet, February 2023). Auch das kroatische Rote Kreuz bietet Dublin-Rückkehrern, die in Aufnahmezentren für Antragsteller untergebracht sind, Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft (BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 3).

Allgemein haben Asylbewerber einschließlich der Dublin-Rückkehrer in Kroatien das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens (vgl. SFH, Croatia, December 2021, Seiten 9-12, 13-16). Dieses Recht umfasst die Unterbringung in einem der vom Innenministerium betriebenen, in 2019 und 2022 renovierten, in hygienischer Hinsicht und auch sonst angemessene Lebensbedingungen bietenden (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 88) und für die Aufnahme der meistens nur kurze Zeit (wenige Tage oder Wochen) in den Zentren sich aufhaltenden Flüchtlinge ausreichend gewesenen Aufnahmezentren in Zagreb mit 600 Plätzen und in Kutina mit 140 Plätzen (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 86, 87 und 91) sowie die Versorgung mit Verpflegung (3 Mahlzeiten pro Tag), Kleidung und finanzieller Unterstützung (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 83 und 88; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seiten 8-10). Keines der Zentren ist überbelegt (SFH, Croatia, December 2021, Seite 10).

Soweit die Kläger im Berufungsverfahren auf einen Bericht des Centre for Peace Studies vom 22. September 2023 verweisen, nach dem Asylsuchende unter völlig unzureichenden Bedingungen untergebracht würden, ergeben sich hieraus keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC im Falle der Rücküberstellung von Dublin-Rückkehrern.

Denn zum einen widerspricht dieser Bericht den oben genannten Erkenntnismitteln, ohne die darin aufgestellte bloße Behauptung, dass Tausende von Menschen in den Aufnahmezentren auf Matratzen auf dem Boden und in den Fluren lägen, nicht getrennt voneinander, also auch nicht nach Geschlechtern getrennt, und unter völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen untergebracht würden, zu belegen. Denn das als Beleg angeführte YouTube-Video, das angeblich die Bedingungen in dem Aufnahmezentrum in Zagreb am 10. September 2023 wiedergeben soll, kann auch in einer anderen Örtlichkeit aufgenommen worden sein.

Zum anderen ergäbe sich aus diesem Video selbst dann keine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC für Dublin-Rückkehrer, wenn dieses Video tatsächlich in dem Aufnahmezentrum in Zagreb am 10. September 2023 aufgenommen worden wäre. Denn auch wenn in diesem Falle die Unterbringung der Asylsuchenden zum Zeitpunkt der Aufnahme des Videos sehr beengt gewesen wäre (dicht beieinanderliegende Matratzen auf dem Boden), so hätten die Asylsuchenden gleichwohl ein "Dach über dem Kopf" erhalten, wobei die in dem Video zu sehenden Räumlichkeiten sich offenbar in einem relativ guten und modernen technischen Zustand befinden. Völlig unzureichende hygienische Bedingungen sind auf dem Video nicht zu erkennen (der in dem Video zu sehende Müll kann im Übrigen auch von einer unzureichenden Beseitigung des Mülls durch die Asylsuchenden selbst herrühren; die großzügige Ausstattung mit modernen Waschmaschinen ist offenbar ausreichend). Zu einer ähnlich beengten Unterbringung von Asylsuchenden kann es im Übrigen auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten kommen, wenn ein unvorhergesehen großer Bedarf plötzlich zu decken ist, ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte für eine Verletzung der genannten Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC ergäben.

Soweit die Kläger ferner darauf hinweisen, nach dem genannten Bericht hätten das kroatische Rote Kreuz und Medecins du Monde keinen Zugang zu den Zentren und zurückgeschickte Asylsuchende erhielten ihre Einladung zu einem 2. Gespräch maximal einen Tag im Voraus, obwohl nach dem Gesetz die Einladung zu einem weiteren Gespräch 8 Tage vorher schriftlich zugestellt werden müsse, ergeben sich hieraus nicht ansatzweise konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC.

Ist das Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden, haben Asylbewerber das Recht zu arbeiten (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 91; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 9). Die Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 91; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 10). Auch ihre medizinische Notbetreuung und die notwendige Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen ist nach dem Gesetz über internationalen und vorübergehenden Schutz (LITP) gewährleistet (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 94; SFH, Croatia, December 2021, Seite 13; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 10).

Anerkannte Flüchtlinge, die eine Aufenthaltserlaubnis für 5 Jahre erhalten, und subsidiär Schutzberechtigte, die eine Aufenthaltserlaubnis für 3 Jahre erhalten (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 128; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 11), haben das Recht auf Unterbringung für einen Zeitraum von 2 Jahren ab ihrer Anerkennung (SFH, Croatia, December 2021, Seite 11). Auch nach dieser 2-jährigen Integrationsphase dürfen diese Personen in der Praxis in den Aufnahmezentren bleiben, bis für sie eine angemessene Unterkunft bzw. Wohnung gefunden worden ist (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 139; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 12).

Sie haben denselben Anspruch auf Sozialhilfe wie kroatische Bürger (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 146; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 12). Auch haben sie das Recht, in Kroatien zu arbeiten. Bei der Suche nach einem Arbeitsplatz ist das Haupthindernis das Erlernen der kroatischen Sprache (AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 141; BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 12).

Anerkannt Schutzberechtigte haben ein Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie kroatische Staatsangehörige (SFH, Croatia, December 2021, Seite 15). Dabei hat der kroatische Staat analog zu Pflichtversicherten die Kosten zu tragen, wenn sie arbeitslos sind; in diesem Fall kann es zu Problemen bei der medizinischen Versorgung kommen, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die medizinisch unbedingt erforderliche Versorgung nicht gewährleistet ist (SFH, Croatia, December 2021, Seite 15). Erwerbstätige Personen sind dagegen krankenversichert (BFA, Länderinformationsblatt Kroatien, Stand: 14.4.2023, Seite 13; AIDA, Country Report Croatia 2022, Update Juni 2023, Seite 147 f.; SFH, Croatia, December 2021, Seite 15).

Aufgrund dieser Erkenntnislage bestehen demnach keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrern - wie den Klägern - bei einer Rücküberstellung nach Kroatien eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC droht, und zwar auch nicht nach einer Anerkennung als international Schutzberechtigte. Auch aus den von den Klägern nach ihrem Vorbringen im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt gemachten Erfahrungen als Asylsuchende in Kroatien, dass sie in Kroatien zur Abgabe von Fingerabdrücken gezwungen worden seien und die Polizei grob mit ihnen umgegangen sei, ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine drohende Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC im Falle ihrer Rückkehr nach Kroatien im Rahmen des Dublin-Verfahrens.

Allein aus dem vom Verwaltungsgericht Braunschweig in dem von ihm im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen älteren Urteil vom 24. Mai 2022 (2 A 26/22) dagegen angeführten Umstand, dass es zu sogenannten Push-Backs an der kroatischen Grenze bzw. bis zu 50 km von der Grenze entfernt und zu Ketten-Abschiebungen ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, von Italien über Slowenien und Kroatien bis nach Serbien oder Bosnien-Herzegowina gekommen sei, kann keineswegs geschlussfolgert werden, dass eine solche Verfahrensweise auch Dublin-Rückkehrern drohen kann und ihnen damit ihr Recht auf ein Asylverfahren in rechtswidriger Weise vorenthalten würde bzw. dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die dargestellten massiven Menschenrechtsverletzungen Dublin-Rückkehrer nicht betreffen. Der vom Verwaltungsgericht dagegen daraus gezogene Schluss, dass das Asylsystem in Kroatien (auch) für Dublin-Rückkehrer erhebliche systemische Schwachstellen aufweise, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung begründen könnten, findet in den Erkenntnismitteln - wie oben im Einzelnen ausgeführt - keine Stütze.

Soweit das Verwaltungsgericht Braunschweig im angefochtenen (veröffentlichten) Urteil vom 8. Mai 2023 (- -, juris Rn. 54) von einer "Masse der vorliegenden Erkenntnismittel" spricht, befinden sich unter den von ihm angeführten Erkenntnisquellen keine Erkenntnismittel, aus denen sich konkret ergibt, dass auch Dublin-Rückkehrer bei einer Rücküberstellung nach Kroatien eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem ernsthaften Risiko (real risk) zu befürchten hätten. Soweit das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zudem annimmt, dass "Kroatien nunmehr offenbar zunehmend zu Kollektivausweisungen von seit längerem im Landesinneren aufhältigen Migranten" übergehe (juris Rn. 55), hat es keine belastbaren Belege angeführt, dass eine solche Praxis auch Asylsuchende betreffen könnte, die in Kroatien bereits registriert sind, dort einen Asylantrag gestellt haben und in einem der Aufnahmezentren untergebracht sind. Es fehlen insbesondere jegliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Praxis auch Dublin-Rückkehrer betreffen könnte, wie dies oben im Einzelnen ausgeführt ist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die oben dargestellte Situation von Dublin-Rückkehrern, die in der Regel in Kroatien bereits einen Asylantrag gestellt haben, dort registriert sind und aus Deutschland in einem förmlichen Verfahren rücküberstellt werden, nachdem sich Kroatien zu deren Wiederaufnahme ausdrücklich bereit erklärt hat, und die sodann in den genannten Aufnahmezentren in Kroatien untergebracht werden, sich beispielsweise ganz erheblich unterscheidet von der Situation von Ausländern, die noch keinen Asylantrag gestellt haben und die entweder bei dem Versuch die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien unerlaubt zu überschreiten, zurückgedrängt oder später im Staatsgebiet Kroatiens aufgegriffen und nach Bosnien-Herzegowina zurückgeschoben oder im Rahmen von Rückübernahmeabkommen mit Slowenien und / oder Bosnien-Herzegowina zurückgeschoben werden. Deshalb können von vornherein keine Schlüsse aus der Situation von letzterem Personenkreis auf die Situation von Dublin-Rückkehrern gezogen werden.

Das Verwaltungsgericht hat insofern nicht beachtet, dass von dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens ausgehend die (widerlegliche) Vermutung besteht, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, und deshalb konkrete Erkenntnisse darüber vorliegen müssen, dass der betreffende Mitgliedstaat diese Erfordernisse nicht beachtet, die hier jedoch vom Verwaltungsgericht hinsichtlich Dublin-Rückkehrern nicht angeführt worden und nach dem oben Gesagten auch nicht vorhanden sind.

Soweit das Verwaltungsgericht Braunschweig im angefochtenen Urteil vom 8. Mai 2023 (juris Rn. 56) meint, "die Gruppe der Dublin-Rückkehrer künstlich von den sonstigen Asylsuchenden in Kroatien abzuspalten und als eigenständige Kategorie zu betrachten", sei nur dann gerechtfertigt, "wenn es dem Bundesamt oder dem entscheidenden Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gelingt, zu belegen, dass Dublin-Rückkehrern die Gefahren, denen sämtliche andere Asylbewerber in Kroatien ausgesetzt sind, nicht drohen", verkennt es die insoweit zu beachtenden rechtlichen Maßstäbe. Denn insofern ist es nicht ausreichend, dass überhaupt erhebliche systemische Schwachstellen des Asylsystems und gravierende Rechtsverletzungen gegenüber einem anderen Personenkreis bestehen. Erforderlich ist vielmehr nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 7.3.2022 - 1 B 21.22 -, juris Rn. 13), dass aufgrund dieser Schwachstellen des Asylsystems und der Aufnahmebedingungen in dem betreffenden Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme bestehen, dass gerade die rechtsschutzsuchende Person im Zeitpunkt ihrer Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es erforderlich, dass gerade der betroffene Drittstaatsangehörige tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden (Urteil vom 22.2.2022 - C-403/20 -, juris Rn. 31). Insofern reicht es daher keineswegs, dass für einen anderen Personenkreis aufgrund Schwachstellen des Asylsystems die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC besteht. Es muss vielmehr gerade den Klägern aufgrund der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen konkret eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem ernsthaften Risiko (real risk) drohen, was hier aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel über die Situation von Dublin-Rückkehrern in Kroatien nicht angenommen werden kann.

Die von der Klägerin zu 2. angeführten gesundheitlichen Beschwerden, dass ihr in einem Krankenhaus in Griechenland die Gebärmutter sowie die Gallensteine entfernt worden seien und sie wegen Problemen mit der Lunge in geschlossenen Räumen Atembeschwerden habe, stehen ihrer Rücküberstellung nach Kroatien unter keinem Gesichtspunkt entgegen. Denn abgesehen davon, dass diese gesundheitlichen Beschwerden durch nichts belegt sind, ergeben sich daraus keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verletzung der Rechte der Klägerin zu 2. aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC, zumal - wie oben ausgeführt - in Kroatien eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Allein der Umstand, dass die Kläger zu 2. bis 8. minderjährig sind, steht der Rücküberführung der Kläger nach Kroatien ebenfalls nicht entgegen, da nach den oben dargestellten Aufnahmebedingungen in Kroatien auch eine Versorgung von Familien mit minderjährigen Kindern mit den lebensnotwendigen Gütern und Leistungen hinreichend sichergestellt ist. Auch der Umstand, dass in Deutschland eine nicht zur Kernfamilie gehörende (volljährige) Tochter der Kläger zu 1. und 2. lebt, steht ihrer Rücküberstellung nach Kroatien nicht entgegen, wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid vom 26. September 2022 zutreffend ausgeführt hat.

Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hinsichtlich der angeordneten Abschiebung nach Kroatien (vgl. Ziffern 2 und 3 des Bescheids der Beklagten vom 26. September 2022) können nach alldem nicht angenommen werden. Auch sind die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4 des Bescheids) rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen und mangels diesbezüglicher Einwände der Kläger wird insoweit ergänzend auf die zutreffenden Begründungen des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.