Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 01.06.2007, Az.: 71 IN 47/06
Zulässigkeit der Aufhebung der Stundung nach § 4c Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) bei Verkauf von Forderungen vor der Stellung des Insolvenzantrags; Pflicht des Schuldners zu Angaben einer Forderung im Vermögensverzeichnis bei deren Verkauf zu einem Bruchteil des Wertes zur Überprüfung einer anfechtbaren Schenkung
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 01.06.2007
- Aktenzeichen
- 71 IN 47/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 49849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2007:0601.71IN47.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4c Nr. 1 InsO
- § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO
Fundstellen
- ZInsO 2007, 840 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2007, 1059-1060 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Schuldner ist verpflichtet, im Vermögensverzeichnis Angaben zu machen zu einer Forderung (Nennbetrag 220.000 DM), die er für einen Bruchteil des Wertes (17.000 DM) verkauft hat, damit überprüft werden kann, ob eine anfechtbare (Teil)Schenkung vorliegt.
- 2.
Unterlässt der Schuldner dies, kann eine bewilligte Stundung gem. § 4c InsO aufgehoben werden.
Tenor:
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des ... wird die mit Beschluss vom 14.06.2006 bewilligte Stundung aufgehoben.
Gründe
I.
Durch Insolvenzantrag vom 25.04.2006 begehrte der Schuldner gleichzeitig Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung, wobei er in den Anlagen zum Eröffnungsantrag nicht erwähnte, dass er zusammen mit seinem Bruder sowohl eine Klage beim Landgericht in Braunschweig seit dem Jahre 2003 gegen eine GmbH mit Sitz in Kreiensen führte mit einer Klagsumme von 14.601,56 EUR, ferner stritten sowohl der Schuldner als auch sein Bruder seit Januar 2000 vor dem Landgericht Stade gegen eine Gemeinde um Werklohn in Höhe von 197.000 DM. Hier war dem Schuldner im Mai 2005 ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag über 65.000 DM gemacht worden, dies hatte der Schuldner zurückgewiesen.
Beide Verfahren wurden im Namen des Schuldners und seines Bruders geführt, es blieb unerwähnt, dass die dort eingeklagten Forderungen der Brüder am 10.02.2005 laut schriftlichem Kaufvertrag an einen Diplomkaufmann im Wege des Forderungskaufs verkauft worden waren. Gegenleistung sollte hier die Tilgung eines Darlehens des Forderungskäufers an den Schuldner und seinen Bruder aus dem Jahre 1999 über 12.000 DM zzgl. 8% p.a., damit bis zum Zeitpunkt des Kaufvertrages mit einer Gesamtsumme vom 17.631,94 DM sein.
Nachdem das hiesige Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 14.06.2006 eröffnet worden war, offenbarte der Schuldner diesen eben genannten Vorgang weder im Vermögensverzeichnis, in dem sich diverse uneinbringliche Forderungen befinden, noch gegenüber dem Insolvenzverwalter selbst, der hiesige Insolvenzverwalter erhielt erst Kenntnis von diesen Forderungen und den anhängigen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Ableben des Prozessbevollmächtigten des Schuldners in den dortigen Zivilverfahren.
Der Schuldner ist der Ansicht, dass er davon habe ausgehen können, dass eine Angabe dieser Forderungen im Insolvenzverfahren entbehrlich gewesen sei, denn diese Forderungen seien vor Antragstellung verkauft worden. Die gewährte Stundung sei deshalb nicht zu versagen.
II.
Die Voraussetzung für eine Aufhebung der Stundung gem. § 4 c Nr. 1 InsO liegen vor.
Der Schuldner hat vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unrichtige Angaben zu Umständen gemacht, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind, weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Der Schuldner war sowohl im laufenden Verfahren als auch bei Antragstellung gehalten, das Gericht bzw. den Insolvenzverwalter über die Zivilprozesse zu unterrichten, denn er führte diese Verfahren weiterhin in eigenem Namen, es stand zu erwarten, dass ggfs. bei einem für den Schuldner günstigen Ausgang der Verfahren dieser unmittelbar Ansprüche auf Zahlungen erwerben würde, denn er hatte in den jeweiligen Prozessverfahren nicht offen gelegt, dass die Forderungen vermeintlich bereits verkauft waren.
Eine Offenbarung dieser genannten Vorgänge war auch dringend erforderlich, weil schon eine Gegenüberstellung der mit dem Forderungsverkauf abzugeltenden Darlehensschuld in Höhe von ca. 17.000 DM und der demgegenüber doch wohl im wesentlichen werthaltigen Forderungen in Höhe von mehr als 220.000 DM eine Überprüfung wenigstens durch den Insolvenzverwalter im Hinblick darauf nahe lag, ob hier nicht der Schuldner dem Forderungskäufer eine anfechtbare Schenkung gewährt hatte.
Insoweit liegt hier ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO# vor, der die Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag eines Gläubigers rechtfertigt. Bei dieser Sachlage ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 16.12.2004 ZInsO 2005, 207) eine einmal bewilligte Stundung aufzuheben (LG Göttingen Beschluss vom 29.08.2005 - 10 T 113/05 = ZInsO 2005, 1340).
Das Insolvenzgericht hat sein Ermessen dahingehend ausgeübt, die Stundung aufzuheben. Das Verhalten des Schuldners stellt eine sehr schwere Pflichtverletzung dar, die die Aufhebung der Stundung rechtfertigt.
Die Entscheidungsbefugnis hat der Richter gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 RpflG an sich gezogen.