Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 12.06.2007, Az.: 71 IN 23/00

Anforderungen an die Zulässigkeit eines Antrags auf Versagung einer Restschuldbefreiung im Insolvenzrecht; Voraussetzungen für die Annahme einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung des Insolvenzschuldners gem. § 296 Abs. 1 S. 1 der Insolvenzordnung (InsO)

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
12.06.2007
Aktenzeichen
71 IN 23/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 54497
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2007:0612.71IN23.00.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für einen zulässigen Versagungsantrag gem. § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO genügt es, wenn Gläubiger Bezug nehmen auf einen Beschluss, in dem die Stundung wegen Verstoßes gegen eine Obliegenheit des § 295 InsO aufgehoben worden ist.

  2. 2.

    Die Informationspflicht des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO besteht nicht nur gegenüber dem Treuhänder, sondern auch gegenüber dem Insolvenzgericht.

  3. 3.

    Beruft sich der Schuldner auf eine Information des Treuhänders, handelt er schuldhaft gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO, wenn er sechs Monate lang keine Nachfrage beim Treuhänder vornimmt, den pfändbaren Teil seines Einkommens einbehält und keine Rücklagen bildet.

Tenor:

Die beantragte Restschuldbefreiung wird versagt.

Gründe

1

I.

Nachdem dem Schuldner mit Beschluss vom 14.08.2007 des Amtsgerichts, bestätigt durch Beschluss vom 26.09.2007 durch das Landgericht Göttingen, die bewilligte Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben worden ist, haben drei Gläubiger mit jeweiligem Schreiben vom 20.03.2008, 28.02.2008 sowie 26.02.2008 Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, die mit Beschluss vom 23.09.2004 durch das Amtsgericht dem Schuldner angekündigt worden ist. Seit dem 31.01.2005 ist das Insolvenzverfahren aufgehoben. Zur Begründung beziehen sich die Gläubiger im Wesentlichen darauf, dass nach Mitteilung des Insolvenzverwalters und aufgrund der Feststellung im Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 26.09.2007 hier die Restschuldbefreiung versagt werden müsse, denn der Schuldner habe entgegen der ihm auferlegten Verpflichtung dem Insolvenzgericht nicht unverzüglich angezeigt, dass er ab Juni 2006 einer Beschäftigung nachgegangen sei. Diese Bezüge habe er auch, obwohl sie von der Abtretungserklärung erfasst worden waren, nicht an den Treuhänder abgeführt.

2

Der Schuldner hält die Versagungsanträge bereits aus formalen Gründen für unzulässig, weil sie nur lapidar ausführten, dass der Schuldner seine Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung von Insolvenzgläubigern beeinträchtigt habe. Ein genauer Sachverhalt werde nur ungenügend dargeboten. Im Übrigen meint er aber auch, dass ihm die auch durch das Landgericht festgestellte Pflichtverletzung nicht angelastet werden könne, weil sie jedenfalls nicht schuldhaft begangen worden sei.

3

II.

Dem Schuldner ist die Restschuldbefreiung gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit § 296 InsO zu versagen, weil er unstreitig die Einkünfte aus der neuen Arbeitsstelle ab Juni 2006 gegenüber dem Gericht nicht angezeigt hat, ferner die von ihm erzielten Einkünfte von ca. 1.496 EUR hinsichtlich des pfändungsfreien Betrages auch in der Folgezeit nicht abführte und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.

4

Die Stellungnahme des Schuldners kann diesen Versagungsgrund nicht ausräumen.

5

Zum einen ermangelt es den Versagungsanträgen auch nicht an der formalen Zulässigkeit. Sie sind im Hinblick auf die den Gläubigern und auch dem Schuldner bekannt gegebene Entscheidung des Landgerichts Göttingen vom 26.09.2007 mit den darin genannten ausführlichen Gründen der Versagung substantiiert genug, weil für jeden unbefangenen Dritten, insbesondere auch für den Schuldner, durch Bezugnahme der Gläubiger auf diesen Beschluss klar war, welches Fehlverhalten sie dem Schuldner zur Begründung der Versagung der Restschuldbefreiung anlasten. Hierzu hat der Schuldner auch genügend Stellung nehmen können.

6

Im Übrigen liegt auch entgegen der Ansicht des Schuldners eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung vor, denn der Schuldner ist auf seine Anzeigepflichten gegenüber dem Insolvenzgericht genügend durch den Beschluss vom 23.09.2004 und das beigefügte Merkblatt zur Wohlverhaltensperiode hingewiesen worden. Selbst wenn er meinte, er genüge seiner Anzeigepflicht durch Übersendung eines Schreibens vom 05.07.2006 an den Insolvenzverwalter, wobei dieser bestreitet, dieses Schreiben jemals erhalten zu haben, hätte er aus den Merkblättern und dem Beschluss erkennen müssen, dass er gleichzeitig zur Anzeige gegenüber dem Insolvenzgericht verpflichtet war.

7

Im Übrigen konnte der Schuldner auch nicht darauf vertrauen, dass selbst nach dem von ihm behaupteten Schreiben vom 05.07.2006 seine Verpflichtung endgültig erloschen war. Unstreitig erhielt er in den Folgemonaten bis Dezember 2006, also für fast ein halbes Jahr, keine weitere Nachricht durch den Insolvenzverwalter, erst im Dezember 2006 wurde er mittels einer Regelanfrage zur Darlegung seiner evtl. geänderten Einkommensverhältnisse aufgefordert. Dieser Zeitablauf zeigt, dass der Schuldner, selbst bei Fertigung des Schreibens vom 05.07.2006, hier die Augen fest davor verschlossen hatte, die Gläubiger im Insolvenzverfahren durch die bereits abgetretenen überschießenden Gehaltsanteile weiter zu befriedigen. Ihm war abzuverlangen, dass er spätestens nach Ablauf einer Frist von 4 bis 6 Wochen sich nach dem Verbleib seines vermeintlichen Schreibens an den Insolvenzverwalter erkundigte und auch seiner Verpflichtung einer Anzeige gegenüber dem Gericht genügte. Zumindest aber hätte der Schuldner hier dafür sorgen müssen, dass evtl. dann rückwirkend abzuführende Beträge gesichert werden, um sie den Gläubigern zukommen zu lassen. Dies hat der Schuldner nicht vermocht, Zahlungen sind nicht geflossen, insoweit liegt auch auf der Hand, dass die Gläubiger geschädigt worden sind.

Dr. Brosche Richter am Amtsgericht