Amtsgericht Göttingen
Urt. v. 29.08.2007, Az.: 28 C 34/07

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
29.08.2007
Aktenzeichen
28 C 34/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62642
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2007:0829.28C34.07.0A

Fundstellen

  • WM 2007, 574-575 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 2007, 574-575 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 2008, 65-67 (Urteilsbesprechung von VorsRiOLG Karl F. Scheffler)

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Göttingen im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 20.08.2007 durch die Richterin am Amtsgericht Poltze

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 588,86 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2006 zu zahlen.

  2. 2.)

    Die Widerklage wird abgewiesen.

  3. 3.)

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kautionsrückzahlung aus einem beendeten Mietverhältnis; widerklagend begehrt der Beklagte eine Nachforderung aus Nebenkostenabrechnung.

2

Durch Mietvertrag vom 22.03.2004 mietete der Kläger bei dem Beklagten eine Zwei- Zimmerwohnung mit ca. 60 Quadratmetern zum Preis von 285,00 Euro Kaltmietzins zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 62,00 Euro, mithin 347,00 Euro. Das Mietverhältnis begann am 01.04.2004 und endete am 31.12.2005. Der Kläger zahlte eine Kaution in Höhe von 580,00 Euro, welche bis zur Abrechnung durch den Beklagten im Mai 2006 eine Verzinsung in Höhe von 18,68 Euro aufwies. Zum 01.08.2004 wurde die Nebenkostenpauschale zwischen den Parteien vereinbarungsgemäß um 20,00 Euro monatlich angehoben, da nach vorheriger Abstimmung mit allen Mietern ein Kabelanschluss freigeschaltet wurde.

3

Im April 2005 erfolgte die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004, aufgrund derer der Kläger eine Nachzahlung von 470,50 Euro leistete. Die Nebenkostenpauschale wurde daraufhin zum 01.07.2005 um weitere 30,00 Euro erhöht, so dass nunmehr bereits 112,00 Euro monatlich zu zahlen waren.

4

Im Mai 2006 erhielt der Kläger die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2005, in der ein Nachzahlungsbetrag von 627,05 Euro ausgewiesen wurde. Dieser Nebenkostenabrechnung widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.06.2006. Die allgemein den Kläger treffenden Betriebskosten betrugen in der Abrechnung für den Zeitraum 01.04.2004 bis 31.12.2004 841,47 Euro, die Heizkosten 437,03 Euro. In der Abrechnung für das Jahr 2005 betrugen die Betriebskosten 1 202,82 Euro, die auf den Kläger entfallenden Heizkosten 618,22 Euro. Der Kläger leistete im Jahre 2005 insgesamt Vorauszahlungen in Höhe von 1 194,00 Euro.

5

Der Vormieter des Klägers ... schaltete im Mai 2004 den Deutschen Mieterbund im Hinblick auf die ihm vom Beklagten übersandte Nebenkostenabrechnung vom 07.05.2004 ein, der den Beklagten in seinem Schreiben vom 17.05.2004 darauf hinwies, dass die auch schon dem Vormieter ... berechnete Nebenkostenvorauszahlung von 62,00 Euro monatlich nicht ausreichte, um die gesamten Heiz- und Nebenkosten abzudecken, die lt. Abrechnung ... für den Abrechnungszeitraum 01.08.2003 bis 31.12.2003 140,70 Euro monatlich (703,99 Euro gesamt) betrugen. In den Jahren 1999 bis 2003 betrug die vom Beklagten mit den Vormietern vereinbarte Vorauszahlung gleichbleibend ca. 60,00 €. Allein aufgrund der Fixkosten traf die jeweiligen Vormieter eine Nachzahlungsverpflichtung von durchschnittlich ca. 30,00 € monatlich. Die Vorauszahlungen reichten nicht zur Deckung der Fixkosten; die Verbrauchskosten mussten grds. in voller Höhe nachgezahlt werden.

6

Der Kläger ist der Ansicht, den vom Beklagten geforderten Nachzahlungsbetrag für die Neben- und Heizkosten 2005 nicht zahlen zu müssen, da ihm ein Freistellungsanspruch aufgrund eines Schadensersatzanspruches gegen den Beklagten zustehe. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Beklagte aufgrund des Schreibens des Mieterschutzbundes betr. den Vormieter ...gewusst habe, dass die Nebenkostenvorauszahlung von 62,00 Euro bei Weitem nicht ausreiche, um die tatsächlich anfallenden Heiz- und Nebenkosten abzudecken.

7

Der Kläger beantragt deswegen,

8

wie erkannt. Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Widerklagend beantragt er,

  1. den Kläger zu verurteilen, an den Kläger 38,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen.

10

Er ist der Auffassung, durch die unstreitig erklärte Aufrechnung aus der Nachzahlungsforderung für das Jahr 2005 gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers stehe diesem der Klageweise geltend gemachte Anspruch nicht zu; dem gegenüber habe der Beklagte gegen den Kläger noch den Restzahlungsanspruch in Höhe von 38,18 Euro.

Entscheidungsgrunde

11

Die Klage ist begründet, die Widerklage unbegründet.

12

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auszahlung der Kaution einschließlich der geltend gemachten Zinsen aus dem zwischen den Parteien inzwischen beendeten Mietverhältnis.

13

Dieser Anspruch des Klägers ist nicht durch die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, denn der Kläger kann im Wege des Schadensersatzes Befreiung von den streitgegenständlichen Nebenkostenforderungen für das Jahr 2005 verlangen. Dieser dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch ergibt sich aus §§ 311 Abs. 2, 241, 280 Abs. 1 BGB, denn der Beklagte hat im Rahmen der vorvertraglichen Verhandlungen eine ihm obliegende Pflicht zur Aufklärung über die zu erwartende Höhe der Neben- und Heizkosten schuldhaft verletzt.

14

Grds. ist die Vereinbarung von Vorauszahlungen nicht an eine bestimmte Höhe gebunden, solange die sich aus dem Gesetz ergebende Obergrenze beachtet wird (§ 556 Abs. 2 BGB). Der Vermieter ist nicht verpflichtet, Vorauszahlungen auf die umlegbaren Nebenkosten so zu kalkulieren, dass sie etwa kostendeckend sind. So hat der BGH mit Urteil vom 11.02.2004 (AZ.:VIII ZR 195/03; NJW 2004, 121 ff.) unter Hinweis auf die vom Vermieter nicht zu beeinflussenden und in der Höhe nicht voraussehbaren verbrauchsabhängigen Kosten entschieden. Danach soll eine Pflichtverletzung des Vermieters in Zusammenhang mit der Vereinbarung von Vorauszahlungen bei Vertragsschluss nur dann in Betracht kommen, wenn besondere Umstände gegeben sind (vgl. aaO m.w.N.).

15

Solche besonderen Umstände liegen hier vor. Aus den vom Beklagten vorgelegten Betriebskostenabrechnungen seit 1999 ergibt sich, dass die Vorauszahlungen der Vormieter schon in den Jahren vor dem hier streitigen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger nicht ausreichten, um nur die verbrauchsunabhängigen Kosten zu decken. Durchschnittlich waren die Vorauszahlungen mit ca. 30,00 € monatlich zu gering kalkuliert. Eine Deckung der verbrauchsabhängigen Kosten erfolgte überhaupt nicht, so dass die Vormieter durchschnittlich mehr als 100 % der im Voraus gezahlten Beträge noch einmal als Nachzahlungen leisten mussten (1999: Vorauszahlung: 1 080,00 DM - Nachzahlung: 990,53 DM; 2000: Vorauszahlung: 1 440,00 DM - Nachzahlung: 1 558,01 DM; 2001: Vorauszahlung: 245,42 € - Nachzahlung: 251,64 €; 2002: Vorauszahlung: 736,32 € - Nachzahlung: 804,24 €).

16

Aufgrund der Erfahrungen aus den Vorjahren war dem Beklagten bekannt, dass die mit dem Kläger vereinbarte Vorauszahlung von 62,00 € keinesfalls ausreichen würde, um allein die Fixkosten der Wohnung zu decken. Über diesen Umstand hätte der Beklagte den Kläger bei Vertragsabschluss aufklären müssen, da ein Vermieter davon ausgehen muss, dass auch die Höhe der Betriebskosten auf die Entscheidung eines potenziellen Mieters für einen Vertragsschluss wesentlichen Einfluss hat, auch ohne dass der Mieter ausdrücklich danach fragt. Wenn wie in diesem Fall der Vermieter von vornherein weiß, dass schon erheblich höhere Fixkosten anfallen, als durch den Vorauszahlungsbetrag gedeckt sind (hier ein Überschreitung von ca. 50 %), so begründen diese besonderen Umstände eine Aufklärungspflicht bei Vertragsschluss, die einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung dieser Pflicht auslöst.

17

Aus den vorgenannten Gründen steht dem Beklagten auch der widerklagend geltend gemachte Betrag nicht zu.

18

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

19

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschluss

In dem Rechtsstreit

...

Geschäftszeichen: 31962/06

gegen

...

Geschäftszeichen: 162/07

wird der Wert des Streitgegenstandes festgesetzt auf 627,04 €.

Poltze